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Podcast-Folge 39: Apropos … Coaching!

Was ist eigentlich Coaching? Wo verläuft die Grenze zu Beratung oder einer Therapie? Wann ist Coaching sinnvoll – und lohnt es sich überhaupt? Oder handelt es sich lediglich um ein beliebtes „Tool“ zur „Selbstoptimierung“, dass vornehmlich aufstrebenden Unternehmer*innen in ihrem Business zupasskommt?

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Mentale Stolpersteine aufspüren und bearbeiten

Was das Unbewusste über uns verrät …

Von Gabriele Lönne

Ist Ihnen das auch schon passiert? Sie möchten irgendetwas – etwas Unverfängliches – sagen, doch es kommt etwas ganz anderes raus? Der berühmte Freud’sche Versprecher? Dann darf ich Ihnen gratulieren! In solchen Momenten machen Sie nämlich unmittelbar Bekanntschaft mit Ihrem Unterbewusstsein. Und wenn Sie jetzt meinen, dass sich dieses meist im falschen Moment meldet und offenbar auf emotionalen Stress programmiert ist, dann möchte ich Ihnen widersprechen: Ihr Unterbewusstsein passt auf Sie auf! Es meldet sich, wenn in irgendeiner Weise etwas für Sie Wichtiges in Ihrem Alltag erscheint. Freud’sche Versprecher beispielsweise sind nichts anderes als die Meinungsäußerung Ihres tiefsten Inneren. Und diese Versprecher können wir bearbeiten, indem wir nachforschen, was der Anlass und die Ursache dafür waren. Wenn sie bearbeitet sind, wird Ihnen dieser spezielle Versprecher nicht mehr passieren. Sie werden sich in entsprechenden Situationen „normal“ fühlen.

Auch unser eigenes Verhalten kann für uns manchmal befremdlich wirken. Irgendjemand oder irgendetwas zieht, von uns unbeabsichtigt, unsere Aufmerksamkeit auf sich, wir fühlen uns merkwürdig „angezogen“, vielleicht auch ausgeliefert, ohne es erklären zu können. Dann ist wiederum unser Unterbewusstsein im Spiel und führt uns ziemlich in die Irre.

Das folgende Coaching-Protokoll zeigt ein Beispiel für solch ein Verhalten. Die Wurzeln liegen in der Kindheit der Klientin. Einem Außenstehenden erscheint es zunächst absolut unerklärlich und absurd, aber es steckt durchaus eine Logik dahinter, die uns darüber staunen lässt, was das Unterbewusstsein alles mit uns anstellen kann …

***

Die Klientin kommt mir mit ausgebreiteten Armen freudestrahlend entgegen. Wir treffen uns auf der ostfriesischen Insel Norderney in einem Hotel, das direkt am Strand liegt und einen herrlichen Blick auf die stürmische Nordsee freigibt.

Wir ziehen uns in ihr Hotelzimmer zurück und richten uns auf gemütlichen Sesseln ein – wieder mit wunderbarem Blick auf die Nordsee.

Ich lasse der Klientin Zeit, sich zu sammeln. Wir schauen aus dem Fenster und schweigen.

Dann plötzlich beginnt sie zu reden.

Klientin (K): „Frau Lönne, jetzt sitze ich hier mit Ihnen und weiß nicht, wie ich anfangen soll!“

Gabriele Lönne (GL): „Wie wär’s, wenn Sie mir erzählen, wann und wie und in welcher Situation Ihnen der allererste Gedanke gekommen ist, mich anzurufen?“

K: „Das war vor ein paar Wochen. Irgendwann im Hochbetrieb. Ich hab’ mich plötzlich so schwach gefühlt! Als wenn mir alles aus den Händen gleiten würde …“

Die Stimme der Klientin ist leise geworden, fast brüchig.

GL: „Haben Sie noch in Erinnerung, wie die Situation genau war? Spielte sich vorher irgendetwas Besonderes ab? Kamen ganz bestimmte Gäste? Haben Sie Ärger mit dem Personal gehabt? Gab es etwas Außergewöhnliches?“

K (nachdenklich): „Eigentlich nicht. Es war halt Hochbetrieb in der Gaststätte, die ich betreibe. Dann sind alle immer auf 120! Hm.“

GL: „Ist Ihnen irgendetwas passiert? Das Zerbrechen von kostbarem Geschirr, die Reklamation eines Gastes, eine vergessene Tischreservierung?“

K (schüttelt den Kopf): „Nein. Nur, dass wir an dem Abend ein spezielles Menu hatten, von dem die Gäste ganz begeistert waren. (Die Klientin hält inne und überlegt laut:) Ja, da war ein Gast, der sich mit Komplimenten geradezu überschlagen hat. Er hätte nie gedacht, in einem derartigen Wirtshaus so ausgesucht köstlich essen zu können. Ich habe mich darüber ziemlich geärgert! Bei uns kann man immer gut essen! Arroganter Piefke!“

Die Augen der Klientin sprühen Funken. Sie sitzt auf einmal kerzengerade und wirkt angriffslustig.

GL: „Aha, eventuell haben wir gerade schon den ersten mentalen Stolperstein entdeckt. Wir können mit einem Test herausfinden, was Sie gestresst hat, und den Auslöser direkt bearbeiten.“

Es handelt sich hier um den sogenannten Myostatiktest. Er dient dem Auffinden von Stressoren, welche die mentale/emotionale Balance des Coachees stören/irritieren. Beim Myostatiktest bildet der Klient einen festen Muskelring zwischen Daumen und Zeigefinger, den er mit maximaler Kraft hält, während der Coach Behauptungen im Zusammenhang mit dem Coachingthema aufstellt und prüft, ob sich die Finger des Coachees voneinander lösen lassen. Öffnet sich der Ring, handelt es sich um eine Schwächereaktion, die auf Stress hinweist und die dann bearbeitet wird.

In unserem Beispiel liefert der Test ein spannendes Ergebnis. Der Trigger für den Stress am Tag des Hochbetriebs kam aus der Vergangenheit, als meine Klientin noch ein kleines Mädchen war. Es war die Mutter, die bei jeder Idee, jedem Vorhaben, jedem Plan der Kleinen immer wieder sagte: „Das klappt bestimmt nicht!“ Und wenn es dann doch erfolgreich war, kommentierte sie: „Das hätte ich bei dir aber nie gedacht!“

Wir bearbeiten die Emotionen Angst, Wut, Empörung, Trauer, Ausgeliefertsein.

Doch plötzlich wirkt die Klientin wie versteinert und gleichzeitig aufgewühlt. Sie beginnt zu weinen. Ich lasse ihr Zeit, bis sie sich langsam wieder beruhigt hat. Doch sie wirkt abwesend, irgendwie erschüttert.

GL: „Können Sie beschreiben, was Sie gerade so berührt hat?“

Die Klientin schüttelt den Kopf.

GL: „Wissen Sie was? Das können wir herausfinden! Darf ich Sie wieder testen?“

Die Klientin nickt.

Der Test bringt ein überraschendes Ergebnis. Der Stress kommt aus dem ersten Drittel der Schwangerschaft der Mutter mit der Klientin. Die Mutter hatte alles versucht, das Baby abzutreiben. Später redete sie ständig davon, dass sie auf keinen Fall ein Kind haben wollte.

Wir bearbeiten Überforderung, Schuld, Desinteresse, Nichtfühlen, emotionale Kälte und innere Leere.

Die Klientin ist erschöpft und wir beschließen, erst einmal eine Pause einzulegen und uns kurz von der Nordseeluft erfrischen zu lassen. Nach unserer Rückkehr setzen wir uns wieder zusammen. Ich frage die Klientin, ob ihr noch etwas in den Sinn gekommen sei, was wichtig zu bearbeiten wäre.

K: „Naja, da gibt es noch etwas, das mir immer unangenehmer wird, aber irgendwie kann ich es nicht stoppen …!

Es ist seltsam, aber ich habe eine Angestellte, Rosie, die mir immer mehr zusetzt, immer unheimlicher wird.“

GL: „Wodurch?“

K: „Naja, wenn im Betrieb wenig los ist, kommt sie zu mir, fängt an, irgendwelche unwichtigen Geschichten zu erzählen, und stellt mir dann auf einmal persönliche Fragen, die mein Privatleben betreffen. Ich kann mich einfach nicht dagegen wehren. Obwohl ich es nicht möchte, beantworte ich alles ganz ausführlich, gegen meinen entschiedenen Willen. Hinterher bin ich jedes Mal entsetzt, was ich ihr alles erzählt habe, und frage mich, wieso überhaupt!“

Die Klientin wirkt erregt, die Augen funkeln, ihr Gesicht ist rosa angelaufen.

GL: „Was ist Rosie für eine Angestellte? Was arbeitet sie in Ihrem Betrieb? Wie würden Sie sie beschreiben?“

K: „Also, sie ist die Empfangsdame unseres Hotels. Sie weiß eh schon mehr als erlaubt. Und sie ist die Klatschtante bei uns, bringt ständig Gerüchte in Umlauf und bringt die Leute mit ihren Geschichten ganz durcheinander! Als Mensch ist sie eher der mütterliche Typ, üppige Figur, warmherzig, freundlich, bei den Gästen sehr beliebt, so eine Art ‚Mutter der Kompanie‘. Ach, ich versteh’ einfach nicht, warum ich ihre Fragen überhaupt beantworte. Ich fühle mich dann immer wie gelähmt, ausgeliefert, ganz schwach … Himmel, ICH bin doch die Chefin! Das geht doch nicht!“

GL: „Okay dann stellen wir jetzt mal mit unserem Test fest, wo ‚der Hase im Pfeffer liegt‘!“

Wir testen „Rosie ärgert ständig“. Der Test hält! Das heißt, sie ärgert NICHT.

K (schockiert): „Ja, aber …!“

GL (legt der Klientin beruhigend die Hand auf den Arm): „Es gibt etwas, das Sie noch nicht kennen. Nicht nur ungünstige Gefühle wie Angst, Trauer, Hilflosigkeit usw. können uns aus der Bahn werfen. Gute Gefühle oder große Sehnsucht nach ihnen können uns ebenso verunsichern und quälen! Wenn es für Sie in Ordnung ist, können wir mit dem Test an der Hand die Emotionen ermitteln, die Rosie in Ihnen im Übermaß hervorruft, und sie bearbeiten. Wir können die guten – ungut wirkenden – Gefühle derart herunterfahren, dass sie Sie nicht mehr über die Maßen hinaus beeindrucken. Dann können Sie wahrscheinlich neutral und emotional unbefangen mit Ihrer Angestellten umgehen und sie in ihre Grenzen verweisen.“

Ich nehme die Hand der Klientin und teste „Rosie tut richtig gut!“. Der Test hält!

Wir neutralisieren die übermäßig guten Gefühle, sodass die Empfindungen gegenüber der Angestellten auf ein normales Maß zurückgeführt werden. Die starke Anziehungskraft  der Angestellten, hervorgerufen durch die Sehnsucht der Klientin nach einer liebevollen Mutter, wird aufgehoben und weicht einem neutralen Empfinden. Der unerklärliche Mitteilungsdrang ist bearbeitet. Die Klientin kann jetzt ein unbefangenes Verhältnis zu ihrer Angestellten aufbauen. Ihr Unterbewusstsein hat die gefühlskalte Mutter der Vergangenheit endlich verarbeitet.

***

Sie sind jetzt wahrscheinlich irritiert oder überrascht, vielleicht sogar schockiert? Es kommt häufiger vor, als wir meinen, dass unsere Wünsche, Träume, Verletzungen, dass Erlebnisse aus Kindheitstagen tief in uns vergraben sind – mental noch nicht verarbeitet und immer noch „aktiv“. Und es reicht nur ein kleiner Anlass, eine Begegnung oder ein Erlebnis, um daran zu rühren. So wie die Angestellte Rosie mit ihrer warmherzigen, mütterlichen Persönlichkeit die Sehnsucht aus der Kindheit ihrer Chefin wiederbelebt hat, der wiederum kein „vernünftiges“ Mittel zur Verfügung stand, um sich dagegen wehren zu können. Unterbewusstsein gegen Verstand! Das Unterbewusstsein produziert psychosomatische Symptome, gegen die der Verstand nichts auszurichten weiß.

Wenn Sie Situationen erleben, in denen Sie das Gefühl haben, etwas gegen Ihren Willen tun zu „müssen“, ohne selbst „vernünftige“ Gegenwehr leisten zu können, kann ich Ihnen nur empfehlen, mit einem guten Therapeuten oder Coach darüber zu reden. Das Phänomen lässt sich aufklären und bearbeiten. Werden Sie nicht zum Opfer Ihres Unterbewusstseins! Bleiben Sie der Chef!

 

Lönne  Über die Autorin

Gabriele Lönne, Heilpraktikerin (Psych), arbeitet als Business Coach (EANLP), Lehrtrainerin wingwave® und Unternehmensberaterin für den Mittelstand. Weitere Informationen erhalten Sie hier.