Muskelkraft durch Imagination
Von Antje Abram
Schon im August berichtete ich in einem Blogbeitrag über die Kraft von Imaginationen und ihre Einsetzbarkeit im therapeutischen Setting, aber auch im ganz normalen Alltag. Es ist schon erstaunlich, in welchen Situationen und an welchen Orten Imaginationen ihre Wirkung entfalten können. Und dass es dazu nicht viel darf, das möchte ich Ihnen im Folgenden am Beispiel eines Urlaubserlebnisses deutlich machen:
Zur Erholung von meiner psychotherapeutischen Arbeit nahm ich kürzlich an einem Kurs auf Sylt teil: Nia tanzen in Kombination mit Pilates. Letzteres kann ganz schön schweißtreibend sein! Der Körper wird ganzheitlich trainiert, besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Körpermitte. In einem „ewigen Mantra“ wird der Bauch nach innen Richtung Wirbelsäule eingezogen, um Stabilität zu schaffen.
Und Nia ist eine bisher noch recht unbekannte, aber wirklich tolle Art des Tanzens. Die Freude an der Bewegung steht dabei im Vordergrund. Geprägt ist der Tanzstil vom Jazz Dance, Modern Dance und von Isadora Duncan. Es fließen aber auch Elemente aus den Kampfsportarten Taekwondo, Aikido und Tai Chi mit ein. Abgerundet wird das Ganze durch Einflüsse aus dem Feldenkrais, dem Yoga und der Alexander Technik. Genauso interessant, wie sich diese Mischung anhört, tanzt es sich auch! An dieser Stelle möchte ich Pia Klepel, der Kursleiterin, für Ihre inspirierende und lebendige Art, Tanz und Pilates zu vermitteln, danken.
Bevor ich jedoch zu sehr ins Schwärmen gerate, kommen wir zurück zu den Imaginationen:
Wenn mir jemand sagt: „Komm aus der Rückenlage hoch ins Sitzen“, dann umfasse ich meine Oberschenkel und schaukele mich, mit den Beinen leichten Schwung holend, hoch. Das hat die letzten 48 Jahre meines Lebens sehr gut geklappt! Nun kommt Kursleiterin Pia und sagt: „Das geht auch ganz ohne Schwung.“ Ich nehme also die entsprechende Körperhaltung ein, aktiviere meine Muskulatur, will mich nach oben ziehen – und nichts passiert! Und das, obwohl ich mich als Yogalehrerin mit meinem durchaus trainierten Körper redlich bemühe.
Dann sagt Pia: „Stelle dir vor, da sind sehr schwere Skistiefel an deinen Füßen, so schwer, dass sich dein Körper von alleine nach oben bewegt.“ Ich konzentriere mich und gehe innerlich ganz in diese Imagination hinein. Meine Füße fühlen sich bei dieser Vorstellung unsagbar schwer an und mein Körper kommt tatsächlich nur mit Muskelkraft und ganz ohne Schwung nach oben. Ich bin begeistert.
Ich versuche es direkt noch einmal, denn Pia hat noch eine weitere hilfreiche Imagination auf Lager: „Stell dir vor, dein Körper ist eine Wippe. Auf deine Füße setzt sich jetzt ein lächelndes Kind, das nach unten wippen möchte. Deine Füße werden durch das Gewicht des Kindes sehr schwer, sodass sie von ganz allein zu Boden sinken.“
Funktioniert auch! Und beseelt von dieser schönen Erfahrung und mit noch stärkerem Vertrauen in meine Vorstellungskräfte tanzt es sich im Anschluss direkt leichtfüßiger.
Mit einer starken und positiven Imagination sind Herausforderungen leichter und spielerischer zu bewältigen. Und das nicht nur im Sport. Überzeugen Sie sich selbst!
Über die Autorin:
Antje Abram, Dipl.-Sportlehrerin für Behindertensport und Rehabilitation, Gestalttherapeutin und Systemische Familientherapeutin, arbeitet seit 1998 in eigener Praxis in Köln. Ihre Bücher Fühlen erwünscht (2007, mit Daniela Hirtzel), Gestalttherapie (2013) und Imaginationen (2017) sind überall im Handel erhältlich.
Weitere Informationen zur Autorin und ihrem Angebot erhalten Sie hier.
Pia Klepel ist zertifizierte Pilates Body Motion Lehrerin, Tanzpädagogin, zertifizierte Nia Teacher & Coach. Weitere Informationen erhalten Sie hier.