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Ghita Benaguid und Hiltrud Bierbaum-Luttermann über … klinische Hypnose und Hypnotherapie

Die Anwendung hypnotherapeutischer Methoden in therapeutischen und Beratungskontexten hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Verschiedene Therapierichtungen wie beispielsweise die Verhaltenstherapie nutzen hypnotherapeutische Methoden als Tools zur Intensivierung ihrer Vorgehensweisen. Als Konzept mit einer klient:innen- und entwicklungsorientierten Grundhaltung, die unter anderem von Milton Ericksons Ansatz der modernen Hypnose und Hypnotherapie geprägt ist, hat sich die Hypnotherapie jedoch auch als eigenständiger Ansatz bei der Behandlung verschiedenster psychischer und psychosomatischer Störungsbilder bewährt.

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Selbsthypnose als Instrument zur Selbstoptimierung

Selbsthypnose ist nicht nur ein faszinierendes Phänomen, das jeder von uns schon einmal im Alltag erlebt hat. Systematisch und gezielt eingesetzt ist sie vor allem äußerst effektiv. Sie kann zur Stärkung bei ernsthaften Krankheiten ebenso verwendet werden wie im Umgang mit kleineren „Zipperlein“. Leider wissen noch zu wenige Menschen, wie sie diese Methode für sich nutzen können.

In ihrem neuen Buch „Wie eine leichte Brise – Lebenshilfe durch Selbsthypnose“ bietet Sigrun Kurz die ideale Einführung in diese Technik. Wir haben sie zu ihren Erfahrungen mit Hypnose und Selbsthypnose befragt.

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Liebe Frau Kurz, soeben ist Ihr zweites Buch „Wie eine leichte Brise – Lebenshilfe durch Selbsthypnose“ erschienen. Was war bisher das bemerkenswerteste Ereignis oder das verblüffendste Ergebnis, das Sie im Kontext Hypnose/Selbsthypnose erlebt haben?

Da gibt es viele bemerkenswerte Erfahrungen. Besonders beeindruckend ist immer wieder die Minderung von Schmerzerleben oder die Beschleunigung von Wundheilungen. Aber auch, wenn es um die Veränderung von Verhaltensweisen geht, bin ich immer noch und immer wieder begeistert, was mit Hypnose und Selbsthypnose möglich ist. Besonders berührt hat mich erst kürzlich eine deutliche Verbesserung der Haut bei einer jungen Frau mit einem schweren Juckreiz. Sie hatte schon diverse Cremes ausprobiert und nichts hatte ihr geholfen. Bereits nach zwei Hypnosebehandlungen war das Hautbild wie ausgewechselt. Und sie war natürlich sehr glücklich.

Was macht die Selbsthypnose Ihrer Ansicht nach zu einem so wirkungsvollen Instrument im Alltag?

Wir alle begleiten den ganzen Tag über unser eigenes Handeln im Rahmen der sogenannten Selbstkommunikation fortwährend mit Vorstellungen und internen Kommentaren wie etwa „Das schaffst du!“, „Das krieg ich gebacken!“ oder „Na, das wird doch wieder nichts“. Damit geben wir uns immerzu grundlegende und richtungweisende Selbstsuggestionen, und die wirken natürlich. Es ist also naheliegend, hier gezielt und geplant Einfluss zu nehmen. Und genau da setzt die Selbsthypnose an. Wir lernen damit, auf unsere Suggestionen zu achten und vor allem sie systematisch und in positiver bzw. gewünschter Richtung zu verwenden. Selbsthypnose ist sozusagen ein Instrument zur Selbstoptimierung. Und damit ist es eine hervorragende Möglichkeit, das persönliche Wohlbefinden zu vergrößern. Warum sollten wir darauf verzichten?

Braucht es bestimmte Voraussetzungen oder persönliche „Talente“, damit die Selbsthypnose gelingt?

Im Prinzip kann jeder Mensch Hypnose anwenden bzw. Selbsthypnose praktizieren. Wir tun das sogar alle gelegentlich unbemerkt und nebenbei, beispielsweise wenn wir beim Blättern im Reisekatalog ins Träumen geraten – dann sind wir in einer angenehmen kleinen Wohlfühl-Trance. Manchen Menschen fällt das besonders leicht, das sind die Fantasievollen. Voraussetzung für das Hineinbegeben in eine gezielte Hypnose ist natürlich der persönliche Wunsch und Wille, genau dies zu tun. Wenn ich das nicht will, wird es auch nicht geschehen.

Was erwartet die Leser Ihres Buches? Und welche Erwartungen, die in Bezug auf die Selbsthypnose an Sie herangetragen werden, können nicht erfüllt werden?

In meinem neuen Buch gebe ich zuerst eine kurze allgemeine Einführung in die Methode. Aber der Schwerpunkt sind die praktischen Anleitungen. Ich zeige sieben verschiedene Wege, um in Trance hineinzugelangen. Und dann folgen Hypnoseanleitungen für alle möglichen Anlässe. Dieses Buch zielt nicht auf die Hilfe bei Erkrankungen, sondern es handelt sich um Hilfestellungen für ganz gewöhnliche Gelegenheiten und alltägliche Alltagssituationen, angefangen mit Trance zum Wohlfühlen und Entspannen, über Ermutigung, Trost, Stärkung der Kreativität bis hin zu bevorstehenden Zahnarztbesuchen, Muskelverspannungen oder als Einschlafhilfe. Auf einer beiliegenden CD gibt es einige gesprochene Beispiele, um noch besser in die Methode hineinzufinden.

Mit diesem Buch hat man eine gute Grundlage, um Selbsthypnose zu erlernen bzw. praktizieren zu können. Manches gelingt dabei ganz leicht, manches muss man vielleicht ein bisschen üben. Denn auch bei der Selbsthypnose ist es so: Übung macht den Meister. Und natürlich ist Selbsthypnose kein Zaubermittel. Das Loch im Zahn werde ich –leider – weiterhin beim Zahnarzt versorgen lassen müssen, und das Lernen für eine Prüfung wird mir auch nicht erspart. Aber die Hypnose kann mir helfen, dass all das leichter gelingt und erfolgreich zum Einsatz kommt.

Gibt es ein allgemeines Rezept, wie lange oder wie oft man Selbsthypnose anwenden sollte, um den größtmöglichen Nutzen zu erzielen?

Nein, da gibt es keine allgemeingültigen Rezepte. Jeder Mensch ist anders und jede Lebenssituation hat ebenfalls ihre Besonderheiten. Manchmal braucht man die Selbsthypnose immer wieder, beispielsweise zum Einschlafen, und manchmal werden nur wenige oder nur eine einzige Anwendung gebraucht, vielleicht bei einer Verletzung, um die Heilung zu unterstützen. Und natürlich können Hypnose und Trance immer wieder benutzt werden, um sich zu entspannen und sich wohlzufühlen.

Welche Problembereiche sind besonders geeignet, um sich mit der Methode Selbsthypnose Erleichterung zu verschaffen? Welche gar nicht?

Besonders geeignet sind Anlässe, bei denen es um die inneren Vorstellungen oder auch die Funktionen unseres Körpers geht, also um sich zu beruhigen und zu stärken, wenn wir angespannt oder ängstlich sind. Das wirkt sich oft auch auf die körperliche Ebene aus. So kann die Selbsthypnose zum Beispiel auch mithelfen, den Blutdruck zu senken.

Natürlich hat auch die Hypnose ihre Grenzen. Bei akuten Erkrankungen brauchen wir selbstverständlich unbedingt ärztliche Hilfe. Und auch Schmerzen verlangen durchaus nach einer medizinischen Abklärung. Da wäre es verkehrt, auf Trance zu setzen, allenfalls zur Überbrückung bis zur Untersuchung.

Selbstverständlich kann Hypnose auch nicht das Üben oder Trainieren ersetzen. Sie kann uns aber dabei helfen, dass das Konzentrieren und Lernen leichter geht, und dass wir in einer Leistungssituation all unsere Kräfte und Ressourcen bestmöglich zum Einsatz bringen.

Die (Selbst-)Hypnose-Texte aus Ihren Büchern und viele von denen, die Sie in Ihrer Praxis einsetzen, stammen aus der eigenen Feder. Was inspiriert Sie beim Verfassen neuer Anleitungen?

Ja, da brauche ich schon meine Phantasie. Oft schöpfe ich aus Erlebnissen, die ich selbst gemacht habe, und übersetze diese dann für die Erfordernisse meines Gegenübers. Inspirationen finde ich auch in Geschichten und Märchen. Und manchmal bringen auch Patienten selbst wertvolle Anregungen aus ihrer eigenen Lebenserfahrung bereits mit.

Selbsthypnose wird von vielen Menschen noch immer sehr kritisch betrachtet, obwohl die wohltuende, durchaus auch heilsame Wirkung inzwischen bewiesen ist. Vermutlich tragen „schwarze Schafe“, die beispielsweise Show-Hypnose als die klassische Hypnose „verkaufen“, zu den Zweifeln bei. Woran erkennt ein Laie denn seriöse Angebote?

Zuerst kann man sich am Grundberuf eines Anbieters orientieren. Hypnose für heilkundliche Zwecke dürfen nur Ärzte, Psychotherapeuten und Heilpraktiker anbieten. Dann ist als zweites die Frage erlaubt, wo die Hypnose gelernt wurde. Skeptisch sollte man vor allem immer dann werden, wenn man sich zu etwas gedrängt fühlt und wenn allzu großartige Versprechungen gemacht werden. Hypnose zu Zwecken der Unterhaltung oder als Show ist in vielen Ländern bereits verboten, bei uns in Deutschland leider noch nicht.

Wann raten Sie zu professioneller Unterstützung? Wann wäre Selbsthilfe durch Selbsthypnose also überfordernd für den Einzelnen oder sogar gefährlich?

Das merkt man meistens selbst ganz schnell. Wenn die Thematik und die Probleme sehr umfassend sind, kann ich mich alleine nicht genug auf die Methodik der Hypnose konzentrieren. Dann brauche ich professionelle Hilfe. Das gilt auch bei besonderen psychiatrischen Erkrankungen.

Gibt es eine kleine Übung/eine Suggestion, die Sie hier kurz vorstellen könnten, um sie den Interviewlesern mit auf den Weg zu geben?

So eine kleine Übung erlaubt allenfalls ein Hineinschnuppern. Das ist aber nur ein erster Schritt zum Nutzen der Vorstellungskraft. Denn um Selbsthypnose wirklich kennenzulernen, wird schon etwas ausführlichere Anleitung benötigt – sonst hätte ich ja auch das Buch nicht zu schreiben brauchen. Aber eine kleine Vorstufe dazu, um positive Suggestionen zu stärken, kann ich anbieten:

„Wenn Sie sich stärken möchten, legen Sie sich auf Ihr Sofa und schließen Sie die Augen. Atmen Sie einige Male gut durch, langsam und ruhig. Entspannen Sie sich ein bisschen. Und dann suchen Sie sich in Ihrer Vorstellungskraft einen Ort aus Ihrem Leben, an dem Sie sich richtig gut gefühlt haben. Das dauert vielleicht einen Augenblick, bis Sie den gefunden haben und sich dort hineinvertiefen können. Nehmen Sie sich etwas Zeit, um sich zu erinnern: Wie sieht es dort aus? Was kann man da hören? Was können Sie spüren? Wie riecht es? Welcher Geschmack gehört dazu? Und dann konzentrieren Sie sich auf den Satz: „Mir geht es gut, ja, mir geht es gut.“ Dabei verweilen Sie ein bisschen. Und dann beenden Sie die kleine Übung, indem Sie sich recken und strecken und die Augen öffnen und sich wieder dem Alltag zuwenden.“

Vielen Dank für das Interview, Frau Kurz.

 

Kurz_Sigrun  Über die Autorin

Dr. Sigrun Kurz ist Psychologische Psychotherapeutin und arbeitet in eigener Praxis in Bremen. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die psychotherapeutische Behandlung von Menschen mit schweren körperlichen oder chronischen Erkrankungen, psychosomatischen Störungen und Unfallfolgen.

Leben mit oder nach der Diagnose Krebs

Von Tag zu Tag

Von Sigrun Kurz

Die Diagnose einer schweren Erkrankung wie Krebs bedeutet fast immer eine schwere Erschütterung im Leben eines Menschen. Nichts ist mehr so, wie es gestern noch war: eben noch gesund, jetzt lebensbedrohlich erkrankt. Wie soll man damit leben? Mit der Bedrohung? Mit so viel Angst? Mit der Verzweiflung? Mit der Unsicherheit?

Lebensfragen

Krebs beinhaltet Fragen an das Leben schlechthin. Zu Beginn der Erkrankung kreist erst einmal alles darum, überhaupt zu überleben. Die moderne Medizin mit all ihren Möglichkeiten ist gefragt. Wir können sie unterstützen, indem wir unsere Selbstheilungskräfte stärken und Hoffnung und Vertrauen in unsere Lebenskraft entwickeln. Da ist es manchmal schon hilfreich, wenn wir uns bewusst machen, was wir – auch körperlich – schon alles bewältigt und geleistet haben. Wenn all das gelungen ist, gelingt es jetzt vielleicht auch.

Wenn von Krebs die Rede ist, denken viele Menschen sofort an Tod und Sterben, seltener an Leben und Überleben. Genau das aber ist die wichtigere Frage. Wie kann ich mit Krebs gut leben und gut überleben?

Gute Überlebenschancen

Wenn wir die internationalen Forschungsdaten ansehen, ist das die alltägliche Frage, um die es Tag für Tag für die meisten Betroffenen tatsächlich geht. Denn auch mit einer Krebserkrankung leben heute immer mehr Menschen, und das oft sehr viele Jahre. Natürlich variiert diese Prognose je nach Tumorart und Diagnosezeitpunkt, aber die Zahlen des Robert-Koch-Instituts belegen es eindeutig: Die Fünf-Jahres-Überlebensraten von Krebspatienten steigen immer weiter. Und die Ergebnisse einer europaweiten Studie liefern eine eindrückliche Bestätigung. Danach überlebten 2007 in Deutschland beispielsweise etwa 84 Prozent der Frauen mit Brustkrebs und ungefähr 89 Prozent der Männer mit Prostatakrebs die Fünf-Jahres-Grenze. Und viele davon leben natürlich auch noch lange darüber hinaus. Wenn man von ungefähr 500.000 Krebs-Neuerkrankungen jährlich in Deutschland ausgeht, wird deutlich, dass es inzwischen Hunderttausende von Menschen in unserer Gesellschaft gibt, die tagtäglich genau das leisten: Leben mit oder nach Krebs.

Diese Zahlen sind natürlich sehr beeindruckend und ermutigend. Aber sie machen die Problematik für jede einzelne erkrankte Person nur bedingt kleiner. Schließlich weiß niemand, ob er oder sie – auch bei allerbesten Wahrscheinlichkeitsvorhersagen – zu der großen Mehrheit derer gehört, die es schaffen oder nicht. Statistiken erlauben nur eine Aussage für das gesamte Kollektiv; sie geben Wahrscheinlichkeiten. Sie sagen aber letztlich nichts über den tatsächlichen individuellen Verlauf. Diese Unsicherheit bleibt jeder einzelnen betroffenen Person und muss über lange Zeit immer wieder neu bewältigt werden – eine erhebliche psychische Belastung. Sie kommt hinzu zu all den Beschwernissen der Erkrankung selbst und den Behandlungen wie Operation, Chemotherapie, Bestrahlung, medikamentöse Therapien und den Behandlungsfolgen. Dieses Gesamtpaket von Belastungen ist eine große Aufgabe, die es zu meistern gilt.

Erinnerung an die Endlichkeit

Die Krebserkrankung macht uns damit etwas bewusst, was wir im Alltag zwar alle wissen, aber gerne beiseiteschieben und am liebsten vergessen: Das Leben ist verletzlich und begrenzt. Wir wissen alle, dass wir irgendwann von dieser Welt gehen müssen, aber niemand weiß, wann der Zeitpunkt ist. Das gilt für alle Menschen: Kranke und Gesunde. Insofern stellt uns die Krebserkrankung nicht tatsächlich vor neue Fragen; sie macht uns die Kernfragen des Lebens nur messerscharf bewusst und präsent: Wie gestalte ich mein Leben? Wie gelingt es mir, gut zu leben? Was ist mir wichtig und was nicht? Was ist mein Weg in diesem Leben?

Mit der Krankheit leben lernen

So ist Krebs immer auch eine Frage an das Wie in unserem Leben. Schon bald geht es nicht mehr nur darum, ob wir überleben, sondern darum, möglichst gut zu überleben. Das ist die Frage nach der Lebensqualität. Jetzt beginnt die große Aufgabe, die Krebserkrankung in das alltägliche heutige Leben zu integrieren. Es nutzt nichts, damit zu hadern, dass ich die Erkrankung habe oder hatte. Ich muss mich entscheiden: Will ich lernen mit ihr und den Auswirkungen und vielleicht auch Einschränkungen zu leben und das möglichst gut? Oder will ich zulassen, dass ich mir mit Grübeln und düsteren Gedanken das Heute schwermache – schwerer als es ist. Dann würde ich mir selbst ein Stückchen von dem Leben, was möglich wäre, nehmen.

Krebs ist eine Lebenskerbe, so wie es so einige Kerben und Einschnitte in jedem Leben gibt. Das Entscheidende ist die Art, wie wir damit umgehen. Wir können die Einschnitte und Verletzungen beklagen, bejammern, begrübeln. Oder wir können lernen, sie neu zu füllen mit guten Inhalten. Und dazu gehören die Fragen: Was gibt meinem Leben Sinn? Was erfüllt mich? Wofür kann ich mich begeistern? Was bewegt mich? Was ist mir wirklich wichtig?

Der Einfluss der Gedanken

Ein entscheidender Faktor für diese Bewältigungsaufgabe sind unsere Gedanken und unsere Bewertungen. Sie entscheiden ganz wesentlich mit darüber, wie wir uns fühlen. Wenn ich mich ständig in einem gedanklichen „oh wie schrecklich“ bewege, werde ich mich auch schrecklich fühlen, bedrückt, deprimiert. Und dieses miserable Gefühl wird einhergehen mit entsprechend schlechter körperlicher Befindlichkeit. Wenn ich hingegen Platz einräume für Gedanken wie „Was geht trotzdem?“ oder „Ich will das Heute auskosten, so gut es geht“, kann ich gegensteuern; die Gefühle stabilisieren sich und auch dem Körper geht es besser. Unsere Gedankenwelt hat einen großen Einfluss auf unser Befinden. Diese stärkende Sichtweise ist nicht selbstverständlich. Wir müssen sie üben – aber unser Gehirn lernt schnell. Je öfter wir diese freundlichen Gedanken benutzen, umso mehr werden sie neuronal vernetzt und damit gefestigt, und unser Gehirn bevorzugt die gut trainierten Gedankengänge. Wir müssen nur die richtigen Bahnen legen.

Selbstfürsorge

Eine weitere Stärkung für das Leben mit der Krankheit ist die Art und Weise, wie ich mit mir selbst umgehe. Wenn ich achtsam, fürsorglich und liebevoll mit mir bin und meine Aufmerksamkeit auf kleine angenehme, wohltuende Aspekte des Heute lenke, werde ich mich besser fühlen. Dann bin ich gut versorgt und (von mir selbst) geliebt. Wenn ich bewusst für die Gegenwart lebe, erfahre ich ein erfülltes Heute. Das gibt mir morgen gute Erinnerungen. Und gute Erinnerungen an das Gestern sind Stärkung für jetzt und heute. Daraus ziehen wir Kraft und Zuversicht für morgen und die Zukunft. Also lohnt es sich, zu überlegen, was mir heute gut tut, was mir Kraft gibt (ohne mich zu verausgaben), und es auch umzusetzen.

Leben mit dem Sonnenblumenprinzip

Niemand weiß, was morgen kommt, die Zukunft ist uns allen letztlich unbekannt, aber das Jetzt und Heute – das erleben wir gerade. Und das gestalten wir selber mit. Also: Gestalten wir es doch so gut und erfüllt wie irgend möglich. Genau dies besagt das Sonnenblumenprinzip. Genau wie diese großen und kraftvollen Blumen, die sich im Tagesverlauf immer dem Licht zuwenden und ihm folgen, so haben auch wir die Möglichkeit, für Stärkung und vielleicht sogar Aufblühen zu sorgen. Wir müssen es nur genauso machen: dem Licht zuwenden, dem was uns Wärme gibt und uns kräftigt. Und das sind oft ganz kleine Dinge: ein Lächeln, eine freundliche Geste, eine angenehme Melodie, der Duft einer Blüte, ein Streicheln, ein Foto, vielleicht sogar nur eine Farbe, das Sonnenlicht oder auch ein Regentropfen im Gesicht. All das sagt mir: Ich lebe! Und das ist wunderbar.

Auch wenn unser Körper vielleicht eingeschränkt oder reduziert ist, die Welt unserer Vorstellungskraft steht uns voll zur Verfügung. So ist es für viele Menschen gerade bei Krankheit, Schmerz und schlechter körperlicher Verfassung eine Möglichkeit, mit der Hypnose in die Welt der Phantasie zu reisen. Dort können wir uns trösten und stärken, uns aufbauen oder einfach auch nur erholen. So können wir uns selbst in Eigenregie immer wieder Sonnenstrahlen in die Tage und Nächte holen.

Ein guter Start in den Tag

Es hat sich für viele Betroffene sehr bewährt, jeden Tag mit einer Mini-Trance zu beginnen: ein innerer kleiner Ausflug an einen guten stärkenden Ort, vielleicht an den Lieblingsstrand oder in einen wunderschönen Garten, vielleicht zum Regenbogen oder ein erfrischendes Bad im See. Und dazu ein kleines vollständiges Lächeln um Mund und Augen auf das Gesicht legen – manchmal kommt es schon von ganz allein bei der stärkenden schönen Phantasie. Und diese angenehme Vorstellung wird dann verbunden mit einem Leitsatz, einem Motto, wie „Ich sorge für mich“ oder „Ich mach was aus heute“ oder „Mir geht es gut“.

Prinzip der kleinen Schritte

Entscheidend ist es, sich für jeden Tag ganz bewusst kleine positive Dinge vorzunehmen. Das können winzig kleine Aktivitäten sein, aber solche, die mich mit Freude erfüllen. So sind es viele kleine Schritte, die uns stärken. Und kleine Schritte gelingen leichter als große. Der Alltag besteht schließlich auch im Wesentlichen nur aus vielen Kleinigkeiten. Es geht darum, sie wahrzunehmen und zu würdigen und die angenehmen und schönen Momente zu vermehren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt dabei ist: Nicht nur das, was ich bekomme, sondern auch das, was ich gebe, kann mich stärken. Wenn ich etwas zu geben habe, macht mich das für irgendjemand anderen wichtig und wertvoll, und das wiederum erfüllt mich selbst und stärkt mich.

Grundlagen für jedes Leben

All diese Strategien sind natürlich nicht nur für Menschen mit oder nach einer Erkrankung hilfreich. Sie sind universell gültig, auch für Gesunde. Nur jetzt werden sie besonders gebraucht und müssen ganz bewusst eingesetzt werden. Aber sie sind Grundlagen für ein zufriedenes Leben überhaupt. Erkrankungen machen uns die Notwendigkeit nur deutlicher.

Das klingt alles so einfach, aber natürlich ist es manchmal auch ziemlich schwer. Es ist klug, sich Hilfe und Unterstützung zu holen, beispielsweise in einer psychoonkologischen Beratung oder Behandlung. Denn es sind mitunter tiefgreifende Veränderungen unseres Umgangs mit uns selbst notwendig. Es geht darum, wie es der berühmte Psychoonkologe LeShan ausdrückte, die Melodie des eigenen Lebens zu finden. Und jeder Tag stellt uns wieder neu vor dieselbe Aufgabe, und so können wir sie auch nur erfüllen: Tag für Tag, immer wieder neu.


  Über die Autorin:

Dr. phil. Sigrun Kurz, Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin, arbeitet in eigener Praxis in Bremen. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die psychotherapeutische Behandlung von Menschen mit schweren körperlichen oder chronischen Erkrankungen, psychosomatischen Störungen und Unfallfolgen.

Im Junfermann Verlag ist von ihr das Buch Verborgene Kräfte wecken. Stärkende Selbsthypnose bei Krebs erschienen.

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