Beiträge

„Bleiben Sie zu Hause! Gehen Sie spazieren!“

In der Corona-Zeit erlebt das Spazierengehen einen wahren Boom. Wie heilsam und kreativitätssteigernd das „Frische-Luft-Schnappen“ sein kann, darüber hat die Schweizer Autorin Sabine Claus ein Buch geschrieben. 

Ende 2019 erschien bei Junfermann der Titel Auf dem Weg. 20 Spaziergänge für das seelische Wohlbefinden. Das Thema wirkte noch vor wenigen Wochen etwas aus der Zeit gefallen. Doch das hat sich mit Corona schlagartig geändert. Heute zum virusüberschatteten Frühlingsbeginn erlebt Spazierengehen eine ungeahnte Renaissance. Die erblühende Natur weckt die Sehnsucht, draußen zu sein. Neben Joggern sieht man dieser Tage ungewöhnlich viele Menschen, die spazierend dem häuslichen Exil und dem Homeoffice entfliehen. Bewegungsfreiheit ist zum wertvollen Gut geworden. Ein Blick ins Buch von Sabine Claus verrät, warum ein einfacher Spaziergang unmittelbar belebend wirkt.

Spazieren als Notwendigkeit in Zeiten der Krise

Spazieren geht man aus Freude am Gehen ohne räumliches Ziel. Die leichte rhythmische Bewegung unter freiem Himmel wirkt ganzheitlich: Ein Spaziergang kurbelt das Immunsystem an und wirkt heilsam auf die Psyche. Ein Spaziergang regt an, ohne zu überfordern. Ein Spaziergang gibt mehr Energie, als er kostet. Spazieren ist ein Gang in die Welt und zugleich ein Gang nach Innen. Wie die Perlen einer Kette reiht sich Eindruck um Eindruck aneinander. Einsichten, Aussichten oder Begegnungen machen jeden Spaziergang einmalig. Man fühlt sich bereichert, wieder in Verbindung mit der Natur und mit sich selbst. Der Soziologe Hartmut Rosa nennt dies „Resonanz“.

„Ich wollte verstehen, warum sich das Wohlbefinden durch einen Spaziergang innerhalb kurzer Zeit deutlich verbessert“, begründet die Autorin ihr Buchprojekt. Sie geht seit Jahren regelmäßig mit seelisch belasteten Menschen spazieren. In Streifzügen durch Psychologie und Medizin, Literatur und Geschichte erkunden die Leserinnen und Leser den Zusammenhang zwischen Gehen, Denken und Fühlen. So lässt sich erfahren, warum wir beim Spazieren Stress und Anspannung reduzieren, uns rasch entspannen, kreativer werden, einfacher Probleme lösen können, achtsamer sind und Sinn erleben. Selbst im professionellen Bereich wird nun spaziert: Meetings in Kleinstgruppen finden draußen statt, ebenso Paar- und Gruppentherapie.

Ideen für 20 Spaziergänge – jeder einzelne ein Unikat

Die Autorin bietet in ihrem Buch 20 Spaziergänge mit unterschiedlichem Fokus. Der Mensch, sein Innenleben und die Außenwelt finden Schritt für Schritt zusammen. Die Autorin entschied sich bei der Auswahl der Spaziergänge für drei Bereiche, die Kopf und Körper guttun:

  1. Achtsame Spaziergänge, z.B. nachts, barfuß oder „ganz Ohr“
  2. Spaziergänge zum Umgang mit Gefühlen, z.B. problemlösend, beruhigend oder heilend
  3. Spaziergänge für die aktive Lebensgestaltung, z.B. für die Beziehung, für die Kreativität, für den Neubeginn

Sicherheit beim Spazieren in der Corona-Zeit

Darf ich überhaupt noch raus? Ja, man darf – und sollte sogar, sofern man die Regeln beachtet: Selbstverständlich gilt auch für einen Spaziergang, sowohl beim Laufen als auch beim Verweilen, den Mindestabstand von zwei Metern zu anderen Personen einzuhalten. Am besten spaziert es sich derzeit allein oder mit maximal vier Personen aus demselben Haushalt. Generationen sollten sich nicht mischen, das bedeutet: Der Spaziergang mit den Großeltern und Enkelkindern wird verschoben. Zum Schutz anderer sind die Verhaltens- und Hygieneregeln des Bundesamtes für Gesundheit einzuhalten.

Die Umfrage beweist es: Spazieren hilft!

Warum, wann, wo und wie gehen wir spazieren? Die Ergebnisse der privat initiierten Spaziergangsumfrage mit Unterstützung der Universität Basel sind ebenfalls im Buch nachzulesen. Das wichtigste Fazit: Spazieren hilft jedem bei (fast) allem! Interessierte können weiterhin an der Umfrage teilnehmen.

 

Über die Autorin:

Sabine Claus lebt im Kanton Zürich und ist Master of Advanced Studies in Coaching & Organisationsberatung und Betriebswirtschaftlerin. Seit dem Jahr 2000 unterstützt sie Unternehmen, Teams und Einzelpersonen in Veränderungsprozessen und bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung. Daneben arbeitet sie in der Privatklinik Hohenegg für Psychiatrie und Psychotherapie als Team- und Projektleiterin sowie als Initianten des Angebotes „Naturnahe Achtsamkeit“. Ihr erstes Buch Mein allerbestes Jahr. Ziele erreichen – dem Leben Richtung geben ist 2015 im Junfermann Verlag erschienen.

Weiterführende Links:

www.sabineclaus.ch

www.aufdemweg.ch

Link zur Umfrage: https://sec.psycho.unibas.ch/kppt/index.php/238551?lang=de

Corona-Tagebuch, Teil 6: Was wir gerade aus der Krise lernen

Von Simone Scheinert

Es war ein komisches Gefühl, am Abend des 17. März den Verlag zu verlassen. Ich hatte schon einen Home-Office-Arbeitsplatz, da ich jeden Freitag von zuhause aus arbeite. Aber zu wissen, dass man auf unbestimmte Zeit nicht in den Verlag kommt, die Kolleg*innen so schnell nicht persönlich wiedersieht und dass gar nicht klar ist, wie das alles ausgeht – das war unheimlich und hatte nichts von dem erhebenden Gefühl, mit dem man sonst in den Urlaub geht, im Gegenteil. Ganz schnell hab ich als Botschaft, für alle, die weiter in den Verlag kommen, abends noch aufs Whiteboard geschrieben: Bitte gießt gelegentlich meine Blümchen! Und kam mir dabei vor, als ginge ich mindestens in Rente und nicht ins Home-Office.

Nach gut zwei Wochen Arbeit zuhause kann ich eine erste, vorsichtige Bilanz ziehen. Das Arbeiten von zuhause aus hat bislang besser funktioniert, als wir alle dachten. Denn, ganz ehrlich, so richtig vorbereitet waren wir nicht. Es gab insgesamt nur drei Heim-Arbeitsplätze mit Serverzugriff – einer davon ist meiner. Also habe ich mich zunächst mal hauptsächlich um die Bearbeitung unserer Webshop-Bestellungen gekümmert und Rechnungen geschrieben, was ich im Verlag nur als Urlaubsvertretung oder bei unserer Sparbuch-Aktion aushilfsweise getan habe.

Andere Dinge, die wir normalerweise im Team besprechen und entscheiden, konnten wir über eine Dropbox besser als erwartet lösen. Wir telefonieren, haben eine Verlags-Whatsapp-Gruppe, wir zoomen, wir skypen (und bekommen dabei interessante Einblicke in die Wohnungen der Kollegen 😊) … es läuft, und es läuft diszipliniert und gut.

Im meinem Hauptbereich Marketing ist derzeit alles anders. Ich weiß nicht, ob die Zeitschriften, in denen wir normalerweise Anzeigen schalten, am Ende des Jahres noch da sind. Ich weiß nicht, ob die Geschäftspartner, die Coaches, die Trainer, die Therapeuten mit denen wir zu tun haben, diese Krise gut überstehen. Ich hoffe es von Herzen.

Alle, nicht nur die Verlage, müssen jetzt stärker aufs Budget achten. Anzeigenbuchungen werden storniert, Veranstaltungen sind abgesagt, es wird keine Büchertische geben. Eingetretene Pfade sind plötzlich nicht mehr begehbar. Wir müssen kreative Wege finden und uns gegenseitig helfen und unterstützen. Das Denken ändert gerade die Richtung – wie gut, dass der Kopf rund ist!

Und dann ist da ja noch unsere Zeitschrift „Praxis Kommunikation“. Gerade entsteht Ausgabe 2, die Ende April erscheinen soll. Praxis Kommunikation bekommt gerade eine ganz neue Bedeutung – denn alle Absprachen, die ich mit meinem Kollegen aus der Grafik sonst direkt treffe, machen wir jetzt telefonisch. Die Layouts können wir diesmal nicht direkt gemeinsam am Monitor begutachten. Also müssen wir mailen, telefonieren, pdfs hin- und herschicken, pragmatische Lösungen finden und nochmal telefonieren. Uns immer wieder verständigen. Das Beste daran: Es funktioniert! Auch ohne Präsenz und mit Social Distancing. Es wird ein schönes Heft werden, und das freut mich gerade noch viel mehr als sonst.

Ich lerne etwas, trotz all dem Elend, das die Corona-Krise über die Welt bringt: Wir Menschen sind flexibel. Wir finden Lösungen und verlassen unsere gewohnten Muster, wenn es drauf ankommt. Wir sind, trotz aller Unterschiede, ein Team mit dem gleichen Ziel. Die kleine Perfektionistin in mir lernt gerade übrigens: Manchmal ist „gut genug“ auch wirklich gut, mehr braucht es nicht.

Jetzt kratzt unser Kater an der Terrassentür und will ins Haus – wenigstens das ist noch wie immer!