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Corona-Tagebuch, Teil 3: Social Distancing

Social Distancing, die Wahrung sozialen Abstands – das ist der Begriff für die Verhaltensmaßregel der Stunde. Und so sinnvoll, ja geradezu lebenswichtig die Sache an sich ist, so unglücklich erscheint die Wortwahl. Denn wenn diese Tage in Home-Offices und auf dem heimischen Sofa, mit drohendem Lagerkoller und zunehmend katastrophalen Nachrichten uns eines lehren, dann doch dies: dass nächst unserer Gesundheit eben nicht Klopapier das Wichtigste für unser Wohlergehen ist, sondern soziale Nähe und Austausch. Und so gilt es, trotz und parallel zur Wahrung körperlichen Abstands eine Social Closeness zu praktizieren, deren Wert wir gerade jetzt völlig neu einzuschätzen lernen. Beides schließt sich nicht aus – gegen das Gespräch mit dem Nachbarn, der Nachbarin aus sicherer physischer Distanz spricht ebenso wenig wie gegen den Einsatz aller technischen Errungenschaften, die uns in den letzten Jahren das Kommunizieren vereinfacht haben: all die Messenger-Dienste, Videotelefonie-Apps, Gruppenchats und Sprachmemos stehen uns zur Verfügung, ebenso das gute alte Telefon. Wir müssen sie nur nutzen, was zuweilen ein wenig Überwindung fordert, aber lohnenswert ist. Wenn Sie ein paar virtuelle Schritte auf lang vernachlässigte Freunde, Verwandte oder Bekannte zugehen, werden Sie feststellen, wie gut das tun kann. Bleiben Sie in Kontakt.

Für die Momente, in denen wir dann doch wieder auf uns selbst zurückgeworfen sind, sollte man meinen, dass jene Kulturtechnik, die uns am effektivsten beibringt, wie man gut allein sein kann, eine Renaissance erleben würde: das Lesen. Doch dem ist allem Anschein nach nicht so. Zwar titelte DIE ZEIT letzte Woche noch hoffnungsfroh „Das Lesen geht weiter“, doch diese Hoffnung hielt nur ein paar Tage (wie so vieles im Moment). Nun bleiben die Buchhandlungen geschlossen, die Büchereien ebenfalls und die Onlinehändler verschicken nurmehr eines – Klopapier! Aber das ist kein Grund zum Verzicht auf neuen Lesestoff. Auch hier gilt: Es kostet ein wenig Überwindung, lohnt aber den Versuch! Die Lieferketten sind zwar eingeschränkt, aber noch ist unsere Branche nicht zusammengebrochen. Gerade weil der große Online-Versender im Moment mit Sanitärartikeln glänzen zu können meint, gibt es für uns vielleicht neue Erfahrungen zu machen. Wie etwa, dass unsere Buchhandlung vor Ort eine eigene Website mit einem Shop hat; dass wir die Kolleg*innen dort sogar telefonisch oder per E-Mail erreichen können, obwohl das Ladengeschäft geschlossen bleiben muss. Und aus ganz vielen Städten hören wir, dass bestellte Bücher nicht nur nach Hause versandt werden, sondern von engagierten Buchändler*innen per Fahrrad in die Briefkästen der Kunden gebracht werden. Probieren Sie’s aus und lassen Sie sich etwas zu lesen bringen. Vielleicht entsteht auf diesem Wege ja sogar eine soziale Nähe zu Ihrer Buchhandlung vor Ort, die den Corona-Ausnahmezustand überdauert.