Zum Tod von Heinrich Hagehülsmann (1941–2020)

Heinrich Hagehülsmann

1984, also vor 36 Jahren, erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift für Transaktionsanalyse. Der Herausgeber damals: Heinrich Hagehülsmann. Auf eine solch langjährige Zusammenarbeit blicken wir also zurück. Und sie ist nun wirklich beendet, denn im Februar ist Heinrich Hagehülsmann im Alter von 78 Jahren verstorben.

Der DGTA-Kongress in Nürnberg (1994) zählt zu meinen ganz frühen Dienstreisen für den Verlag. Wir waren mit einem Büchertisch vertreten, und ich lernte viele wichtige Menschen aus der deutschsprachigen TA-Community kennen, u.a. auch Heinrich und Ute Hagehülsmann. Beide suchten das Gespräch mit unserem damaligen Verlagsleiter Gottfried Probst. Man kannte sich und es gab viel Wertschätzung auf beiden Seiten. Zahlreiche TA-Titel waren durch die Vermittlung der beiden Hagehülsmanns zu Junfermann gekommen, z.B. Transaktionsanalyse der Intuition von Eric Berne oder Kopfbewohner von Mary Goulding. Es gab auch eigene Publikationen – und natürlich zahlreiche Artikel in der Zeitschrift.

Es gab mal ruhigere Phasen im Miteinander von Autoren und Verlag, und es gab sehr intensive Zeiten, etwa wenn ein neues Buchprojekt realisiert werden sollte. Es gab immer unglaublich viele Ideen, von denen längst nicht alle umgesetzt wurden, denn für niemanden hat der Tag mehr als 24 Stunden.

Ich erinnere mich an viele nette Telefonate. „Bei euch geht das immer so fix und schön unkompliziert“ hörte ich nicht selten.

Wenn tatsächlich in diesem Jahr der DGTA-Kongress in Osnabrück stattfindet, dann heißt das nicht nur, dass unser vom Virus lahmgelegtes Land wieder in Bewegung kommt. Es heißt auch, dass ich Heinrich Hagehülsmann dort nicht treffen werde. Jedenfalls nicht persönlich. Und doch wird er irgendwie präsent sein. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht vorstellen.

 

Heft 2/2020 der Zeitschrift für Transaktionsanalyse ist in Vorbereitung. Hier wird ein Nachruf von Heidrun Peters und Ulrike Müller erscheinen, den wir auch hier veröffentlichen dürfen.

 

Milder Gelehrter und barocker Genussmensch

Von Heidrun Peters und Ulrike Müller

 

Heinrich Hagehülsmann war Mitbegründer unserer Zeitschrift für Transaktionsanalyse.

Zusammen mit Fritz Wandel und Gudrun Jecht (Hennig) hob er noch in den 1980er-Jahren unsere Fachzeitschrift aus der Taufe und begleitete ihren Werdegang und ihre zunehmende Professionalisierung mit wohlwollender Aufmerksamkeit und steuerte auch immer wieder eigene Beiträge bei.

Nun ist Heinrich Ende Februar gestorben. Er wurde 78 Jahre alt.

Am 5. März nahm eine riesige Trauergemeinde Abschied mit einem sehr bewegenden Trauergottesdienst in der Kapelle des Waldfriedhofs Oldenburg. In Gedenken an Heinrich sprachen Prof. Dr. Peter Gottwald, Heinrichs Weggefährte an der Universität Oldenburg, Peter Rudolph, ehemaliger Ausbildungskandidat und heute EATA-Präsident, und seine Tochter Christina Hagehülsmann, von Kindesbeinen an Teilnehmerin an TA-Kongressen und heute selbst Lehrende und aktiv im Weiterbildungsausschuss.

Schon des Längeren hatte Heinrich sich aus dem „Betrieb“ herausgenommen und sich ganz auf eigenes Schreiben konzentriert. Wie immer im engen Austausch mit seiner Frau Ute. Wir dürfen gespannt sein, was davon als Buch oder Aufsatz veröffentlicht wird.

Heinrich war aber nicht nur der Denker in seiner Klause, er liebte durchaus auch die gesellige Runde – am meisten, wenn sich Sangesfreudige zusammenfanden; dann wurden vorzugsweise Volkslieder gesungen, deren Texte Heinrich fast alle Strophe um Strophe kannte. An solche Abende bei Lehrendentreffen erinnere ich mich besonders gern.

Und er war Genussmensch! Aus Freiburg nahm er gerne ein Kalbsbries mit in den hohen Norden.

Das war aber nur die eine, die lebensfrohe Seite. Die andere war seine Bindung an das spirituelle Erleben.

Ursprünglich sollte er nach dem Wunsch seiner Mutter Priester werden. Er entschied sich jedoch anders, studierte Psychologie, Philosophie und Psychopathologie und schlug nach der Promotion zunächst die akademische Laufbahn ein.

Dann kam die junge Studentin Ute in seine Vorlesungen und warb erfolgreich um ihn. Zusammen bauten sie das Institut „Werkstatt Psychologie“ in der Nähe von Oldenburg auf. Die DGTA durfte über viele Jahrzehnte von dieser „Neuentscheidung“ profitieren!

Immer wieder beschäftigte sich Heinrich auf seiner philosophischen und spirituellen Gründung mit dem Menschenbild und dem Begriff Autonomie. Seine Studien und Veröffentlichungen zum Menschenbild der Transaktionsanalyse gaben der aus den USA importierten Therapierichtung Tiefe und verankerten sie in der europäischen Geistesgeschichte.

Sein Autonomiebegriff ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem des Agnostikers Eric Berne. Gerade diese Spannung macht die Auseinandersetzung mit beiden Denkern so aufregend. Nachzulesen in immer neuen Artikeln in der ZTA.

Ehemalige Weiterbildungskandidat*innen haben Heinrich als den eher erlaubnisorientierten Lehrer erlebt, an der Seite der mehr fordernden Ute. So hat sich das Paar auch in ihren Weiterbildungsgruppen wunderbar ergänzt.

Überhaupt war der eine ohne die andere kaum denkbar, auch wenn ihre beruflichen Wege sie durchaus immer wieder weit auseinanderführten.

Der immerwährende theoretische und intellektuelle Austausch des Paares führte zu einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen: Von einem Buch über die Liebe bis zu ganz pragmatischen Büchern zu Organisationsentwicklung und Beratung.

Das Schlusswort gehört Heinrich selbst.

In seiner Selbstbeschreibung auf der DGTA-Website bringt er auf den Punkt, was ihn als Mensch ausmachte, und was von ihm bleibt – und was wir mit ihm verloren haben.

  • Überzeugt von den positiven Möglichkeiten fester Partnerschaft.
  • Begeisterter Vater von zwei erwachsenen Töchtern.
  • Unterwegs auf dem Weg als Ziel.
  • Wissend, dass Komplexität und Geschwindigkeit mit Tiefe verbunden werden müssen, um wirksam zu sein.
  • Ahnend, dass Spiritualität alle Religionen verbindet.

20 Jahre Beratung Aktuell – Zeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung

von Dr. Rudolf Sanders

Dr. Rudolf Sanders

Als ich in den 1980er-Jahren meine Eheberater-Ausbildung absolvierte, wurden weitestgehend psychoanalytische Ideen auf die Arbeit mit Paaren übertragen. Konkret bedeutete das: Die Partner wurden im Setting voneinander getrennt und mit jedem Einzelnen wurde an einer Verbesserung des Miteinanders gearbeitet. Es gab damals jedoch kaum wissenschaftlich fundierte Antworten auf die Frage, was Paare eigentlich brauchen, damit ihre Beziehung gelingt und, damit verbunden, auch kaum Antworten auf die Frage, was Beziehungen scheitern lässt.


Wie sich für mich das Thema entwickelte

Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie und Senioren brachte das Defizit 1993 auf den Punkt, indem er feststellte, dass kaum evaluative Forschung über die Wirksamkeit von Beratung für den deutschsprachigen Raum vorhanden sei, und seine Empfehlung lautete: „Angesichts der großen Bedeutung, die dem Beratungswesen familienpolitisch zukommt, empfiehlt der Beirat gründliche Bestandsaufnahmen dieses Arbeitsbereichs, damit Grunddaten und Vergleichsgrößen für den Ausbau des Beratungswesens in öffentlicher und freier Trägerschaft vorliegen.“

Aus meiner Sicht gelten die Aussagen aus dem Jahr 1993 für den Beratungsbereich heute noch immer. So fragte Notker Klann im Jahr 2013 kritisch, ob Paare wirklich das in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung bekommen, was sie suchen. Eine ähnliche Position teilt Katharina Klees, wenn sie Standards für eine gute Paartherapie fordert. Sie hat hierzu eine Google-Recherche durchgeführt, um herauszufinden, wo überhaupt eine gute Paartherapie stattfindet. Sie schaute sich die ersten 100 Google-Treffer zu Praxen an, die Paartherapie anbieten, und kam zu folgendem Ergebnis: In 58 dieser Praxen wurde eine Paartherapie von Personen ohne Fachstudium durchgeführt, bei 91 Praxen war nicht erkennbar, nach welchem Ansatz gearbeitet wird. Bei 76 Praxen gab es keinerlei Angaben zu der Qualifizierung der Therapeuten für die Begleitung von Paaren, ein konkretes Therapie- bzw. Beratungskonzept gab es lediglich bei fünf der von ihr recherchierten Praxen.

Als ich 1990 die Leitung der Katholischen Ehe- und Familienberatungsstelle Hagen & Iserlohn übernahm, stand für mich die Beantwortung der Frage: Was brauchen Paare, damit ihre Beziehung gelingt? ganz weit oben. Hilfreich war hier eine Ausbildung zum Integrativen Paartherapeuten (FPI/EAG). Diese basierte auf einem bio-psycho-sozialen Paradigma, mit welchem Hilarion Petzold (1993) die Arbeit mit Menschen für deren Entwicklung als Leib-Geistwesen in der Verbundenheit einer Gemeinschaft beschrieb. Meine Umsetzung in der Paarberatung fand 1997 Eingang in meine Dissertation. Belohnt wurde die Mühe, eine mögliche Antwort auf die o.g. Frage zu finden, mit einem „summa cum laude“ der Uni Münster.

Doch trotz aller Wirksamkeitsnachweise fand mein Weg in der Paarberatung kein Wohlwollen bei dem verantwortlichen Vorgesetzten in der kirchlichen Behörde. Wie also, und vor allem wo, könnte ich von meinen Forschungsergebnissen erzählen? Wie könnte ich dafür eine Öffentlichkeit schaffen? Das waren Fragen, die mich bewegten. Die Möglichkeit der Veröffentlichung in einer überkonfessionellen und parteipolitisch unabhängigen Zeitschrift fehlte. So war auf einmal die Idee da, selbst so eine Zeitschrift herauszugeben.

 

Beratung Aktuell – eine Zeitschrift wird aus der Taufe gehoben

Mit dieser Idee trat ich, zunächst noch mit einem Kooperationspartner, an den Junfermann Verlag heran. Das Ziel der geplanten Zeitschrift: die Beratungsarbeit stärker wissenschaftlich fundieren. Als der mögliche Partner dann ausstieg, fragte mich der Verlag, ob ich dieses Projekt nicht alleine realisieren wolle. Nach einem Tag Bedenkzeit und der expliziten Unterstützung einiger Kolleg*innen aus Wissenschaft und Praxis sagte ich Ja zu dieser Herausforderung.

Ich bin dankbar, dass die Verantwortlichen in Paderborn dafür offene Ohren hatten und bis heute mit großem Engagement die Herausgabe von Beratung Aktuell unterstützen. Im Jahr 1999 wurde ein „Probelauf“ mit vier Ausgaben im Internet umgesetzt. Aufgrund des großen Interesses von Kolleg*innen entstand dann im Jahr 2000 die erste Printausgabe. Seit 2009 wird Beratung Aktuell durch die immer größer werdende Bedeutung des Internets ausschließlich als kostenfreie Open-Access-Zeitschrift online zur Verfügung gestellt.

In einem guten, erfrischenden und mich persönlich bereichernden Miteinander hat Notker Klann seit den ersten Überlegungen meine Idee unterstützt und war von 2006 bis 2017 Mitherausgeber der Zeitschrift. Dankbar bin ich, dass sich dieses konstruktive Miteinander seit 2018 mit Christine Kröger fortsetzt.

Über die Rückmeldung von Frank Nestmann, der in den letzten Jahrzehnten die Beratungswissenschaft und -praxis maßgeblich geprägt und profiliert hat, habe ich mich besonders gefreut. Er schreibt: „Dazu, dass Beratung Aktuell nun schon 20 Jahre existiert, möchte ich Ihnen – auch in guter Erinnerung an unsere Anfangsüberlegungen zur Etablierung des ersten und einzigen wirklich auf BERATUNG fokussierten Fachjournals in Deutschland – herzlich gratulieren. Das ist einfach toll und Ihr Riesenverdienst, für das Ihnen die Beratungswissenschaft, -praxis und -politik großen Dank schuldet.“

Seit dem offiziellen Startschuss im Jahr 2000 ist Beratung Aktuell immer viermal im Jahr erschienen. Neben den Beiträgen finden sich in den Buchbesprechungen Hinweise auf aktuelle Veröffentlichungen, die die Arbeit mit den Menschen, die Beratung aufsuchen, unterstützen können. Als Abschluss des Jubiläumsjahr gibt es eine Sonderausgabe mit vier richtungsweisenden Aufsätzen aus der Anfangszeit, die sich in besonderer Weise mit der Identität und dem Profil von Beratung auseinandersetzen. Die ausgewählten Beiträge sind nicht nur aus historischer Perspektive interessant, sondern in ihren Kernaussagen auch heute höchst relevant.

Alle Ausgaben seit 2009 können Sie hier kostenfrei herunterladen. Und auch auf die vorher in den Printausgaben veröffentlichten Beiträge müssen Sie nicht gänzlich verzichten. Immer wieder werden wir einzelne Schätze aus den Jahren 2000 bis 2008 heben und nachveröffentlichen.

Mir als Herausgeber macht es große Freude, die Entwicklungen in der Beratungswissenschaft durch die Herausgabe dieser Zeitung zu begleiten. Besonders durch die zahlreichen Buchbesprechungen bin und bleibe ich immer auf der Höhe der Zeit. Und noch etwas ist mir sehr wichtig: Das ganze Projekt, sowohl in der Herausgabe als auch in der Autorenschaft, ist ehrenamtlich. Das schafft eine große Freiheit, auch kritische Beiträge veröffentlichen zu können.

Was passiert eigentlich beim Junfermann-Autorentag, Herr Schmidt?

Am 25. April 2020 findet der nächste Junfermann-Autorentag statt. Der Autorentag ist nicht nur ein Treffen der „Junfermann-Familie“ – bei dem Austausch, Kennenlernen und Spaß im Vordergrund stehen, sondern soll Ihnen auch konkrete Anregungen bieten. In den letzten Jahren haben wir verstärkt auf das Thema „Buchmarketing“ fokussiert, im kommenden Jahr wird es u.a. einen Impuls zum Thema „Schreiben für Zeitschriften“ geben. Sie als Autor*in können den Erfolg Ihres Buches aktiv unterstützen. Deshalb ist die Zusammenkunft besonders für alle neuen Autorinnen und Autoren interessant – Sie lernen den Verlag besser kennen, knüpfen Kontakte zu anderen Junfermann-Autor*innen und bekommen konkrete Ideen, was Sie für Ihr Buch tun können.

Wir haben Jörg Schmidt, Autor des Buches Einfach visualisieren, gefragt, wie er die letzten beiden Autorentage erlebt hat.

 

Herr Schmidt, Sie waren bei den Junfermann-Autorentagen 2016 und 2018 dabei. Was haben die Autorentage Ihnen persönlich gebracht?

Beide Autorentage wirken bis heute noch nach. Neben dem Verlagsteam habe ich viele Mitautoren kennengelernt. Neben vielen interessanten Gesprächen, neuen Kontakten und vor allem viel Spaß miteinander habe ich auch Ideen für das Buchmarketing mitgenommen.

Beide Tage haben mich motiviert, mich selbst um das Thema Buchverkauf zu kümmern. Ich hatte schon zwei Publikationen vor dem Visualisierungsbuch. Und beide haben sich auch irgendwie „von allein“ verkauft. Mit den Verkaufszahlen war ich zufrieden. Und daher hatte ich meinen Beitrag/meine Verantwortung für den Buchverkauf gar nicht „auf dem Schirm“. Erst auf dem 1. Autorentag 2016 fiel der Groschen.

Jennifer Kahnweiler sprach dort über die Mythen des Buchmarketings und über die Rolle des Autors/der Autorin: „Verantwortlich für den Buchverkauf und das Marketing ist (auch) der Autor“. Moment mal, das bin ja ich! Der Verlag unterstützt mich mit vielen Aktivitäten, aber ich bin verantwortlich! Eine „neue“ Sichtweise für mich. Schon während des Tages entwickelten sich erste Ideen in Gesprächen mit den Kollegen. In den Wochen und Monaten danach setzte ich diverse Maßnahmen um.

Konnten Sie Impulse aus den Autorentagen konkret umsetzen?

Die ein oder andere Maßnahme – auch mit Unterstützung des Verlages – hat tatsächlich dazu beigetragen, den Verkauf zu unterstützen. Daraufhin hatte ich mir 2017 vorgenommen, mein Buch aktiv zu bewerben und bis Ende 2020 10.000 Exemplare zu verkaufen. Das war schon eine kleine Hürde, mir selbst dieses Ziel zu setzen. Gleichzeitig hat es mich aber auch motiviert, dranzubleiben und weiterzumachen. Das Ziel ist sportlich, herausfordernd, aber auch sehr reizvoll.

Was würden Sie anderen Autor*innen empfehlen?

Der Autorentag 2018 hat mich motiviert, mutig zu sein und das eigene Anliegen offensiv zu verfolgen. Und das mit Leidenschaft und Ausdauer: „Sei wie eine Briefmarke. Bleib´ dran, bis Du am Ziel bist“ (Dirk Eilert).

Der Vortrag von Daniel Melle auf dem Autorentag 2018 wurde von Jörg Schmidt zeichnerisch festgehalten.

10.000 Exemplare ist ja auch ein ambitioniertes Ziel. Und wenn es erst einmal ausgesprochen ist, schafft das auch einen gewissen Druck. Doch schon die Gespräche mit Mitautoren ermutigten mich dazu, das Projekt weiterzuverfolgen und damit an die „Öffentlichkeit“ zu gehen. „Sei als Autor mutig!“ und „Unterstützt euch als Autoren gegenseitig“ (Daniel Melle).

Die Ankündigung für den Autorentag 2020 ist nun Anlass, anderen von meinem Vorhaben zu erzählen, also „mutig zu sein“ und gleichzeitig die Bitte zu formulieren, mich dabei zu unterstützen.

Wer mag, kann also gern z.B. (m)einen Post auf Facebook weiterleiten, das Buch auf Xing empfehlen oder eine Information im eigenen Blog bzw. Newsletter veröffentlichen. Oder mir einfach „nur“ die „Daumen drücken“.

Ich freue mich auf den nächsten Autorentag, auf dem ich auch gern berichte, was aus meinem Vorhaben geworden ist.

Haben Sie vielen Dank, Herr Schmidt!

 

Jakob Derbolowsky (1947-2019)

Jakob Derbolowsky

Wir erhielten die traurige Nachricht, dass unser Autor Dr. Jakob Derbolowsky im Alter von 72 Jahren verstorben ist. Mit ihm verbindet uns eine langjährige Zusammenarbeit. Insgesamt erschienen bei Junfermann fünf Titel von ihm, davon vier in Co-Autorenschaft mit seinem Vater, Udo Derbolowsky.

Jakob Derbolowsky studierte zunächst Humanmedizin und wurde Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Nach Tätigkeiten am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (München) und später als wissenschaftlicher Assistent an der I. Universitäts-Frauenklinik München arbeitete er als niedergelassener Frauenarzt bis in die frühen 1990er-Jahre. Er absolvierte zahlreiche Zusatzausbildungen und wurde Psychotherapeut und Umweltmediziner. 1988 übernahm er zudem die Leitung der von seinem Vater Udo Derbolowsky gegründeten „Privaten Akademie für Psychopädie“.

1997 erschien bei Junfermann das erste Buch von Udo & Jakob Derbolowsky. Es hatte den provokanten Titel „Wer mich nicht liebt, ist selber schuld“. Im Untertitel wurde jedoch klar, worum es eigentlich ging: „Psychopädie: Hilfen für einen partnerschaftlichen Umgang“. Jakob Derbolowsky war ein regelmäßiger Besucher an unserem Stand auf der Frankfurter Buchmesse und nahm auch an anderen Veranstaltungen des Verlags teil. Er suchte das Gespräch und ein partnerschaftlicher Umgang war ihm wichtig. Mit unserem ehemaligen Verleger Reinhard Martini teilte er außerdem eine große Leidenschaft: das Golfspiel.

2001 erschien bei uns das erfolgreichste Derbolowsky-Buch: „Liebenswert bist du immer. So schützen Sie Ihre seelische Gesundheit. Psychopädie“. Es wurde mehrfach nachgedruckt und mehr als 12.000 Exemplare wurden verkauft. Der Aspekt der seelischen Gesundheit wurde in der 2018 erschienen überarbeiteten Neuauflage noch stärker betont: Der Untertitel wurde zum neuen Haupttitel. [Cover]

Dass es um Jakob Derbolowskys körperliche Gesundheit nicht zum allerbesten stand, wussten wir schon einige Zeit. Die Nachricht von seinem Tod kam dennoch überraschend.

Von richtigen Zeiten und richtigen Orten: Die Frankfurter Buchmesse 2019

Der Messemittwoch ist normalerweise ein ganz guter Tag, um sich auf den üblichen Frankfurter Trubel einzustimmen: Es sind noch nicht ganz so viele Menschen unterwegs, alle müssen sich erst finden. Das sieht am Donnerstag schon ganz anders aus. Und wenn man erst am Donnerstag anreist, kommt man ohne Vorglühphase mitten ins Gewühl. Am Junfermann-Stand herrscht Hochbetrieb. Es ist kaum möglich, die Tasche abzustellen, das Namensschild anzustecken – und die grüne Schleife.

Warum eine grüne Schleife? Sie ist das Symbol des Welttags der psychischen Gesundheit (10. Oktober) und soll auf die Problematik psychischer Erkrankungen aufmerksam machen und gleichzeitig zu deren Destigmatisierung beitragen. Wir Junfermann-Mitarbeiter*innen hatten verabredet, diese Schleife während der Buchmesse zu tragen, und werden auch häufig darauf angesprochen.

Doch weiter zum Messegeschehen: Dass unsere Autorin Fabienne Berg uns besucht, ist inzwischen zum schönen Ritual geworden. Und da wir 2020 ein neues Buch mit ihr machen, gibt es auch einige Dinge zu besprechen. Auf die Lange Bank, das neue Buch von Annette Bauer, ist pünktlich zur Messe erschienen. Als sie

Annette Bauer und Tanja Peters

sich dann mit Ruth Urban und Tanja Peters zu unserem Stand durchgearbeitet hat, ist die Freude groß, es im Regal stehen zu sehen.

Am Freitag mache ich mich gleich morgens auf den Weg zu meinen beiden langjährigsten Messe-Kontakten. Ich besuche Dorothy Smyk, Foreign Rights Director von New Harbinger, und anschließend Kathy Kuehl von Guilford Press. Seit Jahren versuche ich darauf hinzuwirken, dass die beiden mich mal am Junfermann-Stand besuchen kommen. Aber beide sind während der Messe immer derart durchgetaktet, dass kaum Zeit neben den Terminen bleibt. Kathy hat es mehrfach wirklich vorgehabt, aber unterm Strich ist dann doch nichts daraus geworden. Als sie mir in diesem Jahr wieder einen Besuch in Aussicht stellt, freue ich mich, aber ich glaube nicht so richtig daran.

Nicole Grün (links) besucht uns am Messestand

Bei Junfermann haben wir an diesem Tag noch Besuch von Nicole Grün. Sie ist Mimikresonanz-Trainerin und schreibt an einem Buch, das im nächsten Frühjahr bei uns erscheinen soll. Und dann erfahre ich: Kathy hat es in diesem Jahr tatsächlich geschafft. Sie war da – und ich nicht. „Maybe we are passing each other like two ships in the night“, hatte sie am Morgen noch gemeint. Und genauso ist es dann wohl auch gekommen. Ich war zur richtigen Zeit am falschen Ort.

Der Messe-Samstag bringt in diesem Jahr eine Neuerung mit sich: Wir dürfen Bücher an Messebesucher verkaufen. Es ist normal, dass an den Publikumstagen Samstag und Sonntag die Besucherzahlen steil nach oben gehen.Die Gänge sind voll und es gibt kein Durchkommen mehr – ein gewohntes Bild. Dass der Andrang jedoch noch steigerungsfähig ist, zeigt sich an diesem Messe-Samstag. Stehe ich auf der Standfläche, bin ich den Menschen im Weg, die sich unsere Bücher anschauen wollen. Stehe ich auf dem Gang, bin ich auch im Weg … Hier gibt es einfach keinen richtigen Ort für mich. Also weg von hier und Gläser nach nebenan bringen, in die Klett-Cotta-Teeküche. Auch dort ist es voll am Stand und auf dem Rückweg hält mir eine Frau einen Fantasyroman entgegen: „Können Sie mir sagen, für welches Lesealter dieses Buch ist?“ Auch hier bin ich wohl falsch, und deswegen versuche ich es mit dem Balkon von Halle 3.1: Luft schnappen und am Imbissstand ein Brötchen kaufen. Natürlich muss ich mich in eine lange Schlange einreihen, in der es nur langsam vorwärts geht. Hinter mir unterhalten sich ein Mann mit skandinavischem Akzent und eine Frau. Sie sprechen über Kinderbücher und an einer Stelle drehe ich mich spontan um und gebe einen Kommentar ab. „Arbeiten Sie auch in einem Verlag?“, fragt mich die Frau. „Ja, bei Junfermann“, sage ich. Darauf sie: „Ist nicht wahr! Mit Junfermann muss ich unbedingt sprechen.“ Und mit Kaffee und Brötchen finden wir dann tatsächlich eine etwas ruhigere Ecke, und ich erfahre, was sie von mir bzw. von Junfermann möchte. Was das ist, wird hier nicht verraten. Aber ich habe an diesem Tag erstmals das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Engagierte Anwältin für Schwiegerkinder: Ruth Gall (1954-2018)

2007 hatte ich erstmals Kontakt mit Ruth Gall. Sie berate seit über zehn Jahren Frauen, die Probleme mit ihrer Schwiegermutter hätten. Und das seien viele. Sie nannte die beeindruckende Zahl von 90.000 Beratungsfällen. Für die meisten sei es gut, überhaupt einmal mit jemandem zu diesem so belastenden Thema telefonieren zu können. Außerdem habe sie ein gut besuchtes Forum für Betroffene eingerichtet.

Und natürlich ging es ihr um ein Buchprojekt, das wir 2008 unter dem Titel Wege aus der Schwiegermutter-Falle realisierten.

Ruth Gall war zunächst selbst Betroffene, bevor sie sich auf den Weg machte, anderen zu helfen. Schon früh suchte sie Kontakt mit Frauen, denen es genauso ging wie ihr, und machte die Erfahrung, wie wichtig Austausch und Vernetzung sind. Als aus der anfänglichen Selbsthilfe ein Hilfeangebot für andere wuchs, war ihr wichtig, das Thema „Probleme“ mit der Schwiegermutter“ aus der Tabuzone zu holen. Viele Betroffen – so ihre Erfahrung – schämen sich und schweigen deshalb. Auf der einen Seite gibt es das „Feindbild Schwiegermutter“, auf der anderen das „hilflose Opfer Schwiegertochter“. Ruth Gall war immer daran gelegen, pauschale Schuldzuweisungen zu vermeiden und genau aufzuzeigen, wo die Verantwortlichkeiten liegen. Künftige Generationen, so ihr Wunsch, sollten möglichst ohne die von ihr so oft beobachteten Störungen im Verhältnis Eltern-Kind aufwachsen. Um dann „bessere“ Schwiegereltern, aber auch „bessere“ Schwiegerkinder zu werden.

Aus der ganz aktiven Arbeit hatte sich Ruth Gall aus gesundheitlichen Gründen schon vor einigen Jahren zurückgezogen. Was bedauerlich war, denn gebraucht wurde sie mit ihrer großen Expertise an allen Ecken und Enden. Das merkten wir als Verlag, wenn uns Kontaktwünsche erreichten. Oft waren es auch Medienvertreter, die sie gerne als Expertin in einer Talkrunde gehabt hätten.

Von ihrem Mann erfuhren wir jetzt, dass sie im Dezember 2018 gestorben ist, an dem Ort, an dem es ihr gesundheitlich wenigstens einigermaßen gut ging, wie sie es mir einmal selbst am Telefon erzählt hatte.

Gedenken an Fritz Wandel

Wie wir erst kürzlich erfahren haben, ist im Sommer 2018 unser Autor Fritz Wandel nach längerer Krankheit verstorben.

Ich hatte meinen ersten Kontakt mit Fritz Wandel im Jahr 1993. Ich arbeitete mich gerade in meine Aufgaben bei Junfermann ein, und eine davon war die Betreuung der „Zeitschrift für Transaktionsanalyse“, damals noch mit dem Zusatz: „in Theorie und Praxis“. Der Herausgeber war Fritz Wandel. Mit ihm telefonierte ich fortan regelmäßig über Abgabe- und Drucktermine und nicht immer schafften wir es, die damals optisch noch sehr schlichten Heftchen pünktlich zum Quartalsende herauszubringen. Nicht selten klagte er über Autoren, die Termine nicht einhielten oder Texte, die nicht publikationsreif waren. Und doch haben wir es immer wieder geschafft, lesenswerte Hefte zu produzieren. Bis 2001. Dann übergab Fritz Wandel die Herausgeberschaft an Ulrike Müller und unser regelmäßiger Kontakt schlief für einige Jahre ganz ein.

Es muss so 2009 gewesen sein, als er sich nach längerer Zeit bei mir meldete. Schon früher hatte er immer mal wieder über Schreibvorhaben und Buchideen gesprochen. Und nun war eine konkret geworden, die er gemeinsam mit seiner Frau Ingrid Wandel realisieren wollte. Bis ein Manuskript vorlag, dauerte noch ein wenig, aber im Dezember 2011 erschienen tatsächlich die Alltagsnarzissten. Dem ging eine sehr angenehme Zusammenarbeit voraus. Mir machte es große Freude, das Manuskript zu lektorieren und Fritz Wandel äußerte sich sehr wertschätzend über mein Lektorat. Ich hätte „das Kindlein schön gemacht“; das war sein Bild dafür. Und glücklicherweise fanden auch viele Leserinnen und Leser das „Kindlein“ schön, denn das Buch wurde ein Erfolg.

In unseren Telefonaten erzählte Fritz Wandel auch immer gerne über seinen friesischen Bauernhof, auf dem er seit einigen Jahren mit seiner Frau lebte. Unter anderem züchtete er dort Schweine, von denen auch das eine oder andere Foto seinen Weg in mein Postfach fand. Es gab außerdem Ideen für ein neues Buch, mit dem es aber nicht so recht vorwärts ging. Irgendwann blieben die Telefonate aus, was mir in der Hektik des Alltags erst gar nicht so richtig auffiel. Im Hinterkopf war zwar öfter der Gedanke da: „Du musst mal nachhaken.“ Aber wie so oft … ist es einfach unterblieben, weil es da immer Dringlicheres gab.

Mich hat die Nachricht, dass Fritz Wandel gestorben ist, sehr getroffen. Wenn jemand über einen so langen Zeitraum einfach immer da gewesen ist, dann nimmt es irgendwann für selbstverständlich, dass er auch in Zukunft da sein wird und man zu jedem beliebigen Zeitpunkt den Kontakt wieder aufnehmen kann. Dieser Kontakt ist leider nicht mehr nur unterbrochen, sondern abgebrochen.

 

 

Wie oben bereits erwähnt, übernahm Ulrike Müller 2001 die Herausgeberschaft der Zeitschrift für Transaktionsanalyse. In der Ausgabe 1-2019 wird ein Beitrag von ihr erscheinen, den wir mit freundlicher Genehmigung auch hier veröffentlichen dürfen.

 

Meine sehr persönliche Erinnerung an Fritz Wandel

Von Ulrike Müller

 

Fritz Wandel war von Anfang an dabei, als ich mich dazu entschieden hatte, in Konstanz eine Weiterbildung in Transaktionsanalyse bei Ingrid Wandel anzufangen. Immer war er in existentialistisches Schwarz gekleidet. (Der schwarze Rollkragenpullover war in den 1960er- und auch noch in den 1970er-Jahren für unsere [Nachkriegs-]Generation das Erkennungszeichen des Intellektuellen, der in Debattierklubs und verräucherten Kellern über die Weltläufe debattierte. Man verglich sich auch schon mal mit Sartre und konstatierte sich selbst die entsprechende Gedankentiefe.) So war Fritz‘ Erscheinung zuerst einmal vertraut und in meinen Bezugsrahmen einzuordnen. Fritz hielt sich meistens apart.

Wenn wir Weiterbildungskandidaten Pause machten, mussten wir zuerst durch das kleine Zimmer, das direkt neben dem Gruppenraum lag, bevor wir in die Küche kamen. Dort saß Fritz in der Regel und spielte auf einem seiner exotischen Saiteninstrumente, von denen einige an der Wand hingen. Immer schaute er ganz verschreckt auf, so als wäre er ganz versunken gewesen und käme von weit her.

Wenn er nicht dort saß, war er auf der Höri, einer Halbinsel am Bodensee, bei seinen Pferden. Manchmal war er überhaupt verreist. Dann sagte Ingrid: „Er ist bei seinen polnischen Verwandten und trinkt sie alle unter den Tisch.“

Das waren eigentlich schon zu viele Facetten für eine Person. Ein stummer, in sein Saitenspiel versunkener Intellektueller; ein Mann, der die Gepflogenheiten eines polnischen Landadeligen hatte. (Bilder, die mich beschäftigten, ohne dass ich je auf die Idee gekommen wäre, nachzufragen: Wo kommst du her, was ist deine Geschichte?)

Ab und an musste er Ingrid vertreten. Dann war er wach, zugewandt, witzig. Oft spielte auch ein feinsinniges Lächeln um seine Lippen (nie spöttisch); es war aber klar, dass er mit dem, was da grade gesprochen wurde, nicht übereinstimmte. Komplizierte Sachverhalte konnte er gut erklären. Er war ja auch promovierter Altphilologe und am Institut für Lehrerfortbildung tätig. Schon damals interessierten mich frühe Störungen, nicht zuletzt, weil mein erster Klient eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hatte. Während eines Weiterbildungswochenendes mit Fritz (das kam hin und wieder vor, wenn Ingrid verhindert war) empfahl er mir „Borderline-Störungen und pathologischer Narzissmus“ (1975) von Otto Kernberg. Das war das erste Buch von Kernberg, in dem er sich mit der Thematik auseinandersetzte und den Begriff Borderline-Störung prägte; noch ganz im Stil einer akademischen Wissenschaftssprache geschrieben und in mikroskopisch kleiner Schrift als Suhrkamp-Taschenbuch veröffentlicht.

Tapfer arbeitete ich mich durch die mir völlig unbekannte Sprache und das fremde Genre. Dass Fritz mir, der Nicht-Klinikerin, der Philologin und Pädagogin, eine solche Lektüre zutraute (als einziger der Gruppe), empfand ich wie einen Ritterschlag, eine ungeheure Anerkennung. In diesem Austausch begegneten wir uns immer wieder. Als ich meinen ersten Artikel für die ZTA schrieb (damals noch die kleinen bonbonfarbenen Hefte; aber eben doch unsere Zeitschrift), nahm Fritz sich einen ganzen Abend Zeit, um mir zu erklären, was ich ändern müsste und worauf es ankam. So erschien mein erster Artikel 1994 in der ZTA, mit Geburtshilfe von Fritz.

Und dann wurde seine Frau krank; und er war gefordert in der Pflege und seelischen Unterstützung von Ingrid. So suchte und fand er in mir eine Nachfolgerin, die in seinem Sinn die Herausgeberschaft der Zeitschrift fortführen würde. Dafür bin ich ihm sehr dankbar! Mit dieser Aufgabe kann ich meine philologischen und wissenschaftlichen Interessen pflegen, die ja auch immer noch zu mir gehören.

Solange Fritz und Ingrid in Konstanz lebten, habe ich sie ab und zu besucht. Aber Freiburg ist doch zu weit weg von Westfriesland für einen Nachmittagsbesuch. So bleibt die Erinnerung an Fritz als meinen Förderer über das übliche Maß hinaus, gerade, weil er mir so viel zugetraut hat und ich diesem gerecht werden wollte.

In diesem Sinne betrachte ich die Herausgeberschaft der ZTA als sein Vermächtnis, dem gerecht zu werden, ich mich jedes Mal aufs Neue bemühe.

Wiedersehen mit Susann Pásztor

Foto: Sven Jungtow

November 2018: Susann Pásztor kommt nach Bielefeld, um aus ihrem Roman Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster zu lesen. Die Hauptfiguren sind eine Sterbende und ihr Sterbebegleiter – auf den ersten Blick also nicht ganz so leichte Kost. Aber eine gelungene Umsetzung in Romanform; dafür spricht nicht zuletzt der Evangelische Buchpreis, den Susann Pásztor für dieses Buch erhalten hat.

Doch nicht allein der Preis und das Thema motivieren mich, die Lesung in der Johannesstift-Kapelle zu besuchen. Für mich als Junfermann-Mitarbeiterin ist Susann Pásztor eine alte Bekannte, die ich im Lauf der Jahre in vielen verschiedenen Rollen erlebt habe.

Ende der 1990er-Jahre trat sie erstmals in Erscheinung als Layouterin eines Buchs: Musik, Magie & Medizin, herausgegeben von Lutz Berger. Als einige Jahre später unsere Zeitschrift Multimind ein Facelifting erhalten sollte, war wieder Susann Pásztor mit ihrem Know-how zur Stelle. Es blieb aber nicht beim Layout, denn sie zeigte sich auch inhaltlich als sehr kompetent und übernahm bald die Chefredaktion. Aus Multimind wurde 2006 Kommunikation und Seminar. Die Chefredakteurin war aber weiterhin Susann Pásztor.

Und sie gehörte bald auch zur Riege unserer Autorinnen und Autoren, denn im Jahr 2004 erschien ihr erstes Junfermann-Buch: Ich höre was, das du nicht sagst, über Gewaltfreie Kommunikation in der Paarbeziehung. Das Buch ist nach wie vor bei uns im Programm und mit fast 40.000 verkauften Exemplaren ein echter Bestseller.

Es folgten ein weiteres Buch – Mach doch, was du willst – und eine weitere Rolle. Nachdem sie als Autorin erfolgreich in die Welt der Gewaltfreien Kommunikation eingestiegen war, übersetzte Susann Pásztor nun auch GFK-Bücher, z.B. Die Sprache des Friedens sprechen von Marshall Rosenberg oder Das Respektvolle Klassenzimmer von Sura Hart und Victoria Kindle Hodson. Als ich einen neuen Übersetzungsauftrag anbieten wollte – es muss so 2008 oder 2009 gewesen sein –, lehnte sie mit großem Bedauern ab. Übersetzen mache ihr so viel Spaß, aber nun sei es endlich Zeit, sich um ihren Roman zu kümmern …

Ich kenne einige Menschen, die einen Roman schreiben wollen. Dass Susann Pásztor nicht zu diesen Menschen gehört, merkte ich spätestens, als im Jahr 2010 eine Ausgabe des Börsenblatts des deutschen Buchhandels auf meinem Schreibtisch landete, auf dem Cover mit einer Werbung für einen bei Kiepenheuer & Witsch neu erschienenen Roman: Ein fabelhafter Lügner – von Susann Pásztor. Es folgte einige Jahre später Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts und schließlich 2017 der Roman, aus dem sie in Bielefeld lesen will.

Ich komme in eine schon gute gefüllte Kapelle und sehe sie sofort. Auch Susann Pásztor erkennt mich auf Anhieb. Wir tauschen vor der Lesung noch schnell ein paar Worte aus. Und dann ist es auch schon Zeit für die einleitenden Worte der Veranstalterin. Ich bin gespannt auf die Lesung, kenne das Buch noch nicht. Sie weiß, worüber sie schreibt, denn sie hat selbst eine Ausbildung als Sterbebegleiterin gemacht und Sterbende begleitet. U.a. deshalb gelingt es ihr wohl, das Thema ernst zu nehmen und trotzdem unverkrampft darüber zu schreiben. Ihr Publikum jedenfalls kann sie begeistern und es folgen im Anschluss an die Lesung viele Fragen.

Dieses Buch sei ein echter Überraschungserfolg, hat mir Susann Pásztor verraten. Sie werde ständig für Lesungen angefragt. Aber nun sei es endgültig Zeit, an den Schreibtisch zurückzukehren, denn Roman Nummer 4 müsse fertig werden …

Nachtrag: Ich habe inzwischen Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster gelesen – und ich empfehle es!

„Haben Sie es auch originalverpackt?“ – Brauchen Bücher Plastikfolien?

Um meine oben gestellt Frage gleich selbst zu beantworten: Nein, Bücher brauchen keine Folie. Auch ohne Plastikumhüllung sind sie vollständig, kein bisschen Inhalt geht verloren, wenn ein Buch nicht eingeschweißt ist. Es bekommt vielleicht ein paar Macken, weist einige Gebrauchsspuren auf …

Und genau hier liegt der Hase wohl im Pfeffer: Wir sind es gewöhnt, makellose Waren vorzufinden: Äpfel ohne Flecken, gerade gewachsene Möhren und Bücher mit unversehrtem Schutzumschlag. Moment – was für ein Umschlag? Ja, der Schutzumschlag war ursprünglich dafür gedacht, den empfindlichen Einband zu schützen. Er war meistens ganz schlicht, also mehr eine Art prähistorische Plastikfolie und gar nicht so sehr Bestandteil des Buches.

Doch wann hat man eigentlich angefangen, einen Schutz um den Schutzumschlag zu legen? Hier kenne ich kein genaues Datum, vermute aber mal, dass in den 1970er-Jahren passiert sein muss, mit der zunehmenden Verbreitung von Plastikverpackungen. Seit dieser Zeit kaufe ich selbst aktiv Bücher und kenne von Anfang an die Folien.

In den 1980er-Jahren wurden viele Menschen umweltbewusster. Für Bücher ohne Folie hat es aber nicht gereicht. Ich arbeitete damals als Buchhändlerin und alle Kunden wollten Plastik. „Haben Sie dieses Buch auch originalverpackt?“ lautete eine Frage, die mich durch meinen Arbeitstag begleitete. Ich erinnere mich aber auch, dass es damals bereits Verlage gab, die dem Plastikwahn den Kampf ansagten und auf die Folie verzichteten. Da hatten sie die Rechnung aber ohne die Kunden gemacht, die eisern nach eingeschweißten Büchern verlangten. Die „nackten“ Bücher entwickelten sich zu Ladenhütern, ebenso wie ihre im Laden selbst ausgepackten Brüder und Schwestern. Und was tut man als Buchhandlung, um es König Kunde rechtzumachen? Richtig, man legt sich ein Einschweißgerät zu …

In den 1990er-Jahren kam dann die Verpackungsverordnung, die für mehr Recycling und geringere Müllmengen sorgen sollte. Wie die Geschichte ausgegangen ist, wissen wir alle, oder? Die Menge der Verpackungen wurde keineswegs verringert, gelbe Säcke aus Deutschland waren bald in aller Welt zu finden und auf den Ozeanen wurden erste künstliche Inseln gesichtet.

Dass es nicht so weitergehen kann, haben inzwischen hoffentlich viele Menschen begriffen, wird doch immer deutlicher, wohin unser unkritischer Plastikkonsum führen wird. Schon jetzt belastet Mikroplastik unser Wasser und auch unsere Luft. Und da sich Kunststoffe kaum zersetzen, sind andere Langzeitfolgen vorprogrammiert.

Im Moment gibt es tatsächlich etwas wie eine Anti-Plastik-Stimmung. Erstmals sind Verlage, die ihre Bücher nicht in Folie einschweißen, keine belächelten Sonderlinge mehr. Liest man die Meldungen in der Branchenpresse, dann ist Nicht-Einschweißen auf dem besten Weg, zum Mainstream zu werden. Und weil man nicht grundsätzlich gegen jeden Strom schwimmen muss, verzichtet auch Junfermann ab sofort bei allen neu gedruckten Büchern auf die Folie. Mit Büchern, die kleine Macken haben, können wir wohl ganz gut leben. Mit von Plastik verseuchten Meeren wohl eher nicht.

Malwand und Toilettenspiegel: Die Frankfurter Buchmesse 2018

„Wo ist denn das Buch vom Firmenklo?“ So oder so ähnlich wurden wir in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse immer wieder angesprochen. Die Fragenden gaben auf diese Weise eines preis: Sie waren gerade auf einer der Toiletten in Halle 3.1 gewesen und hatten beim Händewaschen dieses Bild vorgefunden:

Uns zeigt das: Werbung kann sehr wirksam sein, vor allem dann, wenn die Platzierung so stimmig ist. Konstanze Wortmanns Buch „Letzte Zuflucht Firmenklo?“ fand auf diesem Weg jedenfalls große Aufmerksamkeit. BuchMarkt-Kolumnist Matthias Mayer berichtete im „Messe-Mayer“ darüber, in den sozialen Medien fanden sich Selfies vorm Toilettenspiegel und die Neue Westfälische titelte: „Paderborn auf dem Klo“.

Eine andere Besonderheit fand sich am Messestand selbst. Passend zu unserer Neuerscheinung „You Are Here“ von Jenny Lawson hatten wir eine große Malwand anbringen lassen, mit einem Motiv aus dem Buch und viel Freiraum zum Selbstmalen. Kreide lag bereit und nach und nach füllte sich die Fläche, mit Zeichnungen und Kommentaren, wie: „Immer wieder schön hier.“ – Wenn das so ist, dann müssen wir wohl im nächsten Jahr wiederkommen!