Selbsthypnose als Instrument zur Selbstoptimierung

Selbsthypnose ist nicht nur ein faszinierendes Phänomen, das jeder von uns schon einmal im Alltag erlebt hat. Systematisch und gezielt eingesetzt ist sie vor allem äußerst effektiv. Sie kann zur Stärkung bei ernsthaften Krankheiten ebenso verwendet werden wie im Umgang mit kleineren „Zipperlein“. Leider wissen noch zu wenige Menschen, wie sie diese Methode für sich nutzen können.

In ihrem neuen Buch „Wie eine leichte Brise – Lebenshilfe durch Selbsthypnose“ bietet Sigrun Kurz die ideale Einführung in diese Technik. Wir haben sie zu ihren Erfahrungen mit Hypnose und Selbsthypnose befragt.

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Liebe Frau Kurz, soeben ist Ihr zweites Buch „Wie eine leichte Brise – Lebenshilfe durch Selbsthypnose“ erschienen. Was war bisher das bemerkenswerteste Ereignis oder das verblüffendste Ergebnis, das Sie im Kontext Hypnose/Selbsthypnose erlebt haben?

Da gibt es viele bemerkenswerte Erfahrungen. Besonders beeindruckend ist immer wieder die Minderung von Schmerzerleben oder die Beschleunigung von Wundheilungen. Aber auch, wenn es um die Veränderung von Verhaltensweisen geht, bin ich immer noch und immer wieder begeistert, was mit Hypnose und Selbsthypnose möglich ist. Besonders berührt hat mich erst kürzlich eine deutliche Verbesserung der Haut bei einer jungen Frau mit einem schweren Juckreiz. Sie hatte schon diverse Cremes ausprobiert und nichts hatte ihr geholfen. Bereits nach zwei Hypnosebehandlungen war das Hautbild wie ausgewechselt. Und sie war natürlich sehr glücklich.

Was macht die Selbsthypnose Ihrer Ansicht nach zu einem so wirkungsvollen Instrument im Alltag?

Wir alle begleiten den ganzen Tag über unser eigenes Handeln im Rahmen der sogenannten Selbstkommunikation fortwährend mit Vorstellungen und internen Kommentaren wie etwa „Das schaffst du!“, „Das krieg ich gebacken!“ oder „Na, das wird doch wieder nichts“. Damit geben wir uns immerzu grundlegende und richtungweisende Selbstsuggestionen, und die wirken natürlich. Es ist also naheliegend, hier gezielt und geplant Einfluss zu nehmen. Und genau da setzt die Selbsthypnose an. Wir lernen damit, auf unsere Suggestionen zu achten und vor allem sie systematisch und in positiver bzw. gewünschter Richtung zu verwenden. Selbsthypnose ist sozusagen ein Instrument zur Selbstoptimierung. Und damit ist es eine hervorragende Möglichkeit, das persönliche Wohlbefinden zu vergrößern. Warum sollten wir darauf verzichten?

Braucht es bestimmte Voraussetzungen oder persönliche „Talente“, damit die Selbsthypnose gelingt?

Im Prinzip kann jeder Mensch Hypnose anwenden bzw. Selbsthypnose praktizieren. Wir tun das sogar alle gelegentlich unbemerkt und nebenbei, beispielsweise wenn wir beim Blättern im Reisekatalog ins Träumen geraten – dann sind wir in einer angenehmen kleinen Wohlfühl-Trance. Manchen Menschen fällt das besonders leicht, das sind die Fantasievollen. Voraussetzung für das Hineinbegeben in eine gezielte Hypnose ist natürlich der persönliche Wunsch und Wille, genau dies zu tun. Wenn ich das nicht will, wird es auch nicht geschehen.

Was erwartet die Leser Ihres Buches? Und welche Erwartungen, die in Bezug auf die Selbsthypnose an Sie herangetragen werden, können nicht erfüllt werden?

In meinem neuen Buch gebe ich zuerst eine kurze allgemeine Einführung in die Methode. Aber der Schwerpunkt sind die praktischen Anleitungen. Ich zeige sieben verschiedene Wege, um in Trance hineinzugelangen. Und dann folgen Hypnoseanleitungen für alle möglichen Anlässe. Dieses Buch zielt nicht auf die Hilfe bei Erkrankungen, sondern es handelt sich um Hilfestellungen für ganz gewöhnliche Gelegenheiten und alltägliche Alltagssituationen, angefangen mit Trance zum Wohlfühlen und Entspannen, über Ermutigung, Trost, Stärkung der Kreativität bis hin zu bevorstehenden Zahnarztbesuchen, Muskelverspannungen oder als Einschlafhilfe. Auf einer beiliegenden CD gibt es einige gesprochene Beispiele, um noch besser in die Methode hineinzufinden.

Mit diesem Buch hat man eine gute Grundlage, um Selbsthypnose zu erlernen bzw. praktizieren zu können. Manches gelingt dabei ganz leicht, manches muss man vielleicht ein bisschen üben. Denn auch bei der Selbsthypnose ist es so: Übung macht den Meister. Und natürlich ist Selbsthypnose kein Zaubermittel. Das Loch im Zahn werde ich –leider – weiterhin beim Zahnarzt versorgen lassen müssen, und das Lernen für eine Prüfung wird mir auch nicht erspart. Aber die Hypnose kann mir helfen, dass all das leichter gelingt und erfolgreich zum Einsatz kommt.

Gibt es ein allgemeines Rezept, wie lange oder wie oft man Selbsthypnose anwenden sollte, um den größtmöglichen Nutzen zu erzielen?

Nein, da gibt es keine allgemeingültigen Rezepte. Jeder Mensch ist anders und jede Lebenssituation hat ebenfalls ihre Besonderheiten. Manchmal braucht man die Selbsthypnose immer wieder, beispielsweise zum Einschlafen, und manchmal werden nur wenige oder nur eine einzige Anwendung gebraucht, vielleicht bei einer Verletzung, um die Heilung zu unterstützen. Und natürlich können Hypnose und Trance immer wieder benutzt werden, um sich zu entspannen und sich wohlzufühlen.

Welche Problembereiche sind besonders geeignet, um sich mit der Methode Selbsthypnose Erleichterung zu verschaffen? Welche gar nicht?

Besonders geeignet sind Anlässe, bei denen es um die inneren Vorstellungen oder auch die Funktionen unseres Körpers geht, also um sich zu beruhigen und zu stärken, wenn wir angespannt oder ängstlich sind. Das wirkt sich oft auch auf die körperliche Ebene aus. So kann die Selbsthypnose zum Beispiel auch mithelfen, den Blutdruck zu senken.

Natürlich hat auch die Hypnose ihre Grenzen. Bei akuten Erkrankungen brauchen wir selbstverständlich unbedingt ärztliche Hilfe. Und auch Schmerzen verlangen durchaus nach einer medizinischen Abklärung. Da wäre es verkehrt, auf Trance zu setzen, allenfalls zur Überbrückung bis zur Untersuchung.

Selbstverständlich kann Hypnose auch nicht das Üben oder Trainieren ersetzen. Sie kann uns aber dabei helfen, dass das Konzentrieren und Lernen leichter geht, und dass wir in einer Leistungssituation all unsere Kräfte und Ressourcen bestmöglich zum Einsatz bringen.

Die (Selbst-)Hypnose-Texte aus Ihren Büchern und viele von denen, die Sie in Ihrer Praxis einsetzen, stammen aus der eigenen Feder. Was inspiriert Sie beim Verfassen neuer Anleitungen?

Ja, da brauche ich schon meine Phantasie. Oft schöpfe ich aus Erlebnissen, die ich selbst gemacht habe, und übersetze diese dann für die Erfordernisse meines Gegenübers. Inspirationen finde ich auch in Geschichten und Märchen. Und manchmal bringen auch Patienten selbst wertvolle Anregungen aus ihrer eigenen Lebenserfahrung bereits mit.

Selbsthypnose wird von vielen Menschen noch immer sehr kritisch betrachtet, obwohl die wohltuende, durchaus auch heilsame Wirkung inzwischen bewiesen ist. Vermutlich tragen „schwarze Schafe“, die beispielsweise Show-Hypnose als die klassische Hypnose „verkaufen“, zu den Zweifeln bei. Woran erkennt ein Laie denn seriöse Angebote?

Zuerst kann man sich am Grundberuf eines Anbieters orientieren. Hypnose für heilkundliche Zwecke dürfen nur Ärzte, Psychotherapeuten und Heilpraktiker anbieten. Dann ist als zweites die Frage erlaubt, wo die Hypnose gelernt wurde. Skeptisch sollte man vor allem immer dann werden, wenn man sich zu etwas gedrängt fühlt und wenn allzu großartige Versprechungen gemacht werden. Hypnose zu Zwecken der Unterhaltung oder als Show ist in vielen Ländern bereits verboten, bei uns in Deutschland leider noch nicht.

Wann raten Sie zu professioneller Unterstützung? Wann wäre Selbsthilfe durch Selbsthypnose also überfordernd für den Einzelnen oder sogar gefährlich?

Das merkt man meistens selbst ganz schnell. Wenn die Thematik und die Probleme sehr umfassend sind, kann ich mich alleine nicht genug auf die Methodik der Hypnose konzentrieren. Dann brauche ich professionelle Hilfe. Das gilt auch bei besonderen psychiatrischen Erkrankungen.

Gibt es eine kleine Übung/eine Suggestion, die Sie hier kurz vorstellen könnten, um sie den Interviewlesern mit auf den Weg zu geben?

So eine kleine Übung erlaubt allenfalls ein Hineinschnuppern. Das ist aber nur ein erster Schritt zum Nutzen der Vorstellungskraft. Denn um Selbsthypnose wirklich kennenzulernen, wird schon etwas ausführlichere Anleitung benötigt – sonst hätte ich ja auch das Buch nicht zu schreiben brauchen. Aber eine kleine Vorstufe dazu, um positive Suggestionen zu stärken, kann ich anbieten:

„Wenn Sie sich stärken möchten, legen Sie sich auf Ihr Sofa und schließen Sie die Augen. Atmen Sie einige Male gut durch, langsam und ruhig. Entspannen Sie sich ein bisschen. Und dann suchen Sie sich in Ihrer Vorstellungskraft einen Ort aus Ihrem Leben, an dem Sie sich richtig gut gefühlt haben. Das dauert vielleicht einen Augenblick, bis Sie den gefunden haben und sich dort hineinvertiefen können. Nehmen Sie sich etwas Zeit, um sich zu erinnern: Wie sieht es dort aus? Was kann man da hören? Was können Sie spüren? Wie riecht es? Welcher Geschmack gehört dazu? Und dann konzentrieren Sie sich auf den Satz: „Mir geht es gut, ja, mir geht es gut.“ Dabei verweilen Sie ein bisschen. Und dann beenden Sie die kleine Übung, indem Sie sich recken und strecken und die Augen öffnen und sich wieder dem Alltag zuwenden.“

Vielen Dank für das Interview, Frau Kurz.

 

Kurz_Sigrun  Über die Autorin

Dr. Sigrun Kurz ist Psychologische Psychotherapeutin und arbeitet in eigener Praxis in Bremen. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die psychotherapeutische Behandlung von Menschen mit schweren körperlichen oder chronischen Erkrankungen, psychosomatischen Störungen und Unfallfolgen.

Öffentliches Zuhören: verstehen statt urteilen

„Wir hören zu!“

Von Marion Miketta

Der Schock saß tief, als ich kurz nach dem Brexit-Votum mit Kollegen in England sprach. Nie hätten sie erwartet, dass die Mehrheit der Briten tatsächlich für den Austritt aus der EU stimmen würde. Sie waren erschüttert über das Ergebnis, sehr verunsichert angesichts der neuen Lage und besorgt darüber, was dies wohl für die Zukunft bedeuten würde.

Kurze Zeit später folgte das nächste ungute Erwachen: Der Ausgang der Präsidentenwahl in den USA. Wieso kam auch dieses Votum so unerwartet? Eine Erklärung war, dass viele Menschen sich zwar offensichtlich abgehängt und nicht wahrgenommen fühlten, sich jedoch nicht getraut hatten, ihre Sichtweisen in Meinungsumfragen kundzutun. So ließ erst die Auszählung der Wahlzettel das eigentliche Ausmaß dieses weit verbreiteten Unmutes sichtbar werden.

In England wurde als Reaktion auf das Brexit-Votum ein sogenanntes Listening-Café gegründet, das Raum geben soll, eigene Perspektiven auszudrücken. Die Idee hinter dem Café ist, das starke Gefühl der Desillusionierung, das viele Menschen nun begleitet, aufzufangen und einen sicheren Rahmen für den gemeinsamen Austausch zu schaffen.

Inspiriert von diesem Projekt, entschieden eine Kollegin und ich uns dazu, in Berlin ein ähnliches Experiment zu wagen. Denn natürlich treibt auch uns in Deutschland die Frage um, wie wir auf die zunehmende gesellschaftliche Spaltung reagieren und welchen Beitrag wir leisten können, um eine stärkere Verbundenheit zu fördern. Statt uns in Facebook-Echokammern in einer virtuellen Realität zu bewegen, wollten wir die Kunst des Zuhörens auf die Straße bringen und jedem vorurteilsfrei ein offenes Ohr schenken. Wir wollten öffentlich aussprechen: „Wir hören zu!“ Ein Versuch erschien uns lohnenswert.

Bevor wir uns mit unseren Schildern in kleinen Gruppen auf verschiedenen Plätzen in Berlin verteilten, bereiteten wir uns gemeinsam vor. Praktische Übungen schulten uns im wertungsfreien Zuhören. Wie fühlt es sich an zuzuhören, ohne unmittelbar etwas erwidern, sondern stattdessen die Gedanken der anderen beflügeln zu wollen?

Auf einige wenige Leitlinien hatten wir uns verständigt. Als Grundlage diente uns dabei der Leitfaden der „urbanconfessionals“. Wir klärten zunächst unser gemeinsames Anliegen, um es auf Rückfrage auch klar kommunizieren zu können: Wir möchten uns als Zuhörende anbieten und unser Ohr den Menschen schenken, die gehört werden möchten. Nur durch Blicke und unsere Schilder möchten wir Menschen einladen, auf uns zuzukommen, sie werden nicht von uns angesprochen. In jedem Fall werden wir sie nicht unterbrechen und an keiner Stelle unsere eigenen Sichtweisen aufdrängen.

Wir besprachen, wie wir damit umgehen würden, wenn wir Dinge zu hören bekommen sollten, mit denen wir absolut nicht übereinstimmten. Wir wollten versuchen, eher die Person hinter dieser Meinung zu sehen, als zu sehr auf die Aussage selbst zu fokussieren. Und wir nahmen uns vor, nachzufragen, wie das Gegenüber zu dieser Ansicht gekommen war. „Versuchen, einander zu verstehen, statt zu urteilen“, das war unser Anliegen.

Auch andere Eventualitäten kamen zur Sprache: Wie möchten wir darauf reagieren, wenn wir um Geld gebeten werden oder wenn wir von dem Platz vertrieben werden, auf dem wir stehen? Für Notfälle hatten wir sogar die Nummer des Berliner Krisendienstes parat. Derart gewappnet, gespannt und vorfreudig mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch machten wir uns auf.

So standen wir an einem sonnigen und kalten Wintertag auf dem Alexanderplatz. Wir hatten Pappschilder in der Hand, die zum Gespräch einladen sollten. Auf den Schildern stand: „Was bewegt Sie? Ich höre zu.“

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Wir waren eine Gruppe von insgesamt 13 Personen. Ein paar davon waren Coaches, Therapeuten oder brachten Erfahrungen im Bereich der Mediation mit. Im Grunde aber waren derlei Kenntnisse nur bedingt nötig. Ausschlaggebend war eher die Lust und die Bereitschaft, zuzuhören. Wirklich zuzuhören – empathisch und aufgeschlossen.

Kaum angekommen am Brunnen vor dem Kaufhof, rief uns eine Frau mit Blick auf unser Schild zu: „Is dit geil! Wenn ich damit anfange, dann höre ich gar nicht mehr auf!“ Allein die Vorstellung, dass ihr zugehört werden würde, bereitete ihr schon gute Laune. Beschwingt und erheitert ging sie ihres Weges. Andere blieben stehen und erzählten uns von gestiegenen Mietpreisen, ihrer Obdachlosigkeit, Diskriminierungserfahrungen als Roma oder auch von der Sorge vor Überfremdung. Ein Paar las die Frage: „Was bewegt sie?“, und wir konnten die beiden im Weitergehen hören, wie sie sich – angeregt durch das Schild – gegenseitig die Frage stellten: Was bewegt dich denn eigentlich gerade? Viele Menschen gingen an uns vorüber und lächelten oder fotografierten uns. Uns wurde allerorts Freundlichkeit entgegengebracht. Trotz der gelegentlichen Verwunderung, dem Staunen der Menschen, standen Wohlwollen und Neugier im Vordergrund. Der Wunsch, sich auszutauschen, sich zu begegnen und in Kontakt zu treten, war deutlich spürbar.

Bei fast allen: Der BVG-Sicherheitsbeamte, der uns später nach der Genehmigung für unser Pappschild fragte, als wir uns der Kälte wegen in die Bahnhofsvorhalle verzogen hatten, war überzeugt, dass wir mit Sicherheit nicht hören wollten, was ihn gerade so beschäftigte. Eigentlich schade. Wir hätten ein offenes Ohr gehabt.

Nach einigen Stunden trafen wir uns wieder und teilten die Erfahrungen miteinander, die wir in den verschiedenen Stadtteilen gesammelt hatten.

Das Ergebnis dieses Experimentes war verblüffend und sehr ermutigend für uns: Nicht erst durch die Gespräche selbst, schon alleine durch die einladende Präsenz und unserer Botschaft „Wir hören zu!“ veränderte sich die Atmosphäre auf dem jeweiligen Platz. Bisher hatte ich den Alexanderplatz eher nur immer schnell überquert, um von der S-Bahn zur Tram zu gelangen. Ich hatte ihn nicht als einen Ort wahrgenommen, an dem ich mich gerne aufhalten wollte. Jetzt hatte ich mich mit meinem Angebot dort „etabliert“ und alle Passanten – seien es Obdachlose, Kinder, Touristen, junge Leute mit Primark-Tüten bepackt oder arabisch sprechende Brunnenakrobaten – mit dem gleichen offenen Blick und Herzen angesehen. Allein das Sich-Hinstellen – ohne Handy in der Hand und mit der Bereitschaft und der expliziten Einladung zur Begegnung – führte schon zu einer Verbindung. Uns kam es so vor, als würden wir mit unserer Haltung den Raum gestalten und viel mehr als üblich an unserer Umwelt partizipieren. Als würden wir ein Gegengewicht bilden zu all dem „Senden“ von Werbebotschaften und Kaufangeboten: Wir standen für das „Empfangen“.

Eine Frau, die sich mit ihrem Pappschild auf einen Platz begeben hatte, der für eher raue Umgangsformen und Aggression steht, brachte es später so auf den Punkt: „Komisch, an diesem Tag sind alle Idioten zu Hause geblieben.“ Es wurde deutlich, wie sehr die Wahrnehmung des Umfeldes von der eigenen Einstellung und Bereitschaft, sich auf andere Perspektiven einzulassen, abhing. Diejenigen, denen man vorher vielleicht einfach aus dem Weg gegangen wäre, waren nicht mehr sichtbar, sondern einfach nur noch Menschen mit ihren Sorgen, mit Ängsten und dem Bedürfnis, sich mitzuteilen.

Unser „Pilotprojekt“ wird nun in Folge gehen. Wir werden uns weiterhin regelmäßig treffen, um öffentlich zuzuhören. Und: Jeder ist eingeladen mitzumachen – bei uns oder in selbst organisierten Gruppen. Die aktuellen Termine und weitere Informationen dazu erhalten Sie hier.

Wir freuen uns über eine rege Teilnahme!

***

Wie wichtig sind Ihnen Menschen, die wirklich zuhören können? Haben Sie selbst schon einmal (positive, überraschende, erfreuliche …) Erfahrungen gemacht, indem Sie sich vorurteilsfrei einem Gegenüber geöffnet und empathisch zugehört haben? Oder konnten Sie vielleicht selbst schon einmal an ähnlichen Listening-Initiativen teilnehmen? Ihre Kommentare sind willkommen!

 

Miketta_Marion  Über die Autorin

Marion Miketta lebt in Berlin und arbeitet als Thinking Environment-Coach, -Facilitator und -Ausbilderin (www.timetothink.com).

Die Qualität des achtsamen Zuhörens hat sie durch den vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh erfahren.

Weitere Informationen zur Autorin erhalten Sie hier.

Für Nina

von Fabienne Berg

Demnächst erscheint Fabienne Bergs neues Buch Nahrung für Körper und Seele. Magersucht überwinden bei Junfermann. Die Autorin hat hierfür einige von Magersucht betroffene Menschen Berg-Nahrung_FINAL.inddbefragt und ihre Geschichten in ihr Buch aufgenommen. Dazu gehörte auch Nina, mit der es nach Abschluss der Arbeiten an dem Buch zu einer berührenden Begegnung kam.

Aaah, es ist März! Die kalte und dunkle Jahreszeit ist endlich vorüber. Die Tage werden länger und es wird vorsichtig wärmer. Die Menschen halten sich zunehmend im Freien auf und sehnen sich danach, bald wieder schöne dünne Kleidung tragen zu können: luftige T-Shirts, die kurze Hose, das bunte Kleid – und mit Perspektive auf den Sommer den schicken Bikini vom letzen Jahr. Doch Moment! Ob der nach den üppigen Weihnachtsfeiertagen und nach diesem langen Winter überhaupt noch passt? Falls nicht, hilft da nur Folgendes: sich entspannen, sich darüber freuen, dass man es sich im Winter hat gut gehen lassen – und im Sommer bei Bedarf einen neuen kaufen! Vielleicht fragen Sie sich jetzt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe, Ihnen das zu empfehlen, raten doch sämtliche Frauenzeitschriften im Moment ganz anderes. Die Überschriften sind eindeutig: „20 Pfund weniger bis Ostern“, „Blitz-Diät“, „Ananas-Diät“, „Schlank mit Trennkost“ und und und … Zwar sind wir gerade in der Fastenzeit, aber diese Überschriften haben meiner Ansicht nach wenig mit religiösem Fasten oder Heilfasten zu tun.

Die große Mehrheit der Frauen in Deutschland und zunehmend auch der jungen Mädchen kennt sich mit Diäten aus; das ist keine ganz neue Erkenntnis. Doch wozu dient ihnen dieses Wissen eigentlich? Natürlich, um abzunehmen, ist doch klar! Wirklich? Die meisten dieser diätfreudigen Frauen und Mädchen haben keinerlei gewichtsbedingte Krankheiten, die aus medizinischer Sicht eine Diät erforderlich machen würden. Warum also dann überhaupt abnehmen? Glauben sie etwa, sie seien nicht schön, so wie sie sind? Geht es um den Sieg über die Figur und den blöden Bikini vom letzten Jahr? Oder doch um etwas ganz anderes? Eine Diät bindet – vom Geld ganz zu schweigen – viel Zeit und Energie. Für die eigentlichen Themen im Leben bliebe dann nicht mehr viel und so könnte man sich mit einer Diät wunderbar davon ablenken kann …

Unter gewissen Umständen kann eine Diät sogar gefährlich werden. Bei nicht wenigen an Magersucht erkrankten Frauen und Mädchen standen nämlich solche Abnehmbemühungen am Beginn ihrer Krankheit. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Begebenheit mit Ihnen teilen, die mich sehr berührt und bewegt hat.

Vor ein paar Wochen bekam ich folgende SMS: „Hallo liebe Fabienne, wie geht es dir? Ich bin demnächst bei dir in der Nähe. Hast du vielleicht Zeit und Lust auf ein Treffen? LG Nina“

Nina. Ich hatte lange nichts mehr von ihr gehört. Kennengelernt hatten wir uns im Herbst 2014. Sie war zu der Zeit stationär in Behandlung, denn Nina war akut an Magersucht erkrankt. Die Krankheit hatte kaum etwas von ihr übrig gelassen. Sie war noch ein Schatten ihrer selbst, ein Häufchen Elend, nur Haut und Knochen. Verzweifelt, mutlos, traurig. Wir haben viel miteinander gesprochen. Über ihr Leben, ihre Eltern, den tragischen Tod ihrer Mutter, ihren hartherzigen Vater, dem sie nie irgendetwas hatte recht machen können und über ihren Beruf, der sie unglücklich gemacht und emotional ausgehöhlt hatte.

Ich schrieb ihr zurück: „Liebe Nina, schön von dir zu hören! Klar, können wir uns treffen. Wann und wo würde es dir denn passen? LG Fabienne“

Als Nina einige Tage später in das Café trat, in dem wir uns verabredet hatten, hätte ich sie fast nicht wiedererkannt, so unbeschreiblich war ihre Veränderung. Aus dem kaum 40 kg ‚schweren’ Häufchen Elend war wieder eine wunderschöne Frau mit ganz normaler Figur geworden. Das Haar voll und lockig, mit glänzenden grünen Augen und einer warmen und festen Umarmung. Im ersten Moment war ich so sprachlos, dass wir beide lachen mussten.

Und wieder gab es sehr viel zu erzählen. Ninas Vater, ihr Gewicht und der Job bei der Bank waren allerdings kein Thema mehr. Stattdessen berichtete Nina freudestrahlend, dass sie eine private Umschulung zur Fotografin gemacht habe und demnächst eine Fotoreise nach Kanada machen würde. Die einzigartigen Momente des Lebens zu erkennen und festzuhalten, mache ihr unglaubliche Freude. Zwar verdiene sie nicht annähernd so viel wie damals bei der Bank, aber es funktioniere und sie sei damit tausendmal glücklicher.

Nach ihrer stationären Therapie war Nina noch eine ganze Zeit ambulant in Behandlung gewesen. In dieser Zeit war ihr sehr viel klar geworden.

„Ich verstand, wie ich jahrelang an mir selbst vorbei gelebt habe. Und auch wie hart ich zu mir selbst gewesen bin. Ich habe alles entbehrt, wonach ich mich im Grunde mein ganzes Leben sehnte: Liebe, Zuwendung, Freude, sich angenommen fühlen. Und dann hörte ich auch noch auf zu essen. Ich gab mir nichts mehr. Ich war mir nichts wert. Doch damit ist nun zum Glück Schluss! Ich habe wieder angefangen zu essen und die Dinge zu tun, die mich mit Freude und Wärme erfüllen. Und das fühlt sich so unglaublich richtig und gut an. Es ist, als hätte ich endlich angefangen zu leben.“

Das von ihr zu hören, und vor allem Nina so gesund und fröhlich zu erleben, hat mich tief berührt und riesig für sie gefreut. Als ‚Wiedersehensgeschenk’ hatte sie mir ein Fotobuch mitgebracht mit einer Auswahl ihrer Lieblingsaufnahmen.

„Und wann erscheint dein neues Buch?“, fragte mich Nina.

Eine berechtigte Frage. Immerhin hatte ich Nina für das Buch interviewen dürfen.

„Jetzt bald im Frühling. Passend zu unserem Wiedersehen. Denn den Frühling hast du ja mitgebracht“, war meine Antwort.

Sich selbst mit dem zu nähren, was uns als Mensch langfristig gesund und glücklich macht, scheint mir wichtiger zu sein, als die Frage, ob die Kleidung vom letzten Sommer noch passt. Und was die eigene Attraktivität anbelangt, um die sich anscheinend so viele Frauen sorgen, so darf ich Ihnen verraten: Nicht die Bikinigröße ist ausschlaggebend. Ich weiß nicht, ob es ihr selbst wirklich aufgefallen war, mir aber schon: Als Nina mit ihrer neuen lebensbejahenden Ausstrahlung das Café betrat, drehte nicht nur ich mich um.

 

D – wie didacta

Stuttgart – Hannover – Köln: Zwischen diesen drei Städten rotiert Europas größte Bildungsmesse, die didacta. In diesem Jahr präsentierten sich im Februar auf dem Messegelände in Stuttgart 900 Aussteller. Dazu gab es 1500 Veranstaltungen im Rahmenprogramm und etwa 90.000 Besucherinnen und Besucher. Warum also sollten nicht auch wir als Verlag uns einmal – neben Stifteherstellern, Möbelfirmen, Caterern, Spezialsoftwareanbietern und natürlich (Schulbuch-)Verlagen auf diesem großen Marktplatz zeigen, dachten wir uns im Jahr 2016, und buchten einen Stand.

Wer hat unser D geklaut?

Wer hat unser D geklaut?

Gesagt, getan. Das Aufbauteam fuhr nach Stuttgart und wir Daheimgebliebene harrten der Dinge, gespannt auf erste Meldungen und Fotos. Die ließen auch nicht lange auf sich warten – und sorgten für den ersten Schock. „Angewante Psychologie“? Eine neue Fachrichtung? Oder doch nur ein Fehler der Messebaufirma, die uns einfach kein D gönnen wollte? Und das auf einer Bildungsmesse! Vor dem inneren Auge sieht man förmlich Heerscharen von Lehrern vorbeiziehen, mit strengem Blick den Rotstift zücken und diesen Verlag kategorisch von der Liste streichen. Ganz so schlimm ist es glücklicherweise dann doch nicht gekommen. Über Nacht konnte ein D herbeigezaubert und der Makel beseitigt werden.

Wo auf der didacta sollten wir uns denn zeigen, mit unserem Buchangebot zu Training und Coaching und Themen wie NLP oder Gewaltfreie Kommunikation im Unterricht? Das fragten wir uns im Vorfeld und entschieden wir uns schließlich für die Halle „Berufliche Bildung“, in der auch uns nahestehende Weiterbildungsträger wie der DVNLP, die DGTA oder die DGSL zu finden waren. Doch berufliche Bildung ist ein weites Feld, was sich auch an der Heterogenität der Aussteller zeigte. Da waren Stände mit Schaltkästen und anderem technischen „Gedöns“ und neben Mikroskopen und Skeletten liefen 3-D-Drucker im Dauerbetrieb. Schulbuchverlage zeigten ihre Berufsschulbücher und auf der Bühne von Speakers Excellence ging es um Themen wie Motivation und Selbstoptimierung. Uns gegenüber warb die Firma Südwestmetall für ihre Ausbildungsgänge und eine Schülerfirma aus Balingen bot Magnetschilder an, wahlweise mit „Bundeskanzler“, aber auch mit „VFB Stuttgart“ bedruckbar.

Unterm Strich kann man sagen: Wir wurden gefunden und auch wahrgenommen, es gab Interesse an

Die Messe Stuttgart im Abendlicht

Die Messe Stuttgart im Abendlicht

unseren Themen und an unserem Infomaterial. Aber es gab auch viel Leerlauf und möglicherweise schaffte es nicht jeder potenzielle Interessent bis in die Zeile E. Es wäre sicher schön gewesen, die auf weitem Feld etwas versprengten Anbieter rund um Themen wie Coaching und Training etwas geschlossener zu positionieren; das wäre für viele Messebesucher sicher attraktiver gewesen. Aber: Nach der didacta ist vor der didacta. Für Hannover 2018 wäre das ja vielleicht ein anstrebenswertes Ziel.

Lösungen lauern überall – zum Tod von Bernd Isert

Bernd Isert (26.6.1951-21.1.2017)

Bernd Isert (26.6.1951-21.1.2017)

Am 21. Januar 2017 ist unser Autor Bernd Isert in Nigeria verstorben. Für alle, die ihn kannten, war diese Nachricht ein echter Schock. In einem Alter von 65 Jahren wird man angesichts unserer heutigen Lebenserwartung ja wirklich mitten aus dem Leben gerissen.

„Jeder, der ihn kannte, wird wertvolle und bleibende Erinnerungen mit ihm verbinden“, so heißt es in dem Nachruf von Michael H. Klein. Dem kann ich nur zustimmen. Dabei begann es mit uns beiden gar nicht so gut …

Bevor Bernd Isert Buchautor bei uns wurde, war er uns allen ein Begriff durch sein Mitwirken an der Zeitschrift MultiMind. Und dann kam er eines Tages in den Verlag, um uns sein Buchprojekt vorzustellen: Die Kunst schöpferischer Kommunikation. Doch von diesem ersten Schritt bis hin zum fertigen Buch sollte es noch ein langer Weg sein, der von Bernd Isert selbst durch immer neue Schleifen und Abzweige verlängert wurde. Dann endlich sah es so aus, als sollte das Buch druckreif werden. Mir wurde die Schlussredaktion übertragen, mit dem gut gemeinten Hinweis: „Zeigen Sie sich ruhig ein wenig von Ihrer unnachgiebigen Seite. Er will immer noch was verbessern und findet einfach kein Ende.“ Und diese Verbesserungswut lernte ich dann bald selbst kennen und was eigentlich eine knackige kurze Endrunde hätte sein sollen, entwickelte sich zu einer weiteren langen an meinen Nerven zehrenden Schleife. Da waren auf der einen Seite die Kunden, die nicht locker ließen, nach dem Erscheinungstermin zu fragen; und da war der Autor, der scheinbar alles dafür tat, diesen Termin in Richtung Unendlichkeit zu schieben.

Im Dezember 1996 war es dann endlich so weit: Das Buch kam auf den Markt. Hätte man mich damals gefragt, was ich denn so von Bernd Isert halte, hätte ich wohl etwas rumgedruckst oder gesagt: „Ach, frag mich lieber etwas anderes.“

Im März 1998 veranstalteten wir unseren 2. Junfermann-Kongress in Bad Lippspringe. Bernd Isert

Auf dem KS-Titelbild: Bernd Isert im Dschungel

Auf dem KS-Titelbild: Bernd Isert im Dschungel

zählte zu den Referenten und so hatten wir dann erneut miteinander zu tun. Aber diesmal lief es ganz anders. Ganz schnell fanden wir einen Draht zueinander und redeten oft und gerne, bei jeder passenden Gelegenheit. Er erzählte auch von seinen Reisen, z.B. wie er sich von Heilern hatte behandeln lassen. Nach Abschluss des Kongresses fuhr ich ihn noch zum Bahnhof. Da meinte Bernd Isert, er müsse mir unbedingt noch etwas sagen. Bei unserer Zusammenarbeit an seinem Buch habe er von mir das Bild einer strengen, schon etwas älteren Lehrerin gehabt, die den ungehorsamen Schüler abstraft. Dabei sei ich doch noch so jung und alles andere als streng. Sein Bild von mir habe sich komplett gewandelt. Nun, für mein Bernd-Isert-Bild galt das Gleiche.

Als wir uns im Jahr 2000 erneut in Bielefeld begegneten, war das für beide Seiten eine große Freude. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mit einer aus seiner Schultertasche herauslugenden Sonnenblume den Saal verlässt.

Und dann haben wir uns ja tatsächlich noch an ein neues Buchprojekt gewagt: Die Wurzeln der Zukunft, mit Klaus Rentel als Co-Autor. Der Abgabetermin für das Manuskript rückte näher … und es kam ein Anruf von Bernd Isert. Sein Laptop sei vom Tisch gefallen, die Platte kaputt, die Daten rettungslos verloren. Nein, keine Sicherungskopie. Seufz! – „Das kann nur Bernd Isert passieren“, dachte ich mir und war dann sehr froh, als sich doch noch etwas vom Manuskript retten ließ.

Und jetzt? Nie mehr Pleiten, Pech und Pannen. Vor allem aber: Ein so freundlicher und so liebenswerter Mensch ist von uns gegangen. Auch wenn ich in letzter Zeit nicht mehr viel mit ihm zu tun hatte: Ich vermisse ihn.

 

Great, big, fantastic: Wenn Narzissmus gefährlich wird …

„The Donald“ – Folgen des Narzissmus

Von Dr. Pablo Hagemeyer

Zurzeit versuchen viele Menschen „an der Oberfläche“ abzulesen, was dieses oder jenes Verhalten von „The Donald“ (Tenenbom 2016, Johnston 2016) wohl zu bedeuten habe. Und dabei kann man ein gewisses Anbiedern beobachten, denn Zuschreibungen wie „rasches Arbeitstempo“ (Horst Seehofer, SZ-Artikel vom 29.1.2017) oder „interessantes Experiment“ (Richard D. Precht bei „Jung & Naiv“) sind gefährliche Beschönigungen und verharmlosen das, was aus meiner Sicht als maligner (bösartiger) Narzissmus wissenschaftlich und faktisch definiert ist (nachzulesen bei dem berühmten Psychoanalytiker Otto Kernberg [2016], der 1928 geboren und somit einer der wenigen Überlebenden der Shoa ist). Noch zu vage ist da die Aussage von Journalist Elmar Theveßen (2017): „Psychologen glauben, bei Trump einen bösartigen Narzissmus zu erkennen.“ Psychiater und Psychologen messen und erfassen „Zahlen, Daten, Fakten“ aufgrund wissenschaftlicher Methoden und fundierter persönlicher Erfahrungen im Fachgebiet. Psychologen glauben also nicht, sie haben zuverlässige Werkzeuge zur Erhebung wichtiger Parameter (z. B. Fragebögen zu Psychopathie oder Kriterien nach DSM oder ICD). John Gartner, Psychotherapeut in New York und Baltimore, brach als einer der Ersten das Schweigen und beschrieb POTUS Donald Trump als einen malignen Narzissten. Er gründete eine Facebook-Gruppe sowie eine Petitionsgruppe: „Trump is mentaly ill and must be removed“ (2016).

Aber was bedeutet eigentlich Narzissmus? Was ist ein narzisstisch „gestörter“ Mensch? Ich möchte versuchen, 100 Jahre Narzissmus-Forschung in ein paar Zeilen zusammenzufassen. Dafür werde ich psychologische Sichtweisen zusammentragen, die Narzissmus beschreiben: Ursachen, Wirkung auf und Folgen für andere Menschen, die mit einem Narzissten zu tun haben, und wie mit einem Menschen mit narzisstischer Störung umzugehen sei. Und warum es schwer für Narzissten ist, die Wahrheit auszusprechen, und sie deshalb in Folge „verbrannte Erde“ zurücklassen. Denn bösartiger Narzissmus hat weitreichendere Auswirkungen als oftmals angenommen: Er zerstört Menschlichkeit, Empathie und soziale Strukturen.

Für den ausgeprägten Narzissten gibt es nur die eine Welt, nämlich die eigene. Es gilt nur seine Wahrnehmung, nur die eine Wahrheit: seine eigene. Narzissten haben kein Mitgefühl, weil sie kein Konzept des Andersdenkenden haben. Narzissten haben kein Selbstmitgefühl. Sie operieren nach einem neu erschaffenen Konzept (Pseudo-Selbst, Größen-Selbst, z. B. nach Kohut), seit Jahrzehnten erfolgreich in ihnen gefestigt. Orientiert an Idealen wie Größe, Perfektion, Erfolg, Liebe, Schönheit oder Glück und Reichtum, die aber in einem unrealistischen Maß eingefordert werden. Die Ausrichtung an diesen übersteigerten Idealen überdeckt die tief im Inneren liegenden Verletzungen und die Trauer, überdeckt das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit und die Mangelzustände. Narzissmus ist wie eine seelische Geheimorganisation. Bedroht Kritik ihr Überleben, zeigt sie sich plötzlich – und schonungslos: Gerät eine narzisstische Seele unter großen Druck, reagiert sie mit zerstörerischer Wut.

Woher kommt diese Wut? Dieser tiefe Zorn ist der des Kindes, das der Narzisst einst war. Jeder Mensch durchläuft in seiner psychologischen Entwicklung sensible Phasen (Freud in Fromm 1984, Kohut 1976, Balint 1960). In diesen erkennt das heranwachsende Kind eigene Mängel. Das schmerzt. Es zerstört tief im Innersten ein erträumtes kindliches Paradies. Erschüttert den kindlichen Glauben an die eigene Allmacht und Sicherheitsfantasien. Jungs sind hier leichter verletzbar als Mädchen. Kränkung, Enttäuschung und Entwertung sind die heftigen Gefühle in der Seele des Kindes. Normalerweise gelingt es dem psychisch gesunden Kind, in einer normalen sozialen/familiären Umgebung diese Schwelle zu bewältigen. Wird die Verletzung des Kindes selbst erkannt, verortet es sich in der Normalität: Ich mag mich mit meinen Schwächen und mit meinen Stärken. Dann meistert es diese Selbstwert-Schwelle. Bekräftigt wird diese Botschaft an das Ich durch die positive Verstärkung der Bezugspersonen: Du bist okay! Wird das Kind wegen seiner Schwächen und Defizite nicht mehr geliebt, weniger gemocht, als doof ausgegrenzt oder in seinem Leiden als schwach ignoriert, durch Eltern, Freunde, Geschwister oder andere nahe Bezugspersonen, festigt sich folgende Überlebensstrategie in der jungen Seele: Nur wenn ich ständig nach Höchstleistung und nach großen Idealen strebe, bekomme ich die Anerkennung durch Zuwendung und Liebe von anderen Menschen und habe das Gefühl, wertvoll und geliebt zu sein. Ich werde bekämpfen, was diesen Masterplan bedroht, und ich werde strebsam das verfolgen, was mir Anerkennung verspricht. Denn ich glaube daran, dass es das Ideal gibt, ich will es erreichen und damit meine eigenen Schwächen bedecken und verkleinern. Ich will weder doof noch schwach sein. Nie mehr im Leben will ich entwertet, gedemütigt oder so verletzt werden wie zu jener Zeit, als ich ein kleiner Junge war.

Fortan, nach diesem starken Versprechen dem eigenen Selbst gegenüber, wächst in der Psyche dieses Menschen ein Programm heran, das die eigenen Schwächen verdeckt und ein umso größeres, strahlenderes und erfolgreicheres Selbst wachsen lässt. Dieses zweite Selbst wird eine vom schwachen Selbst neu konstruierte Realität (Kohut 1976, Altmeyer 2000). Dieses zweite größere Selbst, ein künstlich erschafftes Selbst, umgibt wie ein großer Mantel den einsamen, verkümmerten und trauernden, wütenden „Kern“.

Im Laufe der weiteren Entwicklungsjahre findet Wachstum statt. Der Mensch reift, wird im Beruf erfolgreicher, gründet eine fantastische Familie. Der narzisstische Mensch strebt fortan nach Anerkennung und Bestätigung für das größere Selbst, während ihn im Innersten der „alte“ Zweifel antreibt. Obwohl schon alles da ist, was für ein sehr gutes Leben nötig wäre. Denn da ist diese Gier. Und der Stolz. Immer mehr wird dieses Super-Ich zur gelebten Realität, und bald ist das innere kleine Ich vergessen. Unbewusst und unbemerkt festigt sich das Selbst in diesem großen Pseudo-Selbst.

Narzissten umgeben sich gern mit anderen Narzissten, um als Gruppe noch erfolgreicher zu sein. Sie finden sich in Gemeinschaften zusammen, die nach Erfolg und anderen Idealen streben, hungrig nach Anerkennung, durstig nach Bestätigung. Meist in solchen gesellschaftlichen Strukturen, die assoziiert sind mit Erfolg, Reichtum, Anerkennung und Bestätigung. Strukturen wie sie große Firmen bieten. Stark hierarchisierte Strukturen. Auch in der Medizin sind viele Narzissten anzutreffen, in Vorständen von Unternehmen, im Bankenwesen – in all jenen Strukturen also, in denen es um etwas geht, das letztendlich unerreichbar ist: um fragliche Ideale, die gnadenlos und gierig verfolgt werden.

An dieser Stelle lohnt es sich, zu differenzieren. Denn (gesunder) Narzissmus gilt als eine der stärksten Triebfedern, um auch im besten und guten Sinne erfolgreich zu sein (Fiedler 2000). Zum (gesunden) Narzissmus gehört der Ehrgeiz, Talente auszubilden und nach Verbesserung zu streben. Aber was lehren uns die Geschenke der Begabung und der Talente? Im Loslassen und Sichhingeben besteht der einzige Einstieg in wahre Größe. „Heldenhaftes“ Handeln wird erreicht, wenn sich der Mensch für Größeres hingibt, das über ihn hinausreicht (Campbell 1999). Dankbarkeit, Demut und Gnade sind die Tugenden, die zu wahrer Menschlichkeit gehören, ebenso wie Liebe, Mitgefühl und Schutz für die Schwächeren. In der Begegnung (Buber 2005). All diese Eigenschaften sind dem stark narzisstischen Menschen fremd. Denn dieser lebt ausschließlich im Selbstbezug. Aus sich heraus entwirft er einen Maßstab, der für die Welt gelten soll, entwirft er die ganze Welt. Statt sich dem Maßstab des Normalen anzupassen, dreht die narzisstische Person den Spieß um und überhöht sich, stellt sich über die Norm. Was andere als Norm wahrnehmen, existiert für den Narzissten nicht. Die Wahrnehmung der Realität ist durch das Strahlen und Glänzen des eigenen großen Selbst gestört. Das eigene Selbst strahlt wie eine große Sonne, in dessen Umfeld vor lauter Licht kein Schatten ist. Narzissmus ist die Störung, an der andere mehr leiden als der Narzisst selbst. Sie ist synton und daher ist der Narzisst blind für seine Störung.

Beobachtungen aus Großunternehmen zeigen, wie narzisstische Führungspersonen, die zunächst Großes versprechen, nach ihrem Ausscheiden zerstörte unternehmerische Strukturen zurücklassen (Beispiel Winterkorn und der VW-Abgasskandal). „Starke“ Persönlichkeiten wie die narzisstischen werden hofiert und gefördert. Nur selten kommen „Industrie-Patienten“ (Angestellte, auch in Leitungspositionen, die durch zu hohe Leistungserwartungen ihrer Unternehmen psychisch erkranken; Michael Seyfried 2016, persönliche Mitteilung) zu der Einsicht, dass Narzissmus zerstört und eben kein Garant für Wachstum ist. Denn im Umfeld strahlender Selbstbezogenheit gedeihen nur weitere narzisstische Menschen und ebensolche Verhaltensweisen: keine Empathie, keine (Selbst-)Reflexion, keine Fehlerkultur, keine Offenheit für das Anderssein. Alles, was nicht in diese eine Welt der Selbstbezogenheit passt, wird aufgegeben, verlassen und ausradiert. Auf der Strecke bleiben sensible, empathische, leidende Menschen. Menschen mit anderen Neigungen und Stärken werden im Licht der Selbstbezogenheit nicht mehr gesehen.

So weit, so „gut“. Narzissmus ist also ein starkes Überlebensprogramm (Fiedler 2000, Sulz 2003). Und tatsächlich werden selbstbewusste Menschen von anderen Menschen idealisiert. Viele Menschen, die schwach und ratlos sind, stellen den Narzissten auf ein Podest. Bewundern dessen Charakter, dessen Stärke, Robustheit, Größe, Erfolg, Reichtum. Es folgen Anerkennung und Würdigung dieser „Leistungen“. In geschlossenen Systemen, wie es Unternehmen sind, funktioniert das bisweilen.

Auch „The Donald“ wurde erfolgreich, auch er wird von seinen Anhängern bewundert, weil er Menschen einstellte und für sich zu nutzen wusste, die „klüger als er waren“ (Kiyosaki 2011), und so Reichtum anhäufen konnte. Und weil er mit dem Geld seiner Familie „im eigenen Sandkasten“ weiterspielen durfte. Dieses „Sandkastenspiel“ ist typisch für den Narzissten: Wehe, ein anderer Junge will mitspielen! Nur der darf mitspielen, der nach den Regeln des „Sandkastenclubs“ spielt. Spielt jemand gegen diese Regeln, fliegt er raus. Ganz gleich, ob es eine gute Zeit des Miteinanderspielens gab. Nur Mitspieler, die die Art des Narzissten zu spielen anerkennen und toll und super und großartig finden, sind eingeladen mitzuspielen: Eine Einladung zur Unterwerfung vor dem größeren Narzissten, um in seinem Glanz ebenfalls ein wenig zu glänzen und mitzuspielen (Wardetzki 2001).

Die Freude, dabei sein zu dürfen, ist zunächst groß und von Erfolg gekrönt (Musk & Vance 2015). Nur, was geschieht, wenn sich zu dieser Überlebensstrategie noch andere Narzissten gesellen, die andere Ideale verfolgen? Etwa Rassismus? Bliebe der Narzissmus in einer leichten bis mittleren Ausprägung, wäre damit gut umzugehen. Doch „übersteuert“ die narzisstische Selbstbezogenheit, wachsen narzisstische Sehnsucht und Streben nach Idealen, wird diese Kraft mehr und mehr zerstörerisch, weil inhuman. Die komplizierte, vielfältige menschliche Natur wird durch die Ausrichtung an einem einzigen idealisierten Maßstab, die dem Narzissten eigen ist, radikal vereinfacht. Die Ausrichtung auf einen einzigen idealisierten Glauben oder auf eine einzige idealisierte Rasse oder Wahrheit zerstört die wundervolle Vielschichtigkeit der menschlichen Natur. Nur liegt dem einseitigen Geist des Narzissten dies besonders. Die Welt im Sandkasten ist einfach. Und die simplifizierte Weltsicht eines Donald Trump offenbart das Defizit, nicht über den Zustand des spielenden Kindes im Sandkasten hinausgekommen zu sein. Statt das Leben als Geschenk zu sehen und es mit Liebe und Güte zu bewältigen, gerät der narzisstisch verwaiste Mensch bereits bei normalen Schwierigkeiten in einen Überlebenskampf.

Weil die Ideale des Narzissten einfach und wenig differenziert sind – great, big, fantastic –, ähneln sie naiven und wahnhaften Denkmustern. Es sind irrationale Annahmen, die durch nichts – nicht durch Fakten, nicht durch Vernunft – korrigiert werden. Brutale Ahnungslosigkeit. Postfaktisch und alternativfaktisch sind die rhetorischen Ausweichmanöver, um die narzisstische selbstbezogene Wahrheit nicht zu gefährden. Narzissmus erzeugt aus sich heraus Feindbilder. Jeder und alles ist Feind, der bzw. das diese eine, auf reine Selbstbezogenheit begründete Wahrheit infrage stellt. Was glauben Sie, warum der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der mächtigste Mann der Welt, über die Zuschauerzahlen bei seiner präsidialen Inauguration diskutiert?

Kritik ist keine Zerstörung, wie der Narzisst meint. Kritik ist einfach nur Feedback. Doch ein Narzisst oder jemand mit narzisstischen Zügen wird sich bis aufs Äußerste verteidigen und rechtfertigen. Nicht einen Mikrometer an erobertem Land wird der Narziss im Diskurs abgeben. Seine Schwäche wird er hinter einem Zorneswall verbergen. Wehe dem, der sich dem Kern des Narzissten nähert! Das ist ein Sakrileg. Das schwache, verletze und hilflose ICH verbirgt sich tief im Inneren und scheut das Licht. Daher wird ein Angriff auf den Narzissmus mit einem heftigen Gegenangriff gekontert. Zerstörerisch. Total und absolut. Wie peinlich wäre es, wenn das kleine Ich wegen einer Banalität enttarnt werden würde?! Wenn dieses kleine Würmchen wieder ans Licht geholt und es erneut ausgelacht werden würde?!

Eine gute Chance, dieses narzisstische Modell aufzugeben, haben jene Narzissten, die sich selbst als solche erkennen. Diejenigen, die reflektieren. Solche, die ihre Lebenskraft für „das Gute“ einsetzen, ohne ständig mit ihrem Umfeld oder mit sich selbst zu hadern. Sie haben noch genügend Selbstliebe für sich und Liebe für die anderen Menschen, um ihr eigenes grenzüberschreitendes und einnehmendes Verhalten zu erkennen und gegenzusteuern. Denn sie können die Zeichen lesen, die ihnen andere Menschen geben. Ein „netter“ Narzisst, den vielleicht jeder etwas in sich hat, bemerkt sein Fehlverhalten, weil er hinhört, hinsieht und wahrnimmt. In solchen Fällen sind andere Menschen, die den „Betroffenen“ (behutsam und nicht verletzend) einen Spiegel vorhalten, wichtig, sie tun dem reflektierten Narzissten einen Gefallen. Dieser bekommt die Chance, sein Verhalten zu verändern, sich zu transformieren und sich für das Leben zu befreien (Campbell 1999). Die Heilung des Narzissten liegt darin begründet, die ständige Bewertung der Welt und der eigenen Person aufzugeben. Narzissmus ist die Selbstwertstörung schlechthin. Der kleine Junge steckt fest, schlafwandlerisch, in dem Bemühen, sich und andere nach einem Wert einzuteilen. Folglich gibt es Wertvolles und Wertloses. So zu denken wirkt nach innen und nach außen. Im Inneren kauert das als wertlos fixierte Ich, verborgen unter dem wertvollen, golden glänzenden Konus des Größenselbst. Außerhalb des Selbst, dort sind die Menschen, die das Selbst bewerten.

Wird das narzisstische Modell nicht aufgebrochen, etwa durch das Aufgeben ständiger Bewertung, setzt sich der Narzissmus wie oben beschrieben fort.

Ob unsere Kultur der Bewertung – wie sie nun mal einer Leistungsgesellschaft innewohnt – die Keimzelle des Narzissmus und die Nahrung des Narzissmus ist? Ich meine: Ja. Schaffen wir das ständige Bewerten ab! Tauschen wir es aus durch Menschlichkeit, durch echte Begegnung und Hilfestellung. Akzeptieren wir, nicht perfekt zu sein und noch nach archaischen Regeln zu funktionieren (Buss 2014). Fügen wir uns ein in den natürlichen Lauf der Dinge. Erforschen wir die menschliche Natur und das Leiden des Menschen. Zollen wir denen Respekt, die sich darum bemühen, das Leiden zu verringern. Und würdigen wir die Menschen unter uns, die am meisten leiden. Statt sie zu „entwerten“.

Dies würde auch bedeuten, mit einer solchen humanen Einstellung dem Narzissten gegenüberzutreten, das verletzte Kind in ihm zu sehen. Nicht zuletzt der Fall Donald Trump macht deutlich, wie schwer das werden kann. Wie ist also umzugehen mit den Narzissten, die sich nicht erkennen und folglich nicht „zum Sozialen“ ändern? Warten, bis sie im eigenen Spiegelbild ertrinken? Wie der mythologische Narziss, dessen schönes Antlitz sich auf der Wasseroberfläche spiegelte, als er am Ufer des Sees hockte. Und der nicht erkannte, dass dieser hübsche Jüngling im Wasser er selbst war. Und vor lauter Sehnsucht nach diesem Jüngling, vor lauter Liebe für dieses Abbild, in den See glitt und ertrank. Hierauf zu vertrauen, vor allem bei „The Donald“, wäre naiv und unverantwortlich. Was „The Donald“ in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft bereits zerstört hat, ruft weltweit Protest hervor. Die Proteste der Verlierer dieser Wahl sind stark, potenziert durch die sozialen Medien. „The Donald“ ist gewählt und setzt an. Nach seinem Weltbild. Aber durchaus auch nach dem Weltbild von Millionen von Amerikanern, die ihn bewundern, die seinen Narzissmus mittragen. Gegen das Weltbild von Millionen anderer Amerikaner. Narzissmus polarisiert. Die Fantasie eines kleinen wütenden Jungen wird zur Wahrheit von Millionen. Es ist schwer, damit umzugehen.

Aus meiner klinischen Arbeit mit Narzissten weiß ich, dass die sogenannte paradoxe Intervention hilft: Lob den Narzissten! Nur dann ist er besänftigt und seine Wut flaut ab. Erst wenn der Narzisst beruhigt ist, vermag er mit dem Therapeuten zu arbeiten. Nur so bekommt man einen Fuß in seine Tür. Als Psychologe erkenne ich also, wer da zu mir spricht: Es ist der kleine, wütende, verletzte und traurige Junge, der ganz viel Liebe und Anerkennung braucht (Dieckmann 2011). Aber ist das im Falle Trump machbar? Ihn, diesen „Little Donald“, zu trösten und seine Aufmerksamkeit auf Selbstempathie und Selbstliebe umzulenken, ihn dazu zu bringen, das Werten und Bewerten aufzugeben, sich nicht mehr an unreifen Idealen zu orientieren, sondern alles loszulassen, was „great, greater und am greatesten“ ist, wäre eine therapeutische Strategie.

Leider bewirkt die narzisstische Struktur genau das Gegenteil in uns, die sich im Umfeld des Narzissten befinden. Damit kommen wir zum Drama und Schicksal des nichtkorrigierbaren Narzissmus. Er greift um sich, solange der Narzisst denkt, er tue der Welt da draußen etwas Gutes. Und er agiert so lange, bis er genau das zurückgemeldet bekommt. Talkshows und Nachrichtensender aufgepasst! Die Medien werden nicht mehr hinterherkommen, über Donald Trump zu berichten, so viel wird er produzieren. Und der Zweck besteht allein darin, den inneren kleinen Wurm zu trösten. Dem verhunzten Mini-Ich zu sagen: „Schau, fein gemacht!“ Das Mini-Ich ist gierig nach Anerkennung.

Hier wird übrigens auch der wichtige Aspekt der Manipulation überdeutlich. Durch Manipulation erreicht Trump sein mediales und juristisches Überleben: „Die Kombination dieser Strategien – Verzerren von Tatsachen und Ablenken bei Fragen nach der Vergangenheit – sorgt dafür, dass Trumps sorgfältig gepflegtes öffentliches Image keinen Kratzer erleidet“ (Johnston 2016). Seine Aussagen wirken oft zerfahren. Doch damit lenkt er geschickt den Fokus weg vom Vorwurf hin zu einem belanglosen, erfundenen oder vorgeschobenen Ausweichthema. „The Donald“ schaue intensiv Fernsehen, heißt es, und verfolge die Berichterstattung über sich. Gefalle die ihm nicht, dann werde er aktiv, um von unangenehmen und ihn persönlich bedrohenden Tatsachen öffentlich abzulenken: „Trump (…) manipulierte die Berichterstattung, indem er den Medien eine einfache, verwertbare Story lieferte und sich dabei zunutze machte, dass die meisten Journalisten einfach wiederholten, was ihnen gesagt wird, oft ohne irgendwelche Kenntnisse über die Rechtslage oder die Praxis der Behörden zu haben“ (Johnston 2016). Überfluten wird er die Medien mit logorrhoischen Ausscheidungen, analog zu Helmut Dietls Paradenarzisst in der TV-Serie Kir Royal aus dem Jahr 1986.

Umgeben von anderen unreflektierten Narzissten, die sich gegenseitig in größere und höhere Sphären katapultieren, wächst im Zentrum der US-amerikanischen Macht eine multiple-narzisstische Gestalt heran, dessen Ausmaß an Veränderung, das sie mit sich bringen wird, nicht abzusehen ist.

Nach meinen Praxiserfahrungen zu urteilen, ahne ich nichts Gutes. Ob die Katastrophe ein Reflex des Zorns sein wird, ein Impulsausbruch dieser vielen kleinen wütenden Jungs, die jetzt dort regieren, ich weiß es nicht. Ob es ein gnadenloses Durchsetzen der primitiven und ärmlichen Wahlversprechen geben wird, nur um die eigene Existenz zu untermauern? Ich fürchte ja. Auf Kosten menschlicher Moral, Mitgefühl und Empfindsamkeit. Die kommenden Jahre werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ein chaotisches Desaster bringen, und wir werden noch Jahrzehnte daran zu laborieren haben, es wieder zu ordnen. „The Donald“ und sein Größenselbst sind darauf erpicht, interessant zu bleiben (Iglesias 2011). Das ist eine gute Story für ein Drehbuch, nicht für die Realität. Es bleibt mir momentan nur übrig, mit den Worten Bob Dylans zu schließen: „Kommt also, versammelt Euch Leute, wo auch immer ihr Euch rumtreibt, und gebt zu, dass das Wasser um Euch gestiegen ist.“

Times they are a-changin‘ – Zeiten ändern sich.

 

Hagemeyer_Pablo  Über den Autor

Dr. Pablo Hagemeyer ist Psychiater und Psychotherapeut in eigener Praxis in Weilheim. Er hat die Texte zur Hörfreund-CD-Reihe entworfen, die verschiedene hypnotherapeutische Fantasiereisen zur Entspannung umfasst, gelesen von Schauspieler Hans Sigl.

Im April erscheint sein Buch Fantasiereisen: Aufbau, Dramaturgie und effektiver Einsatz in der Psychotherapie im Junfermann Verlag.

 

 

Literatur

Altmeyer, Martin (2000): „Narzißmus, Intersubjektivität und Anerkennung“. Psyche. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen, 54/2000 (Heft 2).

Balint, Michael (1960): „Primary narcissism and primary love“. The Psychoanalysic Quarterly, Band 29, S. 6–43 (Dt. [1969]: „Primärer Narzissmus und primäre Liebe“, Jahrbuch der Psychoanalyse, Band 1, S. 3–34).

Buber, Martin (2005): Ich und Du. Gütersloher Verlagshaus.

Buss, David (2014): Evolutionary Psychology: The New Science of the Mind. Routledge.

Campbell, Joseph (1999): Der Heros in tausend Gestalten. Insel.

Coelho, Paulo (2008): Der Alchimist. Diogenes

Dieckmann, Eva (2011): Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung mit Schematherapie behandeln. Klett-Cotta.

Fiedler, Peter (2000): Integrative Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen. Hogrefe.

Fromm, Erich (1984): Sigmund Freuds Psychoanalyse. Größe und Grenzen (3. Auflage). Dtv, S. 48–58.

Gartner, John (2005): The Hypomanic Edge: The Link between (a Little) Craziness and (a Lot of) Success in America and In Search of Bill Clinton: A Psychological Biography. Simon & Schuster.

Iglesias, Karl (2011): Writing for Emotional Impact: Advanced Dramatic Techniques to Attract, Engage, and Fascinate the Reader from Beginning to End. Wing Span.

Johnston, David Cay (2016): Die Akte Trump. Ecowin.

Kernberg, Otto (2016): Hass, Wut, Gewalt und Narzissmus. Kohlhammer.

Kiyosaki, Robert T. (2011): Rich Dad, Poor Dad. Finanzbuchverlag.

Kohut, Heinz (1976): Narzissmus. Eine Theorie der psychoanalytischen Behandlung narzißtischer Persönlichkeitsstörungen. Suhrkamp.

Kohut, Heinz (1979): Die Heilung des Selbst. Suhrkamp.

Musk, Elon & Vance, Ashley (2015): Elon Musk – Wie Elon Musk die Welt verändert: Die Biographie. Finanzbuchverlag.

Perls, Frederick S., Goodman, Paul & Hefferline, Ralph F. (1979): Gestalttherapie: Grundlagen. Dtv.

Sulz, Serge (2003): Als Sisyphus seinen Stein losließ. CIP Medien.

Tenenbom, Tuvia (2016): Allein unter Amerikanern. Suhrkamp.

Wardetzki, Bärbel (2001): Weiblicher Narzissmus. Der Hunger nach Anerkennung. Kösel.

Zopf, Siegfried (1985): Narzissmus, Trieb und die Produktion von Subjektivität. Stationen auf der Suche nach dem verlorenen Paradies. Springer.

 

Onlinequellen

Cohen, Eliot A.: „Trump wird an Amerika scheitern“. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.01.2017, einzusehen unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/zeitenwende-im-weissen-haus-trump-wird-an-amerika-scheitern-14795524.html?GEPC=s5

Dietl, Helmut (1986): Kir Royal. Aus dem Leben eines Klatschreporters (Film). Drehbuch: Helmut Dietl und Patrick Süßkind; Regie: Helmut Dietl. Szene mit Mario Adorf: „Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld!“, einzusehen unter: https://www.youtube.com/watch?v=LdQyQLs2THM

Hank, Rainer & Meck, Georg: „Entehrt. VW-Abgasskandal“. Frankfurter Allgemeine vom 27.9.2015, einzusehen unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vw-abgasskandal/vw-abgasskandal-entehrt-13825462.html

Teutsch, Katharina: „Streichle dich selbst! Ist Narzissmus eine Störung“. Frankfurter Allgemeine vom 14.7.2012, einzusehen unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ist-narzissmus-eine-stoerung-streichle-dich-selbst-11820624.html

Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF Elmar Theveßen kommentiert die aktuelle Politik von US-Präsident Trump (30.01.2017), einzusehen unter: https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/kommentar-thevessen-100.html

Die von John Gartner mitbegründete Petitionsgruppe mit dem Titel: „A society dedicated to the proposition that Donald Trump is too seriously mentally ill to competently discharge his duties as president and must be removed according to the 25th Amendment“ kann eingesehen werden unter https://www.change.org/p/trump-is-mentally-ill-and-must-be-removed?recruiter=21702147&utm_source=share_petition&utm_medium=facebook&utm_campaign=share_for_starters_page&utm_term=des-xs-no_src-no_msg

Interview mit Richard David Precht bei „Jung & naiv“ mit Tilo Jung, einzusehen unter: https://www.youtube.com/watch?v=yHLK8sXITiM

SZ-Artikel: „Seehofer schwärmt von Trumps Arbeitstempo“, einzusehen unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/csu-seehofer-schwaermt-von-trumps-arbeitstempo-1.3354784

 

 

Kinder brauchen Bindung

Hilfe für Alleinerziehende?

Von Bianca Olesen

In meiner Praxis für Psychotherapie arbeite ich mit Einzelklienten, Gruppen und immer wieder gerne auch mit Familien.

Ein häufiger Anlass, meine Praxis zu besuchen, ist Erschöpfung. Mancher nennt es Burnout, mancher erlebt vorwiegend den depressiven Anteil dieses Zustandes, die Angst oder die körperliche Komponente – oder auch die daraus resultierenden Beziehungsschwierigkeiten. Allen gemein ist aber die zugrunde liegende starke Überforderung und die Idee, mehr leisten zu müssen, sich noch mehr anzustrengen, und die in Folge auftretende tiefe Erschöpfung. Viele kommen also zu mir, um Wege aus der Überforderung zu finden. Eine Gruppe von Menschen, die davon häufig betroffen sind, sind Alleinerziehende.

Neulich habe ich Lisa kennengelernt. Lisa leidet wie viele ihrer Generation unter dem Schicksal, alleinerziehend zu sein. Lisa ist schwer erschöpft davon, sich allein zu fühlen, alles alleine bewältigen zu müssen, und hat deswegen zunehmend auch soziale Probleme: Sie schafft es nicht mehr, die Leistung zu erbringen, die man von ihr erwartet. Das setzt Lisa unter Druck, sie fühlt sich zunehmend minderwertig, zweifelt an sich und fragt sich immer häufiger, was mit ihr nicht stimmt. Dass etwas mit ihr nicht stimmt ist klar, so die anhaltende Resonanz ihres Umfeldes. Lisa fühlt sich falsch, und sie weiß nicht, wie sie es schaffen kann, richtig zu sein. Aus dieser Unsicherheit heraus fällt es ihr immer schwerer, sich sozial einzufügen, sich angemessen zu verhalten im Umgang mit anderen, egal ob groß oder klein. Denn Lisa ist eigentlich ständig traurig und gereizt. Das ganze Dilemma beschäftigt sie Tag und Nacht, sie schläft schlecht, sie träumt schlecht und leidet unter Kopf- und Bauschmerzen. Und auch damit fühlt sie sich: allein.

Ich erlebe Lisa ratlos. Und sie steckt bereits in einem Teufelskreis: Was sich ihr Umfeld von ihr wünscht, ist nicht nur, dass sie mehr leistet, sondern dass sie wieder präsenter ist und zugänglich. „Schwingungsfähig“ würden wir das fachsprachlich nennen, emotional ansprechbar. Gerade das kann Lisa aber nicht erreichen, wenn sie sich anstrengt, um den anderen wieder besser zu gefallen. Und vor lauter Anstrengung erschöpft sie sich immer mehr.

Lisa erlebt also den klassischen Werdegang überforderter Menschen: vegetative Übererregung und Gereiztheit, Unverständnis des Umfeldes und daher fehlende Unterstützung, Hilflosigkeit und schließlich sozialer Rückzug bis zur Isolation.

Ihr Umfeld beschreibt sie als schwierig und widerständig und beginnt, sich von ihr abzuwenden.

Als Alleinerziehende muss Lisa zudem schwierige Fragen des Alltags alleine beantworten und wichtige Entscheidungen alleine treffen. Je weniger nützliche Vorerfahrungen hierfür zur Verfügung stehen und je weniger Ressourcen, desto schwieriger fällt dies und desto überfordernder erlebt sie ihre Situation.

Eine überlebenswichtige Ressource für überforderte Menschen wie Lisa ist die emotionale, wohlwollende Unterstützung durch andere. Ohne Unterstützung ist es nicht unwahrscheinlich, dass Lisa irgendwann den letzten Ausweg wählt.

Was aber meint emotionale Unterstützung? Emotionale Unterstützung bedeutet nicht in erster Linie, etwas für den anderen zu tun, sondern vielmehr, mit ihm zu sein. Eine tragfähige Beziehung anzubieten im folgenden Sinne:

Als soziales Wesen mit dem Grundbedürfnis nach sicherer Bindung beschäftigt sich der Mensch „im Hintergrund“ seines Bewusstseins, seinem „sozialen Unbewussten“, ständig mit der Suche nach der Antwort auf drei überlebenswichtige Fragen:

  1. Bist du präsent?
    (Bist du aufmerksam für mich?)
  2. Bist du empathisch für mich?
    (Fühlst du dich in mich ein? Bekommst du mit, was in mir los ist, was mich beschäftigt?)
  3. Sagst du dazu „Ja“?
    (Nimmst du mich an, liebst du mich, wertschätzt du mich mit dem, in das du dich einfühlst?)

Ein Ja auf alle drei Fragen bewirkt das Erleben emotionaler Unterstützung und sicherer Bindung. In Beziehung lebend haben wir im besten Falle mindestens einen Menschen, der ein grundsätzliches Ja als Antwort auf die drei Fragen bietet, der also Ja zu uns sagt. Das entlastet und sichert uns und erleichtert uns den Umgang mit den Schwierigkeiten des Alltags.

Lisa fühlt sich nicht auf diese Weise zuverlässig gebunden. Sie findet nirgendwo zuverlässig ein klares Ja auf diese drei existenziellen Fragen. So fällt es ihr zunehmend schwerer, sich sicher und vertrauensvoll auf das Leben einzulassen zu können. Darunter leidet sie.

Folgerichtig müsste ich Lisa also zuerst dabei unterstützen, wieder in Beziehung zu gehen und in ihrem Umfeld Unterstützung zu finden. Eigentlich.

Lisa leidet wie viele ihrer Generation unter dem Schicksal, alleinerziehend zu sein. Obwohl sie inmitten einer Familie lebt.

Lisa ist acht Jahre alt und seit zwei Jahren Schlüsselkind. Wenn sie um 16 Uhr aus der Ganztagsbetreuung nach Hause kommt, wird es noch zwei Stunden dauern, bis ihre Mutter aus dem Büro kommt. Viel später, wenn Lisa sich schlafen legt, wird ihr Vater nach Hause kommen.

An den Wochenenden steht nach den Übungsaufgaben (Mama und Papa wollen schließlich sicherstellen, dass sich Lisas Leistungen weiter verbessern) vom Maislabyrinth bis zum Freizeitpark alles auf dem Programm, was geeignet ist, das schlechte Gewissen der Eltern zu beruhigen. Und Lisa freut sich brav mit ihren müden Augen. Gegessen wird im Restaurant, denn zum Kochen sind auch die Eltern zu erschöpft. Natürlich benimmt sie sich vorbildlich. Lisa macht sich in der Woche alleine etwas zu essen, sie erledigt ihre Hausaufgaben und bleibt mit ihren vielen Fragen allein. Sie bleibt brav in ihrem Bett, wenn ihre Albträume sie aus dem Schlaf gerissen haben. Und sie murrt nicht, sie fällt Mama und Papa nicht zur Last. Schließlich macht sie ihnen doch schon genug Kummer.

Lisa ist alleinerziehend. Sie muss sich selber erziehen und ist damit hoffnungslos überfordert[1].

Und ehrlich: Ich bin ratlos, wie ich ihr helfen kann.

Als Mutter berührt mich Lisas Situation so tief, dass ich die Einsamkeit und Verzweiflung fast nicht ertragen kann, die ich an ihr wahrnehme. Ich möchte die Eltern fragen: „Wieso entscheidet ihr euch für ein Kind und sagt dann nicht in aller Konsequenz Ja zu ihm?“ Als Mutter möchte ich Lisa in den Arm nehmen, sie halten und ihr die große Last der Überforderung für einen Moment von den Schultern nehmen. Ihr eine sichere Beziehung anbieten, in der sie sein darf, wer sie ist: ein bedürftiges Kind. Und ich bleibe ratlos, denn ich weiß, Lisa braucht diese Liebe und Zuwendung zuallererst von ihren Eltern.

Wähle ich die Rolle der Therapeutin, erkenne ich, dass Lisas schwierige Situation ein familiäres Problem ist, das nicht gelöst wird, indem Lisa „behandelt“ wird. Die Medizin für Lisas Schwierigkeiten heißt Elternliebe und beinhaltet die elterliche Präsenz, Empathie und bedingungslose Annahme.

Ich bin sicher, dass auch für Lisas Eltern Geld und Karriere keine Rechtfertigung dafür darstellen, ihre Tochter emotional zu vernachlässigen. Dass es ihnen also nicht bewusst ist, dass sie Nein zu ihr sagen und sie mit zu wenigen Ressourcen in ihr Leben schicken. Dass Lisa später, wenn sie der Kindheit entwachsen ist und fest im sozialen Gefüge mit all seinen Pflichten und Herausforderungen steckt, diese Basis der Unbeschwertheit und Verantwortungsfreiheit als entlastende Ressource nicht wird aktivieren können, dass Lisa wahrscheinlich nicht einmal eine Idee davon haben wird, wie es ist, ihre Last für einen Moment an eine liebevolle Autorität zu delegieren, um kurz nach Luft zu schnappen. Und dass sie damit die wichtigste Ressource überhaupt entbehrt: die Fähigkeit zur Bindung. Die Fähigkeit, zu fühlen, was zu fühlen ist, sich damit einem anderen Menschen anzuvertrauen, der dies für einen Moment mitzutragen bereit ist, und auf diese Weise nicht allein zu bleiben, sondern Kontakt zu erleben: Mit meiner Not bin ich allein, ja, ich muss sie schlussendlich allein bewältigen, aber ich bin nicht einsam! Und das ist der große Unterschied.

Als Therapeutin würde ich deshalb die Eltern in die Arbeit einbeziehen und die drei dabei unterstützen, ihre Verbundenheit wieder bewusst als überlebenswichtige Ressource zu erleben und als kostbares Gut zu erkennen.

Vielleicht würde ich sagen: „Nutzt die kurze Zeit, bis sie flügge wird. Das sind viel weniger Jahre, als ihr glaubt. Aber diese Jahre sind die einzige Zeit, in denen ihr Lisa das mitgeben könnt, was sie für ein glückliches und gesundes Leben braucht. Denn alle Menschen – aber ganz besonders Kinder brauchen Bindung!

 

[1] Nicht nur die Zahl psychisch „gestörter“, verhaltensauffälliger Kinder steigt in den vergangenen Jahren dramatisch, sondern auch die Zahl der Suizide bei Kindern und Jugendlichen!

Aktuell spricht die Stiftung für die psychische Gesundheit von Kindern von mindestens 20 Prozent psychisch kranker Kinder in Deutschland und erwartet eine Entwicklung auf 50 Prozent bis 2020.

Suizid ist heute die zweithäufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen. Und auf jeden Suizid fallen noch 15–20 Suizidversuche.

Quellen:

  • http://www.achtung-kinderseele.org/html/themen/psychische%20stoerungen.html
  • https://www.frnd.de
  • http://www.tagesspiegel.de/berlin/vor-dem-suizid-beschuetzen-jedes-jahr-nehmen-sich-600-jugendliche-das-leben/8741862.html
  • https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/21/dramatisch-in-deutschland-ist-bald-jedes-zweite-kind-seelisch-krank

(Zugriff jeweils am 18.1.2017)

 

Unterstützung finden Betroffene auch hier:

Die Telefonseelsorge 0800 1110111

Das Kinder- und Jugendtelefon 0800 1110333

 

Olesen_Bianca  Über die Autorin

Bianca Olesen ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und Gestalttherapeutin, Trainerin und Coach mit den Schwerpunkten Stress & Entspannung, Persönlichkeitsentwicklung, emotionale Kompetenz und gehirngerechtes Lehren und Lernen.

Ihr Buch Der Mensch hinter der Maske. Vom Umgang mit narzisstischen Klienten in Coaching und Beratung erschien 2015 im Junfermann Verlag.

Fällt es Ihnen schwer zu entspannen? Manchmal steckt mehr dahinter als äußerer Stress …

Wie Ihr Unterbewusstsein Sie vom Entspannen abhält

Von Tanja Klein

Was haben dramatische Kindheitserlebnisse mit der Unfähigkeit zu entspannen zu tun? Welche Rolle spielen das Familienumfeld und die Spiegelneurone beim Thema Entspannung? In weniger als fünf Minuten werden Sie es wissen. Und warum genießen Sie diesen Artikel nicht passenderweise direkt in einer bequemen Sitzhaltung – vielleicht mit einem Getränk Ihrer Wahl neben sich, die Füße entspannt hochgelegt – und freuen sich über die nächsten Minuten voller Ruhe und neuer Impulse. Sie nehmen wahr, wie die Atmung tiefer wird und ihr Herz angenehm langsam schlägt … Wie? Das fällt Ihnen schwer? Dann könnte es vielleicht an einem der drei folgenden Gründe liegen:

1. Sie haben in Ihrer frühesten Kindheit eine furchtbare Erfahrung gemacht, die Ihnen eine entspannte Entspannung (noch) nicht erlaubt. Und mit frühester Kindheit meine ich sehr früh, also die Zeit, als Sie noch im Bauch Ihrer Mutter waren. Und das vielleicht nicht alleine …

Der Gynäkologe Jean-Guy Sartenaer berichtete in einem Interview für das Fachbuch Das Drama im Mutterleib (2013), dass er bei acht bis zehn Prozent aller Schwangerschaften mehrere Embryonen in der Gebärmutter im Ultraschall erkennen kann. Jedoch sehen wir im Straßenbild nur sehr selten Mütter, die angestrengt versuchen, mit ihren Zwillingskinderwagen in den Bus einzusteigen. Die Quote für erfolgreiche Zwillingsschwangerschaften, bei denen beide Kinder lebend geboren werden, liegt bei nur einem Prozent. Das heißt, dass rund jede zehnte Schwangerschaft „zu zweit“ beginnt und mit dem Schicksal „verlorener Zwilling“ endet.

Wie hängt die pränatale Erfahrung mit der Unfähigkeit zu entspannen im Erwachsenenalter zusammen?

Stellen Sie sich kurz vor, Sie wären ein Embryo im Bauch Ihrer Mutter und direkt neben Ihnen wäre noch ihr Geschwisterchen. Je nach Schwangerschaftswoche hören Sie bereits den Herzschlag des anderen und spüren die Bewegungen neben sich. Mit der Zeit wird der Herzschlag „nebenan“ immer langsamer und langsamer, die Atmung immer ruhiger und die Bewegungen immer weniger … Bis es plötzlich neben Ihnen ganz ruhig wird. Da ist nichts – mehr. Absolute Ruhe. Der Mensch, der Ihnen am engsten vertraut war, ist verschwunden. Wohin auch immer.

(Ich erspare Ihnen die Beschreibung der nächsten Monate, die Sie neben dem toten Körper verbringen. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann das erwähnte Buch lesen oder eine Fortbildung in Pränataler Psychologie z. B. bei Gerda Ehrlich besuchen.)

Vor diesem Hintergrund jedenfalls bekommt die Aussage „Ruhe fühlt sich für mich an wie der Tod“ eine ganz neue Bedeutung, und als Coach und/oder Therapeut macht es Sinn, an dieser Stelle hellhörig zu werden. Vielleicht hat der Klient, der diese Aussage getroffen hat, als eine der ersten prägenden Erfahrungen gelernt: Wenn jemand anfängt, richtig ruhig zu werden, ist er bald tot. Würden Sie mit dieser unbewussten, vorgeburtlichen Erfahrung ruhig auf dem Sofa liegen können? Es ist völlig verständlich, dass man lieber nicht zur Ruhe kommen möchte. Jemandem mit dieser Erfahrung Yoga oder Meditation zu empfehlen, könnte kontraindiziert sein. Vorher wäre es wichtig und notwendig, den ursprünglichen Stress aufzulösen.

Viele Menschen können sich nur schwer vorstellen, dass man in vorgeburtlicher Zeit etwas bewusst mitbekommt und zudem noch ins Erwachsenenleben überträgt. Fachbücher zur Pränatalen Psychologie und meine eigenen Coachingerfahrungen bestätigen jedoch genau das.

Natürlich kann man sich nicht daran erinnern, wie das Geschwisterchen ausgesehen hat oder was man angesichts seines Todes empfunden hat. Dennoch ist davon auszugehen, dass das überlebende Kind „etwas“ mitbekommen hat, denn dieses Erlebnis kann beispielsweise durch den veränderten Geschmack des Fruchtwassers „geschmeckt“ werden, und es gibt eine unbewusste Erinnerung an die Gefühle aus dieser Zeit. Die Folgen sind bei manchen Menschen durchaus auch im Erwachsenenalter noch spürbar.

Aber ich möchte Ihnen heute noch zwei weitere Gründe aus meiner Praxis vorstellen, die Entspannung erschweren:

2. Die Unfähigkeit zu entspannen kann mit der Geburtserfahrung zusammenhängen. Bei einer jungen Klientin von mir entpuppte sich unter anderem dieses Phänomen als die Ursache für ihr Problem, in der Schule stillzusitzen. In Gesprächen stellte sich heraus, dass sie eine ganz furchtbare Geburt gehabt hatte und es in den ersten Minuten danach sehr unsicher gewesen war, ob sie überleben würde. Eine Geburt kann viele kritische Momente haben, und sie alle gehen nicht spurlos am Kind und seinen Eltern vorbei.

Ohne böse Absicht wurden meiner Klientin von den Eltern immer wieder die Einzelheiten des „Geburtstraumas“ berichtet. Das Mädchen litt an einer starken, vormals unbewussten Angst zu sterben, die eindeutig aus der Zeit der Geburt stammte. Die Unfähigkeit, ruhig zu sitzen, entsprang der guten Absicht, sich selbst zu versichern, noch am Leben zu sein. Ganz nach dem Motto: „So lange ich rumhüpfe, kann ich nicht tot sein“. Angesichts der Vorgeschichte des Mädchens eine verständliche Reaktion.

Der Mensch ist jedoch ein komplexes Wesen und es gibt oft mehr als einen Grund für ein bestimmtes Verhalten. Bei meiner Klientin kam nun noch Grund Nummer 3 hinzu:

3. Spiegelneurotischer Stress des Umfeldes. Der Vater meiner Klientin hatte bei ihrer Geburt natürlich ebenfalls starke Angst, dass sein Mädchen sterben könnte. Der Ursprung dieser Angst konnte mit dem Myostatiktest eindeutig zugeordnet werden. Diese Angst hörte auch nach den gut gemeisterten ersten Lebensmonaten und sogar -jahren nicht auf. Sie wirkte unterbewusst noch immer auf ihn – und leider über die Spiegelneurone auch auf sein Kind.

Wirkungsweise der Spiegelneurone

Jeder Mensch kann sich mit emotionalem Stress von nahestehenden Menschen „anstecken“ lassen. Dies geschieht über eine ganz spezielle Sorte von Nervenzellen: den Spiegelneuronen. Im menschlichen Gehirn bewirken sie, dass beim bloßen Betrachten einer Handlung sich das gleiche Aktivitätsmuster zeigt wie beim aktiven Ausführen dieser Handlung. Aus Sicht der Evolution sind die Spiegelneurone eine tolle Sache, da sie uns oft schützen oder leichter neue Handlungsweisen lernen lassen. Manchmal lernen wir jedoch auch undienliche Muster. So kann es sein, dass meine Klientin als Kind immer wieder über die Spiegelneurone mit der Angst des Vaters in Resonanz ging. Deshalb konnten wir das Thema „Stillsitzen“ nur im Rahmen einer systemischen Arbeit mit beiden Beteiligten auflösen.

Erfahrungsgemäß sind in einer Familie nicht immer alle Mitglieder für solch einen Prozess offen oder erreichbar, manchmal sind wichtige Personen auch bereits verstorben. Entsprechende Muster können jedoch von Generation zu Generation weitervererbt werden: Es gibt viele Erwachsene, die ihre Mutter nie „zur Ruhe gekommen“ erlebt haben. Dann werden Haltungen wie „Was denken die Leute, wenn ich mich am helllichten Tag einfach hinlege?“ von Generation zu Generation weitergegeben und wirken sich so negativ auf den eignen Entspannungswunsch aus. Als guter Coach kann man diese unbewussten Muster aus den Gehirntiefen der Amygdala gut auflösen. Aber vorher muss man diese erst einmal erkennen.

Wege zur Auflösung

Es wäre falsch zu vermuten, dass jeder Mensch, der sich schwertut, einen Gang runterzufahren, ein dramatisches Geburts- oder Vorgeburtsereignis erlebt hat. Wichtig ist mir nur, eine Sensibilität dafür zu schaffen, dass die geschilderten „Dramen“ öfter ursächlich sind, als man gemeinhin denkt. Falls Sie als Coach oder Therapeut auf einen Klienten treffen, der Entspannung als extrem bedrohlich empfindet, dann könnte es also sein, dass einer der genannten Gründe vorliegt.

Jeder Coach und Therapeut hat seine ganz eigenen Methoden, wie er solche Hintergründe bei seinen Klienten herausfindet und sie anschließend bearbeitet. Ich empfehle, als qualifizierter Therapeut bzw. Heilpraktiker für Psychotherapie (HP Psych) zuerst dem Klienten dabei zu helfen, die meist traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten, bevor man versucht, ihm den Weg zur Entspannung näherzubringen. Gute Aussicht auf Erfolg bei der schnellen Auflösung dieser Entspannungshindernisse hat meiner Erfahrung nach die Coachingmethode wingwave. Aber sicherlich kann jeder gut ausgebildete Therapeut oder Coach mit Zusatzqualifikation als HP Psych auch mit seinen Lieblingsmethoden Unterstützung bieten.

Beim Schreiben dieser Zeilen, konnte ich ganz entspannt auf meinem Sofa sitzen und die völlige Ruhe bei der Arbeit genießen. Ich frage mich, ob auch Sie heute schon die Chance hatten, ein paar Minuten zu entspannen. Vielleicht sogar gerade jetzt? Wie erleben Sie Entspannung? Schreiben Sie gerne einen Kommentar oder teilen Sie es mir per Mail mit: mail@kleincoaching.de

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und wünsche Ihnen einen entspannten Tag.

image1  Über die Autorin

Tanja Klein arbeitet als systemischer Coach (DCV) in Bonn. Sich selbst klassifiziert die IHK-geprüfte Fachkauffrau Marketing als „Marketing-Rampensau“. Im Junfermann Verlag hat sie zusammen mit Ruth Urban die Bücher Coach, your Marketing und Erfolgreich durch Positionierung veröffentlicht.

Wenn Vorstellungen zur inneren Realität werden

Imaginationen – eine ganz persönliche Kraftquelle

Von Antje Abram

Ein herzliches Willkommen im Jahr 2017! Haben Sie die Feiertage gut verlebt? Konnten Sie genug Momente der Ruhe und Entspannung finden? Oder bestand die „besinnliche Zeit“ doch eher aus einem Abhaken von Pflichtterminen?

Nehmen Sie sich doch jetzt gerade einmal einen kurzen Augenblick Zeit, um nachzuspüren, wie Sie sich fühlen, wie sich Ihr Körper anfühlt. Vielleicht notieren Sie sich sogar ein paar Stichworte dazu auf einem Zettel, denn es soll später um einen Vergleich „vorher – nachher“ gehen.

Eine wichtige Ressource, um die Batterien wieder aufzuladen und mit sich besser in Kontakt zu kommen, eine Ressource, die so alt ist wie die Menschheit selbst, möchte ich Ihnen im Folgenden kurz vorstellen: Es handelt sich um die Kraft der Imagination.

Die anschaulichste Art, Imaginationen kennenzulernen, besteht darin, einfach in sie einzutauchen! Wenn Sie mögen, begeben Sie sich daher mit mir zusammen auf einen inneren Weg zu schönen Orten, zum achtsamen Sein und zu mehr Entspannung.

Machen Sie es sich dazu bequem. Stellen Sie beide Beine auf den Boden, lockern Sie ein wenig Ihren Körper. Lassen Sie die Schultern kreisen und atmen Sie ein paarmal tief durch.

Stellen Sie sich nun vor, Sie sitzen auf einer bequemen Bank, die Sonne scheint angenehm, die Temperatur ist genau richtig. Ihnen direkt gegenüber befindet sich ein sehr schöner bunter Garten. Sie sehen gelbe und violette Blumen, viel Grün und hinter dem Garten ein Haus mit roten Fensterläden.

haus

Sie merken, wie Sie sich beim Anblick all der Pflanzen und all der Farben immer mehr entspannen. Vielleicht haben Sie den angenehmen Duft der Blumen in der Nase, vielleicht hören Sie auch die Vögel zwitschern. Sie spüren, wie Ihr Atem bei all dem ruhiger wird und wie Sie bei jedem Ausatmen noch ein bisschen mehr in Ihre Sitzgelegenheit entspannt hineinsinken. Einfach nur atmen und den Ausblick genießen.

Dann, einem Impuls folgend, stehen Sie ganz in Ruhe auf und beginnen, einen kleinen Pfad entlangzugehen, der direkt an Ihrer Bank anfängt. Sie spüren Ihre Füße in den Schuhen und Sie nehmen wahr, wie die Füße bei jedem Ihrer Schritte sanft abrollen. So gehen Sie achtsam vor sich hin, Schritt für Schritt, ganz entspannt. Dann wenden Sie Ihren Blick beim Gehen zur Seite und sehen – zu Ihrer Überraschung – ein paar Erdmännchen, die Ausschau halten.

erdmaennchen

Und während sich Ihr Kopf noch fragt, wo diese Erdmännchen auf einmal herkommen, erfreut sich Ihr Inneres bereits an diesen Tieren, an diesem quirligen und lebendigen Sein, an diesem aufmerksamen Blick. Und vielleicht bringt all dies ein Lächeln auf Ihr Gesicht, dem Sie innerlich nachspüren.

Sie gehen weiter den Pfad entlang und Ihnen wird klar: In der Fantasie geht einfach alles!

Und weil dem so ist, befinden Sie sich – jetzt, nur einen Atemzug später – am Meer! Sie spüren den Wind und die Sonne, Sie riechen die leicht salzige Luft und hören die kräftigen Töne der Möwen. Die Wellen branden an den schönen Strand und Sie beginnen, ganz in Ruhe, an diesem Strand entlangzugehen. Vielleicht mögen Sie auch Ihre Schuhe ausziehen, um den warmen Sand an den Füßen zu spüren, vielleicht mögen Sie auch durch das Wasser waten. Und dann erblicken Sie eine Herde Robben, die friedlich dösend nahe am Wasser liegen.

robben

Sie halten respektvoll Abstand und beobachten die Robben. Es durchströmt Sie eine große Ruhe und Entspannung, als würde sich der Müßiggang der Tiere direkt auf Sie übertragen. Dann gehen Sie in einem weiten Bogen um die Robben herum und nehmen wieder das Meer wahr. Sie lassen das ewige Spiel der Wellen auf sich wirken, das Heranrollen an den Strand, das kurze Verweilen, und das Zurückfließen in das große Ganze. Genau so können Sie auch mit Gedanken umgehen, die jetzt gerade unwichtig sind: Die Gedanken kommen, sie gehen aber auch wieder – und Sie entspannen sich immer mehr, nehmen Ihren Körper wahr, lassen die Muskulatur locker. Sie finden einen schönen Platz am Strand, friedlich und bequem. Die Sonne fängt an unterzugehen und Sie genießen diese Abendstimmung mit all Ihren Sinnen, ganz entspannt und in Ruhe atmend.

meer

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn Sie innerlich mit auf diese Reise gegangen sind – wie geht es Ihnen jetzt gerade? Hat sich Ihr Zustand von vorhin geändert? Welche Stichworte hatten Sie sich notiert – und welche würden Sie jetzt aufschreiben, um Ihr momentanes Empfinden zu beschreiben?

Was Sie soeben miterlebt haben, weicht von einer klassischen Imaginationsübung etwas ab, denn Sie haben den Text gelesen und nicht mit geschlossenen Augen angehört. Außerdem hatten Sie Gelegenheit, die beigefügten Fotos zu betrachten – Bilder, die Sie sonst individuell in Ihrer Fantasie kreiert hätten, vermutlich in anderer Art und Weise. Und dennoch: Je tiefer Sie eintauchen in Ihre Fantasiewelt, je mehr Sie Ihre Sinne dabei aktivieren, desto „realer“ wird Ihre eigene Imagination für Sie und Ihr Gehirn. Sich genau vorzustellen, was man sieht, hört, fühlt, riecht und schmeckt, macht eine Imagination sehr lebendig und real. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass es für das Gehirn nur minimale Unterschiede gibt zwischen „real erlebt“ und „intensiv vorgestellt“. Dies eröffnet eine Vielzahl an Möglichkeiten, zum Beispiel für das mentale Training: sei es, um die eigenen Leistungen zu verbessern, beispielsweise im Beruf oder im Sport, sei es, um mit Ängsten, Trauer und Konflikten besser umzugehen, sei es, um mehr Entspannung zu erleben und besser schlafen zu können oder auch zur intensiven Unterstützung von Heilungsprozessen.

In meinem Buch Imaginationen, das in diesem Frühjahr erscheinen wird, lade ich Fachleute und andere Interessierte ein, alle Facetten und Möglichkeiten von Imaginationsübungen kennenzulernen und die wohltuende Wirkung anhand praktischer Übungen selbst zu erfahren.

Viel Freude bei den unendlichen Möglichkeiten Ihres Gehirns!

abram_1_2008  Über die Autorin
Antje Abram
ist Gestalttherapeutin, Dipl. Sportwissenschaftlerin und Heilpraktikerin Psychotherapie. Sie arbeitet seit 1998 in eigener Praxis in Köln. Im Junfermann Verlag erschienen sind bisher von ihr die Bücher Glück sucht Empfänger, Gestalttherapie und zusammen mit Daniela Hirze Fühlen erwünscht. Im Frühjahr dieses Jahres wird zudem der Titel Imaginationen im Handel erhältlich sein.

Zum Jahresende

Ach, so viel ist passiert in diesem Jahr!

Bücher gab es viele, 38 neue an der Zahl.

Chaos – manchmal,

Durch Auszug aus den alten Räumen und den

Einzug in die neuen.

Fotografisch wurde alles festgehalten.

Geladen

Haben wir

Im April zum

Junfermann-Autorentag.

Kongresse besuchten wir viele,

Ließen manches Buch an Büchertischen den Besitzer wechseln.

Messe war auch ein Thema,

Nach Frankfurt ging es wieder, an einen inzwischen verstrauten

Ort. Dort hieß es:

Pausenlos

Quasseln,

Rechte einkaufen, Rechte verkaufen –

Same procedure as every Year.

Tun wir etwas zwischen den Jahren?

Unsere Räume werden

Verschlossen sein zwischen

Weihnachten und Neujahr, das Telefon nicht besetzt. Deshalb: Happy

X-Mas and a happy new

Year.

Zeit jetzt, nach Hause zu gehen!

 

Mit diesem kleinen Überblick über einige unserer Aktivitäten im Jahr 2016 wünscht Ihnen das gesamt Junfermann-Team schöne Weihnachtsfeiertage und ein gutes neues Jahr!

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