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Was ist das Positive an der Positiven Psychologie, Frau Blickhan?

Daniela Blickhan, Trainerin, Coach und Junfermann-Autorin, hat vor fünf Jahren angefangen sich mit Positiver Psychologie zu beschäftigen. Heute engagiert sie sich dafür, diesem Ansatz im deutschsprachigen Raum mehr Geltung zu verschaffen und berichtet im folgenden Interview, was sie tut – und warum sie es tut.

 

Daniela Blickhan

Sie beschäftigen sich schon länger mit der Positiven Psychologie, aber in diesem Jahr starten Sie „voll durch“. Woher rührt Ihr Interesse – und was motiviert Sie zu diesem starken Engagement?

Ich habe Psychologie studiert und arbeite seit über 20 Jahren als Trainerin und Coach, um Menschen dabei zu unterstützen, ihre Stärken zu erkennen und einzusetzen. Die Positive Psychologie als Forschungsgebiet der akademischen Psychologie gibt es seit knapp 15 Jahren, und vor etwa fünf Jahren bin ich erstmals damit in Kontakt gekommen. Mir war sofort klar, dass hier eine ganz entscheidende Verbindung möglich ist: Die Positive Psychologie liefert wissenschaftliche Belege für das pragmatische Wissen aus lösungsorientierten Ansätzen wie NLP und Systemik, mit denen ich seit Jahren arbeite.

Mein Mann und ich waren bereits in den achtziger Jahren aktiv dabei, als das NLP in Deutschland Fuß fasste und haben seitdem im Feld einiges bewegt. Die Positive Psychologie steht im deutschsprachigen Raum gerade am Anfang und mir ist wichtig, diese Entwicklung aktiv zu unterstützen. Ich hoffe, dass wir in einigen Jahren auch einen Masterstudiengang „Angewandte Positive Psychologie“ in Deutschland haben werden, so wie er bisher schon in USA, England, Dänemark und in den Niederlanden angeboten wird.

 

Das bereits oben angesprochene starke Engagement äußert sich ja u.a. darin, dass Sie in diesem Jahr nicht weniger als drei Kongresse zur Positiven Psychologie veranstalten. Als Referenten konnten Sie Größen wie Martin Seligman und Mihály Csíkszentmihályi gewinnen. Wen möchten Sie mit diesen Veranstaltungen erreichen und was erhoffen Sie sich davon?

Unsere Kongresse sind institutsübergreifende Veranstaltungen. Martin Seligman war bereits zweimal in Deutschland, doch dass er nun zusammen mit anderen Größen der (Positiven) Psychologie zu sehen ist, ist wirklich etwas Besonderes. Wir möchten mit diesen Kongressen dazu beitragen, dass die Positive Psychologie im deutschsprachigen Raum einem breiten Publikum bekannt wird.

In Rosenheim (5.-6.7.2014) wird der Schwerpunkt auf Business-Coaching und Leadership liegen, und wir hoffen, damit Führungskräfte, Business-Coaches und Unternehmer für die effektiven Methoden der Positiven Psychologie begeistern zu können. Neben Seligman spricht in Rosenheim Robert Biswas-Diener, der „Indiana Jones der Positiven Psychologie“. Er ist nicht nur ein bekannter (Business-)Coach, sondern hat auch in Indien, bei den Inuit und bei anderen indigenen Völkern über Glück geforscht – daher sein Beiname.

In Berlin (12.-13.7.2014) liefern Seligman und Csíkszentmihály, die Begründer der Positiven Psychologie, ein „Update“ zur aktuellen Forschung. Seligman spricht über seine „Vision2051“: Wie können wir dazu beitragen, dass im Jahr 2051 51 % der Weltbevölkerung „aufblühen“? Csíkszentmihály, der Begründer des „Flow“, ist bekannt für seine konstruktiven, gesellschaftlich relevanten Ansätze. Sein Vortrag wird sicher auch etwas ganz Besonderes. Außerdem werden in Berlin viele weitere namhafte deutsche Forscher zu Wort kommen.

Und in Graz (27.-29.6.2014) bieten wir einen Workshop an: Barbara Fredrickson, die führende Forscherin auf dem Gebiet der positiven Emotionen, wird an zwei Tagen Schwerpunkte ihrer Arbeit vorstellen und so Coaches und Therapeuten motivieren, die positiven Gefühle ihrer Klienten stärker zu sehen und zu fördern.

 

Ganz neu ist auch der „Deutschsprachige Dachverband für Positive Psychologie e.V. (DACH-PP), den Sie im letzten Jahr mitgegründet und dessen 1. Vorsitzende Sie sind. Welche Ziele verfolgt der Verband, was möchten Sie erreichen?

Ziel des DACH-PP e.V. ist die Förderung der Positiven Psychologie in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Um dieses Ziel bereits im Namen auszudrücken, haben wir uns für „D-A-CH-PP“ entschieden. Die Positive Psychologie, eigentlich ein Gebiet der akademischen Psychologie, soll so einem breiten interessierten Publikum zugänglich gemacht werden. Bis zum letzten Jahr gab es zwar einige Studiengänge für Positive Psychologie, aber noch keine angewandten Ausbildungen. Die Ansätze der Positiven Psychologie sind aber viel zu hilfreich, als dass sie nur im akademischen Bereich bleiben dürften. Der DACH-PP e.V. will deshalb die praktische Anwendung der Positiven Psychologie in verschiedenen Feldern fördern, wie z.B. im Coaching, in der Psychotherapie, in Beratung, Schule, Hochschule, Wirtschaft und Politik.

Der DACH-PP e.V. versteht sich als Austauschplattform und Koordinationsstelle für Initiativen, die sich der wissenschaftlich begründeten Anwendung der Positiven Psychologie verpflichtet fühlen. Ein weiteres zentrales Ziel ist, Qualitätsstandards für Fort- und Ausbildungen im Bereich der Positiven Psychologie im deutschsprachigen Raum zu sichern, die ihren Schwerpunkt auf der Anwendung im praktischen Feld haben (z.B. Coaching, Beratung, Wirtschaft, Pädagogik). Dazu wurden bereits Ausbildungsstufen mit den entsprechenden Inhalten definiert, ebenso die Anforderungen an die Qualifikation der Ausbilder.

Folgendes wollen wir mit dem Dachverband erreichen:

  • Anregen und Fördern wissenschaftlicher Forschungsarbeiten auf den Gebieten der Positiven Psychologie,
  • Planen, Fördern und Koordinieren von Aus- und Fortbildungsprogrammen auf dem Gebiet der Angewandten Positiven Psychologie,
  • Informationsvermittlung im Bereich der Angewandten Positiven Psychologie durch Tagungen, Kongresse und Vorträge sowie Publikationen.

 

Wenn ein Verfahren / ein methodischer Ansatz plötzlich sehr stark gefragt ist, dann liegt das ja meistens daran, dass es irgendwo ein wachsendes Bedürfnis gibt. Auf welches Bedürfnis reagiert die Positive Psychologie?

Die Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom guten Leben. Die Frage, was unser Leben lebenswert macht, und wie wir uns zu erfüllten, glücklichen Menschen entwickeln können, ist beileibe nicht neu. Sie wird seit Jahrtausenden von Menschen gestellt und wurde genauso lange immer wieder von verschiedenen Institutionen beantwortet. Die Philosophie gibt Antworten darauf, ebenso die Religion – und der gesunde Menschenverstand („Großmutters Ratschläge“). Das besondere Verdienst der Positiven Psychologie ist, dass sie wissenschaftlich erforscht, welche Faktoren Glück, Hoffnung, Dankbarkeit und Lebenszufriedenheit unterstützen, um nur einige der Forschungsgebiete der Positiven Psychologie zu nennen.

Wenn Sie heute eine Zeitung aufschlagen, werden sie über kurz oder lang über Burn-Out, Depression, Werteverlust und Sinnkrise lesen. Der Verbrauch von Antidepressiva hat sich in Deutschland in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Wir arbeiten unter schwierigeren Bedingungen, höherem Zeitdruck und verschärften Anforderungen. Deshalb ist es allerhöchste Zeit, dass die Wissenschaft Antworten darauf liefert, was uns gesund erhält, stark macht und widerstandsfähig. In den letzten 15 Jahren hat sich die Anzahl der Forschungsarbeiten, die sich mit solch positiven Fragen beschäftigen, exponentiell vermehrt. Die Positive Psychologie kann wirksame Methoden bereitstellen. Das Schönste daran ist, dass diese Methoden leicht in den persönlichen Alltag integrierbar sind.

 

Was sagen Sie zu kritischen Stimmen? Beispielsweise erschien 2011 im Spiegel ein Artikel unter der Überschrift „Die Gefahren des Gute-Laune-Zwangs“, in dem auch die Positive Psychologie kritisiert wurde.

Positive Psychologie ist weit mehr als „Happiness“. Leider kommen viele amerikanische Bücher mit allzu griffigen Titeln daher. Seligmans vorletztes Buch hieß zum Beispiel „Authentic Happiness“. Das suggeriert, dass positive Psychologie in die gleiche Ecke gehört wie Positives Denken und dass man einfach nur lächeln braucht, dann wird schon alles gut. Seligmans letztes Buch dagegen trägt den Titel „Flourish – wie Menschen aufblühen“ und allein daran wird deutlich, dass es um weit mehr geht als nur um gute Gefühle. „Flourishing“ ist eines der zentralen Konzepte der Positiven Psychologie und damit knüpft sie an bekannte Vertreter der humanistischen Psychologie an, wie Maslow und Rogers, die bereits in den sechziger Jahren von optimaler menschlicher Entwicklung sprachen. Das ist eben gerade kein „Gute-Laune-Zwang“.

In der Positiven Psychologie geht es um Glück, und Glück ist mehr als gute Laune. Man kann Glück in zwei komplementäre Aspekte fassen: Einmal das Wohlfühl-Glück („Hedonic Happiness“), das positive Emotionen und das angenehme Leben umfasst. Das alleine genügt uns aber auf Dauer nicht. Für eine positive menschliche Entwicklung und wirkliche Zufriedenheit brauchen wir das sogenannte Werte-Glück („Eudaimonic Happiness“), bei dem es um Sinn, Erfüllung und Engagement geht. Wenn Menschen ihre Stärken wert- und sinnvoll einsetzen, um ihre Ziele und Visionen zu erreichen, dann wachsen sie. Deshalb ist positive Psychologie weder mit guter Laune noch mit Zwang gleichzusetzen, sondern vielmehr damit wie Menschen sich optimal entwickeln können. Und das sagte bereits Goethe: „Werde, der du bist!“

 

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sie haben ein Masterstudium Positive Psychologie in London absolviert, organisieren die drei o.g. Kongresse, haben den neuen Dachverband mitbegründet, arbeiten an einem Buch zur Positiven Psychologie … und machen bestimmt noch viele, viele andere Dinge. Woher nehmen Sie die Energie?

Die Methoden der Positiven Psychologie wirken! Ich arbeite seit über 20 Jahren mit lösungsorientiertem Coaching und mit NLP, doch seit ich mich mit Positiver Psychologie beschäftige, habe ich selbst persönliche Veränderungen erlebt, die ich so gar nicht erwartet hätte. Für mich ist diese Arbeit sehr, sehr sinnvoll und unglaublich bereichernd. Wenn ich höre, wie Teilnehmer nach nur wenigen Impulsen in einem Seminar beschreiben, wie sich ihr Leben verändert hat, dann ist das für mich eine ganz starke Motivation, die Konzepte und Methoden der Positiven Psychologie weiter bekannt zu machen. Es macht einfach auch unglaublich viel Freude und ist Flow! Deshalb habe ich mich auch in ein noch größeres Projekt gestürzt und promovierte nun im Feld der Positiven Psychologie. Das ist 20 Jahre nach Abschluss meines ersten Studiums ein durchaus ehrgeiziges Projekt!

Für mich ist sehr hilfreich, dass meine ganze Familie mich voll und ganz in dieser intensiven Phase unterstützt. Mein Mann, mit dem ich das Inntalinstitut seit über 20 Jahren leite, ist selbst Psychologe und unsere beiden Kinder studieren auch Psychologie. Ich finde es wunderbar, auch mal innerhalb der Familie „fachsimpeln“ zu können.

 

Hier finden Sie weitere Informationen zu den Kongressen zur Positiven Psychologie.

Hier geht es zum DACH-PP e.V.