Erleben Sie den Drive …

Drive – mit der Welt im Fluss sein

Von Stefan Hölscher

Wir alle kennen Situationen, in denen wir uns als kraftvoll gestaltend erleben, in denen wir das Gefühl haben, gut im Fluss zu sein, die Dinge zu bewegen, Schwierigkeiten zu meistern und Energie, Lust und Lebendigkeit bei alledem zu spüren. Erfahrungen dieser Art können mit unterschiedlichsten Tätigkeiten im Beruf oder im Privatleben verbunden sein; mit Tätigkeiten, die wir allein tun, oder mit Tätigkeiten, die wir mit anderen zusammen unternehmen. Oft handelt es sich um kreative, sportliche oder spielerische Aktivitäten, doch können es genauso auch Überlegungen, Problemlösungsprozesse, intensive Gespräche oder alltägliche Tätigkeiten und Interaktionen mit anderen sein. Geprägt wird solches Erleben durch eine eigentümliche Gleichzeitigkeit von Gestalten und Laufenlassen, von ernsthaftem Einsatz und spielerischer Leichtigkeit, von Leistungswillen und Lust. Situationen dieser Art sind Momente des Gelingens und des Glücks. Was wir dabei erleben, ist Drive – eine ganz besondere Art mit uns selbst und der Welt im Fluss zu sein.

Ein solches Im-Fluss-Sein lässt sich nicht erzwingen. Wir können allerdings Bedingungen fördern, unter denen es uns eher gelingt, dass es dazu kommt. Die entscheidenden Weichenstellungen dafür liegen in uns selbst. Wir selbst bestimmen mit unserem Denken und Handeln, mit der Art des Umgangs mit dem, was in uns und um uns herum passiert, maßgeblich, wie es uns geht und welche weitere Entwicklung die Dinge für uns nehmen. Die wirksamsten Weichenstellungen, um mehr und mehr in einen guten Fluss zu kommen und Drive im eigenen Leben zu entfalten, lassen sich dabei in vier Leitsätze fassen.

 

Schätze, was da ist

Der erste und wichtigste Leitsatz für Drive ist: Nimm an, was gerade da ist, was auch immer es ist, und geh davon aus, dass du etwas Sinnvolles daraus machen kannst. Dieses Prinzip gilt im Kleinen wie im Großen, im Inneren wie im Äußeren. Es gilt für das, was einen ereilt – sowohl das, worüber man sich spontan freut: positive Überraschungen, unerwartete Gelegenheiten, glückliche Momente; wie auch für das, was man so nicht haben wollte: Störungen, Probleme, Krankheiten, Krisen, Verluste. Es gilt für das, was andere tun und was ihnen eigen ist: ihre Worte, Handlungen, Handlungsmuster und deren Folgen; und es gilt für das, was man selbst tut und was einem selbst eigen ist: eigene Gedanken, Gefühle, Handlungen, Handlungsmuster, Eigenschaften, die eigene Biografie…

Anzunehmen, was ist, und davon auszugehen, dass sich etwas Sinnvolles daraus machen lässt, bedeutet zweierlei: Akzeptanz des Gegebenen und aktive Gestaltungskraft. In genau dieser Kombination liegt der Schlüssel für Drive. Zu nehmen, was ist, meint weder Passivität noch Fatalismus. Die Haltung, dass es ist, wie es ist, und man es sowieso nicht ändern kann, als zentrales Lebensprinzip wäre das Ende von Drive. Andererseits meint eine aktive Gestaltung aber auch nicht Aktionismus und Allmachtsgefühle: Die Überzeugung, dass man die Welt seinen Wünschen gemäß formen kann, wäre ebenso wenig vereinbar mit Drive.

Gemeint ist vielmehr: Ich nehme, was da ist (etwas anderes habe ich ohnehin nicht zur Verfügung), und mache etwas daraus. Und zu beidem sage ich „Ja“: zu dem, was vorhanden ist, und zu der Chance, dass ich das Vorhandene weiter gestalten kann. Diese innere Haltung bringt Drive. Sie bildet den ersten Leitsatz für ein Leben mit Drive; und in gewisser Hinsicht durchzieht sie auch die anderen drei: Wisse, was du brauchst; nutze, was du kannst; sieh, was du tust.

 

Wisse, was du brauchst – nutze, was du kannst – sieh, was du tust

Indem ich herausfinde, was ich brauche, kümmere ich mich um mein Wohlergehen. Ich nehme meine verschiedenen Bedürfnisse wahr und nehme sie ernst. Ich entwickle Klarheit im Hinblick darauf, was mir in den vier zentralen Bereichen meines Lebens Körper – Arbeit – Beziehungen – Selbstverwirklichung wirklich wichtig ist, und ich kümmere mich konsequent darum. Ich strebe nach kraftvollen Balancen zwischen den verschiedenen Bereichen, und ich nutze Konflikte, Schwierigkeiten oder negative Gefühle als wichtige Hinweisgeber dafür, was in mir vorgeht, was ich brauche und was ich in meinem Leben ändern sollte, damit es mir gut geht.

Indem ich nutze, was ich kann, mache ich vom Reichtum meiner Fähigkeiten Gebrauch. Ich erkenne in allem, was ich tue, immer auch Fähigkeiten von mir und verwende diese Fähigkeiten und insbesondere meine Kernkompetenzen, das heißt den spezifischen Mix meiner zentralen Fähigkeiten, um mein persönliches Potenzial zu entfalten, mir Ziele zu setzen und mich immer weiter zu entwickeln.

Indem ich sehe, was ich tue, betrachte ich mein Verhalten von außen. Ich nutze Reflexionsfragen, prüfe und hinterfrage besonders in schwierigen Situationen, welche Erklärungen und Bewertungen ich dem Geschehen gebe und ob andere Erklärungen und Bewertungen gegebenenfalls hilfreicher für mich wären; ich achte auf unterschiedliche Strebungen in mir – die Mitglieder meines inneren Teams – und nehme kritische Muster, in denen ich verhaftet bin, wahr, um mein Handeln und seine Folgen besser verstehen zu können. Ich nutze meine Reflexion, um in Situationen, die ich als schwierig und festgefahren erlebe, neue Blickwinkel und Handlungsalternativen zu entdecken.

Zwei Beispiele

Vollsperrung auf der Autobahn. Gerade jetzt. Und ich mittendrin. Wer weiß, wie lange. Natürlich könnte ich mich jetzt furchtbar aufregen und dem Stau auf der Straße noch einen Stau in meinen Blutgefäßen hinzufügen. Ich kann mich aber auch entscheiden, mich ganz der Musik hinzugeben, die ich mir gerade ausgesucht habe, vielleicht ein paar Entspannungsübungen zu machen oder einem interessanten Hörbuch zu lauschen…

Karrierebremse. Mein Chef teilt mir mit, dass ich in diesem Jahr noch nicht für die nächste Karrierestufe vorgesehen bin. Gemeinsamer Beschluss des Managements. Ich solle erst noch an einigen Verhaltensweisen von mir arbeiten. Nach meiner Auffassung war die Beförderung mehr als fällig. Natürlich könnte ich mich nun in den Schmollwinkel zurückziehen oder versuchen, möglichst schnell irgendwo anders eine neue Stelle zu bekommen. Ich kann mich aber auch entscheiden, die relevanten Hinweise ernst zu nehmen und die nächsten Monate nutzen, um mit Unterstützung meines Chefs an diesen Punkten systematisch zu arbeiten. Ich tue dies für meine persönliche Entwicklung, natürlich auch, um mich für die nächste Beförderungsrunde erfolgversprechender aufzustellen und, falls es dann immer noch nicht klappen sollte, um meine Chancen für eine gute Stelle andernorts zu erhöhen…

 

Drive stärkt Drive

Indem ich schätze, was da ist, indem ich weiß, was ich brauche, indem ich nutze, was ich kann, und sehe, was ich tue, entsteht Drive in meinem Leben. Ich sage „Ja“ zu dem, was da ist – in mir und in meinem Umfeld – und mache etwas Eigenes und Gutes daraus. Ich verbinde das, was geschieht, mit dem, worum es mir geht. Ich verfolge einen klaren Kurs und bin zugleich offen für das, was sich ergibt. Ich sorge für mich und mein Wohlergehen und achte auf wechselseitig befriedigende Beziehungen. Ich erlebe mich reich an Fähigkeiten. Ich weiß, dass ich mich auf meine bewusst-willkürlichen ebenso wie auf meine unbewusst-unwillkürlichen Fähigkeiten, auf mein ICH und mein ES verlassen kann, und dass das Zusammenwirken all dieser Fähigkeiten mir für mein Wohlergehen und das Erreichen meiner Ziele unschätzbare Dienste erweist. Ich reflektiere mein Handeln und vermag mich zwischen einem Ganz-im-Geschehen-Sein und einem Es-von-außen-Beobachten hin und her zu bewegen. Ich nutze schwierige Momente, Konflikte und Krisen, um besser zu verstehen, zu lernen und neue Ideen und Balancen zu finden. Ich setze die Möglichkeiten der Reflexion ein, um meine Perspektiven zu erweitern und neue Handlungsimpulse zu finden.

So ist mein Leben mehr und mehr durchdrungen von Drive. Ich erlebe Rhythmus, Bewegung und Fluss. Ich bin ein Teil davon. Das Geschehen prägt mich und ich präge es. Ich bin mit meinem Denken, Fühlen und Handeln ganz in dem, was geschieht, und zugleich schaue ich auf das Geschehen. Ich erlebe das Ganze und ich erlebe mich. Ich fühle Einheit und Unterschied. Ich spüre das Leben und ich spüre den Drive. Das Wunderbare dabei ist: Die Erfahrung von Drive hilft, Drive erneut zu erleben, denn das Erfahren von Drive stärkt die Zuversicht, dass Drive entstehen kann; und diese Zuversicht ist die beste Weichenstellung dafür, dass Drive immer wieder neu zustande kommt.

 

Geprägt von Kontrasten

Natürlich wird mein Leben niemals ausschließlich von Drive durchzogen sein. Als Mensch bin ich ein fehlbares und sterbliches Wesen, und zu meinem Leben gehören immer auch Schwäche, Verlust, Krankheit, Schmerz, Unglück, Abbau und Tod. All das wird immer wieder – zumindest vorübergehend – dazu führen, dass etwas anderes die Oberhand gewinnt.

Drive wird geprägt von Kontrasten – auch von dem Kontrast zwischen den Zuständen in meinem Leben, in denen Drive vorkommt, und denjenigen, in denen anderes dominiert. Ein realistisches Vorhaben kann daher nicht heißen: „Ich werde Drive immer und überall erleben“, denn das wird nie in Erfüllung gehen. Möglich ist aber, dass mein Leben immer häufiger, intensiver und nachhaltiger von Drive geprägt wird; dass Drive für mich immer leichter und natürlicher wird. Dies ist ein realistisches und ein sehr lohnendes Vorhaben zugleich.

Helfen werden mir dabei die vielen guten Momente und günstigen Bedingungen, die es zu entdecken gibt. Helfen werden mir dabei aber auch die schwierigen Momente und Bedingungen, die kleinen und die großen Krisen in meinem Leben. Je besser es mir nämlich gelingt, auch in solchen Situationen anzunehmen, was ist, und etwas Sinnvolles daraus zu machen, umso mehr werde ich mein Vertrauen darauf, dass Drive entsteht, und meine Fähigkeit, Drive aufrechtzuerhalten, stärken, und umso eher wird Drive wieder entstehen.

Die Erfahrung von Drive stärkt das Entstehen von Drive. Je häufiger und intensiver ich in guten wie in schwierigen Situationen nutze, was da ist, umso natürlicher wird ein Leben mit Drive für mich werden. Ich bin mit mir und der Welt im Fluss und schöpfe daraus Kreativität, Kraft, Leistung und Lust.


 

  Über den Autor

Stefan Hölscher, studierter Philosoph, Literaturwissenschaftler und Psychologe (Dr. phil., Dipl.-Psych., M. A.), hat eine berufliche Doppelexistenz: Er arbeitet als Managementberater, Trainer, Coach und ist Geschäftsführender Gesellschafter der Metrion Management Consulting, Frankfurt a. M. Gleichzeitig ist er als Autor, Lyriker und Sprecher tätig. Er ist Verfasser zahlreicher Bücher und Beiträge. Zusammen mit Michael Schneider, dem Solobassisten des Philharmonischen Orchesters der Stadt Heidelberg, macht Stefan Hölscher sprach-musikalische Lyrik-Kontra Bass Performances.

 

Publikationen (Auswahl):

  • Hölscher, S. (2015): Die neue Mitarbeiterführung. Führen als Coach. Beck Kompakt. C.H. Beck, München
  • Büngen, A. & Hölscher, S. [Hg.] (2015): Queerlyrik. Siegertexte und Platzierte des 1. Queerlyrik-Wettbewerbs. Geest Verlag, Vechta-Langförden
  • Hölscher, S. (2014): Schrille Gefilde. Gedichte. Geest Verlag, Vechta-Langförden
  • Hölscher, S. & Armbrüster, C. [Hg.] (2013): Gesundheit braucht Führung. Südwestbuch Verlag, Stuttgart.
  • Hölscher, S. (2011): Leben mit Drive. Die Entfaltung von Kreativität, Kraft, Leistung und Lust. Junfermann Verlag, Paderborn.

Zahlreiche weitere Bücher und active books bei Junfermann und Veröffentlichungen in Zeitschriften.

Schamanisches Retreat in Amerika oder „hüllenlos durch die Nacht“? – Auftrittsangst kann man auch einfacher überwinden…

Die fünf ungewöhnlichsten Techniken, wie Sie Ihre Auftrittsangst besiegen, und warum Sie sie auf keinen Fall ausprobieren sollten

Von Thomas Coucoulis

Wahrscheinlich gibt es kaum einen unter uns, der nicht schon mal öffentlich vor einem mehr oder weniger großen Publikum aufgetreten ist. Und wahrscheinlich gibt es auch kaum einen, dem in so einer Situation nicht schon mal „die Muffe ging“. Lampenfieber nennt man das unter Künstlern – wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft, kann sich das Fieber verschlimmern und bis zu einer ausgewachsenen Auftrittsangst steigern. Doch wo kommt es her, dieses Biest? Warum haben selbst erfahrene Speaker, Trainer, Schauspieler, Musiker und sonstige Rampensäue zum Teil auch nach Jahrzehnten noch schweißnasse Hände, Schnappatmung und ein flaues, krampfendes Gefühl im Magen? Na, sind Sie schon in der Problemtrance?

Die Ur-Ursache ist schon ein Weilchen her, damals lebten wir noch in kleinen Gruppen in dorfartigen Gemeinschaften von in der Regel weniger als 100 Individuen. Unter den damaligen Lebensumständen war es überlebenswichtig, die Zugehörigkeit zur Gruppe nicht zu gefährden, denn das hätte den Ausschluss aus der Gruppe und damit den sicheren Tod bedeutet. Wer damals also dazugehören und sich reproduzieren wollte, trug nicht nur Bart, was momentan auch wieder zutrifft, sondern auch sein Herz nicht zu sehr auf der Zunge.

Heute können wir unser Mammut- respektive Kobe-Fleisch online bestellen, ebenso wie die Felle, die wir auf der Haut tragen. Letztere aus Gründen der Political Correctness natürlich nur aus Kunstpelz (Erdöl), was, wenn man es genau betrachtet, die eigentlich wahre Dekadenz ist. Doch das nur am Rande, uns geht es ja hier ums Auffallen, obwohl man das mit Pelz in der Regel auch tut. Die Verfügbarkeit lebenswichtiger Ressourcen ist also nicht der Grund, warum wir trotzdem erwiesenermaßen mehrmals am Tag lügen, was natürlich auch das Herunterschlucken der eigentlichen Antwort auf die unfreundliche Art des neudeutschen Zugbegleiters impliziert.

Wenn nicht der Arterhaltung wegen, warum dann? Die Zeiten, als man dafür verhaftet wurde, wenn man seine Meinung sagte, sind ja hierzulande glücklicherweise vorbei. Dennoch wurden unsere Eltern und Großeltern von solchen Umständen geprägt, diejenigen von uns, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind, ja zum Teil noch selbst. Unser Schulsystem trägt auch nicht gerade dazu bei, dass wir uns die Offenheit und Ehrlichkeit unserer Kindheit bis ins Erwachsenenalter bewahren. Und die herrschende Klasse war auch noch nie so wirklich daran interessiert, dass wir kundtun, was uns nicht passt, also gibt es ein rund um die Uhr rundfunkendes Brot-und-Spiele-Programm als Opium für das Volk. Die, die dort auftreten, dürfen wir bewundern, aber bei der Bewunderung anderer soll es auch bleiben, wir selbst haben im Mittelpunkt nichts verloren. Kommt der Begriff Unterhaltung also von Untenhaltung?

So viel mal zu den Ursachen und den daraus resultierenden Glaubenssätzen. „Sprich nicht so laut, das macht man nicht!“ – „Sei immer schön brav und tu, was der Lehrer dir sagt!“ – „Zieh dich ordentlich an, so kannst du doch nicht auf die Straße gehen, was sollen denn die Leute denken!“ Und jetzt seien wir mal ehrlich, wer von uns kennt nicht mindestens einen dieser Sätze? Abgesehen von der Frage, ob die aus dieser (V)Erziehung resultierenden Glaubenssätze für uns heute noch Gültigkeit besitzen (Kleiner Tipp: Nein), steht ja auch im Raum, was wir ohne selbige wären. Auf jeden Fall entspannter, wenn es darum geht, öffentlich vor Publikum aufzutreten. Auf jeden Fall ehrlicher, wenn uns etwas nicht passt. Auf jeden Fall authentischer, wenn wir uns selbst darstellen.

Wie man Glaubenssätze verändert, haben die meisten unter uns ja gelernt, aber reicht das? Als Rampenpfau und jemand der sich die letzten knapp 20 Jahre damit beschäftigt hat, wie man so richtig schön auffällt, sage ich: Nö. Wenn wir das jetzt schon gemeinsam angehen, dann machen wir es richtig. Wenn Sie das auch wollen, lesen Sie jetzt weiter. Aber Achtung, die folgenden Techniken könnten dazu führen, dass Sie in Zukunft auffallen. Ja, auch unangenehm. Dafür ist Ihnen danach garantiert nichts mehr peinlich. Also überlegen Sie es sich gut.

1. Seien Sie einen Tag lang ehrlich. Wenn Sie einen Kollegen treffen, antworten Sie mit der Wahrheit auf sein „Na, wie geht’s?“. – „Du, nicht so toll, ich habe gestern Abend so einen Salat gegessen, und der hat sich irgendwie nicht mit dem Bier vertragen, dann hatte ich die halbe Nacht Blähungen und um drei auch noch Durchfall.“ Oder ihr Chef: „Machen Sie mir das doch bitte noch bis morgen fertig.“ – „Wissen Sie eigentlich, wie lange das dauert? Ich hab‘ auch noch andere Sachen zu tun, und um Punkt sechs mach‘ ich Feierabend, weil wir heute Champions League gucken und dazu einen saufen.“ Mit Ihrem Partner im Restaurant: „Und, wie war dein Tag?“ – „Wie immer, im Meeting habe ich dem jungen Kollegen die ganze Zeit auf den Arsch geglotzt. Der ist echt knackig, nicht so schlaff wie deiner …“ Ich denke Sie haben das Prinzip verstanden.

2. Schonungslose Ehrlichkeit macht sich auch immer besonders gut im Kreis der lieben Verwandten. Auf der nächsten Familienfeier betrinken Sie sich – und zwar richtig. Nach dem etwa fünften Bier oder vierten Glas Wein erklären Sie sich offiziell zur Partykönigin. Und die Königin will Gesang, also stimmt sie ein Liedchen an und animiert die anderen zum Mitmachen. Die Polonäse darf natürlich auch nicht fehlen. Zwischendurch trinken Sie mit Ihrem Schwager Brüderschaft und das ungefähr fünfmal in Folge. Danach tanzen Sie auf dem Tisch zu Bonnie Tyler und performen dabei ordentlich mit. (Ihr Schwager unterstützt Sie freundlicherweise dabei). Am Ende des Abends lassen Sie sich von Ihrem Mann nach Hause fahren und übergeben sich unterwegs so ungefähr zwei bis dreimal. Das gleiche Prinzip funktioniert übrigens auch auf Betriebsfeiern. Alles klar?

3. Machen Sie ein schamanisches Retreat in Südamerika. Zwei Wochen abseits der Zivilisation in der wilden Schönheit der Natur tun nach dem ganzen Alkohol (s. o.) auch mal ganz gut. Das Highlight dieser Reise ist das Reinigungsritual mit Ayahuasca. Das ist ein Pflanzensud, der zum Großteil aus der ausgekochten Ayahuasca-Liane besteht und psychotrope Wirkstoffe enthält. Das Ritual führt in der Regel zu heftigen Halluzinationen in Kombination mit starken körperlichen Schmerzen und Erbrechen. Üblicherweise wird es abends eingenommen, die Wirkung dauert dann die ganze Nacht an. Es wird von Menschen berichtet, die mit schweren Autoimmunkrankheiten an diesem Ritual teilgenommen haben und anschließend ihre Krankheiten besiegen konnten, weil durch die Schmerzen und die Übelkeit der Lebenswille wieder so stark wurde, dass die körpereigenen Selbstheilungskräfte einen Turboboost verpasst bekamen und den Rest erledigten. Wenn Sie das durchgestanden haben, wird Ihnen so einiges egal sein, unter anderem auch, irgendwo aufzufallen. Viel Spaß!

4. Nach so einer anstrengenden Reise haben Sie sich etwas Erholung verdient. Gehen Sie in die Sauna und suchen Sie sich dort Menschen, die Ihnen gefallen. Sprechen Sie sie an, und versuchen Sie, ein Date mit jemandem auszumachen. Ob Sie hingehen, können Sie ja später immer noch entscheiden. Wichtigster Punkt: Tun Sie es nackt! Hüllenlos durch die Nacht ist das Motto, und genau so stellen Sie sich vor diese Person und haben somit schon mal nicht den üblichen Schutzschild aus Jeans und Tweed, hinter dem Sie sich sonst immer verstecken. Kein graues Pinstripe-Business-Mimikri, kein hipper Freizeitlook aus London (online bestellt), nur Sie selbst. Eine ehrlichere Anmache kann es nicht geben.

5. Als krönenden Abschluss ihrer Befreiung von den hinderlichen Glaubenssätzen und Konventionen gehen Sie feiern. Jede Stadt bietet ja so eine Party-Location, wo man nicht nur schick und zickig rumsteht, sondern auch so richtig abtanzen kann. Da gehen Sie hin – und Sie werden feiern, und zwar härter, wilder und lauter als jeder andere in diesem Laden. Eine Freundin von mir nennt das „den Club abbrennen“. Das bedeutet, dass man so ausgelassen feiert, dass man am Ende entweder auf Händen getragen oder von selbigen rausgeworfen wird. Das Ergebnis, Partykönig oder Hausverbot, ist in diesem Fall völlig egal, Hauptsache es war enthemmt. Wie besagte Freundin ebenfalls zu sagen pflegt: „Es eskaliert eh.“

Wenn Sie jetzt denken „Woher weiß er, was ich in der letzten Zeit gemacht habe?“, dann erzähle ich Ihnen mit diesem Artikel natürlich nichts Neues. Sie haben mit großer Wahrscheinlichkeit auch keine Schwierigkeiten, entspannt öffentlich aufzutreten. Wenn Sie hingegen sagen: „Das ist doch komplett irre!“, danke ich Ihnen für das Kompliment. Und wenn Sie jetzt noch wissen wollen, warum Sie diese Techniken auf keinen Fall ausprobieren sollten – wegen der Folgen:

1. Verlust des Arbeitsplatzes

2. Enterbung und/oder Scheidung

3. Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und überaus unangenehme Nebenwirkungen

4. Hausverbot und Anzeige wegen sexueller Belästigung

5. Blaue Flecken

Und wenn Sie sich jetzt noch fragen, ob ich das alles ernst meine, dann versichere ich Ihnen: Ja, natürlich! Machen Sie das auf jeden Fall genau so, und denken Sie auf keinen Fall darüber nach, was Sie stattdessen für sich tun könnten, um aus dem Gefängnis Ihrer eigenen Glaubenssätze auszubrechen. Also, verstehen Sie diesen Artikel auf gar keinen Fall als Satire und diesen Satz bloß nicht ironisch.

Aber jetzt mal im Ernst, glauben Sie wirklich, dass das nötig ist? Klar, Sie können die Rosskur der Desensibilisierung ruhig machen, funktionieren wird Sie. Vielleicht reicht es aber auch, erst mal die Füße ins Wasser zu stecken und nicht gleich mit dem Kopf voraus reinzuspringen. Insbesondere wenn Sie den Grund noch nicht sehen können. Wie wäre es zum Beispiel damit, einfach mal Ihrem Gefühl zu folgen? Wenn Ihnen etwas auf dem Herzen liegt, warum es statt auf die Goldwaage nicht einfach mal auf die Zunge legen und kommunizieren? Kann man ja auch ganz gewaltfrei, wertschätzend und nach NLP-Kriterien machen.

Ganz konkret könnte das bedeuten, dass Sie in einer Auftrittssituation ehrlich zu Ihrem Publikum sind. Wenn Sie nervös sind, versuchen Sie nicht, es zu überspielen, indem Sie das Publikum mundtot dominieren. Sagen Sie es ruhig, ihr Publikum merkt es so oder so, wenn auch nicht unbedingt bewusst. Sie werden damit ehrlicher und authentischer rüberkommen und gleichzeitig auch diesen inneren Druck Ihrer Nervosität ablassen. Und wenn Sie diesen Druck nicht mehr zu kontrollieren brauchen, können Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was in diesem Moment wirklich wichtig ist: Das, was Sie sagen möchten, und diejenigen, denen Sie es sagen möchten.

Und noch was: Begeben Sie sich ruhig auf eine gemeinsame, kooperative Basis mit Ihrem Publikum – auf Augenhöhe. Schulz von Thun würde es die Wahrheit der Situation nennen. Und kommen Sie mir nicht mit irgendwelchem rhetorisch-technischen Schnick-Schnack, das zu verstehen und umzusetzen bedeutet viel mehr, als nur ein paar kommunikationspsychologische Tricks anzuwenden. Es bedeutet Wertschätzung. Sie sitzen in diesem Moment alle im selben Boot und wollen alle das Beste aus der Situation rausholen. Die Zuhörer sind Ihr Publikum, und für dieses machen Sie Ihre Show, nicht zur (Selbst-) Befriedigung Ihres Egos. Also, nächstes Mal, wenn Ihnen jemand zuhört, seien Sie dankbar und machen Sie was draus! Alles Gute dabei!

 

  Über den Autor

Thomas Coucoulis betreibt als Rampenpfau das Institut für Selbstdarstellung in Hamburg, sein Spezialgebiet ist das Überwinden von Ängsten und Blockaden bei öffentlichem Auftreten und die Entwicklung authentischer Auftritts-Persönlichkeiten. Mehr Infos und einen Blog zum Thema finden Sie hier.

Nächster offener Coaching-Abend Meet’n’Peacock: 24. Juni 2015. Anmeldung hier!

Zielfindung und Motivation im Coaching

Wo wollen Sie hin?

Oft können wir sehr genau sagen, was wir nicht möchten, aber wir tun uns schwer damit, genau zu definieren, was wir denn stattdessen wollen. Im Coaching-Kontext kann das zu einer großen Herausforderung werden – für den Coach und den Klienten!

In folgendem Video erläutert Sabine Prohaska, wie wichtig die Festlegung des „richtigen“ Ziels im Coaching ist und wie erfolgreiche Zielarbeit sinnvoll strukturiert werden kann:

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  Über die Autorin

Sabine Prohaska, Inhaberin von seminar consult, ist Trainerin, Coach und Buchautorin. Seit über 20 Jahren ist die Wirtschaftspsychologin erfolgreich für namhafte Unternehmen vielfältiger Branchen tätig. Sie gilt als führende Expertin für Beratungs- und Trainingskompetenz.

Sabine Prohaska ist Professional Speaker der German Speakers Association®,  Autorin der Bücher „Coaching in der Praxis“ (Junfermann, 2013) und „Erfolgreich im Training! – Praxishandbuch“ (BoD Verlags GmbH, 2009) sowie zahlreicher Fachartikel. Auch in verschiedenen Talk-Sendungen war sie bereits zu Gast.

Mehr über die Autorin erfahren Sie hier.

Und täglich grüßt der Narzisst?!

Menschenführung beginnt mit Selbstführung – Über narzisstische Führungskräfte und den Umgang mit ihnen

Von Horst Lempart

„Ich muss es halt wieder selber machen, die sind zu blöd für alles!“ – Entwertungen und die Idealisierung der eigenen Person sind zwei typische Verhaltensformen für narzisstisch geprägte Menschen. Ihr Ehrgeiz und ihre darstellerischen Fähigkeiten bringen sie oft bis in die höchsten Etagen von Management und Politik. Führungskräfte mit einem narzisstischen Persönlichkeitsstil formen einen entscheidenden Teil ihres Selbstbildes aus den Beziehungen zu ihren Mitarbeitern. Die Qualität dieser Beziehungen basiert dabei vor allem auf der Bewertung von Menschen und deren Leistungen. Und diese Bewertungen werden gespeist aus einem idealisierten Selbstbild der Führungskraft: Wie weit kann der Mitarbeiter mir gerecht werden? Wie gefährlich kann er mir werden? Wie gut erfüllt er meine Erwartungen? Die Fragen stellt er sich allerdings nicht nur im beruflichen Kontext. Bisweilen reichen sie weit in den Privatbereich, wie das folgende Beispiel zeigt:

Stefan M. ist 46 Jahre und Inhaber einer Bäckerei. Den Betrieb führt er zusammen mit seiner Frau Karin M., 51 Jahre. Die beiden haben sich die Aufgabenbereiche aufgeteilt: Während Karin für den Verkauf und das Marketing zuständig ist, kümmert sich Stefan um die Produktion und die Finanzen.

Der Erstkontakt für das Coaching kommt über seine Frau Karin M. zustande. Frau M. beobachtet, dass die Motivation der Mitarbeiter immer weiter nachlässt. Gerade bei den Mitarbeiterinnen im Verkauf werde das besonders deutlich: Unfreundlichkeit gegenüber Kunden, Nachlässigkeiten bei der Hygiene und steigende Krankheitsraten seien unverkennbare Zeichen mangelnder Einsatzbereitschaft. Im ersten Kennenlern-Gespräch berichtet Karin über unterschiedliche Führungsstile: Während sie sehr kooperativ auftritt, Konsens fördert und über die Beziehungsebene führt, leitet ihr Mann die Produktion mit der Überzeugung „Alles Idioten!“. Wenig Zutrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter und ein daraus resultierender Hang zum Kontrollieren und Nachbessern prägen seinen Führungsalltag. Karin hebt hervor, dass die betrieblichen Differenzen zunehmend auch ihre Beziehung belasten. Stefan habe ihre Entscheidung unterstützt, sich Hilfe bei einem Coach zu holen. Vielleicht könne sie ja etwas dazulernen, um die Leute wieder „auf die Spur zu bringen“.

Das Spannungsfeld zwischen Bewunderung und Abgrenzung

Am Ende der Stunde bitte ich Karin M., zur nächsten Arbeitseinheit ihren Mann Stefan mitzubringen. Ich benötige ihn, um Expertenwissen über die „problematischen Mitarbeiter“ sowie den Führungsstil seiner Frau zu erhalten. Mit den bisherigen Anmerkungen von Karin entwerfe ich die Arbeitshypothese, dass Stefan narzisstische Tendenzen aufweist. Ich experimentiere nach dem Verfahren: Versuch und Irrtum. Vielleicht liege ich ja richtig. Mit der Einladung befriedige ich gleich zwei narzisstische Bedürfnisse: Das Bedürfnis nach Bewunderung („Ich benötige einen Experten“) und das Bedürfnis nach Abgrenzung („Das Problem haben die anderen“). Ich verspreche mir von dieser Strategie, dass Herr M. ebenfalls den Weg zu mir findet. Tatsächlich geht meine Rechnung auf. Bei der nächsten Begegnung sitzen wir zu dritt in der Praxis.

„Wie haben Sie das überhaupt geschafft, den Laden quasi im Alleingang so erfolgreich zu machen?“ Um seine Bereitschaft zu fördern, den Prozess aktiv mit zu gestalten, knüpfe ich an seinem Image an. Dahinter verbirgt sich sein idealisiertes Selbstbild, das er sich seit Jahrzehnten aufgebaut hat. Es bietet ihm Sicherheit in dem unkalkulierbaren Coaching-Prozess. Stefan erzählt von den schwierigen Aufgaben nach der Betriebsübernahme, seinen durchgearbeiteten Nächten und dem Neid der Wettbewerber. Karin verstärkt seine besonderen Leistungen. Sie betont seine außerordentliche Einsatzbereitschaft und die hohen Ansprüche an sich selbst.

Partnerschaften sind eine Form von Arbeitsverträgen

Was sich zwischen Stefan und Karin M. abbildet ist eine abhängige Bindung von narzisstisch geprägten Menschen und ihren Bewunderern, den sogenannten Co-Narzissten. Während Stefan sich im Haus seiner Grandiosität bewegt, steht Karin quasi unter seinem Vordach. Sie nutzt den Schein ihres Partners für ihr eigenes Ego, kommt aber nur bis zu seiner Fassade und erhält keinen wirklichen Einblick in sein Innenleben. Im Grunde begegnen sie sich nicht wirklich, sie bleibt draußen vor der Tür. In gleichberechtigten Partnerschaften werden die Anteile von Geben und Nehmen, Nähe und Distanz, Führen und Sich-führen-Lassen immer wieder neu definiert. Das ist ein dauerhaftes Ausbalancieren und gleicht einem partnerschaftlichen Arbeitsvertrag.

Was sich zwischen den beiden Partnern abspielt ist auch ein Thema in der Personalführung. Wer sich als bewundernder Mitarbeiter unter das Dach des narzisstischen Chefs begibt, der behält trockene Füße. Wer aber versucht, ein eigenes Haus zu bauen, und damit die Statik der Chef-Etagen gefährdet, der wird durch eine „passendere Säule“ ersetzt. In der Zwickmühle des „sich Anpassens“ und „sich Abgrenzens“ stecken sowohl narzisstische Vorgesetzte als auch co-narzisstische Mitarbeiter. Meistens sind es jedoch die Spiegelhalter, die irgendwann aus der Rolle des Co-Narzissten aussteigen wollen. Ihre Zurückhaltung entwickelt sich mit der Zeit von einer Anpassung zur Überanpassung, was Selbstwertzweifel, Interessenlosigkeit und Antriebsarmut zur Folge haben kann (in Abbildung 1 als Quadrat „depressiv“ gekennzeichnet). Nicht selten werden die Symptome pathologisch. Aus ökonomischer Sicht ist das ein Worst-Case für den Unternehmer. Narzisstisch strukturierte Führungskräfte halten das System eher stabil. Sie klagen zwar über die unselbständigen Mitarbeiter, was aber ihrem idealisierten Selbstbild eher zuträglich ist. Grundsätzlich haben jedoch alle Beteiligten die Chance, ihr Problem vertiefendes Verhalten zu erkennen und zu verändern. Wir sprechen daher auch von Persönlichkeitsentwicklung und nicht von Persönlichkeitsverwicklung.

Abbildung 1 Entwicklungsquadrat beim narzisstischen Persönlichkeitsstil

Im Coaching gibt es einen spannenden Ansatz, um dem Dilemma zwischen der Angst vor Nähe und der Angst vor Zurückweisung entgegenzuwirken. Mit dem Entwicklungsquadrat (siehe Abbildung 1) betritt man das Haus des Narzissten quasi durch die Hintertür. Es setzt der Grandiosität, die ein Narzisst nach außen hin vorgibt, die Minderwertigkeit gegenüber, die ebenfalls stark im narzisstischen Gefühlsrepertoire repräsentiert ist. Sie verkörpert dadurch die beiden Seiten der narzisstischen Medaille. Bestenfalls werden oberflächliche Verhaltensweisen sichtbar, die Fassade bekommt Risse. Auf jeden Fall aber werden Chancen und Risiken deutlich, die ein narzisstischer Persönlichkeits- und Führungsstil mit sich bringt. Außerdem ermöglicht es Co-Narzissten wie angepassten Mitarbeitern einen Blick über den Tellerrand. Beide stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis, das nicht schicksalhaft verlaufen muss. Voraussetzung ist, dass alle Teilnehmer ihre Verantwortlichkeiten erkennen.

Die Unterscheidung nach männlicher und weiblicher Domäne ergibt sich aus geschlechtsspezifischen Verhaltensmustern. Während der männliche Narzissmus eher von Prestige, Macht, Abgrenzung und Selbstdarstellung geprägt ist, charakterisiert sich der weibliche Narzissmus aus Eigenschaften wir Anpassung, Selbstwertzweifel und emotionaler Instabilität. Diese Stereotypie gilt nicht grundsätzlich sondern beschreibt Tendenzen.

Zurück zum Fall:

Ich bitte die beiden, sich wortlos einander gegenüber zu setzen und sich nur gegenseitig wahrzunehmen. Dabei sollen sie in ihrer Aufmerksamkeit pendeln zwischen den Entdeckungen beim Gegenüber und ihren eigenen Gefühlen und Gedanken. Nach fünf Minuten richte ich mich zuerst an Stefan. Er soll seine Eindrücke wiedergeben. Folgende Aussagen halte ich dabei fest: „Ich möchte Dich in den Arm nehmen“, „Das ist doch alles nicht so schlimm, wir bekommen das schon hin“, „Komm, lass uns vertragen“. Seine Frau findet die folgenden Worte für Ihre Empfindungen: „Er berührt mich, um aus der Situation rauszukommen“, Ich muss ihn gehen lassen, er steht unter Druck, er ist hilflos“, „Ich fühle mich missbraucht und spüre Gefühlswallungen“.

Brauchen oder missbrauchen?

Die Energie dieser Übung und der Aussagen ist spürbar im Raum. Frau M. fühlt sich von der „Nähe“ extrem eingeengt und wenig berührt. Sie reagiert damit auf  zwei wesentliche charakteristische Eigenschaften narzisstisch strukturierter Menschen wie Stefan: Sie instrumentalisieren andere und sind an einer wirklichen Begegnung nicht interessiert. Auf der anderen Seite betont Stefan, dass er doch alles in seiner Machte stehende tut, um Karin ein angenehmes Leben zu bereiten: gemeinsame Reisen, ein neues Auto, eine herausfordernden Aufgabe in seinem Betrieb und sogar seine Bereitschaft, mit ins Coaching zu kommen. Er bringt damit typische Merkmale seiner Partnerin auf den Punkt: Anpassung und Sonnen in der Grandiosität des anderen.

Beide verbindet eine große Angst vor dem Verlust der Bindung einerseits und vor Nähe und Intimität andererseits. Karin hat die männliche Domäne eines gesunden Narzissmus nicht integriert, nämlich selbst zu strahlen und das Vordach zu verlassen. Wer aber im Licht steht wirft auch Schatten. Sie müsste sich dann mit den Persönlichkeitsanteilen an sich auseinandersetzen, die sie bisher in sich ablehnt.

Stefan fehlt die weibliche Domäne eines gesunden Narzissmus. Ihm fehlt der Zugang zu seiner empfindlichen Seite, die Bereitschaft sich in Abhängigkeiten zu begeben und sich einzulassen. Wer sich authentisch zeigt wird angreifbar und riskiert Zurückweisung. Solange beide die gegenüberliegende Domäne nicht integrieren und die Ergänzung nur im Partner suchen, können sie keine Partnerschaft auf Augenhöhe eingehen. Sie bleiben abhängig voneinander. Gegenüber den Mitarbeiten äußert sich das in teilweise extremen Standpunkten oder Verhaltensweisen, teilweise mit widersprüchlichen Signalen. Im betrieblichen Kontext stabilisieren sie damit das problematische System: Die Mitarbeiter bleiben unmündig, unzufrieden und flüchten schlimmstenfalls in die Krankheit.

Mit Hilfe des Entwicklungsquadrates arbeiten die Beiden in den nächsten Stunden daran, ihre Persönlichkeitsstrukturen besser zu verstehen. Das typische Entweder-oder-Denken ersetzen sie sukzessive durch ein Sowohl-als-Auch. Mithilfe verschiedener Coaching-Übungen gehen sie in Kontakt mit den positiven Gegenwerten im Entwicklungsquadrat:

Abbildung 2 Entwicklungsquadrat beim narzisstischen Persönlichkeitsstil – positive Gegenwerte erkunden

Karin entdeckt für sich, dass es neben Konsens und Kooperation gelegentlich notwendig ist, „unbeliebte“ Entscheidungen zu treffen – notfalls auch mit Belastung des Beziehungsguthabens. Je nach Kontext bleiben Anpassungsfähigkeit und Bescheidenheit wertvolle Ressourcen für sie.

Stefan fällt es sichtlich schwerer, sich auf die weibliche Domäne einzulassen. Während der Sitzung betont er immer wieder mit besonders „männlichen“ Worten seine Überlegenheit: „Arsch geleckt – ich lasse mir nicht auf der Nase rumtanzen!“ oder (mit gestrecktem Mittelfinger) „Fuck – da geht gar nix mehr!“. An den Reaktionen seiner Frau (peinlich berührt, körperlicher Rückzug) kann ich beobachten, dass Karin mehr und mehr auf Distanz geht und zwischenzeitlich ganz aus dem Kontakt zu Stefan aussteigt. So wiederholt sie in der Praxis das Verhalten der Mitarbeiter im Betrieb: Auch dort geht der Kontakt verloren, wenn Stefan oder sie zu sehr in ihren „typischen“ Domänen hängenbleiben.

Doppelbremse: Zu viel von guten Gewohnheiten

Der betriebliche Alltag bietet ausreichend Möglichkeiten, ein ausbalanciertes Eingehen auf die Mitarbeiter zu testen. Dabei lauern zwei Gefahren: Die übermächtige Kraft der Gewohnheiten blockieren adäquate Reaktionen (diese Gefahr sehe ich besonders bei Stefan). Oder der Wunsch nach Veränderung mündet in einem Zuviel des Guten. Dann wird übertrieben viel von dem getan, was bisher abgelehnt wurde. Karin könnte also von einem angepassten Führungsstil in einen Aktionismus verfallen. Ihr dringender Wunsch nach Veränderung birgt auf jeden Fall dieses Gefahrenpotenzial.

In einer späteren Stunde berichten mir die beiden von ihren bisherigen Erfahrungen mit den Mitarbeitern. Stefan hat den Eindruck, dass die Leute seine Anweisungen besser befolgen. Nachdem er ihnen klargemacht hat, dass Unzuverlässigkeiten und Krankfeiern Arbeitsplätze kosten können, hätten sich die meisten sehr gefangen und machten nun vorschriftsmäßig Dienst.

Karin beobachtet sowohl an den Mitarbeiterinnen im Verkauf als auch an sich Veränderungen. Die Verkäuferinnen würden in den letzten Wochen sehr viel selbständiger arbeiten, nachdem Karin klare Rollen und Aufgaben mit ihnen abgesprochen hatte. Gleichzeitig beobachtet sie aber, dass die Solidarisierung der Verkäuferinnen zu einer deutlichen Abgrenzung zum Betrieb führt. Die Damen klagen zunehmend über Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Produktion.

Karin M. hat für sich selbst die Frage aufgeworfen, ob sie Verkauf und Marketing dauerhaft überhaupt leiten möchte. Sie würde im Moment sehr daran zweifeln, ob sie für diesen anspruchsvollen Job die Richtige wäre. In einem Vier-Augen-Gespräch offenbart mir Karin außerdem, dass sie intensiv über die Beziehung zu Stefan nachdenkt. Sie fühlt sich zunehmend unwohl und hat das Gefühl, etwas von ihr würde extrem auf der Strecke bleiben.

Inzwischen sind mehrere Monate seit unserem Erstkontakt vergangen. Stefan M. ist nach der fünften Stunde aus dem Prozess ausgestiegen. Er könne den Betrieb im Moment nicht alleine lassen, weil „alles drunter und drüber geht“. Karin setzt die Arbeit an ihrem Führungsverhalten fort. Sie hat allerdings ihr Anliegen inzwischen modifiziert von „Personalführung“ auf „Selbstführung“. Sie ist quasi Mitarbeiterin im Unternehmen ICH.

Karin M. hat als Frau vom Chef einige Fragen auf den Punkt gebracht, die sich auch Mitarbeiter in narzisstisch geprägten Führungsbeziehungen stellen:

  • Kann und möchte ich den Erwartungen, die an mich und die Aufgabe gestellt sind, überhaupt gerecht werden?
  • Möchte ich mich dauerhaft auf diese zwischenmenschliche Beziehung einlassen?
  • Kann ich mich ausreichend gut in meiner Persönlichkeit entfalten?

Narzisstisch geprägte Partnerschaften, und darunter verstehe ich auch Arbeitsbeziehungen, leben mit einem erhöhten Risiko des Beziehungsabbruchs. Die Fähigkeit und die Bereitschaft der Selbstreflexion sind gering. Sie können aber zum Beispiel mit geeigneten Coaching-Instrumenten sowohl bei Mitarbeitern wie auch bei Führungskräften entwickelt werden. Gerade bei dominanten Persönlichkeitsstilen wie dem Narzissmus ist es wichtig zu erkennen, welchen Beitrag auch Co-Narzissten zum Problem leisten. Dadurch werden vereinfachende Täter-Opfer-Zuschreibungen durchbrochen. Der Mitarbeiter (wie auch die Chef-Gattin) wird wieder mit-verantwortlich, erhält neue Macht (im Sinne von „Ich kann was machen“) und erschließt sich bisher verdrängte Facetten der eigenen Persönlichkeit.


Ich lade Sie ein, mit mir über den Fall und Ihre eigenen Erfahrungen zu diskutieren. Haben Sie selbst schon mit narzisstischen Chefs zusammengearbeitet? Haben Sie als Coach schon mit narzisstisch geprägten Führungskräften oder auch Co-Narzissten zu tun gehabt? Wo sehen Sie Unterschiede und Parallelen in privaten wie beruflichen Beziehungen? Ich freue mich sehr über Ihre Kommentare.

Über den Autor:

Horst Lempart arbeitet als Personal Coach/psychologischer Berater in eigener Praxis in Koblenz.

Im Mai erscheint sein Buch „Ich habe es doch nur gut gemeint – Die narzisstische Kränkung in Coaching & Beratung“. Es liefert eine umfassende Einführung ins Thema, viele praktische Fälle und jede Menge Arbeitshilfen.

Weitere Informationen zum Autor erhalten Sie hier.

Resilienz – Licht in unserer Seele

Von Fabienne Berg

Stellen Sie sich vor, Sie stehen wochentags am Abend in der Küche und sind gerade dabei, Tomaten für eine Soße klein zu schneiden. Die Spagetti sind bereits im Topf und im Hintergrund verliest ein Radiosprecher die Katastrophen aus aller Welt.

Plötzlich geht über Ihnen die Deckenlampe aus. Der Nachrichtensprecher verstummt mitten im Satz und der Kühlschrank hört auf zu brummen. Stromausfall. Ausgerechnet jetzt! Aber kein Wunder – heute war schon den ganzen Tag der Wurm drin: Ärger bei der Arbeit, Stau auf der Autobahn, eine Nachzahlung im Briefkasten und jetzt scheint es noch nicht einmal mit dem Abendessen zu klappen.

Sie verharren einen Augenblick und lauschen in die Dunkelheit. Aber außer dem Pfeifen des Windes, der den Novemberregen gegen die Fensterscheiben treibt und Ihrem eigenen Herzschlag ist nichts zu hören. Dann denken Sie an das Naheliegende. Irgendwo hier in den Schubläden müssten Teelichter und ein Feuerzeug sein. Aha. Gefunden! Sie zünden ein Teelicht an und gehen zum Sicherungskasten. Doch da scheint alles in Ordnung zu sein. Vermutlich ist die ganze Straße, wenn nicht sogar das ganze Viertel betroffen. Sie beschließen, während Sie mit dem Teelicht in der Hand durch den Flur in Richtung Badezimmer tappen, das heutige Datum unter der Kategorie „Nicht mein Tag“ abzuhaken und ins Bett zu gehen. Doch kurz vor der Badezimmertür gibt die kleine Flamme ihren Geist auf und der Docht erlischt.

Na, toll. Sie machen vorsichtig wieder kehrt und tasten sich zurück in Richtung Küche. Küchentüre öffnen, Schublade finden und ein neues Teelicht anzünden. Besser zwei. Sicher ist sicher. Also drei. Das sieht schön aus! Vier. Das macht Spaß, ist fast wie Weihnachten. Apropos: Wo ist eigentlich die hübsche Kerze, die Sie letztes Jahr geschenkt bekommen haben? Sie machen sich im Wohnzimmer auf die Suche. Die Kerze finden Sie nicht. Dafür eine Postkarte aus Lissabon, die Ihnen eine alte Schulfreundin im Sommer geschickt hatte. Was die wohl macht? Sie legen die Karte auf den Wohnzimmertisch und suchen nach weiteren Kerzen. Eine viertel Stunde später leuchtet das ganze Wohnzimmer. Schön sieht das aus und der Raum fühlt sich irgendwie ganz warm an. Sie machen es sich auf der Couch bequem und nehmen die Postkarte in die Hand. Als Motiv hat der Fotograf das Castelo de Sao Jorge gewählt. In natura ist es steinfarben. Jetzt im Kerzenschein schimmert es golden.

Sie versuchen sich zu erinnern. Hatten Sie sich eigentlich für die Karte bedankt? Nein. Warum eigentlich nicht? Vermutlich war wie meistens zu viel los gewesen und die Karte ist irgendwie untergegangen. Ihr Handy liegt neben Ihnen auf dem Tisch. Ihre Freundin nimmt nach dem dritten Läuten ab und freut sich total über Ihren Anruf. Sie führen ein sehr nettes Gespräch. Später wählen Sie noch eine Nummer. Die vom Lieferservice eines portugiesischen Restaurants. Ihre Freundin hat Ihnen ein Gericht empfohlen und der Fisch schmeckt wirklich großartig.

Und noch etwas später kommt Ihnen die Idee, bei Ihrer Nachbarin nachzufragen, ob alles in Ordnung ist. Normalerweise haben Sie sich nicht so viel zu sagen. Und wenn ja, dann geht es meistens darum, dass Sie Ihr Auto aus der Einfahrt wegparken sollen oder die Nachbarin bemängelt, dass Sie gelegentlich vergessen die Haustür abends abzuschließen. Komisch, dass Sie gerade jetzt an sie denken müssen. Und noch merkwürdiger, dass die alte Dame ganz aus dem Häuschen ist, als Sie sich nach ihr erkundigen. Offenbar passiert ihr das nicht so häufig.

Möglicherweise kommen Ihnen noch ganz andere Ideen, wie Sie den Abend ohne Strom verbringen. Vielleicht nehmen Sie bei Kerzenschein ein duftendes Schaumbad oder laden jemanden zu sich ein. Oder etwas ganz anderes. Etwas später, kurz bevor Sie schlafen gehen wollen, geht auf einmal das Licht in der Küche und im Flur an. Der Kühlschrank fängt nach einem verschluckenden Geräusch wieder an zu brummen und im Radio spielen sie gerade einen alten Song, den Sie über alles lieben. Sie gehen noch einmal ins Wohnzimmer und blicken auf das flackernde Kerzenmeer. Auf dem Tisch liegen die Postkarte aus Lissabon, zwei leere Schachteln vom Portugiesen und daneben steht eine Flasche Pfälzer Wein. Den wollte Ihnen Ihre Nachbarin unbedingt mitgeben, weil sie sich so sehr über Ihren Besuch gefreut hat.

Dieser Abend wird Ihnen noch Jahre später in Erinnerung sein. Nicht so sehr als der Abend, an dem bei Ihnen der Strom ausfiel; vielmehr als jener besondere Abend, an dem Sie sich dafür entschieden haben, ein Licht anzuzünden.

Wenn es Zeiten in unserem Leben gibt, in denen wir das Gefühl haben, dass um uns herum alles dunkel ist, so kann ein noch so kleines Licht viel bewirken.

Wenn wir uns allein und traurig fühlen, kann uns ein einziger mitfühlender Satz wie ein Leuchten in der Dunkelheit sein.

Und wenn wir seelisch frieren, kann uns der Gedanke an ein Licht der Hoffnung innerlich wärmen und uns neuen Mut schenken.

Zwei Lichter oder besser drei oder vier besitzen die Kraft, die Dunkelheit zu vertreiben und unsere Situation in einem ganz neuen Licht zu betrachten.

Dieses neue Licht kann uns Handlungsspielräume und Möglichkeiten eröffnen, an die wir bislang vielleicht noch nie gedacht hatten.

Nichts anderes ist Resilienz.

Resilienz bedeutet, da ein Licht zu entzünden, wo es dunkel bei uns ist.

Resilienz bedeutet, darauf zu vertrauen, dass es Lösungen für unsere Schwierigkeiten gibt und diese Haltung kann uns dabei helfen, den Lösungen Schritt für Schritt näher zu kommen.

Resilienz ist die Verbindung aus positiver innerer Einstellung und praktischer Handlungskompetenz. Wir akzeptieren, was nicht geht; suchen nach Lösungen, statt zu klagen; lassen los, was uns schadet; schlagen neue Wege ein, wo alte versagen und gehen optimistisch unseren Weg, anstatt uns zu sehr auf das Negative zu konzentrieren und es dadurch über Gebühr mächtig werden zu lassen.

Nach einem Stromausfall geht gewöhnlich irgendwann das Licht auch wieder an. Nicht von allein, sondern weil die Stadtwerke den Fehler behoben haben. Auch das Leben geht irgendwie immer weiter. Doch dafür, wie es uns dabei geht, ist ganz entscheidend, wie wir unser Leben empfinden. Normalerweise wird nicht wie von Zauberhand das Licht wieder angeknipst, wenn wir das Leben als dunkel und kalt wahrnehmen. Damit wir das Leben als hell, warm und glücklich empfinden, braucht es ein Licht in uns selbst. Ein Licht, das unsere Seele wärmt; ein inneres Feuer, das uns Motor ist für unsere Träume und Wünsche und das uns immer weitermachen lässt.

In uns allen gibt es dieses Licht.

Es kann von innen entzündet und von außen inspiriert und berührt werden.

Das Leben ist voll von Ereignissen, die wir weder vorausahnen noch beeinflussen können. Schlimme Erlebnisse, die uns mit voller Wucht treffen, können und schmerzen, genauso wie die schönen Situationen und Augenblicke, die uns für immer im Gedächtnis bleiben.

Diese schönen Momente gilt es wahrzunehmen und sich von ihnen inspirieren und berühren zu lassen. Sie können uns dabei helfen, das Licht unserer Seele immer intensiver und wahrhaftiger zum Leuchten zu bringen.

Und wenn dann irgendwann mal wieder der Strom ausfällt, wird es nie wirklich dunkel sein.

Stadt, Land, Coaching…

„Ich bin hier einfach nicht am richtigen Ort …“

Von Ruth Urban und Tanja Klein

Coaches, die auf dem Land wohnen, stöhnen oft über das Unverständnis der Dorfbewohner für das Thema Coaching. Während bei Ihnen die Augen glänzen, wenn Sie über NLP-Formate, Gewaltfreie Kommunikation und wingwave reden, verdrehen die Landfrauen im Ort nur die Augen. Wie soll denn dieser Blödsinn ihr Leben erleichtern? Die Kundengewinnung erscheint ein unüberwindbares Hindernis.

Dasselbe gilt für Coaches in der Großstadt. Der Grund ist nur ein anderer. Gibt es in Großstädten wie München, Hamburg oder Berlin sicherlich viele Menschen, die von den Ergebnissen eines Coachings überzeugt sind, besteht dort „leider“ das Problem, dass es gefühlt an jeder Straßenecke einen Coach mit einem ausgezeichneten Methodenkoffer gibt.

Und so kommen beide Coaches –  trotz verschiedener Einzugsgebiete – zum selben ernüchternden Ergebnis: „Hier kann ich vom Coaching nicht leben.“

Und ob das geht…!

Wir zeigen Ihnen drei Wege aus dem Dilemma:

  1. Positionieren Sie sich als Experte.
  2. Sprechen Sie noch deutlicher die Sprache des Kunden.
  3. Zeigen Sie Ihre Persönlichkeit.

Wie soll das gehen und weshalb hilft mir das weiter?

Positionierung

So schwer es vielen Coaches auch fällt, dies einzusehen: Auch wenn wir methodisch fast jedem Menschen bei den meisten Problemen eine gute Unterstützung sein können, glaubt uns der Kunde das nicht. Übertrieben ausgedrückt: Wenn Sie neben Führungskräftecoaching auch Geburtsvorbereitungscoaching anbieten, dann wirkt dies für den Manager genauso befremdlich wie für die Schwangere. Haben Sie den Mut, sich festzulegen. Als Grundlage kann z.B. Ihr Lieblingsthema oder Ihre Lieblingszielgruppe dienen. Nach und nach kann eine weitere Fokussierung erfolgen, die dann auch bei Ihren Werbemitteln deutlich werden muss. Ihr Marketing ist dann auch nicht mehr für alles und jeden, sondern passend zu Ihrer neuen Ausrichtung. Und damit kommen wir auch zum nächsten Punkt:

Kundenansprache

Wichtig ist, dass sich die neue Zielgruppe auch in Ihren Werbemitteln „wiederfindet“. Sorgen Sie dafür, dass Sie nicht austauchbar wirken. Dies ist auch das beste Argument, die Werbemittel anderer Coaches nicht als Vergleich heranzuziehen. Bleiben Sie ganz bei sich und bei Ihrer Zielgruppe. Nur diese soll sich angesprochen fühlen, und damit ist auch klar, dass die verwendeten Fotos und Texte ganz unterschiedlich ausfallen sollten. Zum Beispiel kann diese bei Führungskräftecoaching viel nüchterner und männlicher ausfallen als bei Schwangeren, die sich emotionaler im Text und durch die Bildwelt abgeholt fühlen möchten. Generell gilt: Die Ansprache sollte immer einfacher sein, als Sie sich das zunächst vorstellen. Gut verständlich sind Ihre Werbemittel, wenn auch ein neunjähriges Kind grundsätzlich versteht, worum es geht.

Coaches, ob in der „Walachei“ oder in der Stadt, haben hier zwei Möglichkeiten:

a) Ich möchte gerne die Kunden im Umkreis für mich gewinnen. Dann ist es umso wichtiger, genau die Sprache des Umfeldes zu wählen. Und hier ist das Verkaufsargument selten die Coachingmethode an sich, sondern der ganz konkrete Bedarf. In gut verständlichen Worten ausgedrückt. Auch ein Landwirt, der vielleicht noch nie mit der Coaching-Welt in Berührung gekommen ist, versteht dann, was Sie tun. Bei dieser Zielgruppe sind flankierende Maßnahmen wie Informationsabende oder das Coachen von relevanten Meinungsbildnern im Ort sicherlich hilfreich.

b) Sie suchen sich bewusst eine Zielgruppe aus, die in der nächsten Großstadt wohnt und für Ihr Angebot auch mal 40 km+ Entfernung in Kauf nimmt. Dann ist ein klarer Expertenstatus ein absolutes Muss!

Sowohl für die Land-Coaches wie auch für die Stadt-Coaches gilt: Je spitzer Sie aufgestellt sind, desto einfacher wird es, aus Ihrem Expertenstatus heraus Klienten zu gewinnen. Auch jenseits der eigentlichen Positionierung. Wie das funktioniert zeigt unser Bild mit der „Expertenpyramide“.

Persönlichkeit

In der Stadt muss man sich erst Recht von den vielen Kollegen abheben. Und nachdem viele Coaches dieselben Methoden beherrschen und, noch wichtiger, diese den Kunden sowieso selten interessieren, fällt dieses Unterscheidungsmerkmal schon mal aus!

Wie entscheiden Sie auf Internetseiten, ob jemand für Sie der richtige Ausbilder, Coach oder Arzt ist? Wenn Sie ganz ehrlich sind, entscheiden Sie oft schon intuitiv über das Foto! Zeigen Sie sich! Ob auf der Startseite Ihrer Internetseite oder auf der ersten Seite Ihres Flyers. Das kostet Überwindung – zahlt sich aber garantiert aus. Vorausgesetzt, Sie haben ein professionelles Foto, das Sie seriös und sympathisch zugleich zeigt. Haben Sie den Mut und zeigen Sie sich authentisch. Wenn Sie auf dem Foto wie ein Business-Coach aussehen, sorgt es für Irritationen, wenn Sie im Coaching mit Birkenstockschuhen und gebatiktem T-Shirt erscheinen. Für beide gibt es die passenden Kunden, aber es muss halt einfach „passen“.

Manchmal steht sich der Coach jedoch selbst im Weg: So ist zum Beispiel die Homepage schon sehr gut, geht aber noch nicht online? Die Flyer sind gedruckt, aber verstauben im Schrank? Dann könnte es sein, dass hier ein sabotierender Glaubenssatz noch sein Unwesen treibt. In unserem Buch haben wir über zwanzig der meist verbreitenden Glaubenssätze beschrieben, und wir haben noch keinen Coach erlebt, der frei von allen war.

Selbst mit dem besten Werbemitteln und dem Mut, sich zu zeigen, ist Geduld gefragt: Erfahrungsgemäß vergehen Wochen bis Monate, bis ein Klient zum Telefonhörer greift. Nutzen Sie die Zeit und bringen Sie (noch) mehr über Ihre Zielgruppe in Erfahrung, lesen Sie ein wichtiges Fachbuch, schreiben Sie einen Fachartikel oder konzipieren Sie einen Vortrag. Starren Sie nicht das Telefon an, sondern nutzen Sie die Zeit!

Überlassen Sie einen „beliebten“ Fehler Ihrer Konkurrenz: Sobald nach vier Wochen nicht genügend Klienten kommen, wird alles wieder auf den Gemischtwarenladen von früher umgestellt. Wiederstehen Sie diesem Impuls, durchhalten ist angesagt.

Wir wünschen Ihnen viele sympathische Kunden! Egal ob in der Stadt, auf dem Land oder in der Luft. Wir sind uns ausnahmsweise mal einig, dass wir hier mit einem Zitat enden wollen, denn Oscar Wilde hat gesagt: „In der Stadt lebt man zu seiner Unterhaltung, auf dem Lande zur Unterhaltung der anderen.“

 

  Über die Autorinnen

Ruth Urban (links) und Tanja Klein (rechts) sind die Autorinnen von Coach, your Marketing: Authentisches Marketing für Coaches, das 2012 im Junfermann Verlag erschienen ist. Positionierung als Grundlage für individuell passendes Marketing ist ihnen ein besonderes Anliegen. Seit 2013 bieten Sie unter Federführung von Ruth Urban einen speziellen Postitionierungs-Prozess an: „Coach, wofür stehst Du?“ Aktuell in Planung ist ein Workshop-Tag zum Thema Positionierung. Termine und mehr finden Sie hier.

 

Es wäre so schön gewesen … Warum konnte der Junfermann-Kongress 2015 nicht stattfinden?

Was haben Sie am 20. März 2015 gemacht? Und was an den beiden darauffolgenden Tagen? Ich habe ein nettes, ruhiges Wochenende verlebt und kann mich an keine besonderen Vorkommnisse erinnern. Dabei hätte es ganz anders sein sollen, denn für das Wochenende vom 20.-22. März 2015 war ein Junfermann-Kongress in Düsseldorf geplant und ich hatte mich eigentlich auf sehr ereignisreiche Tage gefreut, mit vielen Begegnungen und Gesprächen.

Leider mussten wir im Februar feststellen, dass trotz vieler Werbemaßnahmen und Getrommel an allen Ecken und Enden bei weitem nicht genügend Anmeldungen eingegangen waren. Schweren Herzens entschieden wir uns dafür, die Veranstaltung abzusagen.

Aber warum musste es dazu kommen? So richtig verstehen wir es selbst noch nicht. Und deshalb wünschen wir uns an dieser Stelle einen Austausch mit Ihnen und hoffen, dass wir uns am Ende zwei Fragen besser beantworte können:

  1. Warum musste der Kongress scheitern?
  2. Was müssen wir in Zukunft tun, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen?

Bevor ich selbst Erklärungsansätze für das Scheitern anbiete, möchte ich zunächst etwas zu dem sagen, was wir geplant hatten und warum.

Was war geplant?
Junfermann-Kongresse gibt es in loser Folge seit 1995. Alle paar Jahre brachten wir gut zwei Dutzend Autoren, etwa 200 Teilnehmer und das Verlagsteam für ein Wochenende in einem Hotel zusammen. Es gab Workshops und Vorträge, die jeweils das aktuelle Spektrum unseres Verlagsprogramms widerspiegelten. Es gab viele Begegnungen, Büchertische, manchmal Musik zum Mitmachen, manchmal auch Köperübungen – und immer auch etwas Abendunterhaltung und viel Spaß.

Diese „bunte Mischung“ hat über viele Jahre gut funktioniert. Und: Nach dem Kongress war fast immer vor dem Kongress, denn viele Teilnehmer fragten: „Wann kann ich mich für den nächsten anmelden?“ Wir haben allerdings immer ein paar Jahre Luft gelassen, denn wir sind ein kleines Team und solche großen Veranstaltungen absorbieren schon einige Kräfte. Außerdem sollten Kongresse mehr ein Sahnehäubchen und nicht so sehr Routine sein. Die für 2015 geplante Veranstaltung wäre Junfermann-Kongress Nr. 5 gewesen. Im Schnitt also alle vier Jahre einer.

Wenn man die fünfte Veranstaltung vorbereitet und plant, denkt man eigentlich, dass man weiß, was man tut. Wir hatten den vierten Kongress im Jahr 2012 kritisch analysiert, um es im Jahr 2015 (noch) besser zu machen. Als Problemzone hatte sich damals in erster Linie das Hotel erwiesen und deshalb waren wir bei der Auswahl des Veranstaltungsortes diesmal besonders kritisch. Aber das Prinzip, Workshops und Vorträge aus unserem Programm anzubieten, mit Autorinnen und Autoren als Referenten, hatte sich u.E. bewährt – und daran wollten wir weiter festhalten.

Doch warum mussten wir den Kongress trotzdem absagen? – Es folgen einige Erklärungsversuche:

  • Das Kongress-Programm war ein Querschnitt durch unser Verlagsprogramm. Wäre ein konkreteres Thema wichtig gewesen bzw. hätten wir eine klarer definierte thematische Klammer anbieten müssen?
  • Der Kongress war von Freitag bis Sonntag geplant. Ist ein ganzes Wochenende zu lang? Wäre es gut gewesen, die Teilnahme an einzelnen Tagen zu ermöglichen?
  • Ein Junfermann-Kongress ist keine zertifizierte Weiterbildung, für die es Punkt o.Ä. gibt. Besteht heutzutage kein so großes Interesse mehr, Veranstaltungen zu besuchen, die ganz allgemein inspirieren? Muss auch immer ein konkreter Nutzen damit verbunden sein (also z.B. Weiterbildungspunkte)?
  • Rächt es sich, dass wir nur ein Gelegenheitsveranstalter sind? Gibt es seit 2012 Entwicklungen, die uns entgangen sind, weil wir halt nicht regelmäßig Veranstaltungen durchführen?

 

Aber vielleicht gibt es noch ganz andere Gründe, die wir nicht einmal ansatzweise vermuten. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit uns austauschen könnten. Darüber, warum aus Ihrer Sicht vielleicht das Kongress-Programm nicht ansprechend ist (Das Programm, das geplant war, finden Sie hier.) Darüber, welche Art der Veranstaltung Sie sich von uns wünschen würden. Was also müsste passieren, damit Sie Lust bekommen, sich zu einem Junfermann-Kongress anzumelden? – Wir freuen uns auf Ihre Anregungen!

Atmung als Energiequelle

KörperSprache, wenn es mal hoch hergeht: Energiegewinnung über den Körper

Von Sabine Mühlisch

Spannung und Entspannung liefern für unsere Körper eine natürliche Balance für endlose Energie – wenn wir angemessen atmen! Der Atem ist unsere vitalste Energiequelle, denn über den Atemvorgang unseres Körpers wird dieser biologisch mit Energie versorgt, es werden Ablagerungen und Gifte verbrannt und ausgeschieden. Die Lunge ist nach der Haut das größte Organ des Körpers. Je wirksamer wir atmen, desto frischer und gesünder bleiben die Zellen unseres Körpers.

Auf der geistigen und psychischen Ebene ist der Atem Träger von Lebensenergie (Prana). Durch das Ein und Aus der Atembewegung sind wir mit dem Rhythmus, dem Pulsieren des Lebens, verbunden. In der Art und Weise, wie wir den Strom des Lebens in uns aufnehmen und wieder loslassen, spiegeln sich viele unserer Gedanken und Einstellungen zum Leben. Indem wir anders atmen, leben wir anders.

Über den Atem können wir unsere Emotionen beeinflussen. Oft entstehen Atemstörungen durch unterdrückte Gefühle, durch Unterdrückung von ursprünglichen Lebensprozessen in uns selbst. Je freier wir atmen, desto freier sind wir in unseren Gefühlen und unserem Handeln.

Veränderung unseres natürlichen Atems

Wenn wir ein Baby beobachten, sehen wir, wie entspannt und tief es atmet. Beim Einatmen wölbt sich sein Bauch, beim Ausatmen wird er wieder flach. Seine Lunge füllt sich vollständig mit Luft. Sein Atem fließt frei und überall hin. Wenn ein Baby schreit, schreit es von Kopf bis Fuß, und wenn es lacht, lacht jede Stelle seines Körpers mit. Es zeigt alle seine Gefühle und hält keinen Impuls zurück.

Viele Menschen verlernen das natürliche Atmen, auf Grund der Bedingungen und Einstellungen (Glaubenssätzen) mit denen sie aufwachsen. Wenn wir den Atem anhalten oder sehr flach atmen, nehmen wir unsere Gefühle nicht mehr so deutlich wahr. Im Laufe der Zeit wird es allmählich zu unserer festen Gewohnheit, nicht zu weinen und nicht wütend zu werden. Wir lernten schon als Kinder, die Kontrolle zu behalten.

Oft zählt Traurigkeit zu den unerwünschten Gefühlen, manchmal ist es die Wut, manchmal die Lust, die unterdrückt wird. Unterdrückung bzw. Abwertung bedeutet das Eingreifen in die ursprüngliche Einheit von Körper, Atem, Seele und Geist.

So wird im Körper eine erhöhte Spannung aufgebaut, Verhärtungen entstehen, die Atmung kommt ins Stocken. Parallel zur Entwicklung einer psychischen Struktur in jedem von uns, entwickelt sich entsprechend unserer Atem-Muster eine individuelle Körperstruktur. Zur Verdeutlichung: Mit einer Körperhaltung mit vorgezogenen Schultern und rundem Rücken ist wenig Platz im Brustkorb für die Einatmung. Eine schlechte Voraussetzung, um Gefühle von Stärke, Sicherheit oder Mut ausleben zu können.

Der Körper lügt nicht, und die verdrängten Teile/Gefühle unseres Selbst machen sich irgendwann einfach bemerkbar durch schmerzende oder erkrankende Körperstellen, durch Gefühlsausbrüche, die zum Zusammenbruch führen oder durch Lebenskrisen.

Verbundenes Atmen statt „selbst gemachter“ Stress

Abwertung, Unterdrückung und Widerstand bewirken beim Energie- und Atemstrom im Körper Störungen und Hindernisse, die sich in verschiedenen Formen von Atemhemmungen niederschlagen. Sie beeinträchtigen Ihre Wahrnehmung der aktuellen Situation und begrenzen die vorhandenen Möglichkeiten, damit angemessen umzugehen.

Durch die bewusste Verbindung der Einatmung mit der Ausatmung – in einem entspannten Rhythmus – werden solche Atemhemmungen wahrnehmbar. Dieses verbundene kreisförmige Atmen lenkt die eigene Aufmerksamkeit vollständig auf die Gegenwart in unserem Körper und hilft uns, mit dem Bewusstsein ganz in der Gegenwart und im Körper anwesend zu sein (Hier und Jetzt!).

Damit entsteht ein Kontakt mit unserem körperlichen Gefühl und den damit verbundenen Gedanken und Emotionen. Der verbundene Atem bringt das hervor, was gerade ist, und macht es uns bewusst. Jede Einzelheit im Körper wahrzunehmen und dabei vollkommen entspannt zu sein, bedeutet, JA zu sagen zu dem, was ist, und es urteilslos anzunehmen.

Dieses Annehmen ist ein aktiver innerer Vorgang, indem wir aufhören, etwas abzuwerten oder überhaupt zu bewerten! Dann entsteht Integration. Durch die bewusste Aufmerksamkeit auf die Atmung identifizieren wir uns nicht mehr mit den vorbeikommenden Gedanken und Gefühlen. Wir beobachten uns selbst aus der Perspektive „außerhalb“.

Die Kraft (Energie), die mit den Urteilen und Emotionen blockiert war, wird wieder freigesetzt. Dadurch entstehen für die jetzige Lebenssituation angemessene Wahlmöglichkeiten – ohne Stress!

Es sind keine anderen Ergebnisse zu erwarten, wenn man die Dinge immer wieder auf dieselbe Art und Weise tut. Raus aus dem alten Trott, aus den alten Schuhen! Und dazu reicht es schon, jeden Tag eine winzige Kleinigkeit zu verändern. Nicht beim Partner! Nicht beim Chef! Nicht bei den Kunden! BEI SICH SELBST.

Also: Atmen Sie JETZT ein paar Minuten bewusst ein und aus. Und erst recht, wenn es das nächste Mal wieder hoch hergeht!

Energiesteuerung der Umgebung mit KörperSprache

Sie können die KörperEnergie und damit Ihre Gelassenheit steuern. In einer hektischen, aufgeregten oder auch aggressiven Situation können Sie dies auch und gerade für Ihre Umgebung tun:

Nehmen wir einmal an, ein wichtiger Termin für Ihren Chef steht an und er sucht schon seit einiger Zeit nach den erforderlichen Unterlagen, die aber scheinbar spurlos verschwunden sind. Gereizt, ungeduldig und angriffslustig stürmt er nun in Ihr Büro und beschuldigt Sie, die Unterlagen verlegt zu haben.

Klar, dass Sie sofort in die sprachliche Verteidigung gehen, da Sie wissen, die Unterlagen bereits zurechtgelegt zu haben. Stopp! Bevor Sie irgendetwas sagen, stehen Sie bitte auf,

nehmen eine objektive gerade Haltung ein (besonders auf das angemessenen Maß Ihres Standpunktes achten!),

lassen die Arme hängen,

atmen und

schauen Ihren Chef ganz leicht lächelnd in die Augen.

Halten Sie dies ein paar Atemzüge aus.

Erst wenn Sie merken, dass die Spannung Ihres Chefs weicht – und das wird sie tun! – stellen Sie eine kluge Frage: „Sie haben sicher schon auf dem Sideboard nachgeschaut …?“, und

gehen ruhig, weiterhin bewusst atmend ins Zimmer und holen die Unterlagen.

Trauen Sie sich es auszuprobieren – es wirkt Wunder!

Nehmen wir an, der Gesprächspartner kommt scheinbar uninteressiert oder leicht muffelig auf sie zu. Agieren? Oder Reagieren?

In Sekundenschnelle ist Ihre bis eben noch vorhandene gute Laune getrübt und aus den wahrgenommen Signalen funkt ihr Gehirn: „Achtung, der will bestimmt nicht mit mir sprechen, und besonders sympathisch bin ich ihm auch nicht.“ Aus diesen Gedanken wird ebenso schnell Ihr negatives Gefühl. Schon hat sich Ihr eben noch vorhandenes, leichtes Lächeln verzogen und ihre Mundwinkel zeigen tendenziell nach unten: Sie machen das Sauergesicht! Natürlich haben Sie jetzt die gleiche Ebene zu ihrem Gegenüber, aber ein freudvolles, erfolgreiches Gespräch lässt sich jetzt nicht führen. Außerdem werden Sie durch Ihre äußere und innere Haltung die Prophezeiung erfüllen: „Der will ja doch nicht …“

Gefühle ehrlich zeigen

Wenn Sie sich aber entschließen, das Signal des Partners aufzunehmen und bewusst zu denken. „Dieser Mensch hat zurzeit negative Gedanken und fühlt sich nicht sehr wohl”, dann beschreiben Sie das, was sie sehen, ohne es auf sich zu beziehen und falsch zu werten. Dadurch können Sie entscheiden, dass Sie weiterhin mit einem Lächeln auf diesen Menschen zugehen können und damit die Situation bestimmen.

Kein Mensch – nicht einmal mein ärgster Feind – kann mir meine Stimmung vorgeben! Ich entscheide immer selbst, wie ich dem anderen begegne. Nicht die äußere Situation bestimmt über „Ärger“ oder „Freude“, sondern meine innere Einstellung und Entscheidung dazu. Das Außen ist vielleicht eine Herausforderung, aber niemals ein Zwang, diese auch anzunehmen!

Trifft mich etwas von außen an einem wunden Punkt, so zeigt mir dies nur, dass ich dort eine zu heilende Stelle habe. Wir können Ärgernissen, die uns andere verursachen, im Grunde sogar dankbar sein; zeigen Sie uns doch nur auf, wo wir selbst noch etwas in den Schatten gedrückt haben.

Ein offenes, freundliches Gesicht mit entsprechender Haltung ist selbst dem muffeligsten Gegenüber auf Dauer unwiderstehlich. Das höhere Energiepotential (Freundlichkeit) fließt immer zum niedrigen! Das damit das Gespräch anders startet, können Sie jederzeit leicht ausprobieren.

Die bewusste Entscheidung, die Dinge des Lebens offen anzuschauen, lässt Sie nach außen als auch im Inneren positiver den Tag an- und auf Menschen zugehen. Unangenehme Situationen oder Probleme erscheinen uns bei verkniffener Mundstellung und verengten Augenstellungen eben „verbissen“, „verkniffen“ oder „suspekt“. Sprache beschreibt Körpersprache – der Körper hat Einfluss auf Denken und Fühlen.

Wenn es so gar nicht läuft

Sie kennen das sicher auch: Es gibt Tage, da ist Ihnen nach gar nichts. Sie fühlen sich unbehaglich, jedes Gespräch ist eher lästig. Diese Gefühle sind durchaus zulässig. Unsere Gedanken in Verbindung unserer gesellschaftlichen (überholten!) Regeln aber verbieten den freien Ausdruck dieser Gefühle. Gefühle dieser Art sind Privatsache und gehören eben nicht in die Öffentlichkeit. Diese Rechnung haben wir dann jedoch wieder ohne unseren Körper gemacht. Denn der offenbart uns mit seiner Mimik (heruntergezogene Mundwinkel, trauriger Blick), unserer Gestik (Zurückhaltung der Arme und Hände, Festhalten der linken, emotionalen Hand oder Faust in der Tasche), die Schultern hängen herab.

Oder der Gang ist schleppend und die Füße wollen sich gar nicht vom Boden lösen. All diese Signale stehen dann im Gegensatz zu unserer Aussage: „Mir geht’s gut, ich bin ganz zufrieden (was nur heißt, Sie sind auf dem Weg zum Frieden mit sich Selbst und der Welt!), eigentlich kann ich nicht klagen …“ Warum stehen wir nicht zu unserer Situation, wenn wir sie letztlich doch nicht verstecken können?

Wenn Sie ehrlich antworten und damit Ihre Gefühle annehmen, wird es Ihnen besser gehen. Und auch der Gesprächspartner wird Sie für ehrlich halten, wenn sie anschließend auf der Sachebene zum Gespräch kommen. „Verzeihen Sie, wenn ich so ein Gesicht mache, das geht nicht gegen Sie. Ich habe gerade solche Kopfschmerzen“, oder: „Macht Ihnen dieser Fön auch so zu schaffen? Ich habe richtig Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren.“ So oder ähnlich können Sie sich und ihre Gefühle äußern und vermeiden damit, dass der andere die körpersprachlichen Signale auch noch auf sich persönlich, ablehnend bezieht.

Für Sie selber bedeutet dieses Verhalten, dass das unbehagliche Gefühl nachlässt (es wird wieder auf die seelisch-geistige Ebene gehoben und der Körper kann auf die Signalgebung verzichten!) und Sie sich und anderen aufrichtiger und authentisch erscheinen. Unsere Körper lügt nicht – nur wer eine Einheit aus Körper und Sprache darstellt, kann überzeugend und souverän wirken, Menschen im Gespräch begegnen und sich in seiner Haut wohl fühlen.

Hier ein kleiner Test zur Selbstbeobachtung:

Stellen Sie eine Begrüßungssituation nach und überprüfen Sie Ihre Signale und deren Be-Deutung:

  • Welchen Standpunkt vertreten Sie?
  • Welchen Abstand hat Ihr ausgestreckter Arm zum Gegenüber?
  • In welchem Winkel steht Ihr Oberkörper zu ihrem Gesprächs-Partner?
  • Welche Intensität hat Ihr Händedruck?
  • Welche Kopfhaltung nehmen Sie ein?
  • Wie wirkt Ihr Gesichtsausdruck, speziell der Mund und die Augen?
  • Fragen Sie nach dem spontanen Gesamteindruck bei Ihrem Gegenüber nach ….

Welche konkreten, persönlich erfahrenen Situationen haben Sie erfahren? Bitte schildern Sie mir diese – und wir schauen nach Lösungen, die Sie das nächste Mal anwenden können!


 

  Über die Autorin:

Sabine Mühlisch, ausgebildete Diplom-Sportwissenschaftlerin, ist seit 1986 selbständige Trainerin für KörperSprache & Persönlichkeitsentwicklung.

In den über 25 Jahren als Trainerin mit Managern, UnternehmensLeitern und Privatpersonen hat sie sich einen umfangreichen Erfahrungsschatz zu menschlichem (non-verbalen) Verhalten angeeignet. Sie bietet Seminarreihen zum Thema „KörperSprache als Ausdruck von Geist und Seele“ – auf der Grundlage und in der Auseinandersetzung mit der Arbeit von Prof. Samy Molcho – an. Bereiche dabei sind Kommunikation, Führung, Verkauf, Präsentation und freien Reden. Ihre lebendigen Vorträge und Impulsreden zum Thema „KörperSprache“ werden ergänzt durch Coachings, Seminare und Inspirationen für mittelständische Firmen zum Thema „Vitale UnternehmensKörper“ und IFM-Coachings.

Durch mehrere Bücher, Fachartikel sowie Medienauftritte hat sie den Namen „Grande Dame“ der KörperSprache erhalten.

Im Junfermann Verlag sind von ihr die Bücher Fragen der KörperSprache (2006) sowie Das Prinzip KörperSprache im Unternehmen (2014) erschienen.

Mehr über Sabine Mühlisch und Ihre Angebote erfahren Sie hier.

Das ganze Universum – in einem Zitat

Zitate inspirieren – zum Nachdenken, zum Selbstformulieren und zum Handeln. Es gibt Menschen, die richtige Zitatensammlungen haben und darin zu jeder Gelegenheit etwas Passendes finden.

Anja Palitza und Olaf Hartke gehören zu diesen Menschen, denen Zitate sehr viel bedeuten. „Es gibt Situationen, in denen sind wenige Worte wie ein ganzes Universum. Dann kann ein bestimmtes Zitat das ganze Spektrum unseres emotionalen oder geistigen Erlebens widerspiegeln.“ Mit diesen Sätzen leiten sie ihr Buch „Heute gewaltfrei“ ein, in dem sie für jeden Tag des Jahres ein Zitat anbieten. Und als Anregung für die Leserinnen und Leser äußern Anja Palitza und Olaf Hartke außerdem ihre Gedanken zu jedem Zitat.

Haben Sie ein Lieblingszitat?
Wie sieht es bei Ihnen aus, liebe Leserin, lieber Leser? Haben Sie vielleicht ein Zitat, das für Sie schon lange ganz wichtig ist? Haben Sie es an einer bestimmten Stelle platziert? Tragen Sie es vielleicht in Ihrer Geldbörse bei sich oder hängt es an einem Ort, an dem Sie häufiger im Verlauf des Tages vorbeikommen?

Aber vielleicht ist es bei Ihnen nicht ein bestimmtes Zitat. Möglicherweise haben sie eine Lieblingsautorin, deren Gedanken Sie besonders inspirieren und von der Sie unterschiedliche Zitate „bewahren“ oder sich zu bestimmten Gelegenheiten zu Gemüte führen?

Oder fühlen Sie sich einer bestimmten Philosophie oder Geisteshaltung sehr stark verbunden und schätzen Sie deshalb einige Aussprüche aus diesem Kontext ganz besonders?

Vielleicht mussten Sie auch eine schwere Lebenskrise durchmachen – und es gab da einen Ausspruch, der Ihnen in dieser Situation geholfen hat …

Teilen Sie Ihr Lieblingszitat mit uns …
Was auch immer es bei Ihnen ist: Wir wüssten gern Ihr Lieblingszitat – sei es nun das liebste Zitat aller Zeiten oder Ihr aktueller Favorit. Und wenn Sie mögen, können Sie uns gerne auch ein paar Gedanken dazu mitteilen, was Ihnen dieses Zitat bedeutet, was es bei Ihnen bewirkt (hat). Oder auch dazu, wo Sie Ihr ganz besonderes Zitat verwahren – oder wie es zu Ihnen gekommen ist.

… und gewinnen Sie mit etwas Glück ein Buch!
Das sollen Sie natürlich nicht umsonst tun! Wer bis zum Welttag des Buches, also bis zum 23. April 2015, hier etwas zum Thema Zitate postet, kann ein Exemplar von „Heute gewaltfrei“ von Anja Palitza und Olaf Hartke gewinnen. Am 24. April verlosen wir nämlich unter allen, die sich an unserer diesjährigen Welttag-Blogger-Aktion beteiligen 5 Exemplare dieser ganz besonderen Zitatensammlung. Wir hoffen, dass wir damit zu Ihrer ganz persönlichen Lesefreude beitragen.

Mit Mut und Eigeninitiative Ängste überwinden

Endlich frei!

Von Gabriele Lönne

Endlich frei von Emotionen – das wäre was! Auf diese Idee kann man durchaus in unangenehmen Situationen kommen… Auf der anderen Seite brauchen wir unsere Emotionen zum Leben und zum Überleben. Was wäre, wenn wir keine Angst vor Krankheit hätten? Wenn wir uns keine Sorgen um unsere Kinder machten und daher auch nicht länger ein Auge auf sie hätten? Wenn wir uns nicht mehr liebhaben würden? Ja – unsere Emotionen steuern uns mehr, als wir meinen. Manchmal allerdings auch etwas zu viel. Dann ähnelt unsere Gefühlslage eher einem kurz vor der Explosion stehenden Dampfdrucktopf.

Ein gutes Beispiel für derartige Zustände sind „Ängste“. Jeder kennt sie, jeder hat sie irgendwann einmal selbst erlebt, jeder versucht, sich gegen sie zu wehren, doch kaum einer mag zugeben, dass er sich lieber nicht mit den Ursachen beschäftigt. Angst ist für viele Menschen ein unheimliches Phänomen. Ist Ihnen eigentlich bewusst, wie stark Ängste einengen, stören, blockieren, geradezu vernichten können?

Gern gebe ich Ihnen ein paar Beispiele aus meiner Praxis:

  • Eine Person, die Sie vorher noch nie gesehen haben, erinnert Sie (unbewusst) an eine für Sie unangenehme Begegnung. Plötzlich sind Sie irritiert und geraten, ohne zu wissen warum, aus dem Gleichgewicht. Sie können sich nicht erklären, was auf einmal in Sie gefahren ist. Sie sind außer sich und verstehen die Welt nicht mehr, weil Ihnen der Anlass für diese emotionale Attacke in dem Augenblick nicht bewusst ist…
  •  Oder Sie sind top vorbereitet und freuen sich, endlich Ihre Prüfung ablegen zu können. Aber was ist das? Sie haben das Gefühl, auf einmal nichts mehr zu wissen. Die Prüfer stellen Ihnen genau die Fragen, auf die Sie gestern noch die Antworten wussten. Aber Sie können Ihr Wissen einfach nicht abrufen. Sie sehen nur noch eine weiße Wand, ein unbeschriebenes Blatt. Ihr Gehirn befindet sich im Generalstreik…
  •  Oder Ihr geliebter Fußballverein, routinemäßig immer auf der Gewinnerseite, stürzt plötzlich ab. Eigentlich hat sich doch nichts geändert. Die Spieler sind immer top. Der Trainer, die Betreuer, die Gegner – sie sind doch immer noch dieselben! Nach etlichen verlorenen Spielen macht sich enormer Frust und große Verzweiflung breit. Jeder im Verein fragt sich, was da wohl los ist. Die Verantwortlichen ziehen den Kopf ein. Keiner weiß Rat…
  •  Oder Sie haben etwas zu feiern – Ihr Jubiläum. Sie sind gut auf Ihre Festrede vorbereitet und freuen sich auf Ihre Gäste. Und dann kommt der große Augenblick. Sie betreten das Podium, ordnen Ihr Manuskript und richten das Mikro. Alles wird still. Verwandte und Freunde sehen Sie erwartungsvoll an. Aber was ist das? Ihre Stimme! Wo ist Ihre Stimme? Sie wollen Ihre Zuhörer begrüßen und aus dem „Off” kommt nur ein leises Krächzen. Sie räuspern sich, nehmen einen Schluck Wasser, fangen noch einmal an. Ihre Stimme bleibt schrecklich. Sie quälen sich durch Ihre tolle Rede, die jeden Glanz verloren hat. Und Ihre Zuhörer fragen sich, was denn mit Ihnen los ist. Sie sich auch…

Was ist in diesen Situationen jeweils passiert? Was hat dazu geführt, dass in all diesen Fällen unser Gehirn seinen Dienst verweigert? Woher kommt das, dass wir nicht mehr das tun können, was wir tun wollen? Unser Verstand wird im Augenblick aufflammender Emotionen teilweise oder ganz „ausgeschaltet“. Er ist komplett blockiert. Wir können nicht mehr normal denken. Es kann zu heftigen neurologischen Reaktionen kommen, von Herzrasen über Schwitzanfälle bis zu Krämpfen und Ohnmacht.

Aber was sind denn Emotionen genau? Und warum sind sie so mächtig, dass sie sogar unseren Verstand beherrschen können? Hier die Definition aus dem Lexikon der Psychologie: Demnach handelt es sich bei Emotionen um ein komplexes Phänomen

„das mit einer Veränderung verschiedener Komponenten einhergeht. Physiologische Reaktionen (…) kann man relativ gut beobachten bzw. messen. Dies gilt auch für die Verhaltenskomponenten wie die Veränderung der Mimik, Gestik, Körperhaltung und Stimmlage. Schwieriger zu messen ist die Erlebniskomponente, die im deutschsprachigen Raum auch als Gefühl bez. wird.“  (162013, S. 439)

Das bedeutet: In Folge von Emotionen kann es allgemein zu mehr oder weniger heftigen physiologischen Reaktionen kommen, die unseren ganzen Körper erfassen. Ob Herzklopfen, Hitzewallung, kalte Hände, roter Kopf…, ob körperliche Beschwerden wie Magendruck, Durchfall, Zittern…, ob Gedächtnislücken, Sprachstörungen, Wortfindungsstörungen… sie alle können Ausdruck einer starken Emotion sein.

Warum ist das so? Zum Beispiel bei den Ängsten? Weil wir Emotionen unweigerlich und augenblicklich lernen, und zwar von Geburt an. Sie sind in unserem Unterbewusstsein nicht genetisch angelegt. Kein Mensch kommt als kleines Baby mit Fahrstuhlangst, Flugangst oder Spinnenphobie zur Welt!

Emotionen lernen wir zunächst von unseren Eltern und mit zunehmendem Alter auch von unserem Umfeld. Anfangs kopieren wir Verhaltensweisen, die Emotionen wiederspiegeln, und zwar vollkommen kritiklos. Durch die Erziehung unserer Eltern und persönliche Erfahrungen lernen wir dann irgendwann, Verhaltensweisen in Frage zu stellen, sie anzunehmen oder abzulehnen. Je näher uns ein Mensch steht, umso eher übernimmt er Vorbildfunktion für uns.

Wenn Mama laut „Nein, aua!“ ruft, weil ihr Kleines gerade den heißen Topf anfassen will, lernt es genau in diesem Augenblick die Emotion „Angst“ vor Topf und Herd, was in diesem Fall ja auch sinnvoll ist. Wenn die Mama allerdings schreiend vor einer Maus oder Spinne auf den Stuhl klettert, dann lernt ihr Kind, Angst vor einer Maus oder Spinne zu haben, was sich in der Zukunft dann als ungünstig erweisen kann.

Auf diese Art und Weise lernen wir, die günstigen und ungünstigen Verhaltensweisen unserer Eltern zu übernehmen. Die Art von Papa, der vielleicht immer, wenn ein Problem auftaucht, laut anfängt zu schreien. Die Verhaltensweise von Mama, die eventuell „um des lieben Friedens willen“ lieber gleich nachgibt, als das Problem zu diskutieren.

Aber wie kann denn zum Beispiel bei der Mutter „Angst vor der Maus“ entstanden sein – abgesehen von der Kopie aus dem Umfeld? Um das Phänomen verstehen zu können, ist es wichtig sich klarzumachen, auf welche Weise wir mit der Welt um uns herum in Kontakt treten.

Wir sehen und hören unser Umfeld, wir schmecken und riechen und fühlen sie.

Uns stehen also im Normalfall unsere fünf Sinnesorgane zur Verfügung, die uns die Welt um uns herum miterleben lassen. Nun kann es bei einer zufälligen Wahrnehmung eines oder mehrerer unserer Sinnesorgane zu ungünstigen Reaktionen im Sinne von körperlichem Stress kommen. Die Kombination aus dem wahrgenommenen Erlebnis und der begleitenden unangenehmen körperlichen Befindlichkeit wird zu einer emotionalen Erfahrung verarbeitet. Und sie wird immer wieder unbewusst reaktiviert, wenn sich die identische Wahrnehmung mit dem Stress auslösenden Ursprungserlebnis wiederholt.

Zum Beispiel bei der „Angst“ vor dem heißen Topf auf dem Herd. Das Kleine hört die laute Stimme der Mutter, die nicht nett klingt, sondern ungewöhnlich drohend wirkt. Es sieht die Mimik der Mama, die eventuell Erschrecken und Panik ausdrückt. Es nimmt die Gestik der Mama wahr, die wahrscheinlich schnell und hektisch ausfällt.

Das Kleine lernt also: Der „Topf“ oder aus dem zweiten Beispiel die „Maus“ sind böse. Es fühlt in diesem Augenblick unangenehme körperliche Symptome, die es nicht gut findet und die es nicht haben möchte. Und so legt das Gehirn des kleinen Kindes diese neuen Erfahrungen als unangenehme Emotionen in seinem Erinnerungsspeicher ab.

In Zukunft wird es erst einmal einen großen Bogen um den „bösen“ Herd machen, bis es vielleicht irgendwann als Heranwachsender lernt, dass man den heißen Topf mit Topflappen anfassen kann und dadurch der böse Herd seinen Schrecken verliert.

Leider erleben wir auch das Gegenteil. Ängste zum Beispiel können sich im Laufe der Zeit immer mehr verstärken und zu Panikattacken führen, die zu außerordentlichen Störungen in unserem alltäglichen Leben werden. Zum Beispiel kann sich die Angst vor Maus oder Spinne (man nennt sie auch Phobie) derart steigern, dass schon das Bild einer Maus oder einer Spinne Angst auslöst. In der Folge verursacht schon allein der Name extreme Angst. Eine vermeintlich gute Lösung für das Problem ist für die Betroffenen anfänglich die Vermeidung der Angst. Das heißt, nicht mehr in den Keller zu gehen (mögliche Begegnung mit einer Maus), nicht mehr die Fenster öffnen zu wollen (Eindringen von Maus oder Spinne), nicht mehr wegen möglicher Spinnweben unter Türen durchgehen zu können…

Hier kommt die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, an seiner Angst oder Phobie zu arbeiten.

Die Lösung kann im Idealfall verblüffend einfach sein, da wir alles, was wir von Kindesbeinen an gelernt haben, auch wieder verlernen können. Auch die Disposition, auf unsere individuellen „Angstmacher“ mit bestimmten emotionalen Reaktionen zu antworten.

Wir können unter Anleitung eines Experten mit unserem Verstand erarbeiten, dass die physiologischen unangenehmen Reaktionen „unnötig“ sind, weil in Wirklichkeit keine Gefahr droht. Oder dass die ausgelöste Emotion „unsinnig“ war und ist. Wir können unserem Gehirn antrainieren, schlichtweg „anders“ zu denken. Ja, wir können unsere ungünstigen Emotionen tatsächlich eliminieren und günstige Emotionen wiederbeleben(!), ja, sogar notwendige Veränderungen lieben lernen.

Wir sind unseren Emotionen eben doch nicht hilflos ausgeliefert, nach dem Motto: „Ist nun mal mein persönliches Schicksal!“ Allerdings braucht es manchmal Mut und Eigeninitiative, einen Experten zu suchen und sich ihm anzuvertrauen.

Und bei den alltäglichen Quälgeistern können Sie selbst der Experte sein: Wir haben die Chance, unsere Emotionen selbst zu bearbeiten und mental widerstandfähig zu werden, wenn wir die Fähigkeiten unseres Gehirns nutzen und unseren Verstand für uns arbeiten lassen.

Denken Sie beispielsweise an „Ratatouille“, die Ratte aus dem gleichnamigen Film, die als versteckter Hilfskoch ihrem gepiesackten Kochfreund ständig aus der Patsche hilft und so sympathisch wirkt. Hätten Sie sie auch ohne das tolle Drehbuch sympathisch finden können? Könnte sich jetzt eventuell schon allein durch den Film ihr Verhältnis zu Ratten etwas geändert haben? Immerhin: Im asiatischen, im indischen und im chinesischen Lebensraum wird die Ratte geradezu verehrt. Sie ist ein Symbol für Intelligenz, Ehrlichkeit und Kreativität. Es soll sogar Glück bringen, wenn einem Menschen eine „heilige“ Ratte über die Füße läuft!

Gern gebe ich hier weitere Anregungen:

Emotionen „drehen“

Sie stehen im Stau und ärgern sich maßlos über die verlorene Zeit … STOPP! Nein, freuen Sie sich über die gewonnene Zeit zu ungestörtem Denken. Schalten Sie kurzerhand die Aufnahmefunktion Ihres Handys ein und gehen Sie in Gedanken dem nach, was für Sie im Augenblick wichtig ist. Nehmen Sie Ihre Gedanken unsortiert auf. Am Ende der Fahrt haben Sie viel geschafft. Mit einer speziellen Software können Sie die gesammelten Ideen auf Ihren Rechner bringen und haben wertvolle Zeit gespart …

Innere Zeit verstellen

Sie sind zu einem Termin verabredet und Ihr Gegenüber lässt Sie unendlich lange warten. Sie merken, wie Ihre Motivation schwindet und sich Frust in Ihnen breitmacht … STOPP! Schauen Sie einmal auf Ihre Uhr. Nehmen Sie die Zeit der Verspätung genau auf, zum Beispiel 60 Minuten. Nun drehen Sie in Gedanken (!) den Zeiger der Uhr oder die digitale Anzeige ganz langsam auf den Zeitpunkt zurück, an dem Sie sich treffen wollten. Schließen Sie kurz die Augen und atmen Sie tief durch. Jetzt können Sie relaxen. Sie haben eine Stunde mentale Zeit gewonnen. Und gehen ganz cool in Ihre Besprechung…

Selbstjagd abschaffen

Sie haben Termine über Termine. Wenn Sie jemand fragt, dann heißt es von Ihnen immer nur: „Ich muss dieses, ich muss jenes, ich muss das sofort …!“ STOPP! Streichen Sie das Wort „muss“ aus Ihrem Vokabular. Mit diesem Wort machen Sie sich ständig zum Opfer Ihrer selbst. Und sich ständig als Opfer fühlen ist äußerst ungünstig, kann zu anhaltenden depressiven Verstimmungen führen und macht Sie für andere Menschen ausgesprochen unattraktiv – in jeder Beziehung. Sie müssen nichts! Gar nichts! Überhaupt nichts! Gibt es ein Gesetz, demzufolge Sie einkaufen gehen müssen? Oder Rasen mähen müssen? Oder zur Bank müssen? NEIN! Sie MÖCHTEN, WOLLEN, KÖNNEN …, weil Sie vielleicht Familie haben und sie gut versorgen möchten, weil Sie eine schöne Umgebung für sich haben wollen, weil Sie gut verdienen und weiterkommen können …! Achten Sie immer darauf: WÖRTER FÄRBEN GEDANKEN Und was wir denken, das sind wir!

Enden möchte ich mit einem Zitat aus Demian von Hermann Hesse: „Man braucht vor niemand Angst zu haben. Wenn man jemanden fürchtet, dann kommt es daher, daß man diesem Jemand Macht über sich eingeräumt hat.“

 


Was meinen Sie? Kennen Sie einige der Beispiele aus Ihrem eigenen Leben? Haben Sie Ähnliches schon einmal erlebt? Wenn Sie Anregungen haben oder mehr über die Möglichkeiten des Umdenkens wissen möchten, schreiben Sie uns – die Autorin antwortet Ihnen gerne.

 

  Über die Autorin:

Gabriele Lönne ist Consultant, Business Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie sowie als Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen tätig.

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