Lösungen lauern überall – zum Tod von Bernd Isert

Bernd Isert (26.6.1951-21.1.2017)

Bernd Isert (26.6.1951-21.1.2017)

Am 21. Januar 2017 ist unser Autor Bernd Isert in Nigeria verstorben. Für alle, die ihn kannten, war diese Nachricht ein echter Schock. In einem Alter von 65 Jahren wird man angesichts unserer heutigen Lebenserwartung ja wirklich mitten aus dem Leben gerissen.

„Jeder, der ihn kannte, wird wertvolle und bleibende Erinnerungen mit ihm verbinden“, so heißt es in dem Nachruf von Michael H. Klein. Dem kann ich nur zustimmen. Dabei begann es mit uns beiden gar nicht so gut …

Bevor Bernd Isert Buchautor bei uns wurde, war er uns allen ein Begriff durch sein Mitwirken an der Zeitschrift MultiMind. Und dann kam er eines Tages in den Verlag, um uns sein Buchprojekt vorzustellen: Die Kunst schöpferischer Kommunikation. Doch von diesem ersten Schritt bis hin zum fertigen Buch sollte es noch ein langer Weg sein, der von Bernd Isert selbst durch immer neue Schleifen und Abzweige verlängert wurde. Dann endlich sah es so aus, als sollte das Buch druckreif werden. Mir wurde die Schlussredaktion übertragen, mit dem gut gemeinten Hinweis: „Zeigen Sie sich ruhig ein wenig von Ihrer unnachgiebigen Seite. Er will immer noch was verbessern und findet einfach kein Ende.“ Und diese Verbesserungswut lernte ich dann bald selbst kennen und was eigentlich eine knackige kurze Endrunde hätte sein sollen, entwickelte sich zu einer weiteren langen an meinen Nerven zehrenden Schleife. Da waren auf der einen Seite die Kunden, die nicht locker ließen, nach dem Erscheinungstermin zu fragen; und da war der Autor, der scheinbar alles dafür tat, diesen Termin in Richtung Unendlichkeit zu schieben.

Im Dezember 1996 war es dann endlich so weit: Das Buch kam auf den Markt. Hätte man mich damals gefragt, was ich denn so von Bernd Isert halte, hätte ich wohl etwas rumgedruckst oder gesagt: „Ach, frag mich lieber etwas anderes.“

Im März 1998 veranstalteten wir unseren 2. Junfermann-Kongress in Bad Lippspringe. Bernd Isert

Auf dem KS-Titelbild: Bernd Isert im Dschungel

Auf dem KS-Titelbild: Bernd Isert im Dschungel

zählte zu den Referenten und so hatten wir dann erneut miteinander zu tun. Aber diesmal lief es ganz anders. Ganz schnell fanden wir einen Draht zueinander und redeten oft und gerne, bei jeder passenden Gelegenheit. Er erzählte auch von seinen Reisen, z.B. wie er sich von Heilern hatte behandeln lassen. Nach Abschluss des Kongresses fuhr ich ihn noch zum Bahnhof. Da meinte Bernd Isert, er müsse mir unbedingt noch etwas sagen. Bei unserer Zusammenarbeit an seinem Buch habe er von mir das Bild einer strengen, schon etwas älteren Lehrerin gehabt, die den ungehorsamen Schüler abstraft. Dabei sei ich doch noch so jung und alles andere als streng. Sein Bild von mir habe sich komplett gewandelt. Nun, für mein Bernd-Isert-Bild galt das Gleiche.

Als wir uns im Jahr 2000 erneut in Bielefeld begegneten, war das für beide Seiten eine große Freude. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mit einer aus seiner Schultertasche herauslugenden Sonnenblume den Saal verlässt.

Und dann haben wir uns ja tatsächlich noch an ein neues Buchprojekt gewagt: Die Wurzeln der Zukunft, mit Klaus Rentel als Co-Autor. Der Abgabetermin für das Manuskript rückte näher … und es kam ein Anruf von Bernd Isert. Sein Laptop sei vom Tisch gefallen, die Platte kaputt, die Daten rettungslos verloren. Nein, keine Sicherungskopie. Seufz! – „Das kann nur Bernd Isert passieren“, dachte ich mir und war dann sehr froh, als sich doch noch etwas vom Manuskript retten ließ.

Und jetzt? Nie mehr Pleiten, Pech und Pannen. Vor allem aber: Ein so freundlicher und so liebenswerter Mensch ist von uns gegangen. Auch wenn ich in letzter Zeit nicht mehr viel mit ihm zu tun hatte: Ich vermisse ihn.

 

Great, big, fantastic: Wenn Narzissmus gefährlich wird …

„The Donald“ – Folgen des Narzissmus

Von Dr. Pablo Hagemeyer

Zurzeit versuchen viele Menschen „an der Oberfläche“ abzulesen, was dieses oder jenes Verhalten von „The Donald“ (Tenenbom 2016, Johnston 2016) wohl zu bedeuten habe. Und dabei kann man ein gewisses Anbiedern beobachten, denn Zuschreibungen wie „rasches Arbeitstempo“ (Horst Seehofer, SZ-Artikel vom 29.1.2017) oder „interessantes Experiment“ (Richard D. Precht bei „Jung & Naiv“) sind gefährliche Beschönigungen und verharmlosen das, was aus meiner Sicht als maligner (bösartiger) Narzissmus wissenschaftlich und faktisch definiert ist (nachzulesen bei dem berühmten Psychoanalytiker Otto Kernberg [2016], der 1928 geboren und somit einer der wenigen Überlebenden der Shoa ist). Noch zu vage ist da die Aussage von Journalist Elmar Theveßen (2017): „Psychologen glauben, bei Trump einen bösartigen Narzissmus zu erkennen.“ Psychiater und Psychologen messen und erfassen „Zahlen, Daten, Fakten“ aufgrund wissenschaftlicher Methoden und fundierter persönlicher Erfahrungen im Fachgebiet. Psychologen glauben also nicht, sie haben zuverlässige Werkzeuge zur Erhebung wichtiger Parameter (z. B. Fragebögen zu Psychopathie oder Kriterien nach DSM oder ICD). John Gartner, Psychotherapeut in New York und Baltimore, brach als einer der Ersten das Schweigen und beschrieb POTUS Donald Trump als einen malignen Narzissten. Er gründete eine Facebook-Gruppe sowie eine Petitionsgruppe: „Trump is mentaly ill and must be removed“ (2016).

Aber was bedeutet eigentlich Narzissmus? Was ist ein narzisstisch „gestörter“ Mensch? Ich möchte versuchen, 100 Jahre Narzissmus-Forschung in ein paar Zeilen zusammenzufassen. Dafür werde ich psychologische Sichtweisen zusammentragen, die Narzissmus beschreiben: Ursachen, Wirkung auf und Folgen für andere Menschen, die mit einem Narzissten zu tun haben, und wie mit einem Menschen mit narzisstischer Störung umzugehen sei. Und warum es schwer für Narzissten ist, die Wahrheit auszusprechen, und sie deshalb in Folge „verbrannte Erde“ zurücklassen. Denn bösartiger Narzissmus hat weitreichendere Auswirkungen als oftmals angenommen: Er zerstört Menschlichkeit, Empathie und soziale Strukturen.

Für den ausgeprägten Narzissten gibt es nur die eine Welt, nämlich die eigene. Es gilt nur seine Wahrnehmung, nur die eine Wahrheit: seine eigene. Narzissten haben kein Mitgefühl, weil sie kein Konzept des Andersdenkenden haben. Narzissten haben kein Selbstmitgefühl. Sie operieren nach einem neu erschaffenen Konzept (Pseudo-Selbst, Größen-Selbst, z. B. nach Kohut), seit Jahrzehnten erfolgreich in ihnen gefestigt. Orientiert an Idealen wie Größe, Perfektion, Erfolg, Liebe, Schönheit oder Glück und Reichtum, die aber in einem unrealistischen Maß eingefordert werden. Die Ausrichtung an diesen übersteigerten Idealen überdeckt die tief im Inneren liegenden Verletzungen und die Trauer, überdeckt das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit und die Mangelzustände. Narzissmus ist wie eine seelische Geheimorganisation. Bedroht Kritik ihr Überleben, zeigt sie sich plötzlich – und schonungslos: Gerät eine narzisstische Seele unter großen Druck, reagiert sie mit zerstörerischer Wut.

Woher kommt diese Wut? Dieser tiefe Zorn ist der des Kindes, das der Narzisst einst war. Jeder Mensch durchläuft in seiner psychologischen Entwicklung sensible Phasen (Freud in Fromm 1984, Kohut 1976, Balint 1960). In diesen erkennt das heranwachsende Kind eigene Mängel. Das schmerzt. Es zerstört tief im Innersten ein erträumtes kindliches Paradies. Erschüttert den kindlichen Glauben an die eigene Allmacht und Sicherheitsfantasien. Jungs sind hier leichter verletzbar als Mädchen. Kränkung, Enttäuschung und Entwertung sind die heftigen Gefühle in der Seele des Kindes. Normalerweise gelingt es dem psychisch gesunden Kind, in einer normalen sozialen/familiären Umgebung diese Schwelle zu bewältigen. Wird die Verletzung des Kindes selbst erkannt, verortet es sich in der Normalität: Ich mag mich mit meinen Schwächen und mit meinen Stärken. Dann meistert es diese Selbstwert-Schwelle. Bekräftigt wird diese Botschaft an das Ich durch die positive Verstärkung der Bezugspersonen: Du bist okay! Wird das Kind wegen seiner Schwächen und Defizite nicht mehr geliebt, weniger gemocht, als doof ausgegrenzt oder in seinem Leiden als schwach ignoriert, durch Eltern, Freunde, Geschwister oder andere nahe Bezugspersonen, festigt sich folgende Überlebensstrategie in der jungen Seele: Nur wenn ich ständig nach Höchstleistung und nach großen Idealen strebe, bekomme ich die Anerkennung durch Zuwendung und Liebe von anderen Menschen und habe das Gefühl, wertvoll und geliebt zu sein. Ich werde bekämpfen, was diesen Masterplan bedroht, und ich werde strebsam das verfolgen, was mir Anerkennung verspricht. Denn ich glaube daran, dass es das Ideal gibt, ich will es erreichen und damit meine eigenen Schwächen bedecken und verkleinern. Ich will weder doof noch schwach sein. Nie mehr im Leben will ich entwertet, gedemütigt oder so verletzt werden wie zu jener Zeit, als ich ein kleiner Junge war.

Fortan, nach diesem starken Versprechen dem eigenen Selbst gegenüber, wächst in der Psyche dieses Menschen ein Programm heran, das die eigenen Schwächen verdeckt und ein umso größeres, strahlenderes und erfolgreicheres Selbst wachsen lässt. Dieses zweite Selbst wird eine vom schwachen Selbst neu konstruierte Realität (Kohut 1976, Altmeyer 2000). Dieses zweite größere Selbst, ein künstlich erschafftes Selbst, umgibt wie ein großer Mantel den einsamen, verkümmerten und trauernden, wütenden „Kern“.

Im Laufe der weiteren Entwicklungsjahre findet Wachstum statt. Der Mensch reift, wird im Beruf erfolgreicher, gründet eine fantastische Familie. Der narzisstische Mensch strebt fortan nach Anerkennung und Bestätigung für das größere Selbst, während ihn im Innersten der „alte“ Zweifel antreibt. Obwohl schon alles da ist, was für ein sehr gutes Leben nötig wäre. Denn da ist diese Gier. Und der Stolz. Immer mehr wird dieses Super-Ich zur gelebten Realität, und bald ist das innere kleine Ich vergessen. Unbewusst und unbemerkt festigt sich das Selbst in diesem großen Pseudo-Selbst.

Narzissten umgeben sich gern mit anderen Narzissten, um als Gruppe noch erfolgreicher zu sein. Sie finden sich in Gemeinschaften zusammen, die nach Erfolg und anderen Idealen streben, hungrig nach Anerkennung, durstig nach Bestätigung. Meist in solchen gesellschaftlichen Strukturen, die assoziiert sind mit Erfolg, Reichtum, Anerkennung und Bestätigung. Strukturen wie sie große Firmen bieten. Stark hierarchisierte Strukturen. Auch in der Medizin sind viele Narzissten anzutreffen, in Vorständen von Unternehmen, im Bankenwesen – in all jenen Strukturen also, in denen es um etwas geht, das letztendlich unerreichbar ist: um fragliche Ideale, die gnadenlos und gierig verfolgt werden.

An dieser Stelle lohnt es sich, zu differenzieren. Denn (gesunder) Narzissmus gilt als eine der stärksten Triebfedern, um auch im besten und guten Sinne erfolgreich zu sein (Fiedler 2000). Zum (gesunden) Narzissmus gehört der Ehrgeiz, Talente auszubilden und nach Verbesserung zu streben. Aber was lehren uns die Geschenke der Begabung und der Talente? Im Loslassen und Sichhingeben besteht der einzige Einstieg in wahre Größe. „Heldenhaftes“ Handeln wird erreicht, wenn sich der Mensch für Größeres hingibt, das über ihn hinausreicht (Campbell 1999). Dankbarkeit, Demut und Gnade sind die Tugenden, die zu wahrer Menschlichkeit gehören, ebenso wie Liebe, Mitgefühl und Schutz für die Schwächeren. In der Begegnung (Buber 2005). All diese Eigenschaften sind dem stark narzisstischen Menschen fremd. Denn dieser lebt ausschließlich im Selbstbezug. Aus sich heraus entwirft er einen Maßstab, der für die Welt gelten soll, entwirft er die ganze Welt. Statt sich dem Maßstab des Normalen anzupassen, dreht die narzisstische Person den Spieß um und überhöht sich, stellt sich über die Norm. Was andere als Norm wahrnehmen, existiert für den Narzissten nicht. Die Wahrnehmung der Realität ist durch das Strahlen und Glänzen des eigenen großen Selbst gestört. Das eigene Selbst strahlt wie eine große Sonne, in dessen Umfeld vor lauter Licht kein Schatten ist. Narzissmus ist die Störung, an der andere mehr leiden als der Narzisst selbst. Sie ist synton und daher ist der Narzisst blind für seine Störung.

Beobachtungen aus Großunternehmen zeigen, wie narzisstische Führungspersonen, die zunächst Großes versprechen, nach ihrem Ausscheiden zerstörte unternehmerische Strukturen zurücklassen (Beispiel Winterkorn und der VW-Abgasskandal). „Starke“ Persönlichkeiten wie die narzisstischen werden hofiert und gefördert. Nur selten kommen „Industrie-Patienten“ (Angestellte, auch in Leitungspositionen, die durch zu hohe Leistungserwartungen ihrer Unternehmen psychisch erkranken; Michael Seyfried 2016, persönliche Mitteilung) zu der Einsicht, dass Narzissmus zerstört und eben kein Garant für Wachstum ist. Denn im Umfeld strahlender Selbstbezogenheit gedeihen nur weitere narzisstische Menschen und ebensolche Verhaltensweisen: keine Empathie, keine (Selbst-)Reflexion, keine Fehlerkultur, keine Offenheit für das Anderssein. Alles, was nicht in diese eine Welt der Selbstbezogenheit passt, wird aufgegeben, verlassen und ausradiert. Auf der Strecke bleiben sensible, empathische, leidende Menschen. Menschen mit anderen Neigungen und Stärken werden im Licht der Selbstbezogenheit nicht mehr gesehen.

So weit, so „gut“. Narzissmus ist also ein starkes Überlebensprogramm (Fiedler 2000, Sulz 2003). Und tatsächlich werden selbstbewusste Menschen von anderen Menschen idealisiert. Viele Menschen, die schwach und ratlos sind, stellen den Narzissten auf ein Podest. Bewundern dessen Charakter, dessen Stärke, Robustheit, Größe, Erfolg, Reichtum. Es folgen Anerkennung und Würdigung dieser „Leistungen“. In geschlossenen Systemen, wie es Unternehmen sind, funktioniert das bisweilen.

Auch „The Donald“ wurde erfolgreich, auch er wird von seinen Anhängern bewundert, weil er Menschen einstellte und für sich zu nutzen wusste, die „klüger als er waren“ (Kiyosaki 2011), und so Reichtum anhäufen konnte. Und weil er mit dem Geld seiner Familie „im eigenen Sandkasten“ weiterspielen durfte. Dieses „Sandkastenspiel“ ist typisch für den Narzissten: Wehe, ein anderer Junge will mitspielen! Nur der darf mitspielen, der nach den Regeln des „Sandkastenclubs“ spielt. Spielt jemand gegen diese Regeln, fliegt er raus. Ganz gleich, ob es eine gute Zeit des Miteinanderspielens gab. Nur Mitspieler, die die Art des Narzissten zu spielen anerkennen und toll und super und großartig finden, sind eingeladen mitzuspielen: Eine Einladung zur Unterwerfung vor dem größeren Narzissten, um in seinem Glanz ebenfalls ein wenig zu glänzen und mitzuspielen (Wardetzki 2001).

Die Freude, dabei sein zu dürfen, ist zunächst groß und von Erfolg gekrönt (Musk & Vance 2015). Nur, was geschieht, wenn sich zu dieser Überlebensstrategie noch andere Narzissten gesellen, die andere Ideale verfolgen? Etwa Rassismus? Bliebe der Narzissmus in einer leichten bis mittleren Ausprägung, wäre damit gut umzugehen. Doch „übersteuert“ die narzisstische Selbstbezogenheit, wachsen narzisstische Sehnsucht und Streben nach Idealen, wird diese Kraft mehr und mehr zerstörerisch, weil inhuman. Die komplizierte, vielfältige menschliche Natur wird durch die Ausrichtung an einem einzigen idealisierten Maßstab, die dem Narzissten eigen ist, radikal vereinfacht. Die Ausrichtung auf einen einzigen idealisierten Glauben oder auf eine einzige idealisierte Rasse oder Wahrheit zerstört die wundervolle Vielschichtigkeit der menschlichen Natur. Nur liegt dem einseitigen Geist des Narzissten dies besonders. Die Welt im Sandkasten ist einfach. Und die simplifizierte Weltsicht eines Donald Trump offenbart das Defizit, nicht über den Zustand des spielenden Kindes im Sandkasten hinausgekommen zu sein. Statt das Leben als Geschenk zu sehen und es mit Liebe und Güte zu bewältigen, gerät der narzisstisch verwaiste Mensch bereits bei normalen Schwierigkeiten in einen Überlebenskampf.

Weil die Ideale des Narzissten einfach und wenig differenziert sind – great, big, fantastic –, ähneln sie naiven und wahnhaften Denkmustern. Es sind irrationale Annahmen, die durch nichts – nicht durch Fakten, nicht durch Vernunft – korrigiert werden. Brutale Ahnungslosigkeit. Postfaktisch und alternativfaktisch sind die rhetorischen Ausweichmanöver, um die narzisstische selbstbezogene Wahrheit nicht zu gefährden. Narzissmus erzeugt aus sich heraus Feindbilder. Jeder und alles ist Feind, der bzw. das diese eine, auf reine Selbstbezogenheit begründete Wahrheit infrage stellt. Was glauben Sie, warum der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der mächtigste Mann der Welt, über die Zuschauerzahlen bei seiner präsidialen Inauguration diskutiert?

Kritik ist keine Zerstörung, wie der Narzisst meint. Kritik ist einfach nur Feedback. Doch ein Narzisst oder jemand mit narzisstischen Zügen wird sich bis aufs Äußerste verteidigen und rechtfertigen. Nicht einen Mikrometer an erobertem Land wird der Narziss im Diskurs abgeben. Seine Schwäche wird er hinter einem Zorneswall verbergen. Wehe dem, der sich dem Kern des Narzissten nähert! Das ist ein Sakrileg. Das schwache, verletze und hilflose ICH verbirgt sich tief im Inneren und scheut das Licht. Daher wird ein Angriff auf den Narzissmus mit einem heftigen Gegenangriff gekontert. Zerstörerisch. Total und absolut. Wie peinlich wäre es, wenn das kleine Ich wegen einer Banalität enttarnt werden würde?! Wenn dieses kleine Würmchen wieder ans Licht geholt und es erneut ausgelacht werden würde?!

Eine gute Chance, dieses narzisstische Modell aufzugeben, haben jene Narzissten, die sich selbst als solche erkennen. Diejenigen, die reflektieren. Solche, die ihre Lebenskraft für „das Gute“ einsetzen, ohne ständig mit ihrem Umfeld oder mit sich selbst zu hadern. Sie haben noch genügend Selbstliebe für sich und Liebe für die anderen Menschen, um ihr eigenes grenzüberschreitendes und einnehmendes Verhalten zu erkennen und gegenzusteuern. Denn sie können die Zeichen lesen, die ihnen andere Menschen geben. Ein „netter“ Narzisst, den vielleicht jeder etwas in sich hat, bemerkt sein Fehlverhalten, weil er hinhört, hinsieht und wahrnimmt. In solchen Fällen sind andere Menschen, die den „Betroffenen“ (behutsam und nicht verletzend) einen Spiegel vorhalten, wichtig, sie tun dem reflektierten Narzissten einen Gefallen. Dieser bekommt die Chance, sein Verhalten zu verändern, sich zu transformieren und sich für das Leben zu befreien (Campbell 1999). Die Heilung des Narzissten liegt darin begründet, die ständige Bewertung der Welt und der eigenen Person aufzugeben. Narzissmus ist die Selbstwertstörung schlechthin. Der kleine Junge steckt fest, schlafwandlerisch, in dem Bemühen, sich und andere nach einem Wert einzuteilen. Folglich gibt es Wertvolles und Wertloses. So zu denken wirkt nach innen und nach außen. Im Inneren kauert das als wertlos fixierte Ich, verborgen unter dem wertvollen, golden glänzenden Konus des Größenselbst. Außerhalb des Selbst, dort sind die Menschen, die das Selbst bewerten.

Wird das narzisstische Modell nicht aufgebrochen, etwa durch das Aufgeben ständiger Bewertung, setzt sich der Narzissmus wie oben beschrieben fort.

Ob unsere Kultur der Bewertung – wie sie nun mal einer Leistungsgesellschaft innewohnt – die Keimzelle des Narzissmus und die Nahrung des Narzissmus ist? Ich meine: Ja. Schaffen wir das ständige Bewerten ab! Tauschen wir es aus durch Menschlichkeit, durch echte Begegnung und Hilfestellung. Akzeptieren wir, nicht perfekt zu sein und noch nach archaischen Regeln zu funktionieren (Buss 2014). Fügen wir uns ein in den natürlichen Lauf der Dinge. Erforschen wir die menschliche Natur und das Leiden des Menschen. Zollen wir denen Respekt, die sich darum bemühen, das Leiden zu verringern. Und würdigen wir die Menschen unter uns, die am meisten leiden. Statt sie zu „entwerten“.

Dies würde auch bedeuten, mit einer solchen humanen Einstellung dem Narzissten gegenüberzutreten, das verletzte Kind in ihm zu sehen. Nicht zuletzt der Fall Donald Trump macht deutlich, wie schwer das werden kann. Wie ist also umzugehen mit den Narzissten, die sich nicht erkennen und folglich nicht „zum Sozialen“ ändern? Warten, bis sie im eigenen Spiegelbild ertrinken? Wie der mythologische Narziss, dessen schönes Antlitz sich auf der Wasseroberfläche spiegelte, als er am Ufer des Sees hockte. Und der nicht erkannte, dass dieser hübsche Jüngling im Wasser er selbst war. Und vor lauter Sehnsucht nach diesem Jüngling, vor lauter Liebe für dieses Abbild, in den See glitt und ertrank. Hierauf zu vertrauen, vor allem bei „The Donald“, wäre naiv und unverantwortlich. Was „The Donald“ in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft bereits zerstört hat, ruft weltweit Protest hervor. Die Proteste der Verlierer dieser Wahl sind stark, potenziert durch die sozialen Medien. „The Donald“ ist gewählt und setzt an. Nach seinem Weltbild. Aber durchaus auch nach dem Weltbild von Millionen von Amerikanern, die ihn bewundern, die seinen Narzissmus mittragen. Gegen das Weltbild von Millionen anderer Amerikaner. Narzissmus polarisiert. Die Fantasie eines kleinen wütenden Jungen wird zur Wahrheit von Millionen. Es ist schwer, damit umzugehen.

Aus meiner klinischen Arbeit mit Narzissten weiß ich, dass die sogenannte paradoxe Intervention hilft: Lob den Narzissten! Nur dann ist er besänftigt und seine Wut flaut ab. Erst wenn der Narzisst beruhigt ist, vermag er mit dem Therapeuten zu arbeiten. Nur so bekommt man einen Fuß in seine Tür. Als Psychologe erkenne ich also, wer da zu mir spricht: Es ist der kleine, wütende, verletzte und traurige Junge, der ganz viel Liebe und Anerkennung braucht (Dieckmann 2011). Aber ist das im Falle Trump machbar? Ihn, diesen „Little Donald“, zu trösten und seine Aufmerksamkeit auf Selbstempathie und Selbstliebe umzulenken, ihn dazu zu bringen, das Werten und Bewerten aufzugeben, sich nicht mehr an unreifen Idealen zu orientieren, sondern alles loszulassen, was „great, greater und am greatesten“ ist, wäre eine therapeutische Strategie.

Leider bewirkt die narzisstische Struktur genau das Gegenteil in uns, die sich im Umfeld des Narzissten befinden. Damit kommen wir zum Drama und Schicksal des nichtkorrigierbaren Narzissmus. Er greift um sich, solange der Narzisst denkt, er tue der Welt da draußen etwas Gutes. Und er agiert so lange, bis er genau das zurückgemeldet bekommt. Talkshows und Nachrichtensender aufgepasst! Die Medien werden nicht mehr hinterherkommen, über Donald Trump zu berichten, so viel wird er produzieren. Und der Zweck besteht allein darin, den inneren kleinen Wurm zu trösten. Dem verhunzten Mini-Ich zu sagen: „Schau, fein gemacht!“ Das Mini-Ich ist gierig nach Anerkennung.

Hier wird übrigens auch der wichtige Aspekt der Manipulation überdeutlich. Durch Manipulation erreicht Trump sein mediales und juristisches Überleben: „Die Kombination dieser Strategien – Verzerren von Tatsachen und Ablenken bei Fragen nach der Vergangenheit – sorgt dafür, dass Trumps sorgfältig gepflegtes öffentliches Image keinen Kratzer erleidet“ (Johnston 2016). Seine Aussagen wirken oft zerfahren. Doch damit lenkt er geschickt den Fokus weg vom Vorwurf hin zu einem belanglosen, erfundenen oder vorgeschobenen Ausweichthema. „The Donald“ schaue intensiv Fernsehen, heißt es, und verfolge die Berichterstattung über sich. Gefalle die ihm nicht, dann werde er aktiv, um von unangenehmen und ihn persönlich bedrohenden Tatsachen öffentlich abzulenken: „Trump (…) manipulierte die Berichterstattung, indem er den Medien eine einfache, verwertbare Story lieferte und sich dabei zunutze machte, dass die meisten Journalisten einfach wiederholten, was ihnen gesagt wird, oft ohne irgendwelche Kenntnisse über die Rechtslage oder die Praxis der Behörden zu haben“ (Johnston 2016). Überfluten wird er die Medien mit logorrhoischen Ausscheidungen, analog zu Helmut Dietls Paradenarzisst in der TV-Serie Kir Royal aus dem Jahr 1986.

Umgeben von anderen unreflektierten Narzissten, die sich gegenseitig in größere und höhere Sphären katapultieren, wächst im Zentrum der US-amerikanischen Macht eine multiple-narzisstische Gestalt heran, dessen Ausmaß an Veränderung, das sie mit sich bringen wird, nicht abzusehen ist.

Nach meinen Praxiserfahrungen zu urteilen, ahne ich nichts Gutes. Ob die Katastrophe ein Reflex des Zorns sein wird, ein Impulsausbruch dieser vielen kleinen wütenden Jungs, die jetzt dort regieren, ich weiß es nicht. Ob es ein gnadenloses Durchsetzen der primitiven und ärmlichen Wahlversprechen geben wird, nur um die eigene Existenz zu untermauern? Ich fürchte ja. Auf Kosten menschlicher Moral, Mitgefühl und Empfindsamkeit. Die kommenden Jahre werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ein chaotisches Desaster bringen, und wir werden noch Jahrzehnte daran zu laborieren haben, es wieder zu ordnen. „The Donald“ und sein Größenselbst sind darauf erpicht, interessant zu bleiben (Iglesias 2011). Das ist eine gute Story für ein Drehbuch, nicht für die Realität. Es bleibt mir momentan nur übrig, mit den Worten Bob Dylans zu schließen: „Kommt also, versammelt Euch Leute, wo auch immer ihr Euch rumtreibt, und gebt zu, dass das Wasser um Euch gestiegen ist.“

Times they are a-changin‘ – Zeiten ändern sich.

 

Hagemeyer_Pablo  Über den Autor

Dr. Pablo Hagemeyer ist Psychiater und Psychotherapeut in eigener Praxis in Weilheim. Er hat die Texte zur Hörfreund-CD-Reihe entworfen, die verschiedene hypnotherapeutische Fantasiereisen zur Entspannung umfasst, gelesen von Schauspieler Hans Sigl.

Im April erscheint sein Buch Fantasiereisen: Aufbau, Dramaturgie und effektiver Einsatz in der Psychotherapie im Junfermann Verlag.

 

 

Literatur

Altmeyer, Martin (2000): „Narzißmus, Intersubjektivität und Anerkennung“. Psyche. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen, 54/2000 (Heft 2).

Balint, Michael (1960): „Primary narcissism and primary love“. The Psychoanalysic Quarterly, Band 29, S. 6–43 (Dt. [1969]: „Primärer Narzissmus und primäre Liebe“, Jahrbuch der Psychoanalyse, Band 1, S. 3–34).

Buber, Martin (2005): Ich und Du. Gütersloher Verlagshaus.

Buss, David (2014): Evolutionary Psychology: The New Science of the Mind. Routledge.

Campbell, Joseph (1999): Der Heros in tausend Gestalten. Insel.

Coelho, Paulo (2008): Der Alchimist. Diogenes

Dieckmann, Eva (2011): Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung mit Schematherapie behandeln. Klett-Cotta.

Fiedler, Peter (2000): Integrative Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen. Hogrefe.

Fromm, Erich (1984): Sigmund Freuds Psychoanalyse. Größe und Grenzen (3. Auflage). Dtv, S. 48–58.

Gartner, John (2005): The Hypomanic Edge: The Link between (a Little) Craziness and (a Lot of) Success in America and In Search of Bill Clinton: A Psychological Biography. Simon & Schuster.

Iglesias, Karl (2011): Writing for Emotional Impact: Advanced Dramatic Techniques to Attract, Engage, and Fascinate the Reader from Beginning to End. Wing Span.

Johnston, David Cay (2016): Die Akte Trump. Ecowin.

Kernberg, Otto (2016): Hass, Wut, Gewalt und Narzissmus. Kohlhammer.

Kiyosaki, Robert T. (2011): Rich Dad, Poor Dad. Finanzbuchverlag.

Kohut, Heinz (1976): Narzissmus. Eine Theorie der psychoanalytischen Behandlung narzißtischer Persönlichkeitsstörungen. Suhrkamp.

Kohut, Heinz (1979): Die Heilung des Selbst. Suhrkamp.

Musk, Elon & Vance, Ashley (2015): Elon Musk – Wie Elon Musk die Welt verändert: Die Biographie. Finanzbuchverlag.

Perls, Frederick S., Goodman, Paul & Hefferline, Ralph F. (1979): Gestalttherapie: Grundlagen. Dtv.

Sulz, Serge (2003): Als Sisyphus seinen Stein losließ. CIP Medien.

Tenenbom, Tuvia (2016): Allein unter Amerikanern. Suhrkamp.

Wardetzki, Bärbel (2001): Weiblicher Narzissmus. Der Hunger nach Anerkennung. Kösel.

Zopf, Siegfried (1985): Narzissmus, Trieb und die Produktion von Subjektivität. Stationen auf der Suche nach dem verlorenen Paradies. Springer.

 

Onlinequellen

Cohen, Eliot A.: „Trump wird an Amerika scheitern“. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.01.2017, einzusehen unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/zeitenwende-im-weissen-haus-trump-wird-an-amerika-scheitern-14795524.html?GEPC=s5

Dietl, Helmut (1986): Kir Royal. Aus dem Leben eines Klatschreporters (Film). Drehbuch: Helmut Dietl und Patrick Süßkind; Regie: Helmut Dietl. Szene mit Mario Adorf: „Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld!“, einzusehen unter: https://www.youtube.com/watch?v=LdQyQLs2THM

Hank, Rainer & Meck, Georg: „Entehrt. VW-Abgasskandal“. Frankfurter Allgemeine vom 27.9.2015, einzusehen unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vw-abgasskandal/vw-abgasskandal-entehrt-13825462.html

Teutsch, Katharina: „Streichle dich selbst! Ist Narzissmus eine Störung“. Frankfurter Allgemeine vom 14.7.2012, einzusehen unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ist-narzissmus-eine-stoerung-streichle-dich-selbst-11820624.html

Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF Elmar Theveßen kommentiert die aktuelle Politik von US-Präsident Trump (30.01.2017), einzusehen unter: https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/kommentar-thevessen-100.html

Die von John Gartner mitbegründete Petitionsgruppe mit dem Titel: „A society dedicated to the proposition that Donald Trump is too seriously mentally ill to competently discharge his duties as president and must be removed according to the 25th Amendment“ kann eingesehen werden unter https://www.change.org/p/trump-is-mentally-ill-and-must-be-removed?recruiter=21702147&utm_source=share_petition&utm_medium=facebook&utm_campaign=share_for_starters_page&utm_term=des-xs-no_src-no_msg

Interview mit Richard David Precht bei „Jung & naiv“ mit Tilo Jung, einzusehen unter: https://www.youtube.com/watch?v=yHLK8sXITiM

SZ-Artikel: „Seehofer schwärmt von Trumps Arbeitstempo“, einzusehen unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/csu-seehofer-schwaermt-von-trumps-arbeitstempo-1.3354784

 

 

Kinder brauchen Bindung

Hilfe für Alleinerziehende?

Von Bianca Olesen

In meiner Praxis für Psychotherapie arbeite ich mit Einzelklienten, Gruppen und immer wieder gerne auch mit Familien.

Ein häufiger Anlass, meine Praxis zu besuchen, ist Erschöpfung. Mancher nennt es Burnout, mancher erlebt vorwiegend den depressiven Anteil dieses Zustandes, die Angst oder die körperliche Komponente – oder auch die daraus resultierenden Beziehungsschwierigkeiten. Allen gemein ist aber die zugrunde liegende starke Überforderung und die Idee, mehr leisten zu müssen, sich noch mehr anzustrengen, und die in Folge auftretende tiefe Erschöpfung. Viele kommen also zu mir, um Wege aus der Überforderung zu finden. Eine Gruppe von Menschen, die davon häufig betroffen sind, sind Alleinerziehende.

Neulich habe ich Lisa kennengelernt. Lisa leidet wie viele ihrer Generation unter dem Schicksal, alleinerziehend zu sein. Lisa ist schwer erschöpft davon, sich allein zu fühlen, alles alleine bewältigen zu müssen, und hat deswegen zunehmend auch soziale Probleme: Sie schafft es nicht mehr, die Leistung zu erbringen, die man von ihr erwartet. Das setzt Lisa unter Druck, sie fühlt sich zunehmend minderwertig, zweifelt an sich und fragt sich immer häufiger, was mit ihr nicht stimmt. Dass etwas mit ihr nicht stimmt ist klar, so die anhaltende Resonanz ihres Umfeldes. Lisa fühlt sich falsch, und sie weiß nicht, wie sie es schaffen kann, richtig zu sein. Aus dieser Unsicherheit heraus fällt es ihr immer schwerer, sich sozial einzufügen, sich angemessen zu verhalten im Umgang mit anderen, egal ob groß oder klein. Denn Lisa ist eigentlich ständig traurig und gereizt. Das ganze Dilemma beschäftigt sie Tag und Nacht, sie schläft schlecht, sie träumt schlecht und leidet unter Kopf- und Bauschmerzen. Und auch damit fühlt sie sich: allein.

Ich erlebe Lisa ratlos. Und sie steckt bereits in einem Teufelskreis: Was sich ihr Umfeld von ihr wünscht, ist nicht nur, dass sie mehr leistet, sondern dass sie wieder präsenter ist und zugänglich. „Schwingungsfähig“ würden wir das fachsprachlich nennen, emotional ansprechbar. Gerade das kann Lisa aber nicht erreichen, wenn sie sich anstrengt, um den anderen wieder besser zu gefallen. Und vor lauter Anstrengung erschöpft sie sich immer mehr.

Lisa erlebt also den klassischen Werdegang überforderter Menschen: vegetative Übererregung und Gereiztheit, Unverständnis des Umfeldes und daher fehlende Unterstützung, Hilflosigkeit und schließlich sozialer Rückzug bis zur Isolation.

Ihr Umfeld beschreibt sie als schwierig und widerständig und beginnt, sich von ihr abzuwenden.

Als Alleinerziehende muss Lisa zudem schwierige Fragen des Alltags alleine beantworten und wichtige Entscheidungen alleine treffen. Je weniger nützliche Vorerfahrungen hierfür zur Verfügung stehen und je weniger Ressourcen, desto schwieriger fällt dies und desto überfordernder erlebt sie ihre Situation.

Eine überlebenswichtige Ressource für überforderte Menschen wie Lisa ist die emotionale, wohlwollende Unterstützung durch andere. Ohne Unterstützung ist es nicht unwahrscheinlich, dass Lisa irgendwann den letzten Ausweg wählt.

Was aber meint emotionale Unterstützung? Emotionale Unterstützung bedeutet nicht in erster Linie, etwas für den anderen zu tun, sondern vielmehr, mit ihm zu sein. Eine tragfähige Beziehung anzubieten im folgenden Sinne:

Als soziales Wesen mit dem Grundbedürfnis nach sicherer Bindung beschäftigt sich der Mensch „im Hintergrund“ seines Bewusstseins, seinem „sozialen Unbewussten“, ständig mit der Suche nach der Antwort auf drei überlebenswichtige Fragen:

  1. Bist du präsent?
    (Bist du aufmerksam für mich?)
  2. Bist du empathisch für mich?
    (Fühlst du dich in mich ein? Bekommst du mit, was in mir los ist, was mich beschäftigt?)
  3. Sagst du dazu „Ja“?
    (Nimmst du mich an, liebst du mich, wertschätzt du mich mit dem, in das du dich einfühlst?)

Ein Ja auf alle drei Fragen bewirkt das Erleben emotionaler Unterstützung und sicherer Bindung. In Beziehung lebend haben wir im besten Falle mindestens einen Menschen, der ein grundsätzliches Ja als Antwort auf die drei Fragen bietet, der also Ja zu uns sagt. Das entlastet und sichert uns und erleichtert uns den Umgang mit den Schwierigkeiten des Alltags.

Lisa fühlt sich nicht auf diese Weise zuverlässig gebunden. Sie findet nirgendwo zuverlässig ein klares Ja auf diese drei existenziellen Fragen. So fällt es ihr zunehmend schwerer, sich sicher und vertrauensvoll auf das Leben einzulassen zu können. Darunter leidet sie.

Folgerichtig müsste ich Lisa also zuerst dabei unterstützen, wieder in Beziehung zu gehen und in ihrem Umfeld Unterstützung zu finden. Eigentlich.

Lisa leidet wie viele ihrer Generation unter dem Schicksal, alleinerziehend zu sein. Obwohl sie inmitten einer Familie lebt.

Lisa ist acht Jahre alt und seit zwei Jahren Schlüsselkind. Wenn sie um 16 Uhr aus der Ganztagsbetreuung nach Hause kommt, wird es noch zwei Stunden dauern, bis ihre Mutter aus dem Büro kommt. Viel später, wenn Lisa sich schlafen legt, wird ihr Vater nach Hause kommen.

An den Wochenenden steht nach den Übungsaufgaben (Mama und Papa wollen schließlich sicherstellen, dass sich Lisas Leistungen weiter verbessern) vom Maislabyrinth bis zum Freizeitpark alles auf dem Programm, was geeignet ist, das schlechte Gewissen der Eltern zu beruhigen. Und Lisa freut sich brav mit ihren müden Augen. Gegessen wird im Restaurant, denn zum Kochen sind auch die Eltern zu erschöpft. Natürlich benimmt sie sich vorbildlich. Lisa macht sich in der Woche alleine etwas zu essen, sie erledigt ihre Hausaufgaben und bleibt mit ihren vielen Fragen allein. Sie bleibt brav in ihrem Bett, wenn ihre Albträume sie aus dem Schlaf gerissen haben. Und sie murrt nicht, sie fällt Mama und Papa nicht zur Last. Schließlich macht sie ihnen doch schon genug Kummer.

Lisa ist alleinerziehend. Sie muss sich selber erziehen und ist damit hoffnungslos überfordert[1].

Und ehrlich: Ich bin ratlos, wie ich ihr helfen kann.

Als Mutter berührt mich Lisas Situation so tief, dass ich die Einsamkeit und Verzweiflung fast nicht ertragen kann, die ich an ihr wahrnehme. Ich möchte die Eltern fragen: „Wieso entscheidet ihr euch für ein Kind und sagt dann nicht in aller Konsequenz Ja zu ihm?“ Als Mutter möchte ich Lisa in den Arm nehmen, sie halten und ihr die große Last der Überforderung für einen Moment von den Schultern nehmen. Ihr eine sichere Beziehung anbieten, in der sie sein darf, wer sie ist: ein bedürftiges Kind. Und ich bleibe ratlos, denn ich weiß, Lisa braucht diese Liebe und Zuwendung zuallererst von ihren Eltern.

Wähle ich die Rolle der Therapeutin, erkenne ich, dass Lisas schwierige Situation ein familiäres Problem ist, das nicht gelöst wird, indem Lisa „behandelt“ wird. Die Medizin für Lisas Schwierigkeiten heißt Elternliebe und beinhaltet die elterliche Präsenz, Empathie und bedingungslose Annahme.

Ich bin sicher, dass auch für Lisas Eltern Geld und Karriere keine Rechtfertigung dafür darstellen, ihre Tochter emotional zu vernachlässigen. Dass es ihnen also nicht bewusst ist, dass sie Nein zu ihr sagen und sie mit zu wenigen Ressourcen in ihr Leben schicken. Dass Lisa später, wenn sie der Kindheit entwachsen ist und fest im sozialen Gefüge mit all seinen Pflichten und Herausforderungen steckt, diese Basis der Unbeschwertheit und Verantwortungsfreiheit als entlastende Ressource nicht wird aktivieren können, dass Lisa wahrscheinlich nicht einmal eine Idee davon haben wird, wie es ist, ihre Last für einen Moment an eine liebevolle Autorität zu delegieren, um kurz nach Luft zu schnappen. Und dass sie damit die wichtigste Ressource überhaupt entbehrt: die Fähigkeit zur Bindung. Die Fähigkeit, zu fühlen, was zu fühlen ist, sich damit einem anderen Menschen anzuvertrauen, der dies für einen Moment mitzutragen bereit ist, und auf diese Weise nicht allein zu bleiben, sondern Kontakt zu erleben: Mit meiner Not bin ich allein, ja, ich muss sie schlussendlich allein bewältigen, aber ich bin nicht einsam! Und das ist der große Unterschied.

Als Therapeutin würde ich deshalb die Eltern in die Arbeit einbeziehen und die drei dabei unterstützen, ihre Verbundenheit wieder bewusst als überlebenswichtige Ressource zu erleben und als kostbares Gut zu erkennen.

Vielleicht würde ich sagen: „Nutzt die kurze Zeit, bis sie flügge wird. Das sind viel weniger Jahre, als ihr glaubt. Aber diese Jahre sind die einzige Zeit, in denen ihr Lisa das mitgeben könnt, was sie für ein glückliches und gesundes Leben braucht. Denn alle Menschen – aber ganz besonders Kinder brauchen Bindung!

 

[1] Nicht nur die Zahl psychisch „gestörter“, verhaltensauffälliger Kinder steigt in den vergangenen Jahren dramatisch, sondern auch die Zahl der Suizide bei Kindern und Jugendlichen!

Aktuell spricht die Stiftung für die psychische Gesundheit von Kindern von mindestens 20 Prozent psychisch kranker Kinder in Deutschland und erwartet eine Entwicklung auf 50 Prozent bis 2020.

Suizid ist heute die zweithäufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen. Und auf jeden Suizid fallen noch 15–20 Suizidversuche.

Quellen:

  • http://www.achtung-kinderseele.org/html/themen/psychische%20stoerungen.html
  • https://www.frnd.de
  • http://www.tagesspiegel.de/berlin/vor-dem-suizid-beschuetzen-jedes-jahr-nehmen-sich-600-jugendliche-das-leben/8741862.html
  • https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/21/dramatisch-in-deutschland-ist-bald-jedes-zweite-kind-seelisch-krank

(Zugriff jeweils am 18.1.2017)

 

Unterstützung finden Betroffene auch hier:

Die Telefonseelsorge 0800 1110111

Das Kinder- und Jugendtelefon 0800 1110333

 

Olesen_Bianca  Über die Autorin

Bianca Olesen ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und Gestalttherapeutin, Trainerin und Coach mit den Schwerpunkten Stress & Entspannung, Persönlichkeitsentwicklung, emotionale Kompetenz und gehirngerechtes Lehren und Lernen.

Ihr Buch Der Mensch hinter der Maske. Vom Umgang mit narzisstischen Klienten in Coaching und Beratung erschien 2015 im Junfermann Verlag.

Fällt es Ihnen schwer zu entspannen? Manchmal steckt mehr dahinter als äußerer Stress …

Wie Ihr Unterbewusstsein Sie vom Entspannen abhält

Von Tanja Klein

Was haben dramatische Kindheitserlebnisse mit der Unfähigkeit zu entspannen zu tun? Welche Rolle spielen das Familienumfeld und die Spiegelneurone beim Thema Entspannung? In weniger als fünf Minuten werden Sie es wissen. Und warum genießen Sie diesen Artikel nicht passenderweise direkt in einer bequemen Sitzhaltung – vielleicht mit einem Getränk Ihrer Wahl neben sich, die Füße entspannt hochgelegt – und freuen sich über die nächsten Minuten voller Ruhe und neuer Impulse. Sie nehmen wahr, wie die Atmung tiefer wird und ihr Herz angenehm langsam schlägt … Wie? Das fällt Ihnen schwer? Dann könnte es vielleicht an einem der drei folgenden Gründe liegen:

1. Sie haben in Ihrer frühesten Kindheit eine furchtbare Erfahrung gemacht, die Ihnen eine entspannte Entspannung (noch) nicht erlaubt. Und mit frühester Kindheit meine ich sehr früh, also die Zeit, als Sie noch im Bauch Ihrer Mutter waren. Und das vielleicht nicht alleine …

Der Gynäkologe Jean-Guy Sartenaer berichtete in einem Interview für das Fachbuch Das Drama im Mutterleib (2013), dass er bei acht bis zehn Prozent aller Schwangerschaften mehrere Embryonen in der Gebärmutter im Ultraschall erkennen kann. Jedoch sehen wir im Straßenbild nur sehr selten Mütter, die angestrengt versuchen, mit ihren Zwillingskinderwagen in den Bus einzusteigen. Die Quote für erfolgreiche Zwillingsschwangerschaften, bei denen beide Kinder lebend geboren werden, liegt bei nur einem Prozent. Das heißt, dass rund jede zehnte Schwangerschaft „zu zweit“ beginnt und mit dem Schicksal „verlorener Zwilling“ endet.

Wie hängt die pränatale Erfahrung mit der Unfähigkeit zu entspannen im Erwachsenenalter zusammen?

Stellen Sie sich kurz vor, Sie wären ein Embryo im Bauch Ihrer Mutter und direkt neben Ihnen wäre noch ihr Geschwisterchen. Je nach Schwangerschaftswoche hören Sie bereits den Herzschlag des anderen und spüren die Bewegungen neben sich. Mit der Zeit wird der Herzschlag „nebenan“ immer langsamer und langsamer, die Atmung immer ruhiger und die Bewegungen immer weniger … Bis es plötzlich neben Ihnen ganz ruhig wird. Da ist nichts – mehr. Absolute Ruhe. Der Mensch, der Ihnen am engsten vertraut war, ist verschwunden. Wohin auch immer.

(Ich erspare Ihnen die Beschreibung der nächsten Monate, die Sie neben dem toten Körper verbringen. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann das erwähnte Buch lesen oder eine Fortbildung in Pränataler Psychologie z. B. bei Gerda Ehrlich besuchen.)

Vor diesem Hintergrund jedenfalls bekommt die Aussage „Ruhe fühlt sich für mich an wie der Tod“ eine ganz neue Bedeutung, und als Coach und/oder Therapeut macht es Sinn, an dieser Stelle hellhörig zu werden. Vielleicht hat der Klient, der diese Aussage getroffen hat, als eine der ersten prägenden Erfahrungen gelernt: Wenn jemand anfängt, richtig ruhig zu werden, ist er bald tot. Würden Sie mit dieser unbewussten, vorgeburtlichen Erfahrung ruhig auf dem Sofa liegen können? Es ist völlig verständlich, dass man lieber nicht zur Ruhe kommen möchte. Jemandem mit dieser Erfahrung Yoga oder Meditation zu empfehlen, könnte kontraindiziert sein. Vorher wäre es wichtig und notwendig, den ursprünglichen Stress aufzulösen.

Viele Menschen können sich nur schwer vorstellen, dass man in vorgeburtlicher Zeit etwas bewusst mitbekommt und zudem noch ins Erwachsenenleben überträgt. Fachbücher zur Pränatalen Psychologie und meine eigenen Coachingerfahrungen bestätigen jedoch genau das.

Natürlich kann man sich nicht daran erinnern, wie das Geschwisterchen ausgesehen hat oder was man angesichts seines Todes empfunden hat. Dennoch ist davon auszugehen, dass das überlebende Kind „etwas“ mitbekommen hat, denn dieses Erlebnis kann beispielsweise durch den veränderten Geschmack des Fruchtwassers „geschmeckt“ werden, und es gibt eine unbewusste Erinnerung an die Gefühle aus dieser Zeit. Die Folgen sind bei manchen Menschen durchaus auch im Erwachsenenalter noch spürbar.

Aber ich möchte Ihnen heute noch zwei weitere Gründe aus meiner Praxis vorstellen, die Entspannung erschweren:

2. Die Unfähigkeit zu entspannen kann mit der Geburtserfahrung zusammenhängen. Bei einer jungen Klientin von mir entpuppte sich unter anderem dieses Phänomen als die Ursache für ihr Problem, in der Schule stillzusitzen. In Gesprächen stellte sich heraus, dass sie eine ganz furchtbare Geburt gehabt hatte und es in den ersten Minuten danach sehr unsicher gewesen war, ob sie überleben würde. Eine Geburt kann viele kritische Momente haben, und sie alle gehen nicht spurlos am Kind und seinen Eltern vorbei.

Ohne böse Absicht wurden meiner Klientin von den Eltern immer wieder die Einzelheiten des „Geburtstraumas“ berichtet. Das Mädchen litt an einer starken, vormals unbewussten Angst zu sterben, die eindeutig aus der Zeit der Geburt stammte. Die Unfähigkeit, ruhig zu sitzen, entsprang der guten Absicht, sich selbst zu versichern, noch am Leben zu sein. Ganz nach dem Motto: „So lange ich rumhüpfe, kann ich nicht tot sein“. Angesichts der Vorgeschichte des Mädchens eine verständliche Reaktion.

Der Mensch ist jedoch ein komplexes Wesen und es gibt oft mehr als einen Grund für ein bestimmtes Verhalten. Bei meiner Klientin kam nun noch Grund Nummer 3 hinzu:

3. Spiegelneurotischer Stress des Umfeldes. Der Vater meiner Klientin hatte bei ihrer Geburt natürlich ebenfalls starke Angst, dass sein Mädchen sterben könnte. Der Ursprung dieser Angst konnte mit dem Myostatiktest eindeutig zugeordnet werden. Diese Angst hörte auch nach den gut gemeisterten ersten Lebensmonaten und sogar -jahren nicht auf. Sie wirkte unterbewusst noch immer auf ihn – und leider über die Spiegelneurone auch auf sein Kind.

Wirkungsweise der Spiegelneurone

Jeder Mensch kann sich mit emotionalem Stress von nahestehenden Menschen „anstecken“ lassen. Dies geschieht über eine ganz spezielle Sorte von Nervenzellen: den Spiegelneuronen. Im menschlichen Gehirn bewirken sie, dass beim bloßen Betrachten einer Handlung sich das gleiche Aktivitätsmuster zeigt wie beim aktiven Ausführen dieser Handlung. Aus Sicht der Evolution sind die Spiegelneurone eine tolle Sache, da sie uns oft schützen oder leichter neue Handlungsweisen lernen lassen. Manchmal lernen wir jedoch auch undienliche Muster. So kann es sein, dass meine Klientin als Kind immer wieder über die Spiegelneurone mit der Angst des Vaters in Resonanz ging. Deshalb konnten wir das Thema „Stillsitzen“ nur im Rahmen einer systemischen Arbeit mit beiden Beteiligten auflösen.

Erfahrungsgemäß sind in einer Familie nicht immer alle Mitglieder für solch einen Prozess offen oder erreichbar, manchmal sind wichtige Personen auch bereits verstorben. Entsprechende Muster können jedoch von Generation zu Generation weitervererbt werden: Es gibt viele Erwachsene, die ihre Mutter nie „zur Ruhe gekommen“ erlebt haben. Dann werden Haltungen wie „Was denken die Leute, wenn ich mich am helllichten Tag einfach hinlege?“ von Generation zu Generation weitergegeben und wirken sich so negativ auf den eignen Entspannungswunsch aus. Als guter Coach kann man diese unbewussten Muster aus den Gehirntiefen der Amygdala gut auflösen. Aber vorher muss man diese erst einmal erkennen.

Wege zur Auflösung

Es wäre falsch zu vermuten, dass jeder Mensch, der sich schwertut, einen Gang runterzufahren, ein dramatisches Geburts- oder Vorgeburtsereignis erlebt hat. Wichtig ist mir nur, eine Sensibilität dafür zu schaffen, dass die geschilderten „Dramen“ öfter ursächlich sind, als man gemeinhin denkt. Falls Sie als Coach oder Therapeut auf einen Klienten treffen, der Entspannung als extrem bedrohlich empfindet, dann könnte es also sein, dass einer der genannten Gründe vorliegt.

Jeder Coach und Therapeut hat seine ganz eigenen Methoden, wie er solche Hintergründe bei seinen Klienten herausfindet und sie anschließend bearbeitet. Ich empfehle, als qualifizierter Therapeut bzw. Heilpraktiker für Psychotherapie (HP Psych) zuerst dem Klienten dabei zu helfen, die meist traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten, bevor man versucht, ihm den Weg zur Entspannung näherzubringen. Gute Aussicht auf Erfolg bei der schnellen Auflösung dieser Entspannungshindernisse hat meiner Erfahrung nach die Coachingmethode wingwave. Aber sicherlich kann jeder gut ausgebildete Therapeut oder Coach mit Zusatzqualifikation als HP Psych auch mit seinen Lieblingsmethoden Unterstützung bieten.

Beim Schreiben dieser Zeilen, konnte ich ganz entspannt auf meinem Sofa sitzen und die völlige Ruhe bei der Arbeit genießen. Ich frage mich, ob auch Sie heute schon die Chance hatten, ein paar Minuten zu entspannen. Vielleicht sogar gerade jetzt? Wie erleben Sie Entspannung? Schreiben Sie gerne einen Kommentar oder teilen Sie es mir per Mail mit: mail@kleincoaching.de

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und wünsche Ihnen einen entspannten Tag.

image1  Über die Autorin

Tanja Klein arbeitet als systemischer Coach (DCV) in Bonn. Sich selbst klassifiziert die IHK-geprüfte Fachkauffrau Marketing als „Marketing-Rampensau“. Im Junfermann Verlag hat sie zusammen mit Ruth Urban die Bücher Coach, your Marketing und Erfolgreich durch Positionierung veröffentlicht.

Wenn Vorstellungen zur inneren Realität werden

Imaginationen – eine ganz persönliche Kraftquelle

Von Antje Abram

Ein herzliches Willkommen im Jahr 2017! Haben Sie die Feiertage gut verlebt? Konnten Sie genug Momente der Ruhe und Entspannung finden? Oder bestand die „besinnliche Zeit“ doch eher aus einem Abhaken von Pflichtterminen?

Nehmen Sie sich doch jetzt gerade einmal einen kurzen Augenblick Zeit, um nachzuspüren, wie Sie sich fühlen, wie sich Ihr Körper anfühlt. Vielleicht notieren Sie sich sogar ein paar Stichworte dazu auf einem Zettel, denn es soll später um einen Vergleich „vorher – nachher“ gehen.

Eine wichtige Ressource, um die Batterien wieder aufzuladen und mit sich besser in Kontakt zu kommen, eine Ressource, die so alt ist wie die Menschheit selbst, möchte ich Ihnen im Folgenden kurz vorstellen: Es handelt sich um die Kraft der Imagination.

Die anschaulichste Art, Imaginationen kennenzulernen, besteht darin, einfach in sie einzutauchen! Wenn Sie mögen, begeben Sie sich daher mit mir zusammen auf einen inneren Weg zu schönen Orten, zum achtsamen Sein und zu mehr Entspannung.

Machen Sie es sich dazu bequem. Stellen Sie beide Beine auf den Boden, lockern Sie ein wenig Ihren Körper. Lassen Sie die Schultern kreisen und atmen Sie ein paarmal tief durch.

Stellen Sie sich nun vor, Sie sitzen auf einer bequemen Bank, die Sonne scheint angenehm, die Temperatur ist genau richtig. Ihnen direkt gegenüber befindet sich ein sehr schöner bunter Garten. Sie sehen gelbe und violette Blumen, viel Grün und hinter dem Garten ein Haus mit roten Fensterläden.

haus

Sie merken, wie Sie sich beim Anblick all der Pflanzen und all der Farben immer mehr entspannen. Vielleicht haben Sie den angenehmen Duft der Blumen in der Nase, vielleicht hören Sie auch die Vögel zwitschern. Sie spüren, wie Ihr Atem bei all dem ruhiger wird und wie Sie bei jedem Ausatmen noch ein bisschen mehr in Ihre Sitzgelegenheit entspannt hineinsinken. Einfach nur atmen und den Ausblick genießen.

Dann, einem Impuls folgend, stehen Sie ganz in Ruhe auf und beginnen, einen kleinen Pfad entlangzugehen, der direkt an Ihrer Bank anfängt. Sie spüren Ihre Füße in den Schuhen und Sie nehmen wahr, wie die Füße bei jedem Ihrer Schritte sanft abrollen. So gehen Sie achtsam vor sich hin, Schritt für Schritt, ganz entspannt. Dann wenden Sie Ihren Blick beim Gehen zur Seite und sehen – zu Ihrer Überraschung – ein paar Erdmännchen, die Ausschau halten.

erdmaennchen

Und während sich Ihr Kopf noch fragt, wo diese Erdmännchen auf einmal herkommen, erfreut sich Ihr Inneres bereits an diesen Tieren, an diesem quirligen und lebendigen Sein, an diesem aufmerksamen Blick. Und vielleicht bringt all dies ein Lächeln auf Ihr Gesicht, dem Sie innerlich nachspüren.

Sie gehen weiter den Pfad entlang und Ihnen wird klar: In der Fantasie geht einfach alles!

Und weil dem so ist, befinden Sie sich – jetzt, nur einen Atemzug später – am Meer! Sie spüren den Wind und die Sonne, Sie riechen die leicht salzige Luft und hören die kräftigen Töne der Möwen. Die Wellen branden an den schönen Strand und Sie beginnen, ganz in Ruhe, an diesem Strand entlangzugehen. Vielleicht mögen Sie auch Ihre Schuhe ausziehen, um den warmen Sand an den Füßen zu spüren, vielleicht mögen Sie auch durch das Wasser waten. Und dann erblicken Sie eine Herde Robben, die friedlich dösend nahe am Wasser liegen.

robben

Sie halten respektvoll Abstand und beobachten die Robben. Es durchströmt Sie eine große Ruhe und Entspannung, als würde sich der Müßiggang der Tiere direkt auf Sie übertragen. Dann gehen Sie in einem weiten Bogen um die Robben herum und nehmen wieder das Meer wahr. Sie lassen das ewige Spiel der Wellen auf sich wirken, das Heranrollen an den Strand, das kurze Verweilen, und das Zurückfließen in das große Ganze. Genau so können Sie auch mit Gedanken umgehen, die jetzt gerade unwichtig sind: Die Gedanken kommen, sie gehen aber auch wieder – und Sie entspannen sich immer mehr, nehmen Ihren Körper wahr, lassen die Muskulatur locker. Sie finden einen schönen Platz am Strand, friedlich und bequem. Die Sonne fängt an unterzugehen und Sie genießen diese Abendstimmung mit all Ihren Sinnen, ganz entspannt und in Ruhe atmend.

meer

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn Sie innerlich mit auf diese Reise gegangen sind – wie geht es Ihnen jetzt gerade? Hat sich Ihr Zustand von vorhin geändert? Welche Stichworte hatten Sie sich notiert – und welche würden Sie jetzt aufschreiben, um Ihr momentanes Empfinden zu beschreiben?

Was Sie soeben miterlebt haben, weicht von einer klassischen Imaginationsübung etwas ab, denn Sie haben den Text gelesen und nicht mit geschlossenen Augen angehört. Außerdem hatten Sie Gelegenheit, die beigefügten Fotos zu betrachten – Bilder, die Sie sonst individuell in Ihrer Fantasie kreiert hätten, vermutlich in anderer Art und Weise. Und dennoch: Je tiefer Sie eintauchen in Ihre Fantasiewelt, je mehr Sie Ihre Sinne dabei aktivieren, desto „realer“ wird Ihre eigene Imagination für Sie und Ihr Gehirn. Sich genau vorzustellen, was man sieht, hört, fühlt, riecht und schmeckt, macht eine Imagination sehr lebendig und real. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass es für das Gehirn nur minimale Unterschiede gibt zwischen „real erlebt“ und „intensiv vorgestellt“. Dies eröffnet eine Vielzahl an Möglichkeiten, zum Beispiel für das mentale Training: sei es, um die eigenen Leistungen zu verbessern, beispielsweise im Beruf oder im Sport, sei es, um mit Ängsten, Trauer und Konflikten besser umzugehen, sei es, um mehr Entspannung zu erleben und besser schlafen zu können oder auch zur intensiven Unterstützung von Heilungsprozessen.

In meinem Buch Imaginationen, das in diesem Frühjahr erscheinen wird, lade ich Fachleute und andere Interessierte ein, alle Facetten und Möglichkeiten von Imaginationsübungen kennenzulernen und die wohltuende Wirkung anhand praktischer Übungen selbst zu erfahren.

Viel Freude bei den unendlichen Möglichkeiten Ihres Gehirns!

abram_1_2008  Über die Autorin
Antje Abram
ist Gestalttherapeutin, Dipl. Sportwissenschaftlerin und Heilpraktikerin Psychotherapie. Sie arbeitet seit 1998 in eigener Praxis in Köln. Im Junfermann Verlag erschienen sind bisher von ihr die Bücher Glück sucht Empfänger, Gestalttherapie und zusammen mit Daniela Hirze Fühlen erwünscht. Im Frühjahr dieses Jahres wird zudem der Titel Imaginationen im Handel erhältlich sein.

Zum Jahresende

Ach, so viel ist passiert in diesem Jahr!

Bücher gab es viele, 38 neue an der Zahl.

Chaos – manchmal,

Durch Auszug aus den alten Räumen und den

Einzug in die neuen.

Fotografisch wurde alles festgehalten.

Geladen

Haben wir

Im April zum

Junfermann-Autorentag.

Kongresse besuchten wir viele,

Ließen manches Buch an Büchertischen den Besitzer wechseln.

Messe war auch ein Thema,

Nach Frankfurt ging es wieder, an einen inzwischen verstrauten

Ort. Dort hieß es:

Pausenlos

Quasseln,

Rechte einkaufen, Rechte verkaufen –

Same procedure as every Year.

Tun wir etwas zwischen den Jahren?

Unsere Räume werden

Verschlossen sein zwischen

Weihnachten und Neujahr, das Telefon nicht besetzt. Deshalb: Happy

X-Mas and a happy new

Year.

Zeit jetzt, nach Hause zu gehen!

 

Mit diesem kleinen Überblick über einige unserer Aktivitäten im Jahr 2016 wünscht Ihnen das gesamt Junfermann-Team schöne Weihnachtsfeiertage und ein gutes neues Jahr!

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Der Junfermann Verlag auf dem Selfpublisher-Podcast

Henri Apell

Henri Apell

Am 2. Dezember 2016 hatte ich einen Interviewtermin. Henri Apell wollte  für seinen Selfpublisher-Podcast von mir wissen, was Autoren beachten müssen, die bei Junfermann ein Buch veröffentlichen wollen. – Moment mal: Selfpublishing bedeutet doch, sein Buch ohne Verlag zu veröffentlichen. Was also haben wir, was habe ich auf einer Plattform verloren, die Informationen rund um das Thema Selfpublishing anbietet? Nun, dazu gibt es eine kleine Vorgeschichte:

Henri Apell ist bei uns im Verlag durchaus als Autor in Erscheinung getreten, auf unserer Plattform active-books und in der Zeitschrift Praxis Kommunikation. In Heft 2/2015  erschien ein Beitrag von ihm unter dem Titel: „Autor werden. Selfpublishing für Coaches und Trainer“. Darin beschrieb er Möglichkeiten, sein Renommee durch eine Buchpublikation zu untermauern – und wie dies auch ohne Verlag machbar ist. Dieser Beitrag blieb nicht ohne Widerspruch, denn in Heft 3/2015 schildert Beate Ulrich, Geschäftsführerin des Carl Auer Verlags, worin die Vorteile einer Verlagsveröffentlichung bestehen. Und kurz darauf wurde Beate Ulrich auch von Henri Apell für den Selfpublisher-Podcast interviewt. In diesem Interview betont sie nochmals, wie wichtig es ist, dass Autoren sich vorab informieren, sich mit dem Programm auseinandersetzen, bevor sie einem Verlag ein Buch anbieten.

Verlage und Autoren: Transparenz ist wichtig für ein gutes Miteinander
Verlage auf der einen Seite, Autoren auf der anderen: zwei Welten, die sich nicht wirklich gut verstehen? Ein so starkes Gegeneinander entspricht wohl kaum der Realität, aber es kann schon zu Missverständnissen und Irritationen kommen, weil Abläufe und Strukturen nicht bekannt oder undurchschaubar sind. Deshalb hat der Junfermann Verlag in diesem Jahr einen Autorenleitfaden erstellt, der hier Abhilfe schaffen und Transparenz fördern soll. Dieser Leitfaden war auch der Anlass für das o.g. Interview, das Henri Apell dann mit mir führte: „Wie ich mein Buchprojekt einem Verlag anbiete“, und das jetzt auf dem Selfpublisher-Podcast veröffentlicht wurde.

Klassische Verlagsprogramme und von Autoren selbst publizierte Bücher: Beide Möglichkeiten gibt es heutzutage und beide haben ihre Vor- und Nachteile. Warum auch im Selfpublishing nicht alles Gold ist, was sich glänzend gibt, dazu äußerte sich kürzlich auch die Autorin und Künstlerin Root Leeb. Ihr Vortrag ist hier nachzulesen.

Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Problem und niemanden würde es interessieren …

Probleme fallen aus heiterem Himmel

Von Horst Lempart

Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Problem und niemanden würde es interessieren. Was passierte dann mit dem Problem?

Dr. med. Eckhart von Hirschhausen stellt sich in einem Buchtitel die Frage: „Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist?“ Ich möchte die Frage für mein Thema umformulieren: Wohin geht das Problem, wenn es uns am Arsch vorbeigeht?

Damit etwas überhaupt als Problem erlebt werden kann, bedarf es einiger Voraussetzungen:

  • Jemand gelangt zu der Überzeugung, „etwas“ sei nicht in Ordnung.
  • Das „Problem“ muss als vorübergehender Zustand angesehen werden, der prinzipiell veränderbar ist.
  • Es muss überhaupt jemanden geben, der eine Soll-Ist-Differenz ausmacht und diese für unerwünscht hält.

Wenn auch nur einer dieser Punkte nicht erfüllt ist, wird die Problemkonstruktion unmöglich. Insofern sollte es doch deutlich weniger Probleme geben, als tatsächlich beklagt werden.

Nun steckt aber der Teufel im Detail. Das winzige, unbedeutend erscheinende Wörtchen „etwas“ macht aus der Mücke einen Elefanten. Denn grundsätzlich kann alles zum Problem werden: zu wenig Geld – zu viel Geld; zu groß – zu klein; zu spät – zu früh; allein – zusammen; mit Job – ohne Job.

Haben Sie gerade ein Problem? Ich rate Ihnen, nicht zu lange über diese Frage nachzudenken. Sie könnten auf Probleme stoßen, die Sie vorher gar nicht hatten. Probleme fallen aus heiterem Himmel: „Aus Spaß wurde Ernst. Ernst ist heute drei Jahre alt“ weiß der Volksmund dazu anzumerken.

In einem meiner Seminare bat ich eine junge Frau zu mir nach vorne. Sie sollte das von ihr erlebte „Problem“ aufs Flipchart zeichnen. Die anderen Teilnehmer forderte ich auf, darüber zu spekulieren, was das Problem sein könnte. Die überraschende Antwort eines Herren: „Ihr großes Problem ist, dass sie nicht zeichnen kann.“ Damit hatte er uns auf erfrischende Weise bestätigt, wie schnell ein neues „Problem“ erlebt werden kann. Erfreulicherweise ging der jungen Frau dieses Problem aber „am Arsch vorbei“. Ich bin mir zwar bis heute nicht sicher, wo es hin ist. Aber womöglich haben wir es im allgemeinen Gelächter ertränkt.

Am 19. Januar 2017 widme ich einen ganzen Tag dem Eigenleben von Problemen. Ich nenne Sie Hirn-Fürze. Wir schauen uns gemeinsam an, wie Hirn-Fürze unser Leben vernebeln können, aber auch, wie flüchtig sie sind. Erleben Sie, wie Problem-Konstruktionen zu Möglichkeitskonstruktionen werden und wie Sie als Profi diesen Prozess begleiten können.

Das Seminar richtet sich an Coaches, Therapeuten und alle Prozessbegleiter, die „Probleme“ nicht einfach so im Raum stehen lassen wollen. Die Teilnahme ist auf 10 Personen begrenzt. Veranstaltungsort ist das Forum Vinzenz Palotti in 56179 Vallendar. Weitere Infos und die Anmeldeunterlagen finden Sie hier.

Lempart1  Über den Autor

Horst Lempart ist Coach, psychologischer Berater und NLP-Master. Sein Lieblingstitel ist aber „Persönlichkeitsstörer“. Er lebt und arbeitet in eigener Praxis in Koblenz.

Jeder Tat geht ein Gedanke voraus

Gute Aussichten?!

Von Helmar Dießner

Der erste Advent ist gerade vorbei. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Oftmals unzufrieden blicken wir auf die vergangenen Tage zurück: zu viel Stress, zu viel Fremdbestimmung, zu wenige Momente der Entspannung und des Glücks. Geht es Ihnen auch so? Nehmen Sie sich auch immer wieder vor, Bilanz zu ziehen, um „nächstes Mal“ alles besser zu machen – und dann geht das Bilanzziehen in der Hektik des Alltags auch wieder unter?

Hand aufs Herz: Können Sie realistisch einschätzen, was Ihrer Psyche und Ihrem Körper gut tut?

Was füllt Ihr Leben mit Leidenschaft und Begeisterung aus? Nehmen Sie sich Zeit für sich und investieren Sie gut in sich selbst? Nutzen Sie Ihre Talente, Fähig- und Fertigkeiten für sich und für andere Menschen?

Ich weiß, solche Fragen sind fies! Nicht nur, weil wir einige davon vielleicht mit einem Nein beantworten müssen, sondern weil sie uns vor Augen führen, dass wir oftmals komplett an uns vorbei leben, dass wir uns diese Fragen gar nicht erst stellen, sondern lieber in blinden Aktionismus verfallen, To-do-Listen abhaken (die meist fremdbestimmte Ziele umfassen) und uns im alltäglichen Hamsterrad immer schneller bewegen – immer schneller weg von uns selbst.

Doch egal wie alt Sie sind, eine persönliche Struktur für Ihr Leben kann Sie wieder näher zu sich selbst bringen. Nur: Entwickeln müssen Sie diese Struktur schon selbst. Dabei korrespondieren Ihre Werte und Normen, Ihre Träume, Ihre Kreativität, Ihre Fähig- und Fertigkeiten, letztlich Ihr gesamtes Weltbild miteinander. Diese Vorgänge unterliegen immer wieder Veränderungen von innen und außen. Sie können sich nicht auf Gesetze und Normen berufen, die gerade gesellschaftliche Akzeptanz finden, sondern Sie müssen, wie jeder andere Mensch auch, für Ihr Tun Verantwortung übernehmen.

Im Feld alltäglicher Lebensbewältigung zeigen sich Selbstbestimmung, Toleranz, Akzeptanz, Freiheit usw. Oftmals merken Sie kaum, wie sich Ihre Lebensstruktur verändert. Was ist heute noch wichtig, gültig, fördernd usw.? Aktualisieren Sie Ihre Lebensstruktur, halten Sie dabei an den für Sie verbindlichen Werten fest. Lassen Sie es nicht zu, dass negative gesellschaftliche Trends oder negative Einflüsse Ihrer Mitmenschen Ihre Lebens- und Persönlichkeitsstruktur nachhaltig beeinflussen. Wenden Sie solche Einflüsse von außen ab, indem Sie dagegen agieren. Bleiben Sie sich treu!

Gehen Sie in den Garten!

Das klingt wie ein Werbeslogan für Sie? Natürlich stellt sich die Frage, welch eine Persönlichkeitsstruktur Sie denn eigentlich haben. Wenn Sie Ihre Lebensstruktur mit einem Garten vergleichen, so wissen Sie, dass Ihr Lebensgarten gepflegt und gehegt, bewässert und gedüngt werden muss. Gehen Sie in Ihrem Umfeld spazieren, so sehen Sie die unterschiedlichsten Gärten. Manch ein Garten sieht einfach, karg, ungepflegt, bescheiden aus. Andere Gärten hingegen zeigen ein Höchstmaß an Kreativität, Zierde und Anmut – ja sie sind eine Augenweide. An diesem Anblick kann sich Ihre Seele laben und erquicken, hier können Sie aus- und entspannen, sich erholen und regenerieren. Während die erstgenannten Gärten oftmals mit Beton oder Stein hermetisch abgesteckte Grünflächen aufweisen, sehen Sie in den kreativ gestalteten Gärten runde, weiche und aufeinander abgestimmte Formen und Strukturen. Da haben Pflanzen, Büsche, Sträucher und Bäume den richtigen Standort. Da sind verschiedene Sitzecken, lauschige Plätze, Sonnen- und Schattenplätze zu finden usw.

Vergleichen Sie nun einmal die Menschen mit den so ausführlich beschriebenen Gärten. Gehören Sie zu den Menschen, die aus ihrem Leben etwas Besonderes, Schönes, Außergewöhnliches, Interessantes machen?

Einige Menschen haben eine bessere Unterstützung bei der Umsetzung ihrer architektonischen Pläne erhalten als andere. Das ist wahr. Als verantwortungsvoller Mensch hilft es Ihnen nur wenig, wenn Sie klagen und jammern, Ihre Eltern und Ihre Umwelt für Ihren Zustand verantwortlich machen. Sie sind gefordert, Ihr Leben in die Hand zu nehmen. Sie verfügen über ein gewisses Know-how, Ihre Talente, Fähig- und Fertigkeiten, Ihr Wissen sind Ihr Kapital. Setzen Sie es ein, egal wie Ihr Garten zurzeit aussieht.

Hinterfragen Sie Kernglaubenssätze!

Wenn Sie die Dinge in Ihrem Leben neu ordnen möchten, neue Zwischenziele festlegen wollen, müssen Sie erst einmal eine gewisse Grundstruktur entwickeln. Das heißt, Sie müssen erst eine Übersicht, eine Basis, einen gewissen Grund hineinbringen. Das ist nötig, damit Sie sich nicht im Detail verzetteln oder in ein unübersichtliches Chaos geraten.

Dabei ist es wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen: Sie bestimmen, wie Sie leben! Ersetzen Sie alte Kernglaubenssätze durch neue. Nutzen Sie dabei die Möglichkeit der Selbstreflexion:

  • Was können Sie an Ihrem Zustand ändern?
  • Wo müssen Sie den Hebel ansetzen, um effektiver oder effizienter sein zu können?
  • Welche Helfer (z. B. Fachleute, Freunde, Coachs) können Sie dabei unterstützen?
  • Welche Strategie entwickeln Sie?
  • Stellen Sie sich die Frage, wo Sie vor fünf Jahren standen.
  • Fragen Sie sich, wo Sie vor zehn Jahren standen.
  • Wo stehen Sie heute?
  • Hätten Sie vor fünf oder zehn Jahren geglaubt, dass Sie heute dort stehen würden, wo Sie heute stehen? Hätten Sie es sich gewünscht?
  • Wie wird Ihr Leben in fünf Jahren aussehen?
  • Was werden Sie in zehn Jahren sein?

Bei der Beantwortung dieser Fragen: Was geht Ihnen da durch den Kopf? Nehmen Sie wahr, was in Ihnen steckt, und nutzen Sie dabei Gelegenheiten, um Ihre Talente unter Beweis zu stellen? Denken Sie dabei nicht zu bescheiden von sich. Denken Sie groß, trauen Sie sich etwas zu, ohne dass Sie sich dabei selbst überschätzen. Auch Selbstcoaching-Übungen können Ihnen zu einer relativ objektiven Selbsteinschätzung verhelfen.

Sagen Sie Stopp!

Dabei ist es auch immer wieder sinnvoll, Ihre eigenen Gedanken zu beobachten. Werden Sie sich Ihrer inneren Kommunikation bewusst und achten Sie auf Ihre Selbstgespräche. Machen Sie sich bewusst, dass innere Zwiegespräche während Ihrer Wachphasen permanent ablaufen: Sie gehen Ihrer Alltagsbeschäftigung nach und verrichten Ihre Aufgaben wie gewohnt. Dabei nehmen Sie ein Ereignis von außen wahr, was sich zunächst Ihrer direkten Einflussnahme entzieht. Jedoch sind Sie nach der Verarbeitung dieses Wahrnehmungsvorganges in der Lage, darauf innerlich, aber auch aktiv zu reagieren. Automatisch führen Sie ein Selbstgespräch, welches von Ihren Emotionen begleitet wird, Sie können es aber in eine bestimmte Richtung lenken. So entsteht ein Verhalten, dass Sie steuern. In diesem Automatismus bedingt eine Ebene die andere.

Und auch hier gilt: Reflektieren und analysieren Sie die Kernglaubenssätze, die Sie im Laufe Ihrer Biographie verinnerlicht haben. Dabei sind die negativen ebenso wie die positiven Schlüsselsätze wie auf einem PC gespeichert. In Beratungs- und Therapieprozessen habe ich immer wieder von Klienten negative Schlüsselsätze gehört wie:

  • „Das kann ich nicht!“
  • „Das ist zu schwer für mich!“
  • „Ich habe kein Talent!“
  • „So etwas passiert mir immer!“
  • „Es hat mit mir keinen Sinn!“

Wenn diese und ähnliche Kernglaubenssätze Ihre Begleiter sind, dann sagen Sie energisch STOPP!!!

Werden Sie sich darüber bewusst, dass Ihre negativen Selbstüberzeugungen wie selbsterfüllenden Prophezeiung wirken und Sie somit den negativen Ausgang des Geschehens bereits vorwegnehmen. Sie sind, was Sie zu sein glauben.

Geben Sie sich selbst einen Ruck und überwinden Sie bewusst Ihre Angst oder Ihre innere Trägheit und sprechen Sie sich Mut zu. Äußern Sie eine positive Formulierung, schreiben Sie diese auf. Wenn es für Sie hilfreich ist, hängen Sie diese Aussage sichtbar in Ihrem Haus oder in Ihrer Wohnung auf, sodass Sie immer wieder an Ihren Entschluss erinnert werden. Nur der Wille setzt Entschlüsse in Handlungen um. Ersetzen Sie negative Schlüsselsätze durch positive.

TIPP: Sagen Sie sich Ihre positive Selbstaussage immer laut und leise vor. Setzen Sie jeden Tag einen oder mehrere Ihrer (positiven) Kernglaubenssätze praktisch um.

Glauben Sie an sich! Sämtliche Vorgänge wie sprechen, lesen, essen, laufen etc. werden durch einen Gedankengang eingeleitet. Hinter jedem Gedanken steckt eine enorme Kraft. Es ist Ihr Geist und Ihr Denken, die darüber entscheiden, wer und was Sie sind.

 

Weitere positive Worte, die im Alltag eine Unterstützung und Ausrichtung bieten, Ihr Selbstbewusstsein und Ihre Zufriedenheit stärken sollen, finden Sie im aktuellen Lebensperspektiven-Kalender 2017: Für jede Kalenderwoche des Jahres finden Sie dort einen Rat zur aktiven Lebensgestaltung, den Sie in Ihr Leben integrieren können. Sie werden dabei Neues lernen, motiviert werden und ungewöhnliche Wege zu Ihrem persönlichen Erfolg entdecken.

Ganz nach dem Motto: „Jeder Tat geht ein Gedanke voraus.“ (Ralph Waldo Emerson)

 

diessner-2016  Über den Autor:

Dr. phil. Helmar Dießner ist Erziehungswissenschaftler und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychotherapeut (HPG) sowie Management- und Motivationstrainer. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Hamm (Westfalen).

Berlin im November 2016: DGPPN-Kongress und eine Buchpremiere mit Liv Larsson

Teil 1: DGPPN-Kongress

Ende November ist seit ein paar Jahren für uns DGPPN-Zeit. Als Verlag gehören wir zu den Ausstellern p1010754auf „Europas größtem Fachkongress auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit“. Laut Veranstalter (DGPPN steht für „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde“) kamen in der Zeit vom 23.-26. November 2016 mehr als 9000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Citycube Berlin und nahmen an mehr als 600 Veranstaltungen teil.

Einen kleinen Ausschnitt des wissenschaftlichen Programms kann ich wieder in diesem Jahr erleben. Themen wie „Schuld, Psyche und Gehirn“, „Transgenerationale Effekte von mütterlichen Belastungen“ und „Behandlungskontinuität – auf die Beziehung kommt es an“ stehen auf meiner Liste. Außerdem besuche ich ein Symposium zum Thema „Lifestyle, Körperkult, Superfoods“, in dem u.a. die Auswirkungen der Sendung „Germanys next Topmodel“ auf die meist jugendlichen Zuschauerinnen untersucht werden. Die Mager-Models haben Einfluss auf junge Frauen mit Magersucht – das zumindest ergab eines Untersuchung, die Referentin Maya Götz präsentiert.

 

Teil 2: Buchpremiere „Dankbarkeit, Wertschätzung und Glück“

Am Freitagnachmittag lasse ich dann den Kongresstrubel hinter mir, wünsche den Kolleginnen am Larsson-Dankbarkeit_Cover.qxp_CoverVerlagsstand weiterhin gute Verkäufe und mache mich auf den Weg zu meinem ersten persönlichen Treffen mit unserer Autorin Liv Larsson. In Zusammenarbeit mit der deutschen GFK-Trainerin Annett Zupke führt sie schon seit einigen Jahren Workshops in Berlin durch. Kürzlich ist bei Junfermann ihr neues Buch erschienen: „Dankbarkeit, Wertschätzung und Glück“. Liv hatte sich diesmal eine Buchpremiere gewünscht, vorzugsweise in Berlin. Diesem Wunsch kamen wir gerne nach, haben wir doch mit Britta Gansebohm (Salonkultur) inzwischen eine Partnerin in Berlin, mit der wir solche Veranstaltungen gut realisieren können.

Bereits im Vorfeld der Buchpremiere zeichnete sich ab: Der Laden wird voll, der Name Liv Larsson scheint in Berlin zu ziehen. Und so bildet sich recht schnell eine Schlange von Menschen, die Einlass in den Veranstaltungsraum der Z-Bar begehren. Währenddessen laufen noch allerletzte Absprachen zwischen Autorin und Übersetzerin Julia Föll. Liv Larsson möchte nicht nur aus ihrem neuen Buch vorlesen und etwas über Dankbarkeit erzählen; sie möchte auch, dass sich das Publikum beteiligt, in Form von kleinen Übungen. Ob das aber angesichts der räumlichen Enge überhaupt möglich sein wird? Und: Wird sich ein Berliner Publikum zum Mitmachen motivieren lassen? – Fragen über Fragen.

Doch dann haben alle ihre Plätze eingenommen und nach der Begrüßung durch Britta Gansebohm erhält Liv das Wort. Sie spricht Englisch und Julia Föll sorgt dafür, dass diejenigen, die nicht ganz so heimisch in dieser Sprache sind, auch folgen können. Später berichtet sie, sie habe zum ersten Mal vor Publikum übersetzt. Eine wirklich geglückte Premiere, muss ich sagen, die viel zum Gelingen des Abends beigetragen hat.

Julia Föll und Liv Larsson

Julia Föll und Liv Larsson

Passt es überhaupt, angesichts der Lage auf dem Planeten, angesichts zunehmender Bedrohung und sich zuspitzender politischer Verhältnisse, sich mit einem Thema wie Dankbarkeit zu beschäftigen? Sollte man nicht vielmehr die Welt verändern? So leitet Liv Larsson ihr Thema ein. „Frag dich nicht, was die Welt braucht. Frag, was dich lebendig macht, und dann tu es. Denn die Welt braucht Menschen, die zum Leben erwacht sind.“ In diesem Zitat von Howard Thurman kommt sehr schön zum Ausdruck, dass es überhaupt kein Gegensatz sein muss: Beschäftigung mit sich selbst – Beschäftigung mit „äußeren Angelegenheiten.

Weiter geht es mit der Lesung von Abschnitten aus dem Buch („Wollt ihr noch mehr hören?“ Publikum: „Ja!“) und auch Erfahrungsberichten rund um die Themen Dankbarkeit und Wertschätzung. Und immer wieder ermuntert Liv zu Fragen, denn sie ist neugierig, möchte wissen, welche Erfahrungen andere mit dem Thema machen, welche Gedanken sie umtreiben. Und das Publikum lässt sich nicht lange bitten. Viele Fragen, die gestellt werden, sind ziemlich komplex und verraten eine bereits tiefere Beschäftigung mit dem Thema. Schnell vergeht so die Zeit, doch auch nach Abschluss des „offiziellen“ Teils des Abends gibt es noch Möglichkeiten zum Gespräch. Außerdem signiert Liv Bücher.

Bleibt zum Abschluss noch die Frage: Hat das Publikum mitgemacht? Als Liv dazu auffordert, wir p1010763mögen uns doch bitte unserem Nachbarn, unserer Nachbarin zuwenden und uns über etwas austauschen, über das wir froh sind, dass wir es getan haben, füllt bald ein Stimmengewirr den Raum. Ganz offensichtlich lässt sich also auch ein Berliner Lesungspublikum sich zum Mitmachen animieren.