„Es gibt kein Pokerface“ – Interview mit Dirk Eilert

Dirk Eilert ist der führende deutschsprachige Mimik- und Körpersprache-Experte. Für Sebastian Fitzeks neuesten Thriller „Mimik“ lieferte er das Hintergrundwissen. Ein Gespräch über seinen Ausflug in ein neues Genre.

Dirk Eilert; © Foto: Hans Scherhaufer

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Sebastian Fitzek? Wie genau sah Ihre Berater-Rolle aus?

Sebastian und ich haben uns in einer TV-Krimishow kennengelernt. Dort ging es darum, dass Promis einen fiktiven Mord aufklären sollten, indem Sie Verdächtige, die durch Schauspieler verkörpert wurden, befragen mussten. Ich war als Mimik-Experte dabei, um den Promis Tipps zu geben, auf welche Signale Sie im „Verhör“ achten müssen.

Nach der Show habe ich Sebastian angesprochen und wir haben uns zum Abendessen verabredet. Dort habe ich ihm von meiner Idee eines Mimikresonanz-Psychothrillers erzählt. Meine Leidenschaft war es schon immer, das Wissen aus der Mimikresonanz einer möglichst breiten Masse zugänglich zu machen. Und das geht über einen Thriller natürlich weitaus leichter als über ein reines Fachbuch. Das alles war 2015. Es hat von der Idee bis zur konkreten Umsetzung also tatsächlich sieben Jahre gebraucht.

In der Schreibphase könnte man sagen, haben wir Ping-Pong gespielt. Wir haben uns zu einem ersten Brainstorming zusammengesetzt, dann hat Sebastian angefangen zu schreiben und mir immer wieder Textabschnitte geschickt, die ich dann auf die nonverbalen Signale hin überprüft habe und mir überlegt habe, wo wir weitere nonverbale Spuren einbauen können. So hat sich die Geschichte mehr und mehr entfaltet und auf dem Weg auch verändert.

Ist es Wahrheit oder Fiktion, dass Mimikexperten die Polizei bei Ermittlungen unterstützen?

Die direkte Unterstützung in einem Verhör ist aktuell in Deutschland noch Fiktion. Der indirekte Support allerdings nicht. Ich habe beispielsweise bereits Sondereinheiten der Polizei und auch die Justiz darin trainiert, die stille Sprache von Mimik und Körper noch präziser zu lesen. Ein Knackpunkt ist dabei stets, dass Mimikresonanz als Methode an der aktuellen wissenschaftlichen Forschung ausgerichtet ist. Auf diese Weise vermitteln wir im Training nonverbale Signale, die verlässlich zu deuten sind. Denn in der Verhandlung mit Geiselnehmern, in der es oft um Leben und Tod geht, gibt es keinen Raum für Fehlinterpretationen. Hierbei ist es als sehr kritisch zu sehen, dass am Markt immer noch eine Vielzahl an Körpersprache-Mythen herumgeistern – wie beispielsweise, dass man einen Lügner an der Blickrichtung oder am fehlenden Blickkontakt erkennen würde.

Könnte ein erfahrener Lügner denn bei der Mimik tricksen?

Nein, es gibt kein Pokerface. Unsere Mimik ist direkt mit dem limbischen System verdrahtet. Das führt zu unwillkürlichen, emotional gesteuerten Gesichtsausdrücken, sogenannten Mikroexpressionen. Diese huschen für die Dauer eines Wimpernschlags über unser Gesicht. Sie sind schneller als 500 Millisekunden und nicht kontrollierbar.

Hatten Sie schon mal das Gefühl, jemanden nicht „knacken“ zu können?

Nein. Bei manchen Menschen brauche ich lediglich länger, um mir einen verlässlichen Eindruck von der Baseline, also dem nonverbalen Normalverhalten, zu verschaffen. Dies ist stets ein wichtiger Teil der nonverbalen Spurensuche. Wie sind die körpersprachlichen Bewegungsgewohnheiten der Person? Wie viel und wie genau gestikuliert sie, wodurch ist das natürliche Mienenspiel gekennzeichnet?

Es sind dann die Abweichungen von der Baseline, die mir am meisten verraten. Die Momente also, in denen Mimik und Körper aus den gewohnten Bewegungsgleisen ausbrechen. Das sind dann übrigens Signale, die kulturübergreifend sind, also überall auf der Welt gleich aussehen – beispielsweise das sogenannte Hinkley-Face, das bei Attentätern entdeckt wurde und auf den bevorstehenden Angriff hinweist.

Sebastian Fitzek sagte in einem Podcast, er habe Angst gehabt, dass Sie ihm „in die Seele gucken können“. Was gab es da zu sehen?

Bei unserem Abendessen, als ich ihm von meiner Idee erzählt habe, habe ich etwas Spannendes beobachtet. Seine Augen „lachten“ in diesem Moment, gleichzeitig schürzte er aber leicht die Lippen. Das hat mir verraten, dass Sebastian einerseits begeistert von meiner Idee war, ebenso aber noch etwas skeptisch.

Die Skepsis rührte daher, dass er nicht einfach „Lie to me“ (eine US-Serie, die das Thema Lügenerkennung und Mimik zentral behandelt) neu auflegen wollte. Er hat nach einem spannenden Dreh für Mimikresonanz in einem Thriller gesucht. Und den hat er dann durch die Idee, dass sich die Hauptfigur körpersprachlich selbst analysieren muss, dann auch gefunden. Seine lachenden Augen aber waren es, die mir gesagt haben, „Bleib dran, Sebastian findet die Idee an sich super“. Ohne meine damalige Achtsamkeit für seine Mimik gäbe es also wahrscheinlich Sebastians neues Buch gar nicht.

 

Das Interview führte Simone Scheinert. Es ist in gekürzter Form in Praxis Kommunikation 6/2022 erschienen.

 

Sebastian Fitzek: Mimik. Droemer, München 2022

Dirk W. Eilert: Was dein Gesicht verrät. Droemer, München 2022

Dirk W. Eilert: Körpersprache entschlüsseln und verstehen. Die Mimikresonanz-Profibox. Junfermann, 2020

 

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