„Alles steht Kopf“: ein Gespräch mit Dirk W. Eilert zum neuen Disney-Film

Seit dem 1. Oktober 2015 läuft ein neuer Film aus der Disney-Pixar-Welt in unseren Kinos. Erwartungsgemäß tummeln sich auf der Leinwand einige bunte Figuren, die man einfach gern haben muss. Es gibt aber eine Besonderheit: Die Hauptfiguren sind fünf menschliche Basisemotionen: Freude, Wut, Angst, Ekel und Kummer. Sie leben im Kopf eines elfjährigen Mädchens.

Unser Junfermann-Experte für Fragen rund um das Thema Emotionen ist Dirk W. Eilert. In seinem Buch Mimikresonanz. Gefühle sehen – Menschen verstehen beschreibt er ebenfalls menschliche Basisemotionen und wie wir sie in der Mimik erkennen können.

 

Dirk W. Eilert

Herr Eilert, was mussten Sie tun, damit Disney Ihr Thema aufgreift und in einen Film verpackt ;-)?

[Lacht] Für mich ist dieser Film ein Ausdruck dafür, dass die Zeit reif für das Thema ist. Emotionen kommen immer mehr ins Gespräch. In der psychologischen Forschung des 20. Jahrhunderts waren sie eher ein „Pfui-Thema“, weil Emotionen schwer greifbar waren. Diese Zeit ist allemal vorbei. Wie wir an „Alles steht Kopf“ sehen, beschäftigt sich heute nicht nur die Forschung sondern auch Hollywood mit Konzepten, wie Menschen ihre Emotionen verstehen können und wie sie lernen können, mit ihnen auf eine gesunde Weise umzugehen. Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter der emotionalen Intelligenz.

Sie haben den Film schon gesehen? Lohnt er sich?

Ich habe ihn sogar schon zweimal gesehen und gleich schaue ich ihn mir ein drittes Mal mit meinen Kindern an. Also, er lohnt sich auf alle Fälle. Jeder Film hat ja drei Ebenen: eine Handlungsebene, eine Informationsebene und eine Bedeutungsebene. Was die Handlungsebene betrifft: Der Film ist wirklich lustig, voller Gags. Wobei ich sagen muss: Ich habe mehr auf die Informations- und auf die Bedeutungsebene geachtet. Und hier ist der Film extrem lohnenswert. Die Informationsebene ist gespickt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über Emotionen. Hier vermittelt der Film Wissen, das nicht nur für Coaches und Trainer spannend ist, sondern für jeden, der lernen möchte mit Emotionen gesünder umzugehen.

Es kann ja anstrengend sein, wenn aus einer Idee großes Kino werden soll. Die Geschichte leidet oft, weil ein starres Konzept im Hintergrund steht. In diesem Fall nicht?

Nein, überhaupt nicht. Natürlich werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse vereinfacht; schließlich ist es ein Unterhaltungsfilm. Und trotzdem ist alles extrem gut recherchiert und wurde lange vorbereitet. Pete Docter, der Regisseur, hat fünf Jahre an diesem Film gearbeitet. Und als Vorbild für Riley – das elfjährige Mädchen, das neben den fünf Emotionen die Hauptperson des Films ist – hat er seine eigene Tochter genommen.

Doch ich möchte nochmal auf die Bedeutungsebene kommen, auf die zentrale und sehr wertvolle Botschaft dieses Films. Die lautet nämlich: Jede Emotion hat eine wichtige und positive Funktion für unser Leben. Nur wenn wir all unsere Emotionen wertschätzen und einen Zugang zu ihnen haben, kann ein glückliches Leben gelingen. Darauf gehe ich auch in meinem Videoblog genauer ein.

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Nicht nur die Freude hat also eine positive Funktion für unser Leben. Es ist sogar so, dass Menschen, die beruflich zum Lächeln gezwungen werden, depressiv werden können. Das hat man in einer Studie z.B. bei Servicekräften herausgefunden. Wenn man den ganzen Tag freundlich sein muss und deshalb ständig ein gezwungenes Lächeln aufsetzt, kann das verheerende Folgen für die emotionale und körperliche Gesundheit haben. Ein freiwilliges Lächeln hingegen wirkt positiv auf unsere Gefühlslage und den Körper. In der Kindererziehung hört man manchmal Sätze wie: „Ein fröhliches Kind ist ein gutes Kind.“ Fröhlichkeit wird erwartet und gewünscht, die anderen Emotionen eher nicht. Die Eltern tun dann alles, nur damit ihr Kind fröhlich ist. Natürlich tun sie das aus einer guten Absicht heraus, aber genau hier liegt das Paradoxon: Nur wenn wir jede Emotion wertschätzen – auch eine vermeintlich „negative“ wie Trauer –, können wir wahrhaft glücklich sein. Dies wird sehr schön in „Alles steht Kopf“ aufgegriffen.

Der Kernkonflikt im Film findet nämlich zwischen Freude und Kummer statt. Freude beansprucht viel Platz für sich, will den Platz von Kummer deutlich begrenzen. Dann stellt Freude aber nach und nach fest, dass Kummer durchaus eine wichtige Funktion und einen Wert hat. Als Riley z.B. in einem Eishockey-Spiel das entscheidende Tor nicht macht, sorgt Kummer dafür, dass sie Zuwendung erfährt und wieder aufgebaut wird.

Auf der Handlungsebene ist der Film übrigens eine lupenreine Heldenreise, die Freude durchlebt. Am Ende – und das finde ich sehr schön – haben dann alle fünf Emotionen ihren Platz am Steuerpult. Sie sind jetzt gleichberechtigt.

Paul Ekman und Dacher Keltner waren als wissenschaftliche Berater beteiligt. Merkt man das?

Das merkt man, denn es finden sich fünf der sieben von Ekman definierten Basisemotionen im Film. Aus Trauer (im Original „Sadness“) hat man in der deutschen Version leider Kummer gemacht. Kummer enthält aber auch Aspekte der Angst – und deshalb bin ich mit dieser Bezeichnung nicht ganz so glücklich. Die Filmfigur „Ekel“ trägt auch Züge der Grundemotion Verachtung, hat also quasi eine Doppelrolle. Einzig Überraschung fehlt auf der Besetzungsliste, was aber verständlich ist. Überraschung ist erstens neutral und tritt zweitens immer nur ganz kurzzeitig auf, als Zwischenstation zu einer anderen Emotion, z.B. Freude oder Angst.

Dann zum Abschluss noch die Frage: Die Emotionen, auch die gemeinhin als unangenehm geltenden, werden zu mehr oder weniger knuddeligen bunten Figuren. Mir hat es die Wut angetan, meine Kollegin mag den Kummer. Meinen Sie, dass der Film dazu beitragen kann, dass Menschen allgemein besser mit ihren „schwierigen“ Gefühlen umgehen können?

Die Personifizierung von Emotionen in Form von Animationsfiguren hilft Menschen eindeutig, ihre Gefühle besser zu verstehen und wertzuschätzen. So werden sie greifbar und man kann anders über sie sprechen. In meinen Vorträgen arbeite ich deshalb jetzt auch viel mit diesen Figuren.

Der Film schreit übrigens geradezu nach einer Fortsetzung. Bislang spielten ja Freude und Kummer die Hauptrollen, doch auch die anderen Emotionen kommen garantiert noch zum Zug. Auf dem Steuerpult taucht am Ende des Films z.B. plötzlich ein neuer Knopf auf, der „Pubertät“ heißt. „Pubertät? Was ist das denn?“, fragt Ekel. Und die anderen Emotionen antworten im Chor: „Keine Ahnung. Der ist nicht wichtig.“

Dann haben wir ja etwas, auf das wir uns freuen können. Das ganze Junfermann-Team wird sich den Film übrigens am Montag anschauen. Und ich bin gespannt, wie Ihre Kinder ihn so fanden. Sie werden bestimmt nicht erster Linie auf die Informations- und Bedeutungsebene schauen, sondern eher auf die Handlungsebene.

Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl!

Was genau ist an der Psychotherapie eigentlich therapeutisch?

Von Guido Plata

Die Antwort auf die Frage in der Überschrift scheint naheliegend: „Natürlich die vom Therapeuten eingesetzten Techniken, die führen schließlich die gewünschte Veränderung herbei.“ Diese oder ähnliche Antworten kommen vielen Menschen spontan in den Sinn, aber denken Sie einmal über Folgendes nach: Könnte man ein und denselben Klienten theoretisch zu zehn verschiedenen Therapeuten schicken, und das Ergebnis der Behandlung wäre in allen Fällen dasselbe?

Nein, sicher nicht, meint man nun, da müsste es doch Unterschiede geben – aber warum sieht man dies so? Weshalb geht man davon aus, dass sich die Ergebnisse unterscheiden würden?

Jeder Mensch weiß aus Erfahrung, dass alle Vorgänge im Leben durch viele Faktoren beeinflusst werden können. Eine Psychotherapie ist keine Ausnahme von dieser Regel; der Verlauf und das Ergebnis einer Therapie sind unzähligen Einflüssen unterworfen.

Betrachten wir einmal genauer, welche Einflüsse möglich sind: Sicher gibt es oft berufliche oder private Veränderungen im Leben des Klienten, die nicht wegen der Therapie aufgetreten sind, sich aber dennoch auf die Therapie auswirken. Auch kommen einzelne Klienten und Therapeuten unterschiedlich gut miteinander aus, vielleicht beherrschen manche Therapeuten ihr Handwerk besser als andere, der besondere Stil eines bestimmten Therapeuten passt besser zu einem individuellen Klienten, oder man versteht sich besser oder schlechter. Aber ist die Beziehung zwischen Therapeut und Klient wirklich entscheidend?

Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie man eine Psychotherapie sieht. Versteht man sie als eine Art Reparatur, wie bei einem Auto in der Werkstatt? In diesem Fall wäre das Therapieergebnis nur vom Können des Therapeuten beim Einsatz der therapeutischen Techniken abhängig. Oder sieht man Psychotherapie eher als Prozess, an dem der Klient aktiv teilnimmt und ein gutes Verhältnis zwischen Therapeut und Klient entscheidend für den Ausgang ist? Dann hätte der zwischenmenschliche Faktor erhebliches Gewicht. Und hier kommt die therapeutische Beziehung ins Spiel.

Seit den 1940er Jahren befasst man sich in der Psychotherapieforschung mit der therapeutischen Beziehung, die als intensiver Wirkfaktor angesehen wird. Eine der am Häufigsten zitierten Schätzungen ihres Einflusses stammt von dem US-amerikanischen Psychologen Michael J. Lambert (1992), der vier grundsätzliche Faktoren mit Relevanz für den Therapieerfolg unterschied:

  • Außertherapeutische Faktoren. Dies sind Faktoren im Leben des Klienten, die nicht infolge der Behandlung eintreten, sich aber darauf auswirken. Hierzu zählen die bereits erwähnten Veränderungen im Leben des Klienten (positive, wie eine Beförderung, oder negative, wie ein Trauerfall), die Voraussetzungen in der Persönlichkeit des Klienten (wie seine Ich-Stärke) und auch das Maß an sozialer Unterstützung, das er von Freunden oder Familie erhält. All diese Faktoren kann der Therapeut nicht beeinflussen, aber sie tragen entscheidend zum Erfolg der Therapie bei.
  • Erwartungen. Die Erwartungen auf Seiten eines Klienten können zum Placeboeffekt führen – dem Eintreten einer positiven Veränderung, weil man glaubt, dass etwas passiert wäre, was eine positive Veränderung herbeiführen wird.
  • Techniken. Die therapeutischen Techniken in der Schule, der der Therapeut angehört – wie Exposition in der Verhaltenstherapie oder kognitive Umstrukturierung in der Kognitiven Verhaltenstherapie.
  • Gemeinsame Faktoren. Dies sind Faktoren, die die Beziehung zwischen Therapeut und Klient unabhängig von der theoretischen Ausrichtung des Therapeuten charakterisieren – beispielsweise Wärme, Einfühlungsvermögen, Akzeptanz, Ermutigung zum Eingehen von Risiken und andere Dinge.

Entscheidend ist nun, in welchem Ausmaß all diese Faktoren zum Therapieerfolg beitragen. Lambert (1992) schätzt die Anteile wie folgt:

  • Außertherapeutische Faktoren – 40%
  • Erwartungen – 15%
  • Techniken – 15%
  • Gemeinsame Faktoren – 30%

Bedenken Sie bei dieser Schätzung, dass genaue Angaben in Zahlen naturgemäß immer schwierig sind. Außerdem muss man beim Lesen dieser Auflistung berücksichtigen, dass alle Faktoren positiv oder auch negativ wirken können – positive Lebensereignisse fördern die Genesung, negative Lebensereignisse behindern sie. Eine gute therapeutische Beziehung ist dem Therapieerfolg zuträglich, eine schlechte therapeutische Beziehung ist ihm abträglich (und führt in vielen Fällen sogar dazu, dass die Therapie vorzeitig abgebrochen wird). Man darf die Liste also nicht so lesen, dass eine Psychotherapie insgesamt überflüssig wäre, weil ja schließlich 40 Prozent des Therapieergebnisses die Folge außertherapeutischer Faktoren seien. Vielmehr lautet die zentrale Aussage, dass das Zusammenspiel eines normalen Maßes an außertherapeutischen Faktoren mit gemeinsamen Faktoren (also einer guten therapeutischen Beziehung) und sachkundig eingesetzten Techniken zum Behandlungserfolg führt.

Die Techniken müssen dabei natürlich zu den Symptomen passen, wegen denen die Behandlung begonnen wurde – bei einer spezifischen Phobie, etwa vor Schlangen oder Spinnen, ist die Verhaltenstherapie die Methode der Wahl, bei einer chronischen Depression hingegen wären andere Therapieformen wie CBASP angebracht. Aber insgesamt gesehen macht die Art der eingesetzten Techniken an sich nur wenig vom Therapieerfolg aus. Außerdem verfolgen viele Therapeuten heutzutage einen eklektischen Ansatz, bei dem sie bei Bedarf auch Techniken aus anderen therapeutischen Schulen übernehmen, wenn sie sich als hilfreich erwiesen haben.

Insgesamt gesehen ist der heutige Stand der Therapieforschung, dass die Qualität der therapeutischen Beziehung ein entscheidender Faktor für den Therapieerfolg ist.

Was sind die Merkmale einer guten therapeutischen Beziehung? In der Literatur finden sich dazu viele Auflistungen entsprechender Eigenschaften, aber insgesamt gesehen kann man sie als freundschaftliche zwischenmenschliche Beziehung beschreiben. Sie hat Merkmale wie Wärme, Aufrichtigkeit, Einfühlungsvermögen des Therapeuten, seine Wertschätzung des Klienten und diverse andere Dinge. All dies führt dazu, dass die Beziehung auch als angenehm erlebt wird.

Die entscheidende Frage ist: Fühlt der Klient sich wohl dabei, Zeit mit dem Therapeuten in der Therapie zu verbringen? Ist es ihm angenehm, dem Therapeuten persönliche Dinge anzuvertrauen? Fühlt er sich ernstgenommen und geschätzt? Und auch wenn die Therapie unangenehme Dinge beinhaltet, wie die Konfrontation mit negativen Gedanken oder Verhaltensweisen, oder den Kontakt mit gefürchteten Objekten, fühlt er sich vom Therapeuten angemessen unterstützt?

Wie bereits erwähnt, natürlich ist eine gute therapeutische Beziehung zwar notwendig, aber für sich allein nicht hinreichend für positive Veränderungen – ebenso wenig wie der hohe Anteil außertherapeutischer Faktoren bedeutet, dass eine Psychotherapie insgesamt überflüssig wäre. Aber dennoch stellt die therapeutische Beziehung einen der Eckpfeiler des Behandlungserfolges dar, und insofern ist die Fähigkeit des Therapeuten, eine gute therapeutische Beziehung herzustellen und aufrechtzuerhalten, äußerst wichtig.

Diese letztgenannte Fähigkeit bezeichnet man in der neueren Literatur auch als therapeutische Metakompetenz, und sie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Für Therapeuten bedeutet dies, mehr Gewicht auf „Softskills“ zu legen, und weniger auf die Anwendung bestimmter Techniken ihrer jeweiligen Schule. Auch die Haltung gegenüber dem Klienten ändert sich mit steigender Metakompetenz hin zu mehr Akzeptanz und Einfühlungsvermögen, und ebenso hin zu mehr Respekt für den kulturellen und persönlichen Hintergrund des Klienten. Gute therapeutische Metakompetenz führt dazu, dass die Behandlung beim Aufbau der therapeutischen Beziehung an den Klienten angepasst wird – der Klient ist ein gleichberechtigter Partner beim Aufbau der Beziehung, die als Vehikel für das Herbeiführen von Veränderungen dient und den entsprechenden Kontext liefert. Ebenso wird die Meinung des Klienten über seine Symptome und den therapeutischen Prozess honoriert. Der Klient selbst hat eine (wenn auch nicht wissenschaftlich formulierte) Theorie über seine Beschwerden, ihre Ursache und den eigentlichen Therapieprozess. Diese muss ernstgenommen werden, denn damit die angebotenen Techniken unabhängig von der Therapieschule funktionieren, muss der Klient bereit sein, sich darauf einzulassen. Dies wiederum setzt voraus, dass er sie nicht nur auf der abstrakten Ebene versteht und für brauchbar hält, was ja das Ziel der Psychoedukation ist. Sollte der Klient den Therapieprozess aber als herabwürdigend oder unangemessen erleben, ist ein Behandlungserfolg praktisch ausgeschlossen.

Zusammenfassend kann man also sagen: Es ist entscheidend, dem Klienten mit Achtung, Wärme und Einfühlungsvermögen zu begegnen, um bei ihm wiederum eine Haltung hervorzurufen, die eine gute therapeutische Beziehung ermöglicht. Für Therapeuten bedeutet dies, sich stärker mit der Weiterentwicklung ihrer therapeutischen Metakompetenz zu befassen, und für Klienten bedeutet es, bei der Auswahl eines Therapeuten auch einfach mal auf ihr „Bauchgefühl“ zu hören!


Über den Autor

Guido Plata ist Diplom-Psychologe und seit vielen Jahren als Fachübersetzer für psychologische Texte tätig.

Der Erfahrbare Atem: 50 Jahre Ilse-Middendorf-Institut Berlin

1965 – also vor 50 Jahren – wurde in Berlin das Ilse-Middendorf-Institut für den Erfahrbaren Atem gegründet. Prof. Ilse Middendorf (1910-2009) bildete dort fortan Atemtherapeutinnen und -therapeuten in der von ihr begründeten Schule des Erfahrbaren Atems aus. 1971 erhielt sie zudem eine Professur an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Berlin, in der sie Schauspielschüler im Atem unterrichtete. 1986 begann sie mit Seminaren und Ausbildungskursen in den USA, was 1991 in die Gründung eines US-Instituts in Berkeley mündete.

1985 – vor 30 Jahren also – erschien die Erstauflage von Ilse Middendorfs Klassiker „Der Erfahrbare Atem“ bei Junfermann. Dieses Grundlagenwerk ist nach wie vor aktuell und wird in der Ausbildung von Atemtherapeutinnen eingesetzt.

Ich bin Ilse Middendorf leider nie persönlich begegnet; unser Kontakt beschränkte sich auf Telefon und E-Mail. Was mich an ihrer aber immer sehr fasziniert hat, war ihre Wachheit und Vitalität bis ins hohe Alter. Für mich war sie damit der lebende Beweis für die Wirksamkeit ihrer Methode.

Und betrachtet man einmal die beiden Jubiläumsdaten – 1965 und 1985 –, und führt man sich dann vor Augen, dass Ilse Middendorf bei der Gründung ihres Instituts 55 Jahre alt war und das sie mit 75 Jahren ihr Buch veröffentlichte: Wo für andere vielleicht Ruhestand angesagt ist, startete diese Frau noch einmal richtig durch.

Das für ihre Arbeit Wesentliche hatte Ilse Middendorf in ihrem „Atemgedicht“ zusammengefasst, aus dem nun ein kleiner Ausschnitt folgt.

Du möchtest Dich
Deinem Atem zuwenden:
Atmen sollte Gesundheit bringen
heißt es –
mehr Frische – mehr Leistung
mehr … mehr …

So setze Dich zu mir
und lausche.

Das erste ist
warten können –
auf den Atem, der in mich einfließt.
Und ihn begleiten,
wenn er mich verlässt
und als Kraft
in der Welt in Erscheinung tritt –
im Klang, im Wort, im Werk.
In der Ruhe nach dem Ausatmen
bin ich geborgen
in dem, was mich geschaffen hat.

Atembewegung –
Urbewegung des Lebens,
Ausdruck dessen,
was ich werden kann.

Jede Zelle schwingt im Anruf
der Bewegung,
in Muskeln-Knochen-Organen
und setzt sich fort
in alle Sinne,
in meine Gestalt und das,
was Gestalt werden will –
kann – möchte – sollte.

Werde ich durchlässig?
Was ist das?
Bin ich wie ein Schwamm?
Nein.
Ich vermag meinen Atem zuzulassen,
dass er mich schwingend bewegt.
Aber ich und mein Selbst
sind der Inhalt dieser Bewegungen.
Ich lebe, ich atme –
ich werde gewahr,
welch großes Reich
ich das meine nenne.
Eine Welt bin ich,
wenn ich
zum bewussten Sein
erwache – langsam,
denn ich muss tragen können,
was mir geschenkt wird.

 

Die Leitung des Ilse-Middendorf-Instituts ist schon vor vielen Jahren an die nächste Generation übergeben worden. 1982 gründete Helge Langguth, Ilse Middendorfs Sohn, ein zweites Institut in Beerfelden und seit 1988 hat er die Gesamtleitung für beide Institute.

Wir gratulieren ganz herzlich zum 50-Jährigen, und wünschen viel Freude bei den Jubiläumsveranstaltungen. Auf die nächsten 50 Jahre!

Informationen zu den Instituten in Deutschland

Informationen zum Institut in den USA

Der wichtigste Faktor für Erfolg? Sie selbst!

Die Struktur des Erfolgs – Warum Sie Erfolg lernen können

Von Swantje Allmers

Was unterscheidet erfolgreiche Menschen von weniger erfolgreichen Menschen? Sind es die Startbedingungen? Der Intellekt? Das Aussehen? Oder ist es vielleicht doch nur Zufall? Für jedes Kriterium lassen sich gute Beispiele und Gegenbeispiele finden.

Jan Koum, einer der Whatsapp-Gründer, wuchs zum Beispiel unter den ärmsten Verhältnissen in der Ukraine auf. Ab seinem 16. Lebensjahr lebte er in den USA. Anstatt Einsen auf einer Elite-Uni zu kassieren, übernahm Koum diverse Nebenjobs und schmiss sein Studium an einer mittelmäßigen Uni.

Im Gegensatz dazu gibt es zahlreiche Beispiele für Kinder reicher Eltern, die es trotz idealer Startbedingungen nur zu übermäßigem Drogenkonsum und mangelndem Lebensglück geschafft haben.

Wenn das möglich ist, können die Kriterien für Erfolg nicht nur in äußeren Rahmenbedingungen liegen. Der wichtigste Faktor, der erfolgreiche Menschen von weniger erfolgreichen Menschen unterscheidet, sind die persönlichen Einstellungen, mentalen Fähigkeiten und Strategien.

Was ist Erfolg überhaupt?

Eines ist schon mal klar: Erfolg bedeutet unterschiedliche Dinge für unterschiedliche Personen zu unterschiedlichen Zeiten ihres Lebens. In unserer Gesellschaft assoziieren viele Menschen Erfolg mit Geld. Erfolg kann allerdings auch etwas völlig anderes bedeuten, z. B. Gesundheit, eine glückliche Beziehung, Familie, Reisen oder persönliche Freiheit – was auch immer das konkret heißt. Und für Sie ist Erfolg vielleicht etwas völlig anderes.

Eine gute und gängige Definition lautet: Erfolg ist das Erreichen persönlicher Ziele. Das bedeutet im Umkehrschluss, ohne Ziele gibt es keinen Erfolg. Damit wären wir schon fast beim ersten Erfolgs-Prinzip. Es bleibt noch zu ergänzen, dass es natürlich auch immer darum geht, wie diese Ziele erreicht werden. Denn ist es noch ein Erfolg, wenn jemand dauerhaft gegen seine innersten Werte verstößt, um ein Ziel zu erreichen?

Die fünf Prinzipien für Erfolg

Erfolgreiche Menschen …

… wissen, was Sie wollen

Erfolgreiche Menschen handeln zielorientiert. Sie kennen ihre Ziele und wissen, warum sie diese erreichen wollen. Dabei stellen sie sicher, dass ihre Ziele zueinander passen und ökologisch sinnvoll sind. Das heißt, dass die Ziele gut für sie selbst sind und für die Menschen, die ihnen wichtig sind.

Klingt logisch und machbar? In der Theorie schon, dennoch setzen sich die wenigsten Menschen wirklich konkrete Ziele im Leben. Stattdessen leben sie ihr Leben vor sich hin und hoffen darauf, dass ihnen „das Leben“ das bringt, von dem sie noch nicht wussten, dass sie es haben wollen.

Die Beschäftigung mit Ihren Zielen wird mit dem besten Aufwand-Nutzen-Verhältnis belohnt, das Sie vermutlich je erlebt haben. Sobald Sie Ihre Ziele kennen, können Sie mit Ihrem bewussten und unbewussten Verstand an der Umsetzung arbeiten.

Es gibt ein paar Dinge, die Sie dabei beachten sollten:

  • Achten Sie darauf, dass Sie sich für die verschiedenen Bereiche Ihres Lebens Ziele setzen (z. B. Beruf, Familie, Freizeit und Erholung, Gesundheit und Fitness, Finanzen, persönliche Weiterentwicklung usw.).
  • Formulieren Sie positiv (was wollen Sie haben?). Manchen Menschen fällt es leichter, erst das zu formulieren, was sie nicht mehr haben wollen. Wenn Ihnen das genauso geht, beginnen Sie damit und formulieren Sie im Anschluss das, was Sie haben wollen.
  • Planen Sie Ihre Ziele so konkret wie möglich. Wie sieht Ihr Traumhaus zum Beispiel genau aus? In welcher Umgebung liegt es, wie viele Etagen hat es, wie sieht der Fußboden aus, wie viele Bäder hat es usw.
  • Vergessen Sie während Ihrer Zielplanung die Frage nach dem „Wie“. Gehen Sie davon aus, dass alles möglich ist, sofern das „Warum“ bzw. „Wofür“ wirklich stark und motivierend ist. Formulieren Sie das, was Sie wirklich, wirklich möchten, auch wenn Sie vielleicht noch nicht wissen, wie Sie es erreichen werden.

… kommen ins Handeln

Wenn Sie Ihre Ziele kennen, heißt das nicht, dass danach alles von selbst passiert, frei nach dem Motto: „Das Universum macht den Rest“. Erfolg ist auch das Resultat von Selbstmotivation und der Fähigkeit, an den eigenen Zielen dran zu bleiben. Sie dürfen ins Handeln kommen. Auch hier gilt: Was logisch klingt, fällt den meisten Menschen schwer. Der Grund kann auch im Ziel liegen, denn ist ein Ziel, für das Sie nicht bereit sind, etwas zu tun, wirklich ein gutes Ziel?

Bei Rückschlägen und Hindernissen entscheidet sich oft, ob Sie Ihr Ziel wirklich erreichen. Es sind nicht die Herausforderungen selbst, die relevant sind, sondern Ihre Fähigkeit, diese als wertvolles Input für die nächsten Schritte zu nutzen, anstatt sich von ihnen entmutigen zu lassen. Das können Sie durch Disziplin erreichen oder (das ist der leichtere Weg), indem Sie ein wirklich überzeugendes Ziel vor Augen haben, für das sich Ihr Einsatz lohnt.

… sind aufmerksam

Erfolgreiche Menschen achten (bewusst oder unbewusst) sehr genau auf die Ergebnisse ihrer Handlungen und prüfen, ob diese sie ihrem Ziel wirklich näher bringen.

Es geht dabei um zwei Richtungen von Aufmerksamkeit. Nach außen: Was passiert in Ihrem Umfeld? Welche Reaktionen erleben Sie? Und nach innen: Was sagt Ihnen Ihr Gefühl? Was spüren Sie bzw. was können Sie erkennen? Dabei sollten Sie natürlich immer in Betracht ziehen, dass Sie manche Ergebnisse und Reaktionen sofort erhalten und manche mit Verzögerung oder auf einem anderen Weg, als Sie es erwartet hätten.

Ihre Aufmerksamkeit können Sie schnell trainieren, indem Sie zum Beispiel täglich für zehn Minuten ganz bewusst auf alle noch so kleinen Details um sich herum achten und in Gesprächen auf jede Reaktion Ihres Gegenübers, die Sie wahrnehmen können.

Seien Sie außerdem ehrlich zu sich selbst und machen Sie einen regelmäßigen Review, in dem Sie sich fragen, was Sie im vorherigen Zeitabschnitt für Ihre Ziele getan haben und was Sie im nächsten Zeitabschnitt für sie tun werden.

… sind flexibel

Wie flexibel sind Sie? Flexibilität ist in der Evolution eine entscheidende Voraussetzung für das Überleben (was sich definitiv auch als Erfolg werten lässt). Menschen sind für gewöhnlich immer dann sehr flexibel, wenn es um Entscheidungen oder Veränderungen innerhalb der eigenen Komfortzone geht. Sie können beobachten, dass die Verhaltensflexibilität bei den meisten Menschen allerdings sehr gering ausgeprägt ist. Sie tun immer dasselbe, unabhängig davon, ob es funktioniert oder nicht.

Das ist übrigens eine völlig normale Reaktion des Gehirns. Ihr Gehirn ist so konzipiert, dass es die Dinge, die es kennt und einsortieren kann, bevorzugt. Und zwar unabhängig vom Inhalt oder der Qualität. Neue Informationen lehnt es zunächst ab. Denn Neues zu lernen verbraucht viel mehr Energie als Bekanntes zu verarbeiten. Vielleicht erinnern Sie sich, wie Sie sich das letzte Mal gefühlt haben, nachdem Sie sehr viel Neues gelernt haben.

Im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) geht es im Grunde immer darum, Optionen zu erweitern und damit die Flexibilität zu erhöhen. Je mehr Möglichkeiten Sie haben, anders (flexibler) auf andere Menschen, neue Situationen oder Herausforderungen zu reagieren, desto leichter wird es Ihnen natürlich fallen. Sie können Ihre Flexibilität erweitern, indem Sie zum Beispiel wirklich jeden Tag ganz bewusst etwas Neues machen. Fahren Sie zum Beispiel einen anderen Weg zur Arbeit, sprechen Sie mit Menschen, mit denen Sie noch nie ein Wort gewechselt haben, oder essen Sie etwas anderes zu Mittag als sonst. Es ist nicht wichtig, was Sie jeden Tag anders machen; wichtig ist, dass Sie jeden Tag etwas anders machen.

Darüber hinaus gilt: Wenn das, was Sie tun, nicht funktioniert (um das festzustellen, braucht es das nötige Maß an Aufmerksamkeit), dann tun Sie etwas anderes. Es kann sein, dass Sie nicht immer wissen, was Sie stattdessen machen sollen. Dann können Sie Ihr Verhalten so lange verändern, bis Sie etwas finden, das funktioniert.

… handeln aus einer Physiologie und Psychologie von Exzellenz

Dass Körper und Geist ein System sind, ist keine Neuigkeit. Erfolgreiche Menschen erkennt man oft an ihrer Haltung und daran, dass sie auf ihren generellen physischen Zustand achten. Haltung, Aufmerksamkeit und Zustand beeinflussen sich gegenseitig. Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas Positives richten, ändert sich auch Ihre Haltung und Ihre Emotion und vice versa.

Zustandsmanagement ist ein wichtiges Stichwort, wenn es um Exzellenz geht. Hierbei geht es darum, dass Sie Ihren Mentalzustand gezielt verändern können, damit Sie in jeder Situation im bestmöglichen Zustand sind.

Wie Sie schnell in einen ressourcenvollen Zustand gehen und ihn nutzen:

Nehmen Sie sich ein paar Momente und denken Sie an alle jene Gründe, warum Sie heute schon eine erfolgreiche Frau oder ein erfolgreicher Mann sind.

Nicht notwendigerweise im Bereich Finanzen, sondern in Bezug auf alle Dinge, für die Sie jetzt dankbar sein können. Vielleicht für die Liebe und Zuneigung, die Ihnen andere Menschen in Ihrem Leben geben. Oder für materielle Annehmlichkeiten, die Sie heute genießen und die vor fünf, zehn oder zwanzig Jahren nicht möglich gewesen wären. Möglichkeiten und Freiheiten, die Sie heute haben, die sich Ihre Großeltern nicht einmal hätten vorstellen können.

Assoziieren Sie sich in alle diese Dinge hinein, für die Sie dankbar sind. Vielleicht nehmen Sie wahr, wie sich Ihr emotionaler und mentaler Zustand schon verändert. Von diesem Zustand aus betrachtet: Welche Ideen, Handlungen oder Arten, mit anderen zu interagieren, werden Ihnen in Zukunft helfen, noch erfolgreicher zu sein?

Die Struktur entscheidet

Was glauben Sie, wie viele (vorher arme) Lottogewinner ihren Gewinn als Sprungbrett in ein anderes Leben nutzen? David Lee Edwards gewann 2001 rund 41 Millionen US Dollar. Fünf Jahre später hatte er alles ausgegeben. Damit ist er kein Einzelfall. Man geht davon aus, dass 80 Prozent aller Lottogewinner (und damit ist der Gewinn eines sechs- und siebenstelligen Betrags gemeint) nur zwei Jahre nach dem Gewinn wieder genauso arm oder reich sind, wie sie es vorher waren. Keiner von ihnen hätte gedacht, dass es noch mal so kommen würde.

Und es gibt Menschen, die immer wieder erfolgreiche Unternehmen aufbauen und Geschäfte abschließen. Am Anfang noch, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, später nur noch zum Spaß. Ein Beispiel ist der Unternehmer Oliver Beste, der zahlreiche Unternehmen gegründet und aufgebaut hat. Auch die Samwer-Brüder (deutsche Internet-Unternehmer) fallen in diese Kategorie.

Der Unterschied liegt in der Struktur. Wenn Sie wissen, was Sie wollen, ins Handeln kommen, aufmerksam und flexibel sind und die Dinge tun, die funktionieren, ist alles möglich. Wenn Sie schlechte Strategien unverändert lassen, erreichen Sie nicht mehr und nicht weniger als vorher. Nicht einmal, wenn Sie plötzlich mehrere Millionen auf dem Konto haben.


  Über die Autorin

Swantje Allmers ist studierte und mehrfach ausgezeichnete Betriebswirtin. Sie arbeitet als Unternehmensberaterin, Coach und NLP-Trainerin in Hamburg. Die Frage, was Menschen erfolgreich macht, ist ein entscheidender Bestandteil ihrer täglichen Arbeit, in der sie Menschen und Unternehmen dabei unterstützt, ihre Ziele zu erreichen. Mehr Informationen zu ihren NLP-Seminaren finden Sie hier.

„Jeder hat seine eigene Welt“

Borderline – wenn nichts mehr zu helfen schein

Von Anja Link

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) gilt gemeinhin als schwer behandelbar; die Situation aller Involvierten – der Betroffenen selbst, ihrer Angehörigen oder der Fachleute – ist alles andere als einfach: Menschen mit einer BPS eilt der Ruf voraus zu manipulieren, ihr Umfeld zu testen und ggf. Freundschaften und Partnerschaften ohne Vorwarnung aufzukündigen. Therapien scheinen ins Leere zu laufen, Ärzte und Therapeuten sind demotiviert, weigern sich oft, „Borderliner“ überhaupt als Patienten anzunehmen. Und Angehörige fühlen sich allein gelassen, müssen hilflos mit ansehen, wie ihnen ihr Kind, ihr Geschwister, ihr Partner mehr und mehr entgleitet.

Höchste Zeit also das öffentliche Bild von Menschen mit BPS zurechtzurücken und sich noch stärker dafür einzusetzen, dass ein tragbares Helfersystem etabliert wird. Die seit 2007 stattfindenden „Trialoge“ leisten hierzu einen wertvollen Beitrag. Im Buch „Borderline im Trialog. Miteinander reden – voneinander lernen“ werden der Grundgedanke und die gewonnenen Einsichten aus den Treffen zusammen mit dem Status Quo zum Störungsbild anschaulich dargestellt.

Was bedeutet Borderline?

Im Kern versteht man unter der BPS eine Störung in der Regulation von Emotionen. Die Betroffenen nehmen ihre Gefühle schneller, intensiver und länger anhaltend wahr als Menschen ohne BPS. Heftige Stimmungsschwankungen und belastende innere Anspannungszustände sind die Folge. Mit oftmals lebensgefährlichen Verhaltensweisen (Suche nach dem Kick) sowie Selbstverletzungen versuchen Menschen mit BPS Abhilfe zu schaffen.

Das Wissen um das Krankheitsbild ist erheblich gewachsen

In der störungsspezifischen Therapie erlernen Borderline-Patienten Alternativen zu ihren dysfunktionalen Strategien. Das therapeutische Angebot hat sich – auch bedingt durch den medizinischen Erkenntniszuwachs – verbessert, und auch im Bereich Selbsthilfe hat sich in den letzten Jahren einiges getan: Der Buchmarkt ist gut bestückt mit Erfahrungsberichten von Betroffenen und Ratgebern für die Angehörigen.

Dennoch bleibt die Lage unbefriedigend. Die Betroffenen drücken häufig ihre Frustration darüber aus, dass sich trotz der Anstrengungen nichts wesentlich verändert hat, die schwer auszuhaltenden Gefühle immer wiederkehren. Das angesammelte und -gelesene Wissen hilft nicht. Resignation, Mutlosigkeit, sozialer Rückzug folgen.

Für die Angehörigen ist das nicht minder frustrierend. Hilflos muss man mit ansehen, wie das eigene Kind an der puren Existenz leidet, wie die schwierigen Verhaltensmuster das Leben, Beziehungen, die Ausbildung ruinieren.

Und selbst die Fachleute stehen im Praxisalltag der komplizierten Dynamik der BPS oft verständnislos gegenüber, trotz Fortbildungen und einem großen Erfahrungsschatz. Es entsteht der Eindruck, der Patient „will“ gar keine Veränderung oder Verbesserung seiner Lage.

Voneinander lernen

Und genau in diesem Spannungsfeld kommt der Trialog zum Einsatz. Der direkte, ehrliche und authentische Austausch zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten erfolgt mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zu generieren und ein tieferes Verständnis auf allen Seiten zu erzeugen. Das gegenseitige Verstehen verhindert Bewertungen, Schuldzuschreibungen und negative Interpretationen. Das Miteinanderreden vermittelt Zuversicht und ist Grundlage für eine Wiederannäherung: Der Mut, den gemeinsamen Alltag auch gemeinsam zu bewältigen, wird gestärkt.

Im Buch werden die so herausgefilterten „Erfolgsstrategien“ zusammengefasst: Wie erlebt jede Gruppe ihre jeweilige Situation? Wie viel Hilfe und Unterstützung sollte erfolgen? Wie viel Eigenverantwortung darf und muss den Betroffenen zugetraut werden? Wie können Angehörige ihre eigenen Grenzen aufzeigen? Dürfen Eltern trotz Suizidgefahr des Kindes auch einmal nur an sich denken? So individuell die Beteiligten der Trialog-Veranstaltungen sind, so vielfältig sind auch die zu diskutierenden Fragen – und nicht zuletzt auch die potenziellen Lösungswege.

Für professionell Tätige besonders relevant ist natürlich die Frage nach den Gründen für Stagnation im Therapieprozess. Die konkreten Vorerfahrungen und Erlebnisse der Betroffenen können sehr unterschiedlich sein. Vielleicht hat es für den Patienten bereits Kontakte zum Helfersystem gegeben, die am Ende eher frustrierend als hilfreich waren. Die Erfahrung, nicht verstanden zu werden, vielleicht sogar eine abwertende Rückmeldung von einem Therapeuten zu bekommen, dem man sich anvertraut hat, kann ein triftiger Grund sein, weitere Hilfsangebote zu boykottieren.

Weniger Borderline, mehr Mensch

Nicht zuletzt stellt das Buch auch das öffentliche – eher negative – Bild von „den Borderlinern“ in Frage, indem es die ganz menschliche Komponente präsentiert. Sie ist es, die auch in den Trialogen wieder in den Vordergrund gerückt wird: Wie stark hält ein jeder Mensch an Gewohnheiten fest, die ihm Sicherheit vermitteln? Wie schwerfällig sind wir alle im Verändern von Verhaltensmustern? Wie lange kann es dauern, bis wir unsere Ernährung umgestellt, mit dem Rauchen aufgehört oder mit dem Sporttreiben angefangen haben? Doch von einem psychisch kranken Menschen wird erwartet, dass er alles dransetzt, um seine Situation zu verändern?! Stimmen hier die Relationen? Sind die Erwartungen realistisch?

Wertvolle Take-aways

Das Buch mit seinen trialogisch betrachteten Themen stellt sicherlich eine Momentaufnahme dar, doch die geschilderten Eindrücke aller Beteiligten zeigen eindrucksvoll auf, wie wertvoll eine fortwährende Diskussion ist. Der Trialog als lebendiger Austausch wird stetig weitergeführt und um neue (strukturelle, inhaltliche etc.) Ideen erweitert.

In einem der letzten Trialoge notierten sich die Teilnehmer etwa ihre ganz eigenen „Take-aways“, die Eindrücke, Gedanken und Erkenntnisse, die man für die gemeinsame Begegnung erinnern möchte. Hier folgt ein kleiner Auszug aus den Rückmeldungen:

–         „Jeder hat seine eigene reale Welt“

–         „Der Umgang mit seinen Gefühlen bzw. das generelle Befinden wird im Laufe der Zeit besser werden, wenn man die genannten Skills übt (Hoffnungsgedanke).“

–         „Grenzen setzen – Grenzen akzeptieren“

–         „Statt eines impulsiven ‚Jas‘ lieber ein ‚Vielleicht‘

–         „Was mache ich richtig richtig? Und was mache ich richtig falsch?“

–         „Struktur kann helfen, aber auch ein Hindernis sein“

–         „Katzen können ganz viel helfen! 😉

 

Nicht nur der Austausch im Trialog soll weitergehen, auch der Austausch über das Buch soll bereichern, befruchten, Erkenntnisse liefern. Daher teilen Sie uns Ihre Meinungen mit! Auch bei (fachlichen) Fragen können Sie sich gern melden:

Kontaktdaten der Borderline-Trialog Kontakt- und Informationsstelle

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Make today a day well lived!

 

  Die Top-5 NLP-Tipps für jeden Tag

Von Romina und Gary Schell

Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) ist eine höchst effektive Coachingmethode, die man auch im Alltag wunderbar für sich alleine nutzen kann – ganz nach dem Motto: „Mache jeden Tag wertvoll“ oder „Mache heute zu einem gut gelebten Tag“ (Make today a day well lived). Sie müssen kein Profi sein, um NLP auszuprobieren und wirkungsvoll einzusetzen.

Damit die folgenden Tipps optimal umgesetzt werden können, brauchen wir nur gelegentlich einige Gedankengrundlagen des NLP. Sie finden diese in Kursivschrift beim jeweiligen Praxis-Tipp.

Top-5 – NLP-Tipps für jeden Tag

  1. Morgens die Weichen für den Tag stellen
  2. Beeinflussen Sie Ihren Zustand
  3. Einfluss nehmen durch positives Reframing
  4. Wann Sie „aber“ durch „und“ ersetzen sollten
  5. Am Abend seine Erfolge zählen

1) Morgens die Weichen für den Tag stellen

„NLP ist ziel- und lösungsorientiert. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit.“

Viele von uns beginnen ihren Tag sehr früh und auch sehr hektisch. Die Nacht war wieder zu kurz, die Kinder müssen versorgt werden, der Körper verlangt nach Frühstück, und schon auf dem Weg zur Arbeit werden E-Mails auf dem Smartphone bearbeitet oder das anstehende Meeting vorbereitet. Dabei verfallen wir „planlos“ von einem Zustand in den nächsten. Hier gilt: Wenn wir keinen Fokus setzen, sind wir mehr oder weniger wie das sprichwörtliche Schiffchen auf hoher See – die Wellen schubsen uns willkürlich hin und her.

NLP-Übung für den Morgen

Stellen Sie selbst die Weichen! Stehen Sie eine Viertelstunde früher auf. Räkeln Sie sich ein wenig, nehmen Sie ein paar bewusste Atemzüge und finden Sie ein ruhiges Plätzchen.

Fragen Sie sich:

  • Wie möchte ich, dass mein Tag heute wird?
  • Worauf möchte ich mich heute konzentrieren?
  • Was ist die eine Sache, die mir persönlich wichtig ist, und von der ich heute Abend sagen können möchte, dass ich etwas dafür getan habe? Worin möchte ich einen Schritt weitergekommen sein?
  • Wann und wie werde ich mir heute etwas Gutes tun oder etwas Schönes erleben?
  • Wie wird es sein, wenn ich heute Abend ins Bett gehe und vollkommen zufrieden einschlafen kann? Was werde ich dann erreicht haben?

Diese mentale Auszeit direkt zu Beginn des Tages können Sie sich auch als mentales Stretching vorstellen. Probieren Sie es gleich morgen aus. Beantworten Sie die Fragen am besten schriftlich auf einem Blatt Papier oder legen Sie sich ein kleines Journal an.

Erfolgreiche Menschen führen diese Übung mit Selbstverständlichkeit aus. Sie haben erkannt, dass sie so mehr Ziele erreichen, als wenn sie sich nicht fokussieren. Wollen Sie sich ziellos hin- und herschaukeln lassen oder übernehmen Sie häufiger selbst das Steuer?

2) Beeinflussen Sie Ihren Zustand

„Körper und Geist sind eine Einheit und beeinflussen sich gegenseitig.“

Machen Sie doch gleich mal folgenden Test: Sinken Sie in Ihrem Sitz zusammen, lassen Sie Schultern und Kopf hängen, Ihre Mundwinkel ebenfalls, runzeln Sie die Stirn – wie fühlen Sie sich damit? Sagen Sie nun in dieser Haltung laut zu sich selbst: „Mir geht es richtig prima!“ Und zwar so, dass Sie es selbst glauben können! Das funktioniert nicht? Richtig! – Wenn Ihr Körper eine andere Botschaft über seine Haltung ausdrückt, dann können Sie keine gegenteilige Gefühlsaussage machen. Körper und Geist beeinflussen sich gegenseitig.

„Man kann nicht gleichzeitig zwei gegensätzliche Gefühle fühlen.“

Versuchen Sie mal gleichzeitig traurig und glücklich zu sein oder unsicher und selbstbewusst. Dies funktioniert kurz nacheinander im Wechsel, im selben Moment ist dies jedoch nicht möglich.

Übung:

Richten Sie sich auf, heben Sie Ihr Kinn ein wenig an, strecken Sie Ihr Brustbein nach vorne oben – schon zwei Millimeter werden einen Unterschied machen! Bleiben Sie in dieser Haltung für mindestens zwei Minuten und spüren Sie in sich hinein. Sie werden sich selbstbewusster und zufriedener fühlen. Wenn Sie alleine im Raum sind, können Sie auch Ihre Arme für zwei Minuten in der Siegerpose in die Luft strecken.

Allein diese einfache Übung bewirkt, dass Glückshormone ausgeschüttet und Stresshormone abgebaut werden. Nutzen Sie dieses Wissen!

Anwendung für mehr Selbstvertrauen

Probieren Sie es einmal aus. Vor Ihrem nächsten wichtigen Gespräch, bei dem Sie sich mehr Selbstbewusstsein wünschen, schließen Sie sich für zwei Minuten im Büro oder in der Toilette ein und halten Sie die Siegerpose für zwei Minuten. Vertrauen Sie Ihrem Körper – er wird Sie hormonell und emotional auf Ihr Gespräch vorbereiten. (Tipp: Sollte jemand zufällig in Ihr Büro kommen, während Sie die Arme in der Luft halten, wechseln Sie schnell in eine Räkel-Streck-Haltung und lassen Sie die Arme wieder sinken. Es muss ja niemand erfahren, was Sie da tun.)

Übung: Kleine Geste mit großer Wirkung

Verbesserungen Ihres emotionalen Zustandes können Sie auch durch kleinere Veränderungen einzelner Körperbereiche erzielen wie z. B. Ihrer Mundpartie. Lächeln Sie doch einfach mal ohne besonderen Grund! Viele Menschen warten darauf, dass etwas Schönes oder Lustiges in ihrem Leben passiert, das sie zum Lächeln bringt, wodurch wiederum ein Wohlgefühl in ihrem Körper ausgelöst wird. Machen Sie es auf NLP-Art: Lächeln Sie häufiger einfach so und schenken Sie sich selbst das Wohlgefühl. Entspannen Sie Ihre Stirn, lockern Sie Ihren Kiefer und heben Sie die Mundwinkel an. Warten Sie ein paar Sekunden – es wird Sie positiver stimmen! Wetten, dass Ihr Lächeln auch bei anderen gute Laune hervorrufen wird?

3) Einfluss nehmen durch positives Reframing

„Mehr Wahlmöglichkeiten sind besser als wenige.“

„Jedes Verhalten birgt eine positive Absicht.“

„Jeder Mensch wählt aus den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten immer die beste aus (um ein bestimmtes Ziel zu erreichen).“

Reframing bedeutet übersetzt „neu rahmen“. Im NLP nutzt man diese Technik des Umdeutens, um einem Verhalten oder Ereignis eine neue Bedeutung zu geben. Schon Shakespeare sagte: „Es gibt weder gut noch böse – erst unser Denken macht es dazu.“ Häufig kennen wir Reframing in negativer Form, wenn wir z. B. mit uns selbst zu hart ins Gericht gehen: „Ach, jetzt war ich wieder so vorschnell. Ich bin aber auch immer so ungeduldig!“ Vielleicht bedeutet „vorschnell sein“ auch, dass ein hohes Maß an Macher-Energie und Spontanität in Ihnen steckt. Es stimmt vielleicht, dass es in dieser bestimmten Situation bessere Wahlmöglichkeiten gegeben hätte, doch dies ist kein Grund, sich selbst als ganze Person herunterzuputzen.

Es geht beim Reframing nicht darum, sich einfach alles schön zu reden und nichts zu verändern. Erfolgreiche und zufriedene Menschen nutzen Reframing, um sich selbst in Zustände zu bringen, in denen Sie handlungsfähig bleiben. Manche Menschen glauben, sie müssen sich so richtig in ein Ärgergefühl hineinsteigern, damit sie sich daran erinnern, sich beim nächsten Mal anders zu verhalten. Das mag eine erfolgreiche Strategie für den einen oder anderen sein, doch es geht auch mit mehr Wohlbefinden.

Aus Fehlern lernen und das Gute entdecken

Lernen Sie aus Ihren „Fehlern“ und fragen Sie sich in jeder herausfordernden Situation:

  • Was habe ich hier gerade gelernt?
  • Was würde ich beim nächsten Mal wieder so machen?
  • Was würde ich gerne verändern?
  • Wenn es doch etwas Gute an der Situation/dem Gefühl/dem Verhalten gäbe – was wäre das?
  • Was wollte mein Verhalten ursprünglich sicherstellen?

Im NLP ist man immer zuerst darauf bedacht, sich die Wahlmöglichkeiten bewusst zu machen, anstatt sich selbst schlecht zu reden. Im zweiten Schritt geht es dann um mögliche Verbesserungen.

4) „Aber“ durch „und“ ersetzen

Dieser Tipp ist so bekannt wie einfach und doch setzen ihn so wenige Menschen um, wenn Sie mal genau hinhören. Die Wirkung ist dabei so groß, dass wir Ihnen ans Herz legen, wenigstens diesen NLP-Tipp für Ihren Alltag umzusetzen. Wenn Sie das nächste Mal anderer Meinung sind als Ihr Gesprächspartner, beginnen Sie Ihren Satz lieber mit einem „Und“.

Beispiel 1 – „Aber“ eher vermeiden

Kollege: „Wir sollten in Variante A investieren.“

Sie: „Aber ich denke Variante B ist viel lukrativer.“

Besser:

Kollege: „Wir sollten in Variante A investieren.“

Sie: „Und ich denke Variante B ist viel lukrativer.“

„Aber“ ist ein Wort, dass in der Wirkung jede vorgenannte Idee überdeckt, während „und“ alles Gesagte nebeneinander stellt. In Beispiel 1 hätten Sie Ihre Idee in ihrer Wertigkeit über die des Kollegen gestellt. Die Frage ist, ob Sie das beabsichtigt hätten oder ob Sie lediglich eine weitere Idee zur Diskussion stellen wollten. In letzterem Fall wählen Sie besser das „Und“.

Selbstverständlich ist das „Aber“ nicht verboten (siehe Beispiel 2) – Sie sollten sich nur der Wirkung Ihrer Kommunikation bewusst sein und ob Sie erzielen, was Sie erreichen wollten.

Beispiel 2 – „Aber“ erlaubt

Sie: Ich denke, Variante B ist viel lukrativer, aber ich verstehe Ihr Interesse an Variante A sehr gut. Lassen Sie uns beide Varianten noch einmal vergleichen.

5) Am Abend seine Erfolge zählen

Wenn Sie Ihren Tag beschließen, tun Sie es erfolgreich. Lassen Sie Ihren Tag Revue passieren und überlegen Sie, welche Dinge Sie gut gemacht haben. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit den Fragen vom Morgen.

Fragen Sie sich:

  • Habe ich meinen Fokus auf etwas von mir Ausgewähltes halten können?
  • Bin ich meinem Ziel ein Stückchen näher gekommen?
  • Habe ich umgesetzt, was ich mir vorgenommen habe?
  • Was habe ich gelernt, das ich wiederholen oder beim nächsten Mal etwas anders machen würde?
  • Was habe ich Schönes erlebt oder Gutes für mich getan?

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren und Umsetzen des einen oder anderen NLP-Tipps. Überprüfen Sie für sich, was Ihnen guttut und nützlich erscheint. Verwerfen Sie, was nicht für Sie passt und setzen Sie überall NLP ein, wo es hilfreich ist. Wenn Sie darauf achten, dass möglichst alle Beteiligten einen Gewinn für sich erzielen, haben Sie erkannt, worum es im NLP geht.


Über die Autoren

  Romina Schell

Romina Schell (*1982) ist Lehrtrainerin DVNLP, Master Coach DVNLP, Gesundheitscoach (Health Practitioner, HCT) sowie zertifizierte Trainerin des Virgina Satir Global Network.

Seit 2006 führt Sie zusammen mit ihrem Mann Gary NLP-Ausbildungen und Coaching im eigenen Institut „diedenkweisen“ durch. Im Junfermann Verlag ist von ihr das Buch „Das Herz im NLP“ (2015) erschienen.

Mehr über die Autorin erfahren Sie hier.

  Gary Schell

Gary Schell (*1967) führt als NLP-Lehrtrainer und Lehrcoach (DVNLP) seit 2003 NLP-Ausbildungen im eigenen Institut durch. Als Diplom-Sportlehrer mit über 20 Jahren Erfahrung im Gesundheitsbereich liegt es ihm am Herzen, Menschen bei Ihren Veränderungswünschen zu unterstützen. Zusammen mit seiner Frau Romina gründete er 2006 das NLP-Institut „diedenkweisen“, in dem neben der gesamten NLP-Ausbildung auch Coaching, Hypnose und Businesstrainings einen Schwerpunkt bilden.

Mehr über den Autoren erfahren Sie hier.

Alle Termine zur NLP-Ausbildung bei Romina & Gary Schell finden Sie hier.

 

Spüren, was ist

Kriegen Sie sich mit?

Von Tilman Niemeyer

Oder anders gefragt: Wie kriegen Sie sich mit? Wie bekommen wir mit, welche Emotionen uns bewegen? Wie können wir daran etwas verändern – und falls wir das können: Warum sollten wir das tun?

Um Antworten auf diese Fragen soll es hier gehen, und ich knüpfe gerne an die letzte Frage an: Sich besser mitzubekommen und genauer mitzubekommen, was uns bewegt, hilft uns dabei, befriedigendere Beziehungen zu anderen Menschen zu leben.

Sich mitbekommen hilft, befriedigende Beziehungen zu leben

Spontan würde vielleicht mancher sagen: „Ja aber ich kriege doch mit, wenn ich eine Wut habe!? Und wenn mich der andere wütend macht, dann reagiere ich eben wütend …“ Und doch: genau an dieser Stelle kann es nützlich sein, zu verlangsamen, genauer hinzuschauen, denn: Jede Reaktion ist begründet. Aber nicht jede Reaktion ist auch angemessen.

Im Alltag sind wir gewissermaßen geleitet von Automatismen: Wir „laufen auf Automatik“ und reagieren, wie wir immer reagieren. Das hat seinen Grund darin, dass wir vor allem aufgrund unserer Erfahrung reagieren. Die gesamte Erfahrung unseres bisherigen Lebens ist „gespeichert“ in unserem impliziten Gedächtnis (auch: Körpergedächtnis). Auf diese Weise steht sie uns allzeit zur Verfügung; in jeder Situation, in der wir uns entscheiden müssen (z. B.: „Wie reagiere ich darauf?“) hilft uns unsere Erfahrung, eine für uns sinnvolle Entscheidung zu treffen.

Alles in allem ist das eine phantastische Art und Weise, Entscheidungen zu treffen, schließlich reagiert das Erfahrungswissen enorm schnell (schneller als es das Bewusstsein könnte) und präsentiert uns eine Emotion, die uns eine Hilfestellung gibt, uns zu entscheiden: Mag ich das oder mag ich das nicht? Reagiere ich mit Annäherung oder mit Abgrenzung?

Ein Detail am Rande: Dieses implizite Gedächtnis funktioniert vollkommen unabhängig von unserem biographischen Gedächtnis. Es kann also sein, dass wir aufgrund einer Erfahrung reagieren, die uns nicht bewusst ist und an die wir keine bewusste Erinnerung haben; das ist sogar meistens der Fall.

Die angemessene Reaktion bezieht sich auf das Hier und Jetzt

So weit so gut. Problematisch daran ist ja auch nur, dass wir nicht immer nur angenehme Erfahrungen gemacht haben, sondern auch unangenehme – manchmal sogar sehr unangenehme, „die kein Mensch braucht“. Aber auch, ja gerade in solchen Fällen präsentieren sich unsere Entscheidungshelfer, die Emotionen, so rasch, dass wir, ohne nachzudenken, ja ohne uns mitzubekommen, schnell aufgrund einer alten Erfahrung auf eine neue Situation reagiert haben.

Dann ist die Auseinandersetzung gewissermaßen vorprogrammiert, denn eine solche Reaktion ist selten „angemessen“. – Wie sollte sie das auch sein, bezieht sich die Reaktion doch auf eine in der Vergangenheit liegende Situation (oder: viele solcher Situationen), und nicht auf unser Gegenüber.

Sicher ist es wichtig, in einer wirklich gefährlichen Situation schnell Entscheidungen treffen zu können; und es ist ja auch sinnvoll, wenn wir uns angesichts einer unangenehmen Begegnung darauf beziehen, dass wir dieses „Unangenehme“ vielleicht schon einmal erlebt haben und nicht wieder erleben wollen.

Oft bietet dieser Automatismus aber eben auch Fallstricke, in denen wir uns verheddern können: Je enger die Bindung ist und je näher uns der andere steht, umso wahrscheinlicher ist es, dass wir in „alte Muster“ verfallen und dadurch dazu beitragen, eine Erfahrung zu kreieren, die wir doch schon kennen.

Wie also können wir daran etwas ändern? Wie können wir uns besser mitbekommen? Und wie können wir lernen, zu differenzieren und zu unterscheiden, ob es jetzt gerade tatsächlich angemessen ist, z. B. mit entschiedener Abgrenzung zu reagieren – oder ob es nicht vielleicht etwas Altes war, das diese Gefühle wachgerufen (getriggert) hat.

Verlangsamen, innehalten, wahrnehmen

Um nicht nur automatisch und „wie immer“ zu reagieren, ist es unumgänglich, zuerst einmal zu verlangsamen, innezuhalten und zu spüren, was ist. – Letztlich reden wir hier von Achtsamkeit. Wobei der Begriff unterschiedlich verwendet, und noch unterschiedlicher verstanden wird.

Häufig wird unter Achtsamkeit ein behutsames, vorsichtiges Vorgehen verstanden. Wenn man sie aber als Technik und vor dem Hintergrund ihrer buddhistischen Herkunft versteht, geht Achtsamkeit darüber weit hinaus. Achtsamkeit meint dann einen Bewusstseinszustand, in dem wir körperliche oder gedankliche Regungen an uns wahrnehmen, ohne darüber zu urteilen und ohne deswegen gleich eine Handlung auszuführen. Wir sind emotional beteiligt, aber mit den auftauchenden Gefühlen nicht identifiziert (Innerer Beobachter), wie es sich z. B. im Unterschied zwischen den Feststellungen „Ich bin wütend“ (identifiziert) und „Ich habe eine Wut“ (beobachtend) ausdrückt.

Aber bevor es uns gelingt, selbst in Stresssituationen „auf die Bremse zu gehen“ und innezuhalten, ist es womöglich zuerst einmal leichter, gezielt im Alltag den Raum zu finden, an dem eine fünf- oder zehnminütige Auszeit möglich ist.

Für den Anfang: Suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie vorübergehend ungestört sind. Nehmen Sie eine aufrechte aber bequeme Körperhaltung ein … und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem. Nehmen Sie wahr, wie und in welchem Rhythmus Sie ganz von selbst ein- und ausatmen. Allein das, die auftauchenden Gedanken immer wieder sein lassen zu können und zum Atem zurückzukehren, fällt anfangs sicher nicht leicht und ist aber eine schöne Übung, die Aufmerksamkeit zu führen und die Wahrnehmung zu fokussieren.

Vielleicht tauchen ja Gedanken oder Körperempfindungen auf, die zwar vorher auch schon da gewesen sein mögen, die wir aber im Getriebe des Alltags allzu leicht überhören. Und womöglich mag der eine oder die andere die Aufmerksamkeit dann auch gezielt dorthin lenken – dann achten Sie lediglich weiterhin auf die innere Haltung, mit der Sie das tun: Nehmen Sie wahr, was ist; Sie brauchen keine Schlüsse daraus zu ziehen; vermeiden Sie, das, was sich zeigt, zu (ver-)urteilen (wie etwa: „Ich sollte solche Gedanken nicht haben“); versuchen Sie, sich mitzubekommen („Ah, eigentlich bin ich gar nicht … sondern wütend/traurig/ängstlich!?“), ohne aber sich in dem jeweiligen Gefühl (Wut/Trauer/Angst) zu verlieren.

Bewusstseinsarbeit ist eine fortdauernde Übung

Die eigenen Emotionen wahrzunehmen, ohne mit ihnen identifiziert zu sein, auch unangenehme Gefühle aushalten zu können und sie nicht „wegmachen“ zu müssen (z. B. weil sie mit der Angst einhergehen, von ihnen überwältig zu werden, oder weil wir „so nicht sein wollen“), das bietet uns die Chance, nicht automatisch sondern bewusst zu reagieren. Auf diese Weise (und vielleicht nur auf diese Weise) kann es gelingen, immer häufiger die Wahl zu haben und aus unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen, wie wir in einer bestimmten Situation handeln wollen – und dadurch ja womöglich angemessener auf das zu reagieren, was uns jetzt gerade begegnet.

Sich besser mitzubekommen, ist nichts, was man einmal erreicht hat, es ist eine ständige Übung. Mit zunehmender Übung kann es aber leichter gelingen, aus der Automatik immer mal wieder auszusteigen, und gleichzeitig auch, die Wahrnehmung immer mehr zu verfeinern. Falls Sie sich auf den Weg machen wollen, mehr über sich selbst zu erfahren, wünsche ich Ihnen spannende Entdeckungen und: gutes Gelingen!


   Über den Autor

Tilman Niemeyer ist Heilpraktiker für Psychotherapie, Hakomi-Körperpsychotherapeut und lebt und arbeitet in der Nähe von Wien. Sein Buch „Kleiner Psychotherapieführer. Grundlagen und Methoden. Praktischer Wegweiser zur geeigneten Therapie“ ist 2014 bei Junfermann erschienen.

Mehr Informationen unter: www.niemeyer-psychotherapie.at

 

Ein Nein aus tiefster Überzeugung…

Abgrenzung – ein „Ja“ zu sich selbst

von Ulrike Hensel

Die Frage „Wie kann ich mich besser abgrenzen?“ ist regelmäßig ganz vorne mit dabei, wenn in den Workshops, die ich für hochsensible Menschen (abgekürzt HSP) gebe, Themen gesammelt werden und wenn Coachees ihre Anliegen formulieren.

Diejenigen, für die Grenzen-Setzen ein Thema ist – und das sind beileibe nicht nur HSP –, möchten mehr als bisher für sich persönliche Freiräume schaffen, eigenen Wertvorstellungen und Prinzipien treu bleiben, ihre Integrität wahren. Sie möchten selbstverständlicher und selbstsicherer die eigenen Interessen vertreten, ihren eigenen Weg gehen. Nicht länger Nett-Sein vor Echt-Sein stellen, nicht länger den Erwartungen anderer Vorrang geben vor eigenen Bestrebungen.

Wie ich es sehe, geht es für sie darum, bewusst mehr Selbstfürsorge walten zu lassen und Strategien für selbstbestimmtes Handeln zu entwickeln – ohne dabei anderen jegliches Entgegenkommen zu verwehren und ohne den Gemeinschaftssinn zu verlieren.

Für andere da zu sein, ist ein wichtiges Bedürfnis

Wenn mir jemand sagt, dass er eigene Bedürfnisse ignorieren würde und nur für andere da sei, dann weise ich gerne darauf hin, dass schließlich auch das Für-andere-da-Sein ein wesentliches Bedürfnis ist, und werbe für Nachsicht und Verständnis sich selbst gegenüber. Laut Marshall Rosenberg, dem Begründer der „Gewaltfreien Kommunikation“, ist das Bedürfnis, zum Wohlergehen anderer beizutragen, ein zutiefst menschliches, also wahrlich nichts, wofür man sich kritisieren müsste. Wie so oft, geht es lediglich um das rechte Maß und die Ausgewogenheit, denn es gibt ja noch andere Bedürfnisse und Wünsche, die nicht ins Hintertreffen geraten dürfen.

Ich plädiere sicher nicht für rüde, unsoziale Rücksichtslosigkeit, die die Mitmenschen außer Acht lässt, sondern für einen „gesunden Egoismus“, der eine angemessene Rücksicht auf andere einschließt. Thomas Gordon hat es in seinem Beziehungscredo, das ich in seinem Buch Gute Beziehungen gefunden habe, wie folgt formuliert:

„Wenn wir Konflikte haben, wollen wir versuchen, alle beizulegen, ohne dass einer versucht, sie auf Kosten des anderen zu lösen. Das Recht auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gestehe ich dir ebenso zu wie mir. Deshalb wollen wir immer nach Lösungen suchen, die für uns beide akzeptabel sind. Keiner wird verlieren, sondern beide werden wir gewinnen.“ (32014, S. 153)

Abgrenzung – pro und contra

Was für Abgrenzung spricht: Wollen wir unsere persönlichen Projekte voranbringen und unsere ureigenen Ziele verfolgen, ist es nötig, unsere Aufmerksamkeit und unsere Energien einigermaßen darauf zu fokussieren. Erst recht als HSP, weil man da noch begrenzter belastbar ist als andere. Hier hilft der Gedanke, dass das Nein anderen gegenüber ein Ja zu sich selbst ist. Wenn wir wissen, wozu genau wir Ja sagen, stärkt das unsere Entschiedenheit.

Ein weiteres zugkräftiges Argument für die Abgrenzung: Ein rechtzeitiges offenes Vertreten des eigenen Standpunkts beugt einem inneren Groll vor, der sich sonst irgendwann in einem destruktiven Gefühlsausbruch entladen könnte oder im Untergrund beziehungszersetzend wirken würde. Menschen, die sich scheuen, offen und klar Grenzen zu setzen, schützen sich unbewusst auf andere Weise, indem sie innerlich auf Distanz gehen, sich verschließen, unterschwellig aggressiv sind.

„Ein Nein aus tiefster Überzeugung ist besser und größer als ein Ja, das nur gesagt wird, um zu gefallen oder um Schwierigkeiten zu vermeiden.“ (Mahatma Gandhi)

Was gegen (zu viel) Abgrenzung spricht: Menschen sind soziale Wesen, Zugehörigkeit ist ihr Lebenselixier. Dementsprechend bedeutet es ihnen sehr viel, gute Beziehungen zu den Menschen in ihrem Umfeld zu haben. Und dafür sind sie verständlicherweise bereit, einiges zu tun. Des Weiteren: Die Stimmungen anderer beeinflussen die eigene Stimmung (besonders bei HSP!). Es ist schön, wenn die Zufriedenheit des Gegenübers auf einen zurückwirkt. Schon deshalb das Bemühen, zu dessen Wohlsein beizutragen. Und: Hilfsbereitschaft ist für viele ein wichtiger Wert, der entsprechend im Handeln seinen Niederschlag finden soll. In den Zusammenhang passt folgendes Goethe-Zitat: „Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich.“

Abgrenzung gepaart mit Hilfsbereitschaft

Wie können nun die beiden Qualitäten Abgrenzung und Hilfsbereitschaft in eine gute Verbindung gebracht werden? Einen sehr praxistauglichen Ansatz finde ich in dem Modell des Werte- und Entwicklungsquadrats von Friedemann Schulz von Thun. Der wesentliche Gedanke dabei ist, dass jede „Tugend“ in der Übertreibung und ohne die ausgleichende Wirkung einer sogenannten „Schwestertugend“ leicht in eine „Untugend“ abrutschen kann; das wäre dann sozusagen „des Guten zu viel“. Schulz von Thun sagt im Buch Kommunikation als Lebenskunst: „Jede Tugend, jedes Ideal, jede menschliche Qualität, eben jeder Wert kann nur dann für das Leben konstruktiv werden, wenn er sich in einer Balance zu einer komplementären ‚Schwestertugend‘ befindet“ (2014, S. 118).

 

Abbildung: Wertequadrat zu Abgrenzung und Hilfsbereitschaft (nach Friedemann Schulz von Thun)

 

Abgrenzung und Hilfsbereitschaft können somit als Schwestertugenden gesehen werden. In der Übertreibung würde selbstfürsorgliche Abgrenzung zur hartherzigen Ignoranz, einem egoistischen Verhalten, die andere außen vor lässt und über kurz oder lang sozial isoliert. Auf der anderen Seite würde zu viel der einfühlsamen Hilfsbereitschaft zur selbstschädigenden Aufopferung, zur Selbstaufgabe. Die Qualität „selbstfürsorgliche Abgrenzung“ erfährt also einen günstigen Ausgleich durch die Qualität „einfühlsame Hilfsbereitschaft“. In der Integration der beiden Qualitäten finden das Ich und das Du Beachtung, was ein beziehungsförderliches Wir ermöglicht. Das Ideal ist das flexible Gleichgewicht zwischen den beiden positiven Qualitäten im Sinne eines Sowohl-als-auch.

Jede Verhaltensänderung ist mit Unsicherheit verbunden

Häufig fehlt einfach die Erfahrung mit Verhaltensweisen, die Grenzen aufzeigen und andere nötigenfalls in ihre Schranken verweisen. Wer als Heranwachsender Grenzverletzungen erfahren hat und dagegen nichts auszurichten vermochte, muss als Erwachsener erst ein Gefühl dafür entwickeln, dass er ein Recht auf Grenzen hat. Den persönlichen Raum auszufüllen und zu behaupten, muss erst erlernt werden, allen Befürchtungen, die womöglich damit einhergehen, zum Trotz: Befürchtungen, andere zu kränken, zu verletzen oder zu enttäuschen; Angst, selbst abgelehnt und zurückgewiesen zu werden, in unangenehme Konflikte mit anderen zu geraten; Angst, die Anerkennung zu verlieren, Freunde zu verlieren, allein dazustehen.

Es braucht daher eine gehörige Portion Entschlossenheit, Mut und Experimentierfreude, um trotz Ängsten und Zweifeln Verhaltensänderungen anzugehen. Der Antrieb erwächst aus der zuversichtlichen Annahme, dass mit dem neuen Verhalten letztlich eine deutliche Verbesserung im Leben zu erreichen ist. In einem Zitat von Ambrose Redmoon ist es treffend ausgedrückt: „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Einschätzung, dass etwas anderes wichtiger ist als die Angst.“ Erste positive Erfahrungen können in der Folge die Motivation liefern, dran zu bleiben und neue Gewohnheiten zu etablieren. Manch einer wird erstaunt sein, wie problemlos eine überzeugte und überzeugende Abgrenzung aufgenommen wird und wie dadurch das eigene Ansehen sogar steigt.

Ein klares Nein, wenn man Nein meint

Es geht nicht darum, bei beliebigen Gelegenheiten häufiger Nein zu sagen, sondern vielmehr immer eigenverantwortlicher und konsequenter Nein statt Ja zu sagen, wenn man ein Nein empfindet. Es geht um Ehrlichkeit, Authentizität und Echtheit. Doch bevor diese Werte zum Tragen kommen, müssen wir uns erst einmal darüber klar werden, was genau für uns stimmig ist, was wir wirklich wollen und was nicht. Wir können nur die Grenzen aufzeigen und gegebenenfalls verteidigen, von deren Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit wir selbst überzeugt sind. Dazu Schulz von Thun: „Selbstklärung ist die Grundlage für eine klare, kraftvolle Kommunikation“ (S. 98).

Haben wir uns entschieden, einer Erwartung nicht zu entsprechen bzw. ein Ansinnen abzulehnen, tun wir das am besten klar und deutlich und geben dafür eine knappe Begründung, ohne uns allzu wortreich zu erklären und zu rechtfertigen (wozu viele HSP neigen), ohne uns zu entschuldigen oder gar Ausreden zu erfinden. Ein schlichtes „Nein, das passt für mich nicht“ oder „Nein, das will ich nicht“ wird meist am besten akzeptiert, selbst dann, wenn es dem anderen nicht gefällt.

Eine Körpersprache, die nicht mit der verbalen Aussage übereinstimmt, entlarvt ein wackliges Nein. Eine leise Stimme, ein entschuldigendes Lächeln, ein ausweichender Blick schwächen das Nein ab und machen es unglaubwürdig. Ein Kopfschütteln, eine feste Stimme, ein ernster Gesichtsausdruck, ein direkter Blickkontakt hingegen unterstreichen das Nein.

Gefragt ist Kommunikationskompetenz

Vielleicht passt ja auch ein eingeschränktes Nein: „Nein, nicht jetzt/heute/dieses Mal“ oder „Nein, nicht so“ mit anschließenden Gegenvorschlägen, was man anbieten kann – dies allerdings wirklich nur, wenn man dahintersteht und sie aus freien Stücken macht.

Schroff und unfreundlich geäußert oder gekoppelt mit einem Vorwurf „Wie kannst du das nur von mir erwarten?“ wird das Nein eine verärgerte und abweisende Reaktion hervorrufen. Ruhig und vorwurfsfrei vorgetragen, als Ich-Botschaft formuliert, stehen die Chancen für eine moderate und verständnisvolle Reaktion gut. Garantiert ist sie jedoch nicht. Unter Umständen sind wir gefordert, die Enttäuschung unseres Gegenübers da sein zu lassen und die (vorübergehend) entstehende Distanz auszuhalten. Keinesfalls sollte man dem anderen seine Gefühle absprechen.

Zum Abschluss noch ein Gedanke: Eine umfassende Auseinandersetzung mit Abgrenzung hat zwei Seiten. Die Grenzen, die man selbst setzt, und die Grenzen, die einem gesetzt werden. Hand aufs Herz: Wie gut können wir die Grenzen anderer akzeptieren und wahren? Respektieren wir vorbehaltlos den Gestaltungsraum anderer? Verzichten wir darauf, uns über die Wünsche Ihrer Mitmenschen einfach hinwegzusetzen? Das respektvolle Achten der Grenzen anderer ist in meinen Augen eine viel zu wenig beachtete Voraussetzung dafür, dass die eigenen Grenzen respektiert und geachtet werden.

Wenn Sie dieses Thema interessiert, werfen Sie doch mal einen Blick in folgende Bücher:

  • Mein Buch-Tipp Nr. 1: „Sei nicht nett, sei echt“ von Kelly Bryson
  • Mein Buchtipp Nr. 2: „Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens“ von Marshall B. Rosenberg
  • Mein Buch-Tipp Nr. 3: „Gute Beziehungen: Wie sie entstehen und stärker werden“ von Thomas Gordon
  • Mein Buchtipp Nr. 4: „Kommunikation als Lebenskunst: Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens“ von Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun

Kennen Sie das Problem, sich nicht ausreichend abgrenzen zu können? Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Thema? Schreiben Sie uns! Wir freuen uns über Ihre Fragen, Kommentare und Anregungen.

 


  Über die Autorin

Ulrike Hensel ist Coach für hochsensible Menschen, Autorin von „Mit viel Feingefühl – Hochsensibilität verstehen und wertschätzen“ (Junfermann, 2013) und „Hochsensible Menschen im Coaching – Was sie ausmacht, was sie brauchen und was sie bewegt“ (Junfermann, Oktober 2015).

Weitere Informationen zur Autorin und ihrem Coaching erhalten Sie hier.

 

 

Mit „gehirngerechten“ Zielen zum Erfolg

Die Macht der Gedanken

Von Cora Besser-Siegmund

Man hat herausgefunden, dass Menschen mit einer lebhaften Vorstellungskraft ihr Leben besonders zufriedenstellend und erfolgreich gestalten können. Das liegt an der faszinierenden Struktur der Gedanken, denn obwohl man sie nicht sehen oder greifen kann, bestehen sie durchaus nicht aus Luft. Ihre Entstehung geht mit messbaren Stoffwechselprozessen einher. Der Schriftsteller Rudyard Kipling – Autor des Weltklassikers „Dschungelbuch“ – sagte einmal: „Worte sind die mächtigste Droge, welche die Menschheit benutzt.“ Ein eindrucksvoller Beweis für diese These ist der bekannte Placebo-Effekt, der allein durch Sprache aktiviert werden kann. Man gibt einem von Kopfschmerz geplagten Menschen eine simple Zuckerpille und sagt dabei: „Hier bekommen Sie eine besonders wirkungsvolle Schmerztablette“ – und der Schmerz verschwindet. „Placebo“ ist Latein und heißt übersetzt: „Ich werde nützlich sein.“ Allein ein Satz mit nur wenigen – aber den richtigen – Worten bewirkt den positiven Effekt, weil die Person den Sprach-Reiz durch die Macht der Gedanken mit einer positiven Erwartungshaltung verknüpft, die dann ein wohltuendes Echo im Körpererleben auslöst: schmerzlindernde Endorphine setzen sich in den Nervenverbindungen frei, Muskeln lockern sich, die Gefäße reagieren mit einem ausbalancierten Volumen – und schon fließt der Schmerz davon. Wir sprechen vom „Neurolinguistischen Coaching“, wenn wir unseren Sprachschatz für die Verwirklichung unserer Ziele nutzen.

Es gibt viele eindrucksvolle Placebo-Experimente zu diesem Thema. So entwickelte auch die amerikanische Psychologin und Harvard-Dozentin Ellen Langer ein einfaches und wirkungsvolles Studien-Design, das sich mit der Arbeit von Raumpflegerinnen in Hotels beschäftigte. Ihr Forscherteam wandte sich an diese Raumpflegerinnen, die in zwei Gruppen aufgeteilt waren: eine Versuchsgruppe und eine Kontrollgruppe. Vor dem eigentlichen Experiment wurden alle Studienteilnehmerinnen medizinisch untersucht, beide Gruppen erzielten hier vergleichbare Werte. Beim eigentlichen Experiment wurden dann die Teilnehmerinnen der Versuchsgruppe darüber informiert, dass ihre Arbeit eigentlich einem idealen Fitnesstraining entsprechen würde und daher – medizinisch betrachtet – sehr gesund sei. Diese Information erhielt die Kontrollgruppe nicht. Hierzu berichtet der Arzt Johannes Koepchen im Online-Magazin Mentalmed:

„Die Ergebnisse nach 4 Wochen für die Studiengruppe:

  • deutlich mehr Raumpflegerinnen sahen ihre Arbeit als Training (Anstieg von 29 auf 45, in der Kontrolle nur 15 %)
  • das Gewicht sank in 4 Wochen im Schnitt um ca. 2 Pfund
  • das Körperfett reduzierte sich deutlich
  • der Taillenumfang nahm deutlich ab
  • der systolische Blutdruck verminderte sich um ca. 10 Punkte“

Dieser deutliche Unterschied im Vergleich zur Kontrollgruppe ergab sich bei den Teilnehmerinnen also allein durch die Begrifflichkeit „ideales Fitnesstraining“ – diese Worte änderten nicht nur die Einstellung zur geleisteten Tätigkeit, sondern wirkten sich konkret und messbar auf die körperlichen Gesundheitsdaten der beforschten Frauen aus. Ellen Langer hat noch eine Reihe weiterer Studien zu diesem Thema veröffentlicht – beispielsweise auch bei älteren Menschen –, die alle ähnlich konkret messbare Verbesserungen der körperlichen Gesundheit bei den Probanden aufweisen.

Die Placebo-Forschung zeigt, wie wichtig zielführende Gedanken für unsere körperliche Gesundheit und auch für Erfolge im Leben sind. Ungefähr 60.000 Gedanken gehen uns täglich durch den Kopf. Wenn wir sie nicht selbst positiv gestalten, führen sie einfach ein Eigenleben, denn das Gehirn arbeitet rund um die Uhr. Wollen wir unser Gehirn mit seinem Gedankenpotential bewusst für die Erreichung von Zielen nutzen, können wir uns schon im Hier und Jetzt mental in den Zielerfolg hineinversetzen. Die präzise Zieldefinition ist für das Gehirn das geeignete Kursinstrument auf dem Weg zur positiven Veränderung, und schon arbeiten die sechzigtausend Gedanken für uns. Dazu ist es wichtig, die Gehirnfunktionen der Wahrnehmungsverarbeitung für ein erfolgreiches Gedankenmanagement kennen und nutzen zu lernen.

Für die gedankliche oder ausgesprochene Zieldefinition ist es wichtig zu wissen, dass unser Gehirn spontan eine Negation wie ein „Nein“ oder ein „Nicht“ ganz anders als erwünscht bearbeitet. Machen Sie den Test: Denken Sie jetzt bitte nicht an ein Krokodil. Und spontan präsentiert Ihnen Ihr Gehirn diese grüne Riesenechse. Auf diese Art und Weise machen Sie Probleme zu Krokodilen, die mit ihrem großen Gebiss auf dem Erfolgsweg lauern und den Mut und das Durchhaltevermögen auf dem Weg zum Ziel gefährden. Überprüfen Sie im Alltag, wie oft Sie in Gedanken ein Ziel mit „Krokodilen“ beschreiben: „Ich möchte auf keinen Fall in der Prüfung nervös sein“ – anstatt zu denken: „Ich gehe ruhig und gelassen zum Prüfungstermin.“ Beim Neurolinguistischen Coaching nennen wir diese unterstrichenen Begriffe „Go-Wörter“: sie bewirken aufgrund ihrer Wortdynamik, dass wir unsere Potenziale aktiv ausleben und auf der Handlungsebene verwirklichen können. Ein Wort wie „nervös“ hingegen ist dann ein „Stop-Wort“: es irritiert und hemmt die Gedanken- und Handlungsmöglichkeiten.

Psychologen und Pädagogen weisen schon lange darauf hin, wie ungünstig es ist, zu einem Kind zu sagen: „Pass auf, du fällst gleich hin. Stolpere nicht!“ In dem Moment, in dem das Wort „Stolpern“ fällt, muss das Kind erst einmal begreifen, was Stolpern eigentlich ist. Das Gehirn aktiviert nun alles Wissen, das es zum Thema „Stolpern“ programmiert hat. „Aha, da muss man also die Füße so nachlässig über den Boden schleifen, damit sie an einem Stein hängenbleiben!“ Und da das Denken an eine Körperreaktion und deren tatsächliche Auslösung von denselben Gehirnarealen gesteuert wird – stolpert das Kind. Der Muskeltonus ist sofort als Reaktion auf den Gedanken erschlafft, und das Kind konnte den Fuß nicht mehr ausreichend anheben. Wir haben es bei diesem Beispiel nicht mit einem Phänomen der Magie zu tun, sondern mit einer schlichten Falschprogrammierung des Gehirns durch ungünstige Stop-Wörter oder Stop-Gedanken. Es tritt genau jene Panne ein, wovor das Kind geschützt werden sollte.

Unser Gehirn muss immer ein Ziel mit seinen 120 Milliarden Gehirnzellen zunächst gedanklich aktivieren, bevor es das Erreichen des Zieles organisieren kann. Man spricht hier auch vom „Zukunftssinn“ des Menschen: Wir können lebhaft in unserem inneren Erleben eine Geburtstagsparty planen, die erst in einem halben Jahr stattfinden wird. Diese mentale Programmierung entfaltet ihre größte Wirkung für die Realisierung der Ziele, wenn sie möglichst „gehirngerecht“ und genau ausfällt: Nicht nur Wörter, auch innere Bilder und deren Qualität beeinflussen den Erfolg: Farbe, Größe und Licht können positive Emotionen verstärken – und bewegte Bilder wirken dynamischer als Standbilder. Auch Bilder und Wörter reichen noch lange nicht aus – auch das Körpergefühl, das Hören, das Riechen und Schmecken unterstreichen Sätze und Formulierungen, die den Zielzustand positiv beschreiben und verstärken auf diese Weise die Macht der Gedanken.

IMAGINATIONSÜBUNG: Selbstmotivation durch Gedanken-Management

1. Denken Sie an ein „mittelwichtiges“ Alltagsziel, für das Sie eigentlich etwas tun müssten – es aber nicht machen: energievoll aufwachen, sich mehr bewegen, ein bestimmtes Buch lesen usw. Dabei sollten Sie das erwünschte Verhalten schon im Repertoire haben: Sie können sich bewegen, ins Bett gehen oder lesen – aber Sie tun es eben nicht oder zu wenig.

2. Was passiert, wenn Sie es weiterhin nicht tun?

3. Und wofür lohnt es sich, diese Sache zu tun/ diesen Zustand zu erreichen? Beschreiben Sie das Motiv in positiv formulierten „Go-Wörtern“ und „Go-Sätzen“

4. Begeben Sie sich in die Vorstellung, Sie hätten diesen Zielzustand erreicht. Reisen Sie mit allen fünf Sinnen auf diese Zukunft. Was genau nehmen Sie alles wahr, wenn Sie gedanklich schon am Ziel sind?

SEHEN

HÖREN

FÜHLEN

RIECHEN

SCHMECKEN

5. Welche dieser Sinneserlebnisse lösen (oder löst) die intensivste Vorfreude in Ihnen aus?

6. Was können Sie selbst in den nächsten fünf Tagen konkret tun, um dieser positiven Zielvorstellung näher zu kommen? Aktivieren Sie immer wieder die positiven Sinneserlebnisse und Ihre „Go-Worte“, während Sie über drei Möglichkeiten nachdenken. So vernetzen Sie die Ihre Handlungen gedanklich mit Vorfreude und steigern so die Chance zur Verwirklichung.

7. Besorgen Sie sich einen Erinnerungs-Anker, der Sie überall an dieses Zielerlebnis erinnern kann: ein Glasstein, ein Ring, ein Kugelschreiber, ein Parfum, ein bestimmtes Foto auf dem Handy usw. Und wann immer Sie sich einen Schritt in Richtung Ziel bewegt haben, geben Sie sich selbst in einem freundlichen Tonfall innerlich positives Feedback – denn das tut sprichwörtlich der „Stimmung“ gut.

Sie können Ihr Kreativitätspotenzial für diese Übung und für die Entwicklung zielführender Gedanken noch durch den Einsatz der speziell komponierten wingwave-Musik intensivieren. Selbstcoaching mit der wingwave-Musik reduziert Stress, steigert das Wohlgefühl und inspiriert zu kreativen Gedanken. Diese Musik wirkt über einen abwechselnden Links-rechts-Takt, der im Ruhe-Rhythmus des Herzens Ihren Gehör-Sinn und damit Ihr ganzes Nervensystem „berührt“. Die Wirkung entfaltet sich durch den Einsatz von Stereokopfhörern. Es gibt eine entsprechende wingwave-App, die für Ihr Selbstcoaching verschiedene Mental-Übungen in Verbindung mit der wingwave-Musik vorstellt. Die Basis-Version dieser App ist gratis. Alle Informationen und das Gratis-Musikstück „Feelwave“ gibt es zusätzlich auch im wingwave-online-shop.

Auch mit einer positiven inneren Stimmung können Sie Ihr Gedankenmanagement effektiv unterstützen – ganz konkret, indem Sie den Tonfall der inneren Ansprache motivierend klingen lassen. Wir reagieren zunächst immer emotional auf Wörter und Sätze – die Wortbedeutung „verblasst“, wenn wir uns mit einer strengen oder gar ungeduldigen Stimme fast schon befehlen: „Ich darf Erfolg haben!“ Wir haben zwei Hörzentren – genannt Hörcortex. Sie sind für verschiedenen Interpretationen von Hörreizen zuständig: Die linke Seite für die inhaltliche Bedeutung – „Was ist das?“ – und die rechte Seite für die Interpretation, wie die Botschaft gemeint ist – „Wie ist das?“ – wird ein schlichtes „Ja“ freundlich oder gelangweilt gesprochen? Probieren Sie aus, welcher positive Tonfall bei Ihnen die stärkste Motivationsenergie erzeugt: gelassen, fröhlich, liebevoll oder begeisternd.

Es könnte auch sein, dass einige mit dem Ziel verbundene Worte trotz allen positiven Denkens immer noch ein Unbehagen auslösen: Begriffe wie „Prüfung“, „Zahnbehandlung“, „Steuererklärung“, „Bügeln“ oder „Wirtschaftskrise“. Hier hilft ein ganz einfaches Selbstcoaching namens „Magic Words“ – auch diese Übung gibt es übrigens in der schon zuvor erwähnten wingwave-App. Sie schreiben diese zunächst noch unangenehm wirkenden Wörter in Gedanken in bunten Buchstaben, stellen sich die Begriffe klein geschrieben links unten in der Ecke vor, oder Sie lassen eine innere Micky-Maus-Stimme die Wörter piepsen. Und schon werden daraus erlaubende „Go-Worte“: Sie reagieren jetzt gelassen und kreativ auf diese Schlüsselwörter. Die Macht der motivierenden Gedanken basiert also immer auf einer gelungene Kombination aus zielführenden Worten, belebenden Sinneswahrnehmungen und positiven Emotionen.


  Über die Autorin

Die Diplom-Psychologin Cora Besser-Siegmund (*1957) ist approbierte Psychotherapeutin, NLP-Lehrtrainerin (DVNLP) und -Lehrcoach (ECA). Cora Besser-Siegmund ist außerdem Supervisorin für EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing).

Im Jahr 2001 begründete sie zusammen mit Ihrem Mann Dipl.-Psych. Harry Siegmund die wingwave®-Methode, die mittlerweile international von fast 5000 wingwave®-Coaches angewendet wird. Die Methode wurde bereits beforscht und Ihre Wirksamkeit wissenschaftlich belegt.

Seit über zwanzig Jahren leitet sie das Besser-Siegmund-Institut, das sich im Herzen Hamburgs befindet. Mit Ihrem Mann entwickelte sie eine Reihe von Verfahren für Therapien und Coachings, die sie einem breiten Publikum in einer Reihe von Sachbüchern bekannt gemacht haben. Zahlreiche Manager, Führungskräfte, Sportler, Künstler und Kreative nutzen die seit Jahren erfolgreichen Kurzzeitcoaching-Methoden Magic Words und wingwave®-Coaching.

Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören:

•           Emotions- und Leistungscoaching

•           Standortbestimmung und Karriereplanung

•           Selbstmanagement/ -motivation

•           Präsentationssicherheit

•           Konfliktstabilität

•           Stressmanagement

Im Junfermann Verlag sind von ihr unter anderem die Bücher Magic Words – der minutenschnelle Abbau von Blockaden (2004) und Mentales Selbstcoaching (2006) erschienen. Im Herbst 2015 erscheint der Titel Neurolinguistisches Coaching.

 

Weitere verwendete Literatur

Langer, E. J. (2007 (18)). Mind Set Matters. Psychological Science , 165 – 171.

Wegner, D. (1995). Die Spirale im Kopf: von der Hartnäckigkeit unerwünschter Gedanken – die Psychologie der mentalen Kontrolle. Bergisch Gladbach: Bastei-Lübbe.

Wegner, D. e. (May 1998). The Putt and the Pendulum: Ironic Effects of mental Control of Action. Psychological Science Vol. 9 No 3 , S. 196 – 201.

Erleben Sie den Drive …

Drive – mit der Welt im Fluss sein

Von Stefan Hölscher

Wir alle kennen Situationen, in denen wir uns als kraftvoll gestaltend erleben, in denen wir das Gefühl haben, gut im Fluss zu sein, die Dinge zu bewegen, Schwierigkeiten zu meistern und Energie, Lust und Lebendigkeit bei alledem zu spüren. Erfahrungen dieser Art können mit unterschiedlichsten Tätigkeiten im Beruf oder im Privatleben verbunden sein; mit Tätigkeiten, die wir allein tun, oder mit Tätigkeiten, die wir mit anderen zusammen unternehmen. Oft handelt es sich um kreative, sportliche oder spielerische Aktivitäten, doch können es genauso auch Überlegungen, Problemlösungsprozesse, intensive Gespräche oder alltägliche Tätigkeiten und Interaktionen mit anderen sein. Geprägt wird solches Erleben durch eine eigentümliche Gleichzeitigkeit von Gestalten und Laufenlassen, von ernsthaftem Einsatz und spielerischer Leichtigkeit, von Leistungswillen und Lust. Situationen dieser Art sind Momente des Gelingens und des Glücks. Was wir dabei erleben, ist Drive – eine ganz besondere Art mit uns selbst und der Welt im Fluss zu sein.

Ein solches Im-Fluss-Sein lässt sich nicht erzwingen. Wir können allerdings Bedingungen fördern, unter denen es uns eher gelingt, dass es dazu kommt. Die entscheidenden Weichenstellungen dafür liegen in uns selbst. Wir selbst bestimmen mit unserem Denken und Handeln, mit der Art des Umgangs mit dem, was in uns und um uns herum passiert, maßgeblich, wie es uns geht und welche weitere Entwicklung die Dinge für uns nehmen. Die wirksamsten Weichenstellungen, um mehr und mehr in einen guten Fluss zu kommen und Drive im eigenen Leben zu entfalten, lassen sich dabei in vier Leitsätze fassen.

 

Schätze, was da ist

Der erste und wichtigste Leitsatz für Drive ist: Nimm an, was gerade da ist, was auch immer es ist, und geh davon aus, dass du etwas Sinnvolles daraus machen kannst. Dieses Prinzip gilt im Kleinen wie im Großen, im Inneren wie im Äußeren. Es gilt für das, was einen ereilt – sowohl das, worüber man sich spontan freut: positive Überraschungen, unerwartete Gelegenheiten, glückliche Momente; wie auch für das, was man so nicht haben wollte: Störungen, Probleme, Krankheiten, Krisen, Verluste. Es gilt für das, was andere tun und was ihnen eigen ist: ihre Worte, Handlungen, Handlungsmuster und deren Folgen; und es gilt für das, was man selbst tut und was einem selbst eigen ist: eigene Gedanken, Gefühle, Handlungen, Handlungsmuster, Eigenschaften, die eigene Biografie…

Anzunehmen, was ist, und davon auszugehen, dass sich etwas Sinnvolles daraus machen lässt, bedeutet zweierlei: Akzeptanz des Gegebenen und aktive Gestaltungskraft. In genau dieser Kombination liegt der Schlüssel für Drive. Zu nehmen, was ist, meint weder Passivität noch Fatalismus. Die Haltung, dass es ist, wie es ist, und man es sowieso nicht ändern kann, als zentrales Lebensprinzip wäre das Ende von Drive. Andererseits meint eine aktive Gestaltung aber auch nicht Aktionismus und Allmachtsgefühle: Die Überzeugung, dass man die Welt seinen Wünschen gemäß formen kann, wäre ebenso wenig vereinbar mit Drive.

Gemeint ist vielmehr: Ich nehme, was da ist (etwas anderes habe ich ohnehin nicht zur Verfügung), und mache etwas daraus. Und zu beidem sage ich „Ja“: zu dem, was vorhanden ist, und zu der Chance, dass ich das Vorhandene weiter gestalten kann. Diese innere Haltung bringt Drive. Sie bildet den ersten Leitsatz für ein Leben mit Drive; und in gewisser Hinsicht durchzieht sie auch die anderen drei: Wisse, was du brauchst; nutze, was du kannst; sieh, was du tust.

 

Wisse, was du brauchst – nutze, was du kannst – sieh, was du tust

Indem ich herausfinde, was ich brauche, kümmere ich mich um mein Wohlergehen. Ich nehme meine verschiedenen Bedürfnisse wahr und nehme sie ernst. Ich entwickle Klarheit im Hinblick darauf, was mir in den vier zentralen Bereichen meines Lebens Körper – Arbeit – Beziehungen – Selbstverwirklichung wirklich wichtig ist, und ich kümmere mich konsequent darum. Ich strebe nach kraftvollen Balancen zwischen den verschiedenen Bereichen, und ich nutze Konflikte, Schwierigkeiten oder negative Gefühle als wichtige Hinweisgeber dafür, was in mir vorgeht, was ich brauche und was ich in meinem Leben ändern sollte, damit es mir gut geht.

Indem ich nutze, was ich kann, mache ich vom Reichtum meiner Fähigkeiten Gebrauch. Ich erkenne in allem, was ich tue, immer auch Fähigkeiten von mir und verwende diese Fähigkeiten und insbesondere meine Kernkompetenzen, das heißt den spezifischen Mix meiner zentralen Fähigkeiten, um mein persönliches Potenzial zu entfalten, mir Ziele zu setzen und mich immer weiter zu entwickeln.

Indem ich sehe, was ich tue, betrachte ich mein Verhalten von außen. Ich nutze Reflexionsfragen, prüfe und hinterfrage besonders in schwierigen Situationen, welche Erklärungen und Bewertungen ich dem Geschehen gebe und ob andere Erklärungen und Bewertungen gegebenenfalls hilfreicher für mich wären; ich achte auf unterschiedliche Strebungen in mir – die Mitglieder meines inneren Teams – und nehme kritische Muster, in denen ich verhaftet bin, wahr, um mein Handeln und seine Folgen besser verstehen zu können. Ich nutze meine Reflexion, um in Situationen, die ich als schwierig und festgefahren erlebe, neue Blickwinkel und Handlungsalternativen zu entdecken.

Zwei Beispiele

Vollsperrung auf der Autobahn. Gerade jetzt. Und ich mittendrin. Wer weiß, wie lange. Natürlich könnte ich mich jetzt furchtbar aufregen und dem Stau auf der Straße noch einen Stau in meinen Blutgefäßen hinzufügen. Ich kann mich aber auch entscheiden, mich ganz der Musik hinzugeben, die ich mir gerade ausgesucht habe, vielleicht ein paar Entspannungsübungen zu machen oder einem interessanten Hörbuch zu lauschen…

Karrierebremse. Mein Chef teilt mir mit, dass ich in diesem Jahr noch nicht für die nächste Karrierestufe vorgesehen bin. Gemeinsamer Beschluss des Managements. Ich solle erst noch an einigen Verhaltensweisen von mir arbeiten. Nach meiner Auffassung war die Beförderung mehr als fällig. Natürlich könnte ich mich nun in den Schmollwinkel zurückziehen oder versuchen, möglichst schnell irgendwo anders eine neue Stelle zu bekommen. Ich kann mich aber auch entscheiden, die relevanten Hinweise ernst zu nehmen und die nächsten Monate nutzen, um mit Unterstützung meines Chefs an diesen Punkten systematisch zu arbeiten. Ich tue dies für meine persönliche Entwicklung, natürlich auch, um mich für die nächste Beförderungsrunde erfolgversprechender aufzustellen und, falls es dann immer noch nicht klappen sollte, um meine Chancen für eine gute Stelle andernorts zu erhöhen…

 

Drive stärkt Drive

Indem ich schätze, was da ist, indem ich weiß, was ich brauche, indem ich nutze, was ich kann, und sehe, was ich tue, entsteht Drive in meinem Leben. Ich sage „Ja“ zu dem, was da ist – in mir und in meinem Umfeld – und mache etwas Eigenes und Gutes daraus. Ich verbinde das, was geschieht, mit dem, worum es mir geht. Ich verfolge einen klaren Kurs und bin zugleich offen für das, was sich ergibt. Ich sorge für mich und mein Wohlergehen und achte auf wechselseitig befriedigende Beziehungen. Ich erlebe mich reich an Fähigkeiten. Ich weiß, dass ich mich auf meine bewusst-willkürlichen ebenso wie auf meine unbewusst-unwillkürlichen Fähigkeiten, auf mein ICH und mein ES verlassen kann, und dass das Zusammenwirken all dieser Fähigkeiten mir für mein Wohlergehen und das Erreichen meiner Ziele unschätzbare Dienste erweist. Ich reflektiere mein Handeln und vermag mich zwischen einem Ganz-im-Geschehen-Sein und einem Es-von-außen-Beobachten hin und her zu bewegen. Ich nutze schwierige Momente, Konflikte und Krisen, um besser zu verstehen, zu lernen und neue Ideen und Balancen zu finden. Ich setze die Möglichkeiten der Reflexion ein, um meine Perspektiven zu erweitern und neue Handlungsimpulse zu finden.

So ist mein Leben mehr und mehr durchdrungen von Drive. Ich erlebe Rhythmus, Bewegung und Fluss. Ich bin ein Teil davon. Das Geschehen prägt mich und ich präge es. Ich bin mit meinem Denken, Fühlen und Handeln ganz in dem, was geschieht, und zugleich schaue ich auf das Geschehen. Ich erlebe das Ganze und ich erlebe mich. Ich fühle Einheit und Unterschied. Ich spüre das Leben und ich spüre den Drive. Das Wunderbare dabei ist: Die Erfahrung von Drive hilft, Drive erneut zu erleben, denn das Erfahren von Drive stärkt die Zuversicht, dass Drive entstehen kann; und diese Zuversicht ist die beste Weichenstellung dafür, dass Drive immer wieder neu zustande kommt.

 

Geprägt von Kontrasten

Natürlich wird mein Leben niemals ausschließlich von Drive durchzogen sein. Als Mensch bin ich ein fehlbares und sterbliches Wesen, und zu meinem Leben gehören immer auch Schwäche, Verlust, Krankheit, Schmerz, Unglück, Abbau und Tod. All das wird immer wieder – zumindest vorübergehend – dazu führen, dass etwas anderes die Oberhand gewinnt.

Drive wird geprägt von Kontrasten – auch von dem Kontrast zwischen den Zuständen in meinem Leben, in denen Drive vorkommt, und denjenigen, in denen anderes dominiert. Ein realistisches Vorhaben kann daher nicht heißen: „Ich werde Drive immer und überall erleben“, denn das wird nie in Erfüllung gehen. Möglich ist aber, dass mein Leben immer häufiger, intensiver und nachhaltiger von Drive geprägt wird; dass Drive für mich immer leichter und natürlicher wird. Dies ist ein realistisches und ein sehr lohnendes Vorhaben zugleich.

Helfen werden mir dabei die vielen guten Momente und günstigen Bedingungen, die es zu entdecken gibt. Helfen werden mir dabei aber auch die schwierigen Momente und Bedingungen, die kleinen und die großen Krisen in meinem Leben. Je besser es mir nämlich gelingt, auch in solchen Situationen anzunehmen, was ist, und etwas Sinnvolles daraus zu machen, umso mehr werde ich mein Vertrauen darauf, dass Drive entsteht, und meine Fähigkeit, Drive aufrechtzuerhalten, stärken, und umso eher wird Drive wieder entstehen.

Die Erfahrung von Drive stärkt das Entstehen von Drive. Je häufiger und intensiver ich in guten wie in schwierigen Situationen nutze, was da ist, umso natürlicher wird ein Leben mit Drive für mich werden. Ich bin mit mir und der Welt im Fluss und schöpfe daraus Kreativität, Kraft, Leistung und Lust.


 

  Über den Autor

Stefan Hölscher, studierter Philosoph, Literaturwissenschaftler und Psychologe (Dr. phil., Dipl.-Psych., M. A.), hat eine berufliche Doppelexistenz: Er arbeitet als Managementberater, Trainer, Coach und ist Geschäftsführender Gesellschafter der Metrion Management Consulting, Frankfurt a. M. Gleichzeitig ist er als Autor, Lyriker und Sprecher tätig. Er ist Verfasser zahlreicher Bücher und Beiträge. Zusammen mit Michael Schneider, dem Solobassisten des Philharmonischen Orchesters der Stadt Heidelberg, macht Stefan Hölscher sprach-musikalische Lyrik-Kontra Bass Performances.

 

Publikationen (Auswahl):

  • Hölscher, S. (2015): Die neue Mitarbeiterführung. Führen als Coach. Beck Kompakt. C.H. Beck, München
  • Büngen, A. & Hölscher, S. [Hg.] (2015): Queerlyrik. Siegertexte und Platzierte des 1. Queerlyrik-Wettbewerbs. Geest Verlag, Vechta-Langförden
  • Hölscher, S. (2014): Schrille Gefilde. Gedichte. Geest Verlag, Vechta-Langförden
  • Hölscher, S. & Armbrüster, C. [Hg.] (2013): Gesundheit braucht Führung. Südwestbuch Verlag, Stuttgart.
  • Hölscher, S. (2011): Leben mit Drive. Die Entfaltung von Kreativität, Kraft, Leistung und Lust. Junfermann Verlag, Paderborn.

Zahlreiche weitere Bücher und active books bei Junfermann und Veröffentlichungen in Zeitschriften.