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Buch des Monats

Buch des Monats – März 2023: „Die Kraft unserer Emotionen“ von Ruben Langwara & Dirk Eilert

Emotionaler Stress ist eines der Kernprobleme des 21. Jahrhunderts. Wie können wir die emotionalen Herausforderungen der modernen Leistungsgesellschaft meistern und zurück in unsere Kraft kommen? Diesen Fragen stellen sich Ruben Langwara und Dirk Eilert in ihrem Buch „Die Kraft unserer Emotionen – Resilient und stressfrei mit Mesource“, unserem Buch des Monats im März.

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Nur „Aufschieberitis“ oder prokrastinierst du schon?

In ihren Coachings begegnen Annette Bauer immer wieder Menschen, hinter deren Aufschiebeverhalten alte Geschichten steckten. Damit verbunden sind auch Emotionen, die mit etwas zusammenhängen, das sie einmal erlebt haben. Den Betroffenen selbst ist das manchmal gar nicht bewusst, nie wären sie daraufgekommen, das verhasste Aufschiebeverhalten mit dieser alten Geschichte in Verbindung zu bringen. Als Coach, die mit emotionsbezogenen Methoden arbeitet, wundert sich Annette Bauer jedoch weitaus weniger …

Welche Gefühle spielen eine Rolle, wenn Sie aufschieben?

Ertappen auch Sie sich manchmal dabei, dass Sie Dinge lange vor sich herschieben? Oder haben Sie sogar schon negative Konsequenzen erfahren, weil Sie immer wieder – teils sehr wichtige – Erledigungen und Aufgaben verschieben? Wagen Sie einen ersten Blick auf die Hintergründe.

Wenn Sie auf Ihr Aufschiebeverhalten schauen, welche Art von Gefühlen regen sich dann eher bei Ihnen?

Die folgende kleine Tabelle kann ihnen helfen, Ihre eigenen Gefühle leichter in Worte zu fassen. Mehrfachnennungen sind möglich (und auch wahrscheinlich).

 

„Wenn ich jetzt an mein Aufschieben denke, empfinde ich …“

Angst Gelassenheit
Unruhe Innere Ruhe
Wut Angenehmen Nervenkitzel
Lebens- oder Existenzangst Amüsiertheit
Zögerlichkeit Inneres Kribbeln
Zweifel Zufriedenheit
Unzufriedenheit Erleichterung
Verzweiflung Zuversicht
Sorgen Entspannung
Ärger Selbstsicherheit
Selbstzweifel Vorfreude
Erleichterung

 

Finden Sie sich eher in den Gefühlen und Aussagen auf der linken Seite wieder? Diese passen eher zu Aufschieber*innen mit Problempotenzial, zu Menschen, die mit akademischem Aufschieben zu tun haben, oder gar zu pathologischen Aufschiebenden. Negative Emotionen sind eher ein Indikator für Stress, der mit dem Aufschiebeverhalten verbunden ist. Ihr Aufschieben geht nicht spurlos an Ihnen vorüber.

Finden Sie sich eher in den Gefühlen und Aussagen auf der rechten Seite wieder? Dann atmen Sie tief durch. Ihre positiven Gefühle stehen eher für einen entspannten Grundzustand und dafür, dass Sie sich im normalen Spektrum des Aufschiebeverhaltens bewegen.

Auch wenn Sie hier negative Emotionen und Aussagen bei sich entdecken, können Sie etwas tun!

Die gute Nachricht ist: Veränderung kann immer gelingen. Ganz gleich, in welchem Kontext. Wollen Sie mit dem Rauchen aufhören? Das geht, wenn Sie den richtigen Weg für sich finden. Sie möchten Ihr Ernährungsverhalten verändern? Auch das ist möglich, mit guter Beratung und Übung und einem für Sie passenden Zugang, der ohne Dogmen daherkommt. Sie möchten Tanzen lernen? Ein Tanzkurs sollte helfen, und ja, die eine wird zur fröhlich-leichten Tänzerin in allen Lebenslagen, der andere bleibt etwas knöchern bei den Grundschritten, kommt aber für „den normalen Hausgebrauch“ ganz gut zurecht.

Veränderung kann auch in Bezug auf Aufschiebeverhalten gelingen. Wenn Sie den mutigen Blick darauf wagen, wie Ihr persönliches Aufschieben gelagert ist.

Ist es eher einer Arbeitsstörung ähnlich oder sind es die kleinen Dinge des Alltags? Schieben Sie zwar Dinge auf die lange Bank, aber eigentlich spielt es nicht wirklich eine Rolle, weil das Leben damit gut funktioniert? Oder leiden Sie unter aufgeschobenen Dingen, auch wenn sie nicht von Bedeutung sind? Gibt es da vielleicht ganz andere Probleme und Beschwerden, zu denen das Aufschieben noch hinzukommt?

Diesen Blick kann Ihnen niemand abnehmen. Aber: Wenn Sie den Blick wagen, können Sie am richtigen Punkt nach der passenden Unterstützung schauen und in den Veränderungsprozess einsteigen. Und der kann dann auch gelingen.

(Quelle: Auszug aus dem Buch Auf die lange Bank: Wenn Aufschieben zum Problem wird von Annette Bauer, erschienen im September 2019)

 

Über die Autorin

Annette Bauer ist systemischer Coach sowie Strukturaufstellerin und seit fast 20 Jahren in der Begleitung und Beratung von Menschen in der Seelsorge tätig. Sie beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Lehre der Achtsamkeit und arbeitet als Coach mit Vielbegabten.

Produktivitätscheck im Homeoffice

Wo bleibt die Arbeitszeit?

Von Rositta Beck

Für mich ist es ein Privileg, auch im Homeoffice arbeiten zu können. Durch dieses Arbeitszeitmodell kann ich Privates und Geschäftliches besser miteinander vereinbaren und die jeweiligen Pflichten, die es zu erledigen gilt, leichter erfüllen. Auch meine Produktivität erhöhe ich auf diese Weise, da es weniger Unterbrechungen von außen gibt. Doch wie viel Zeit im Büro verbringe ich tatsächlich mit Geschäftlichem? Wie viel meiner Bürozeit schmilzt durch „schnell mal Spülmaschine einräumen, Waschmaschine anstellen …“ – also Privates? Das wollte ich genau wissen und nahm das Homeoffice-Modell einmal genauer unter die Lupe. Mein Fazit: Es gibt gute Gründe, warum es trotz technischer Möglichkeiten nicht zu einem Massenphänomen wird. Ein Grund ist: Es braucht ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin und Selbstführung. Wenn Sie Homeoffice betreiben oder mit dem Gedanken spielen, es zukünftig für sich zu nutzen, finden Sie hier einige Tipps, damit das Arbeiten von zu Hause ein Erfolg wird:

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Die Vorbereitung

  1. Tipp: Planen und arbeiten Sie in „Blöcken“.

Das Bündeln von gleichartigen Aufgaben zählt zu den Methoden effizienter Arbeitsorganisation. Rüstzeiten fallen weg, da Programme bereits gestartet sind und auch der Kopf „gerüstet“ ist. Zu meinen Aufgabenpaketen im Homeoffice zählen

  • Angebote/Konzeptionen von Veranstaltungen,
  • Vorbereitungen von Beratungen, Coachings und Seminaren,
  • Marketingaktivitäten,
  • Produktentwicklung,
  • E-Mailmanagement sowie
  • Literatur, eigene Weiterbildung und Planung.
  1. Tipp: Nutzen Sie Farben für mehr Übersicht in Ihrer Aufgabenliste und im Kalender.

Vergeben Sie für jede Tätigkeit eine Farbe. Über Outlook heißt diese Funktion „Kategorien“. Neben der Farbe wird auch der Name der Tätigkeit angezeigt. Dieselbe Farbe kann mehrfach vergeben werden, beispielsweise Gelb für alle Aktivitäten rund um das Marketing (Blogbeitrag, Newsletter, Homepage-Texte …). Das erleichtert die Planung, da die farbigen Blöcke leicht zu finden und damit zu kombinieren sind.

  1. Tipp: Legen Sie am Vortag fest, was Sie am nächsten Arbeitstag erledigen.

Notieren Sie alle Aufgaben und priorisieren Sie Ihre Liste. Schätzen Sie zu jeder Aufgabe, wie viel Zeit Sie einsetzen werden. Mit der Frage „Wie viel ist die Aufgabe zeitlich wert?“ prüfe ich Aufwand und Nutzen. Nach Michael Gerber (2002) unterscheide ich zusätzlich Fachkraft-, Management- und Unternehmer-Aufgaben. Bei Letzteren geht es um die Arbeit am statt im Unternehmen. Diese Aufgaben haben einen besonders hohen Wert/Nutzen für mich. Legen Sie auch fest, wie viel Zeit Sie für Privates einplanen möchten.

 

Die Durchführung

  1. Tipp: Tracken Sie Ihre Aktivitäten.

Um eine Tagesauswertung zu erhalten, hatte ich mir zunächst einige Apps auf das Smartphone geladen. Keine so richtig gute Idee, denn da tauchen auch gerne Ablenkungen wie WhatsApp oder SMS auf. Ein Programm für die Erfassung unterschiedlicher Aktivitäten über den PC vergaß ich oft, da das entsprechende Fenster hinter der Anwendung lag.

Meine Lösung fand ich im ZEI Timeluar. Er sieht aus wie ein Würfel und hat acht beschreibbare Flächen. Es gibt auch vorbereitete Aufkleber mit Piktogrammen. Über Bluetooth ist der ZEI mit dem PC verbunden. Sobald ich die entsprechende Fläche nach oben lege, führt er Buch über meine Aufgabenart und -dauer.

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Wie einfach man den ZEI Timeluar anwendet, ist in diesem Video erklärt. Es gibt auch eine App für Android und IOS Smartphones. So ist auch das Tracken abseits des Schreibtisches möglich.

 

Die Auswertung

  1. Tipp: Werten Sie Ihren Arbeitstag aus.

Unliebsamen Aufgaben weichen Menschen ja gerne aus. Der ZEI Timeluar hat mir das Tracking meiner Arbeitszeit sehr leicht gemacht. Gut ablesbar war mein Ausweichmanöver vor der Tageskröte Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). „Spontan“ lockte mich das Schreiben eines Artikels weg von ihr. Meine eigene Entschuldigung: Ein Artikel ist für das Marketing wichtig und den einen habe ich ja schnell aufgesetzt! Dachte ich! Am Ende des Tages blieb die DSGVO-Aufgabe unerledigt übrig. Machen Sie sich also nichts vor: Die Tageskröte wird Sie so lange verfolgen, bis Sie sie in Angriff nehmen – oder sinnvoll delegieren! (In meinem Fall freute sich eine externe Beraterin. Das war ich mir wert!)

Kommen auch Sie sich auf die Schliche. Stellen Sie sich diese Fragen und leiten Sie daraus Lösungen ab:

  • Wann und durch was bin ich vom Tagesplan abgewichen?
  • Wann habe ich eine Aufgabe angefangen?
  • Durch was wurde die aktuell begonnene Aufgabe unterbrochen?
  • Um welche Uhrzeit kamen die meisten Telefonate herein?
  • Welche Aufgabe habe ich spontan vorgezogen?
  • Mit was habe ich mich länger befasst als geplant?
  • Wie ist das Verhältnis zwischen Fachkraft-, Management- und Unternehmer-Aufgaben?
  • Wie viel Zeit nutzte ich für private Aktivitäten wirklich?
  1. Tipp: Feiern Sie sich für das Erreichte des Tages

Ein Blick auf meinen ZEI und ich kenne mein Zeit-Guthaben beispielsweise für Privates. Ich weiß jetzt, wie viel Zeit mich ein Artikel wirklich kostet und wie viele Stunden ich geschäftlich gearbeitet und privat genutzt habe. Guten Gewissens schließe ich meine Homeoffice-Bürotür, nachdem ich Tipp 3 umgesetzt habe. Yogamatte – ich komme!

Über die Autorin:

Coach Büroorganisation Coaching Arbeitsorganisation Prozesse

Coach Büroorganisation Coaching Arbeitsorganisation Prozesse

Rositta Beck spezialisiert sich mit ihrem Beratungs- und Weiterbildungsunternehmen auf Erfolgsstrukturen in der Büro- und Arbeitsorganisation. Seit 1999 zählen neben Büro-Check-Up und Vor-Ort-Beratung auch Seminare, Arbeitsplatz-Coachings, Webinare und Vorträge zum Angebot. Alles gewürzt mit einer Prise Humor. Mehr über Rositta Beck auf www.denkvorgang.com und www.arbeitsplatz-coaching.de.

2017 erschien ihr Buch Büro-Effizienz in zweiter Auflage im Junfermann-Verlag.

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Literatur

Gerber, Michael (2002): Das Geheimnis erfolgreicher Firmen. Warum die meisten kleinen und mittleren Unternehmen nicht funktionieren und was Sie dagegen tun können. ACCORD Unternehmensentwicklungsgesellschaft.

 

Hochstapler oder hochbegabt?

Glaubenssätze: Begleiter mit blockierender Kraft

Von Annette Bauer

Glaubenssätze, diese „inneren Wahrheiten“, beeinflussen unser Verhalten und unsere täglichen Handlungen. Sie bilden eine Art Rahmen, der im wahrsten Sinne des Wortes die Grenzen des Möglichen absteckt.

Wie wirken diese Glaubenssätze eigentlich genau? Und was macht sie in negativer Weise so kraftvoll, dass sie uns zuweilen blockieren?

Glaubenssätze

Robert Dilts spricht von Kongruenz mit dem, was wir glauben. Und Glaube ist in diesem Kontext = Wahrheit. Die empfundene Wahrheit des Individuums. Sie ist ein persönlich geprägtes, ureigenes Konstrukt des Einzelnen. Meine Wahrheit bilde ich aus meinen Erlebnissen, Erfahrungen und dem, was ich gelernt habe. Und damit ist nicht das erlernte Schulwissen gemeint, sondern das, was die „Schule des Lebens“ lehrt. Es handelt sich – und das ist ausschlaggebend – um ein geprägtes Bild dessen, was für mich wirklich ist, ohne der Realität zu entsprechen.

Auch wenn nicht jeder seine Glaubenssätze kennt, sind sie doch bei jedem vorhanden. Solange sie keine Blockaden auslösen und das Leben schwer machen, schlummern sie mitunter unbemerkt. Zwicken hier und da, aber man kommt klar.

Für Vielbegabte und sogenannte Scannerpersönlichkeiten, also Menschen, die über große Begeisterungsfähigkeit, Neugierde und Kreativität verfügen, gehen Glaubenssätze auch mit dem sogenannten Hochstaplersyndrom einher (engl. Impostor phenomenon, nach Clance & Imes, 1978, einzusehen unter http://psycnet.apa.org/record/1979-26502-001). Und das kann ein schmerzvoller Begleiter sein. Menschen, die darunter leiden, sprechen sich selbst ihr Können und ihre (nachgewiesenen) Erfolge ab. Und sie werden begleitet von typischen Glaubenssätzen wie „Ich bin nicht gut genug“, „Dieser Erfolg war ein Zufall/reines Glück“ … Bei Vielbegabten, die über Begabungen in mehreren Bereichen verfügen, variieren die Sätze: „Ich bin in nichts richtig gut“, „Ich bin in nichts ein Experte“ oder auch „Mich erkennt man nicht an, weil ich nichts richtig kann“.

Wenn ich auf mich selbst schaue, so kann ich sagen, dass ich die lähmende Kraft der Hochstapler-Glaubenssätze zur Genüge kenne. In der Zeit meines Lebens, als ich noch nicht wusste, dass ich vielbegabt und eine Scannerin bin, hatten mich diese Sätze immer wieder in ihren Klauen. Heute, vertraut mit meiner Begabung und nach einer persönlichen Spurensuche, nach inneren Auseinandersetzungen mit meinen persönlichen „Wahrheiten“ und Glaubenssätzen, hat sich etwas verändert. Ich erkenne die innere Stimme, die mir das Können und den Erfolg in jeglicher Form abspricht, und kann mit ihr umgehen.

Als Vielbegabte hatte ich schon immer meine Nase in allem. Es gab kaum etwas, dem ich gar nichts abgewinnen konnte. Immer fand ich etwas, was interessant schien, und langweilig wurde mir nie. – Na ja, solange ich Kind war. Im Heranwachsen lernte ich gähnende Langeweile sehr wohl kennen und sie wurde mir sehr vertraut. Immer wieder stürzte ich mich auf Neues und immer wieder wurde es langweilig. Immer häufiger wurde erwartet, dass ich an etwas dran bleibe. Heute weiß ich, dass sich für Scanner Themen erschöpfen können. Sind sie erfasst und erforscht, verlieren sie ihre Faszination und man legt sie zur Seite. Dazu zählen meist Hobbys und private Interessen. Mitunter ist aber auch der berufliche Kontext betroffen.

Jeder Scanner hat in irgendeiner Form im Laufe seines Lebens den Appell „Mach doch mal was zu Ende!“ gehört – und sich gefragt: „Wie jetzt? Es ist doch zu Ende!“ Aber nicht für Menschen, die nicht so denken und fühlen wie Scanner. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum sich das Hochstaplersyndrom sehr bequem bei Vielbegabten einnisten kann. Und hat es sich erst sein Nest gebaut und sich niedergelassen, entwickelt es sich zu einem festen Bestandteil des Selbstbildes und schmälert das Selbstvertrauen und behindert zuletzt die Fähigkeit zur Umsetzung von Vorhaben.

Neben der Vielbegabung, die langsam im Bewusstsein der Gesellschaft ihren Platz einnimmt, findet das Hochstaplersyndrom vor allem im Kontext klassisch definierter Hochbegabung Anerkennung.

Bei vielbegabten Scannern führt es dazu, dass die eigene Stärke, die in der Fülle und im sich immer wandelnden Interesse liegt, und die vielen Erfolge auf ganz unterschiedlichen Gebieten nicht erkannt und nicht anerkannt werden können. Der Grund dafür sind die Hochstapler-Glaubenssätze.

Und darum ist Glaubenssatzarbeit so wichtig. So, wie man lebensverändernde Umstände, Erlebnisse, Verluste usw. be- und somit verarbeiten kann, um sie ins Leben zu integrieren, ist es auch mit der eigenen besonderen Begabung. Das alleinige Wissen darum ist immer der erste Schritt. Für jeden Vielbegabten (oder in anderer Form Begabten) ist es wichtig, den Rahmen des eigenen Handelns und Denkens zu verstehen und die dahinter liegenden Glaubenssätze zu erkennen, sie zu be- und verarbeiten.

Und dann? Verschwinden sie, diese lästigen Sätze der inneren Stimme? Nein, das tun sie nicht. Glaubenssätze werden nicht „aufgelöst“, wie gemeinhin im Coaching gesagt wird. Aber sie werden entkräftet und integriert, wie die Erlebnisse und Erfahrungen, die im Coaching oder im therapeutischen Kontext bearbeitet werden. Während sie den Einzelnen (oder sollten sie sich übertragen, mitunter auch ganze Systeme) blockieren können, wenn sie unbearbeitet bleiben, werden sie durch Bearbeitung zu einem von vielen Bausteinen für den eigenen Lebensentwurf, die aber keine überdimensionale Kraft mehr entwickeln.

Als ich mein Buch zur Vielbegabung schrieb, klopften sie immer wieder an. Aber: Ich kannte sie, ihre Geschichte und ihre Ursprünge. Und so konnte ich den inneren Stimmen etwas entgegensetzen. Auch dann, wenn sie ihre Aussagen geschickt „verpackten“. So wurde aus „Ich bin nicht gut genug“ die Variante „Bestimmt taugt der Verlag nichts, wenn er jemanden wie mich ein Buch schreiben lässt“. Glaubenssätze können wie eine Zimmerpflanze Ableger hervorbringen. Wenn man den ursprünglichen Glaubenssatz bearbeitet hat, erkennt man die Ableger und kann ihnen sofort entgegenwirken. Und auch wenn mich das Hochstaplersyndrom nie ganz verlassen wird, kann ich ihm heute in den meisten Situationen freundlich zulächeln und fragen: „Ach, du bist das! Was willst du denn hier?“

Übrigens: Da Glaubenssätze alle Menschen begleiten und blockierende Kraft entwickeln können – völlig gleich, ob Viel-, Hoch- oder Normalbegabt –, hat jeder Mensch die Möglichkeit, sie sich anzuschauen und ihnen ihre lähmende Kraft zu nehmen.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen hier eine kleine Selbst-Coaching-Übung zum Auffinden von blockierenden Glaubenssätzen mit auf den Weg geben:

  1. Führe dir Situationen vor Augen, die dich belasten und dich in negative Stimmungslagen führen. Gibt es Situationen, die sich ähneln?
  2. Welche Gefühle stellen sich in diesen Situationen ein? Gibt es auch hier einen roten Faden? Niedergeschlagenheit? Selbstzweifel? Traurigkeit oder Wut? Mutlosigkeit?
  3. Welche Sätze fallen dir jetzt ein, wenn du an diese Situationen und deine Befindlichkeiten in diesen Situationen denkst?
  • Ich habe es nicht verdient (erfolgreich zu sein).
  • Ich habe schon alles versucht./Das wird eh nichts.
  • Das kann ich nicht./Ich bin zu dumm dafür.
  • Dafür fehlt mir die Zeit/Begabung/Möglichkeit.
  • Geld verdirbt den Charakter.
  1. Welche Sätze könnten dich stattdessen begleiten? Wie könntest du diese negativen Glaubenssätze positiv formulieren?
  • Ich darf erfolgreich sein./Ich bin es wert!
  • Du schaffst das, wenn du es willst.
  • Ich werde XY auf meine Art erreichen.
  • Jeder Mensch hat Begabungen und ich setzte meine ein.
  • Geld eröffnet mir viele Möglichkeiten./Geld ermöglicht mir Großzügigkeit.
  1. Welche Situationen möchtest du in der nächsten Zeit mit anderen Vorzeichen erleben? Schreibe dir die dazugehörigen positiven Formulierungen auf und visualisiere sie. Mit einem Klebezettel auf dem Spiegel, Kühlschrank oder dem Armaturenbrett im Auto. Als Bildschirmschoner auf Handy oder Rechner. Mit einem Zettel im Portemonnaie.
  2. Ermögliche dir damit einen veränderten Umgang mit blockierenden Sätzen im Alltag.

Sehr hartnäckige Sätze, die dich wirklich massiv im Alltag behindern, lassen sich in einem Coaching mit verschiedenen Methoden bearbeiten.

 

3515 Über die Autorin

Annette Bauer, systemischer Coach, Strukturaufstellerin und Wingwave-Coach, ist seit fast 20 Jahren in der Begleitung und Beratung von Menschen in der Seelsorge tätig. Sie beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Lehre der Achtsamkeit und arbeitet als Coach mit Vielbegabten.

2017 erschien ihr Buch Vielbegabt, Tausendsassa, Multitalent? Achtsame Selbstfürsorge für Scannerpersönlichkeiten im Junfermann Verlag.

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