Der Erfahrbare Atem: 50 Jahre Ilse-Middendorf-Institut Berlin
1965 – also vor 50 Jahren – wurde in Berlin das Ilse-Middendorf-Institut für den Erfahrbaren Atem gegründet. Prof. Ilse Middendorf (1910-2009) bildete dort fortan Atemtherapeutinnen und -therapeuten in der von ihr begründeten Schule des Erfahrbaren Atems aus. 1971 erhielt sie zudem eine Professur an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Berlin, in der sie Schauspielschüler im Atem unterrichtete. 1986 begann sie mit Seminaren und Ausbildungskursen in den USA, was 1991 in die Gründung eines US-Instituts in Berkeley mündete.
1985 – vor 30 Jahren also – erschien die Erstauflage von Ilse Middendorfs Klassiker „Der Erfahrbare Atem“ bei Junfermann. Dieses Grundlagenwerk ist nach wie vor aktuell und wird in der Ausbildung von Atemtherapeutinnen eingesetzt.
Ich bin Ilse Middendorf leider nie persönlich begegnet; unser Kontakt beschränkte sich auf Telefon und E-Mail. Was mich an ihrer aber immer sehr fasziniert hat, war ihre Wachheit und Vitalität bis ins hohe Alter. Für mich war sie damit der lebende Beweis für die Wirksamkeit ihrer Methode.
Und betrachtet man einmal die beiden Jubiläumsdaten – 1965 und 1985 –, und führt man sich dann vor Augen, dass Ilse Middendorf bei der Gründung ihres Instituts 55 Jahre alt war und das sie mit 75 Jahren ihr Buch veröffentlichte: Wo für andere vielleicht Ruhestand angesagt ist, startete diese Frau noch einmal richtig durch.
Das für ihre Arbeit Wesentliche hatte Ilse Middendorf in ihrem „Atemgedicht“ zusammengefasst, aus dem nun ein kleiner Ausschnitt folgt.
Du möchtest Dich
Deinem Atem zuwenden:
Atmen sollte Gesundheit bringen
heißt es –
mehr Frische – mehr Leistung
mehr … mehr …
So setze Dich zu mir
und lausche.
Das erste ist
warten können –
auf den Atem, der in mich einfließt.
Und ihn begleiten,
wenn er mich verlässt
und als Kraft
in der Welt in Erscheinung tritt –
im Klang, im Wort, im Werk.
In der Ruhe nach dem Ausatmen
bin ich geborgen
in dem, was mich geschaffen hat.
Atembewegung –
Urbewegung des Lebens,
Ausdruck dessen,
was ich werden kann.
Jede Zelle schwingt im Anruf
der Bewegung,
in Muskeln-Knochen-Organen
und setzt sich fort
in alle Sinne,
in meine Gestalt und das,
was Gestalt werden will –
kann – möchte – sollte.
Werde ich durchlässig?
Was ist das?
Bin ich wie ein Schwamm?
Nein.
Ich vermag meinen Atem zuzulassen,
dass er mich schwingend bewegt.
Aber ich und mein Selbst
sind der Inhalt dieser Bewegungen.
Ich lebe, ich atme –
ich werde gewahr,
welch großes Reich
ich das meine nenne.
Eine Welt bin ich,
wenn ich
zum bewussten Sein
erwache – langsam,
denn ich muss tragen können,
was mir geschenkt wird.
Die Leitung des Ilse-Middendorf-Instituts ist schon vor vielen Jahren an die nächste Generation übergeben worden. 1982 gründete Helge Langguth, Ilse Middendorfs Sohn, ein zweites Institut in Beerfelden und seit 1988 hat er die Gesamtleitung für beide Institute.
Wir gratulieren ganz herzlich zum 50-Jährigen, und wünschen viel Freude bei den Jubiläumsveranstaltungen. Auf die nächsten 50 Jahre!