Offen und neugierig sein für eine Welt abseits der gewohnten Denkroutinen – Ein Interview mit Tanja Madsen zu ihrem Buch „Mentales Stressmanagement“

Tanja Madsen

In Tanja Madsens soeben erschienen Buch geht es um „The Work“, ein von Byron Katie Mitte der 1980er-Jahre entwickeltes Universalinstrument für mentales Stressmanagement. Das Buch zeigt anhand vieler praktischer Beispiele und Übungen, wie man stressvolle Gedanken mithilfe von The Work wahrnehmen und hinterfragen kann.

 

1. Der Untertitel Ihres Buches lautet: Yoga für den Verstand. Wie kann man mit dem Verstand Yoga machen?

Das hört sich vielleicht seltsam an, aber so, wie man mit dem Körper Yoga machen kann, damit er entspannter und ausgeglichener ist, ist das auch für den Verstand möglich, z.B. durch die Methode The Work. Wenn ich gestresst bin, wie z.B. vor kurzem, als eine Zugfahrt zwei Stunden länger dauerte wegen einer defekten Oberleitung, ist mein Verstand erst festgefahren und mit stressvollen Gedanken beschäftigt wie: „Es sollte schneller voran gehen!“

Mit The Work von Byron Katie kann ich mein starres Denken aufweichen, indem ich meine Gedanken hinterfrage. Ich nehme verschiedene Wahrnehmungspositionen ein – Umkehrungen genannt – und erlange so einen frischen und weiteren Blick auf stressvolle Situationen und bin handlungsfähiger im Hier und Jetzt. Wenn ich im Frieden bin mit dem was gerade ist, also frei von Widerstand gegen die Realität, dann habe ich einen flexiblen geschmeidigen Verstand.

 

2. Gleich in der Einleitung Ihres Buches schreiben Sie: „Glauben Sie mir erst einmal nichts.“ – Heißt das, dass Leserinnen und Leser das Buch eigentlich gleich an dieser Stelle beiseitelegen können?

Nein, natürlich nicht, denn dann könnten sie die Dinge, die ich beschreibe nicht für sich selbst ausprobieren und erfahren. Mit der Aussage will ich vielmehr den Leser anregen, seine eigenen Erfahrungen mit The Work zu machen. Außerdem wünsche ich mir, dass der Leser seinem eigenen Urteilsvermögen vertraut, denn manches, von dem ich in dem Buch berichte, ist für den einen oder anderen vielleicht erst einmal „harter Tobak“, z.B. die Annahme, dass Gedanken nicht persönlich sind. – Und nur weil ich The Work als sehr hilfreich empfinde, heißt das noch lange nicht, dass es anderen genauso gehen muss. Wenn ich also voller Euphorie von Erfahrungen und Veränderungen in meinem Leben berichte, dürfen sich andere der Materie gerne erst einmal skeptisch annähern. Ich denke, die stärkste Überzeugungskraft hat die an sich selbst erlebte Erfahrung.

 

3. Am Ende Ihres Buches äußern Sie selbst mit einer gewissen Verwunderung, dass aus vier Fragen jetzt doch ein ganzes Buch geworden ist. The Work besteht im Kern aus vier Fragen. Ist es wirklich möglich, damit komplexe Probleme zu bewältigen?

Meiner Erfahrung nach: ja. Es ist verblüffend, die Methode ist wirklich einfach und unkompliziert in der Anwendung und gleichzeitig so tiefgehend in ihrer Wirkung. Und sie wirkt unabhängig vom Thema oder Schweregrade des Problems. Das schmeckt dem Verstand nicht immer. Er fragt sich: „Kann das sein, dass man schwierige, komplexe Probleme mit einfachen Mitteln lösen kann?“ Für mich selbst und bei meinen Klienten habe ich jedoch immer wieder die Erfahrung gemacht, es kann so einfach sein: still werden, nach innen gehen, sich seiner stressauslösenden Gedanken bewusst werden und ihnen mit vier Fragen und den jeweiligen Umkehrungen begegnen. Ich will nicht behaupten, dass ein „Lebensthema“ mit einer Work sofort gelöst wäre. Es ist eher wie bei einer Zwiebel: Schicht für Schicht kommt man der Lösung auf die Spur. Probleme, seien sie noch so komplex, bestehen letztendlich nur aus Gedanken. Und wenn ich mir jeden einzelnen Gedanken vornehme und ihn hinterfrage, kann sich das Thema lösen.

 

4. The Work ist nichts für „mentale Couchpotatoes“ heißt es an einer Stelle in Ihrem Buch. Was ist damit gemeint?

Eine „mentale Couchpotatoe“ ist für mich jemand, der sich in seinem gewohnten Weltbild zu Hause fühlt. Der sagt z.B.: „Die Dinge sind wie sie sind, die kann man nicht ändern.“

The Work stellt unsere gewohnten Annahmen über diese Welt schnell mal auf den Kopf; manchmal bleibt bildlich gesprochen kein Stein mehr auf dem anderen. Vielleicht bin ich zu 100 % davon überzeugt, dass meine Mutter mich als Kind nicht genug unterstützt hat. Diese Geschichte ist für mich einfach wahr und ich lebe vielleicht viele Jahre in der schmerzlichen Annahme, nicht genug Unterstützung erfahren zu haben. Wenn ich The Work mache, stelle ich womöglich fest, dass ich bestimmte Facetten völlig ausgeblendet habe. Mein Bild von meiner Mutter wird ergänzt, erneuert und vollständiger. The Work ist dabei nicht immer bequem; im Gegenteil, sie kann anstrengend sein. Byron Katie sagt so schön, sie hat ihre Methode nicht umsonst The Work genannt; es ist mentale Arbeit. Und wie beim Sport wird mein Körper auch nur dann trainiert, flexibler und geschmeidiger, wenn ich die Komfortzone der Couch verlasse und mich bewege. Für die mentale Couchpotatoe heißt das, offen und neugierig zu sein für eine Welt abseits der gewohnten Denkroutinen.

 

5. Immer mehr Bedarf an Methoden gegen Stress, „Trend-Thema“ Burnout – und dann wieder Trends wie „Glück als Schulfach“: Verlieren wir immer mehr die innere Balance?

Ja ich glaube, dass viele von uns ihre innere Balance verlieren, weil wir zahlreiche Anforderungen, Termindruck, hohe Erwartungen an uns selbst und eine große Anzahl an Wahlmöglichkeiten unter einen Hut bringen müssen. Dabei hatten wir alle einmal eine innere Balance: als Kinder. Noch nicht so vollgestopft mit Konzepten über die Welt und präsent in dem, was wir gerade tun, sind Kinder unbeschwert und im Frieden mit dem was ist. In der Schule oder im Elternhaus wird eher selten gezeigt, wie wir diesen Zustand von Balance halten bzw. dahin zurückkehren können. Ich verstehe den Bedarf an Methoden im Umgang mit Stress deshalb sehr gut. Mich hat der Wunsch danach damals angetrieben, Psychologie zu studieren.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn Glück in Schulen auf dem Stundenplan stünde. Was für eine Perspektive, wenn man als Kind bereits hilfreiche Methoden an die Hand bekommt, um aus sich selbst heraus ein geglücktes und selbstbewusstes Leben zu führen.

 

6. Viele Probleme rühren anscheinend daher, dass wir mit unseren Gedanken zu stark in der Vergangenheit verhaftet sind oder uns in die Zukunft begeben. Warum ist es so schwer, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren?

Das frage ich mich auch immer wieder. Ich denke, dass unser Verstand Zeitreisen unternehmen kann ist Segen und Fluch zugleich. Wenn ich einfach in diesem Moment präsent bin und mit allen Sinnen wahrnehme, was gerade geschieht, gibt es kein Problem. Die Probleme entstehen tatsächlich erst in dem Moment, wo ich gedanklich in die Vergangenheit abtauche und stressvolle Erlebnisse erinnere oder mir eine nicht so rosige Zukunft ausmale. Für den Verstand ist es schwer, ruhig zu werden, weil er permanent Gedanken produziert, schätzungsweise 60.000 am Tag. Das kann jeder nachvollziehen, wenn er sich mal fünf Minuten still hinsetzt und seine Gedanken beobachtet. Auf der anderen Seite ist die Fähigkeit, sich Dinge auszumalen, auch eine Quelle der Kreativität.

Sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren braucht Training. Ich nutze dafür gerne meine Atmung, denn die passiert wirklich nur in diesem Moment. Ich spüre mit all meinen Sinnen meinen Körper und was mich umgibt, bis der nächste Gedanke kommt und mich wieder davon trägt und bis mich meine Aufmerksamkeit wieder zu meinem Atem bringt und so weiter. Wenn wir mitkriegen, dass wir das gar nicht sind, die da denken, sondern dass es vielmehr uns denkt, ist schon viel gewonnen. Dann kann ich zum Beobachter werden und mich von meinen Gedanken unterhalten lassen.

 

Mehr Informationen zu „The Work“ finden Sie hier.

Mehr Informationen zu Tanja Madsens Buch finden Sie hier.

Und zum guten Schluss: Glück wird gelehrt (Frage 5). In einer Schule in Heidelberg hat der Direktor Glück als Schulfach eingeführt. Und wenn ich mich nicht irre, gibt es auch schon Nachahmer.

Stille Stars?

In jedem neuen Programm gibt es Titel, auf denen besondere Hoffnungen ruhen. Da kommt vielleicht von einer Autorin mit großer „Fangemeinde“ ein neues Buch – und natürlich erwarten wir, dass es sich zumindest ähnlich gut verkauft wie seine Vorgänger. Oder da gibt es ein ganz aktuelles Thema, mit dem sich viele Menschen beschäftigen – und glücklicherweise können auch wir ein Buch dazu ankündigen. Und natürlich wünschen wir uns, dass das Thema wirklich so gefragt ist, wie wir denken.

Spitzentitel – so nennt man wohl die Bücher, von denen man sich so viel erwartet. Doch ein Frühjahrs- oder Herbstprogramm umfasst 12-15 neue Bücher. Und nicht alle können Spitzentitel sein, denn jede Spitze braucht auch eine mehr oder minder breite Basis. Und die Basis des Gesamtprogramms ist eine gut gepflegte Backlist: Thematische Schwerpunkte müssen durch ein breites und in die Tiefe gehendes Titelspektrum ausgebaut werden. Und ganz wichtig: Eine gute Backlist muss auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Also müssen in der Programmplanung auch immer Titel berücksichtigt werden, die z.B. einen Themenschwerpunkt gut ergänzen, gut in eine Reihe passen, einen neuen interessanten Akzent setzen oder ein Thema aus einer etwas anderen Perspektive beleuchten.

Wir wünschen uns natürlich, dass alle unsere Bücher Erfolg haben. Und selbstverständlich tun wir auch etwas dafür: durch Marketingmaßnahmen, Pressearbeit und vertriebliche Aktivitäten. Und dennoch geht nicht immer alles so auf, wie wir uns das vorstellen. Das vermeintlich interessante Thema findet nicht ganz so viel Resonanz wie erwartet oder die Fangemeinde kauft dann doch nicht jedes Buch.

Aber immer wieder passiert auch das: Ein Blick auf die Verkaufszahlen offenbart angenehme Überraschungen. Natürlich, auch Titel XY hat Potenzial, sonst wäre er schließlich gar nicht ins Programm gekommen. Aber nach der Vorankündigung gab es keine große Nachfrage nach Rezensionsexemplaren und auch die Vorbestellungen waren eher mittelmäßig. Doch zwei bis drei Monate nach Erscheinen zeigt sich bei so manchem Buch plötzlich eine ganz unerwartete Dynamik. Es gibt richtig ordentliche Verkaufszahlen – und: Sie erweisen sich als stabil. Das sind für mich die stillen Stars im Programm, Bücher, die ohne großes Getöse ihren Weg machen.

Und welches sind meine aktuellen stillen Stars? – Ganz besonders hervorheben möchte ich diesmal zwei Titel, die Ende letzten Jahres ausgeliefert wurden und mir seither richtig viel Freude bereiten:

 

Luc Nicon, Befreit von alten Mustern
Natürlich kommt der Erfolg dieses Buches nicht von ungefähr, denn Monika Wilke, die Übersetzerin, ist selbst Tipi-Trainerin und tut ganz viel dafür, dass die Methode im deutschen Sprachraum bekannt wird. Ich selbst wurde z.B. seinerzeit durch eine Telefon-Session von der Wirksamkeit überzeugt. Und trotzdem: Dass ein bis dahin in Deutschland unbekannter Autor und eine neue Methode gleich so viel Zuspruch finden, ist sehr beachtenswert.

 

Fritz & Ingrid Wandel, Alltagsnarzissten
Als vor noch gar nicht so langer Zeit ein gewisser Herr zu Guttenberg wieder den Schritt in die Öffentlichkeit wagte, sagte mir Fritz Wandel, dass es in seinem Buch ja genau um diesen Persönlichkeitstypus gehe: Um sehr überzeugend wirkende Blender, die es nicht sonderlich kümmert, welche Nebenwirkungen auf andere ihre Performance hat. Also liegt der Erfolg von „Alltagsnarzissten“ daran, dass in dem Buch ein ungeheuer aktuelles Thema aufgegriffen wird? Oder liegt es vielmehr daran, dass beide Autoren stark in der TA-Gemeinde verwurzelt sind? – Es wird wohl eine Mischung aus beidem sein.

„Irgendwas ist anders“ – Ein Gespräch mit Anja Köhler und Christian Kersten zur Entstehungsgeschichte ihres Buches

Seit den späten 1970er-Jahren gibt es bei Junfermann NLP-Bücher. Das Thema begleitet uns also schon eine ganze Weile und hat sehr maßgeblich das Programm und die Außenwahrnehmung des Verlags bestimmt. Auch wenn die ganz große NLP-Welle ein wenig abgeebbt ist: Immer noch gibt es mehr als 60 NLP-Titel in unserem Programm und im Grunde sollte man meinen, dass so langsam alles zu diesem Thema gesagt und geschrieben sein sollte.

Nicht so ganz, denn im Sommer 2010 erhielten wir ein wirklich interessantes Manuskriptangebot: Was passiert eigentlich in einer Partnerschaft, wenn einer der Partner NLP lernt und der andere nichts mit den Methoden anfangen kann? Ja auch nicht so recht versteht, was seinen Partner eigentlich umtreibt? – Inzwischen ist daraus ein Buch geworden: „Irgendwas ist anders … Ein Lese- und Handbuch für alle, deren Partner NLP lernen“.

 

Warum ein Buch über die Auswirkungen des NLP-Lernens auf die Partnerschaft?
Im Folgenden möchte ich Sie ein wenig teilhaben lassen am „making of“ dieses Buches. Dazu unterhalte ich mich mit Anja Köhler und Christian Kersten, den Autoren. Ich möchte zunächst von ihnen wissen, wie man überhaupt auf die Idee kommt, ein Buch über die Auswirkungen des NLP-Lernens auf die Partnerschaft zu schreiben? Gab es hierfür einen auslösenden Moment?

„Nicht so sehr einen bestimmten Auslöser, vielmehr ist die Idee zu dem Buch während der Seminare langsam gewachsen“, sagt Anja Köhler. Sie hat alle NLP-Ausbildungen gemeinsam mit ihrem Mann Christian Kersten gemacht. Doch die anderen Teilnehmer, die ihre Ausbildung ohne Partner absolvierten, berichteten immer wieder, dass sie zu Hause Probleme hätten, mit dem Gelernten und auch durch bestimmte Veränderungsprozesse bei ihnen selbst. Christian Kersten ergänzt, dass viele NLP-Lernende daheim oft eine kritische Stimmung registrierten und häufig nicht so recht wüssten, woher diese rühre. Deshalb fordert er: „Die Veränderung des Systems Beziehung sollte in den Ausbildungen thematisiert werden – und zwar gleich zu Beginn.“ „Es gibt viel zu wenig Hinweise, wie man NLP nach Hause bringen kann“, ergänzt Anja Köhler. Viele NLP-Ausbildungsinstitute bieten Büchertische mit Literatur zu den Inhalten ihrer Ausbildungen an. Auch auf diese Büchertische gehöre Literatur zum Thema „Auswirkungen auf die Partnerschaft“. – Bisher hat es kein Buch dazu gegeben, aber diese Lücke ist ja jetzt geschlossen worden.

 

Wie war das mit den Interviews?
Im Buch finden sich zahlreiche Interviews mit Paaren, gemeinsam, aber auch mit einzelnen Partnern oder mit beiden Partnern, getrennt voneinander befragt. War es schwierig, Interviewpartner zu finden, will ich wissen.

Sie hätten von ihrer Idee erzählt und seien damit auf sehr positive Resonanz gestoßen, erzählt Anja Köhler. Mit ihrem Anliegen sind beide wohl auf sehr offene Tore gestoßen, denn vielen Befragten, so wird mir berichtet, scheint es gut getan zu haben, einmal darüber reden zu können, welche Bedeutung NLP für sie hat und welche Veränderungen sich dadurch in ihrem Leben ergeben haben. „NLPler vermissen häufig bei ihrem Partner ein Interesse an dem, was sie machen“, sagt Christian Kersten.

Von den interviewten Paaren im Buch wünschten einige sich ausdrücklich, getrennt voneinander befragt zu werden und hätten teilweise erst durch die Buchveröffentlichung erfahren, was ihr Partner gesagt habe. Oft sei es bei diesen separaten Interviews zu erstaunlich unterschiedlichen Einschätzungen der Situation gekommen. So sprachen NLPler häufig über positiven Entwicklungen in der Beziehung durch NLP, Ihre Partner hingegen stellten überhaupt keine Veränderungen fest. Dies sei besonders bei langjährigen Partnerschaften der Fall gewesen. Oder es wurde behauptet, es habe keine Veränderung oder nichts Bemerkenswertes gegeben – und gleichzeitig wurde geäußert, der Partner habe plötzlich so komische Fragen gestellt.

Die Interviews seien insgesamt sehr emotional gewesen. Es sei viel gelacht worden, es habe aber auch traurige Momente gegeben, wenn klar wurde, was in der Partnerschaft nicht funktionierte, sagt Christian Kersten. In einem Fall seien durch das Interview wesentliche Konfliktursachen in der Beziehung erst richtig deutlich geworden und das Paar habe sich anschließend getrennt. Manches Mal habe sie sich gesagt: „Wenn sie doch nur miteinander geredet hätten“, sagt Anja Köhler.

Doch nicht nur um das Thema Partnerschaft ging es in den Interviews. So berichteten beispielsweise Mütter über einen anderen Umgang und eine andere Kommunikation mit ihren Kindern. Dieser Aspekt hätte aber den thematischen Rahmen des Buches gesprengt und so sei er außen vor geblieben. Aber gerade Kinder scheinen ein sehr feines Gespür dafür zu haben, wenn ihre Eltern ihnen „nlp-istisch“ eine Frage stellen, selbst wenn auf das Fachvokabular verzichtet wird. Aber über die Frage nachdenken, das tun die Kinder dann schon, wenn vielleicht auch etwas widerwillig.

Anja Köhler & Christian Kersten

 

Der Schreibprozess
Kommen wir nun zu einem anderen Thema und betrachten wir den eigentlichen Schreibprozess etwas genauer: Wie schreibt man denn als Paar? – Das erste Kapitel hätten sie versucht, gemeinsam zu schreiben, dann aber schnell festgestellt: „So funktioniert es nicht“, erzählt Anja Köhler. Deshalb einigten sie sie sich darauf, Kapitel und auch einzelne Abschnitte innerhalb der Kapitel aufzuteilen. Einer habe dann begonnen und der andere später übernommen. Anschließend haben sie das Geschriebene von dem jeweils anderen gegenlesen lassen und Änderungsvorschläge diskutiert und umgesetzt. Das sei eine sehr produktive Arbeitsweise gewesen, die auch eine gemeinsame Sprache hervorgebracht habe. „Wer hat denn was geschrieben?“ – Das hätten Bekannte vergeblich versucht herauszufinden. Natürlich gab es immer wieder Situationen, wo bei bestimmten Formulierungswünschen auch Zugeständnisse gemacht werden mussten. Insgesamt habe die gemeinsame Arbeit an dem Buch aber Spaß gemacht. Das Folgebuch „Was passiert, wenn man mit seinem Partner ein Buch über NLP und Partnerschaft schreibt“ wird es also nicht geben. 🙂

Übrigens: Anja Köhler und Christian Kersten haben sich für ihr Buch auch selbst interviewt und dabei festgestellt, dass ihre unterschiedlichen Herangehensweisen sich (auch) im Schreibprozess gut ergänzen. Hätte Christian Kersten das Buch allein geschrieben, wäre ein relativ kurzes Überblickswerk dabei herausgekommen. Anja Köhlers Buch hingegen hätte drei sehr detailliert ausgearbeitete Kapitel umfasst und wäre zum Abgabetermin nicht fertig geworden.

Stichwort Unterschiede: Unterschiedlichen Leserbedürfnissen haben die Autoren mit nicht weniger als vier Vorworten (!) Rechnung getragen: ein Vorwort für NLPler und eines für die Partner. Ein Vorwort für Leser, die gerne ein Buch durchblättern und selektiv lesen (was bei diesem Buch sehr gut möglich ist) und ein Vorwort für Von-vorne-bis-hinten-Durchleser.

 

Leser-Feedback?
Gibt es schon erstes Feedback zum Buch? – Ja, es gibt viel Feedback, auch von Menschen, die eigentlich gar nichts mit NLP zu tun haben und dennoch für sich etwas aus dem Buch ziehen können. Viele Leser loben auch die Anschaulichkeit der Sprache. Und aus einigen Leserfeedbacks geht deutlich hervor, dass das Konzept des Buches aufgeht: NLPler können es nutzen, um bestimmte Inhalte zu rekapitulieren; ihre Partner können schauen, was von dem Dargebotenen für sie von Interesse ist und sich langsam ans NLP herantasten. Das Buch ist nicht „missionarisch“, schließlich würdigt es auch Kritik am NLP.

Hier geht es zum Buch „Irgendwas ist anders“ und hier geht es zur Website von Anja Köhler & Christian Kersten

Gedanken zu einem Buchmanuskript

Der Sommer rückt näher und es wird Zeit, dass endlich unsere letzten vorangekündigten Frühjahrstitel in die Produktion gehen. Für mich bedeutet das: Lektorat eines Buches zum Thema Führung.

Nicht ganz so mein Ding, muss ich direkt gestehen, denn in diesem thematischen Feld werden gerne neue Prinzipien kreiert, die mit sehr fantasievollen Namen belegt werden; gerne auch mit Abkürzungen, die alles oder nichts bedeuten können. – Mit dieser Einschätzung werde ich ganz bestimmt sehr vielen sehr guten Büchern zum Thema Führung nicht gerecht. Ich habe da halt ein Vorurteil und kann nicht so recht aus meiner Haut. Andererseits bin ich aber Profi genug, um auch ein Manuskript zu bearbeiten, das nicht unbedingt eines meiner Lieblingsthemen behandelt.

Also: Ran an den Text! Und zwar gleich zu Beginn des Arbeitstages, damit sich gar nicht erst Widerstände aufbauen oder Ablenkungsmanöver einstellen können.

Ich lese eine Seite, noch eine Seite … und nach mehreren Seiten denke ich: Wow! So etwas hätte ich von einem Führungsbuch nicht erwartet. Was ich da lese ist kraftvoll und authentisch. Es ist empathisch, nimmt aber gleichzeitig keine falschen Rücksichten. Die da schreibt ist wirklich souverän und sie muss sich nicht hinter irgendwelchem Schischi verstecken, denn sie weiß, was sie kann.

Und was lese ich, welches Manuskript bringt mich so zum Schwärmen? Es ist „Chefsache: Führen!“ von Ursu Mahler. Da berichtet eine gestandene Führungskraft mit langjähriger Erfahrung als Trainerin und Coach, was für sie die Grundlagen guter Führung sind: „Nicht handeln heißt zustimmen“ ist z.B. ein ganz zentraler Satz, der allen Zauderern und Zögernden ins Stammbuch geschrieben sei. Und Kernsätze dieser Art gibt es einige. – „Hart, aber fair“, so lassen sie sich häufig charakterisieren.

Für Menschen in einer Führungsposition kann die Lektüre dieses Buches ein rechter Vitaminstoß sein, den sie sich von Zeit zu Zeit gönnen sollten. Vermutlich haben viele Führungskräfte den Kopf voller Wissen, sind in zahlreichen Methoden geschult. Doch selbst solchen Experten kann es nicht schaden, gelegentlich die eigene Haltung und das Handeln zu reflektieren. Gute Führung verlangt Herz und Verstand – und von beidem findet sich sehr viel in diesem bravourös geschriebenen Buch.

E-Books fürs Regal

Während das E-Book-Geschäft im deutschsprachigen Raum nach allem, was man lesen kann, immer noch in den Kinderschuhen steckt, sprießen die unterschiedlichsten Geschäftsmodelle in diesem jungen Markt munter weiter. Eine neue Idee kommt von dem, nach eigenem Bekunden, ersten Web 2.0-Verlag in Deutschland Epidu, der u.a. auch das Portal Blogg dein Buch betreibt. Sie wird in Kooperation mit dem Barsortiment Umbreit und dem E-Book Anbieter Ceebo realisiert und widmet sich zwei Nachteilen, die das E-Book gegenüber dem physischen Buch derzeit noch hat: Man kann es nicht anfassen, was seine Präsenz im stationären Buchhandel erschwert, und man kann es nicht verschenken. Die Idee von Epidu, die nun in den ersten Buchhandlungen getestet wird: die eBookCard, eine Klappkarte, die optisch dem Cover des physischen Buchs entspricht und auf der Innenseite Informationen zum Buch sowie einen Download-Code bereitstellt. Umbreit bringt die Karten in die Buchhandlungen. Dort können sie angefasst und gekauft werden, Ceebo versorgt die Kunden nach Freischaltung des Codes (wofür keine weitere Registrierung notwendig ist) mit der elektronischen Buchdatei.

Was auf den ersten Blick wie ein analoger Rückzieher aussieht, könnte durchaus funktionieren. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse die Pilotphase liefert, die jetzt in sieben Buchhandlungen im süddeutschen Raum und mit 71 Titeln läuft. Der Charme des Konzepts besteht gerade darin, dass es dem haptischen Beharrungsvermögen der Kunden entgegenkommt. Dass ganz nebenbei ein Vertriebsweg für das E-Book geschaffen wird, der auch den stationären Buchhandel wieder berücksichtigt, ist begrüßenswert. Sollte das Projekt ausgeweitet werden, freuen auch wir uns, mit dabei zu sein – schließlich ist Ceebo auch unser Partner bei der Auslieferung der Junfermann E-Books an die Kunden.

Begegnungen im Grenzland

Es ist der 25. Januar 2012. Das Telefon klingelt, ich gehe dran und am anderen Ende der Leitung vernehme ich eine freundliche Stimme mit einem ganz leichten niederländischen Akzent. Dass dieses Gespräch mich schließlich im April nach Roermond bringen wird, dass ich dort unseren Autor Ike Lasater kennenlernen und noch viele andere wunderbare Begegnungen haben werde, das ahne ich in dem Moment noch nicht …

 

Wie ich dazu kam, ein GFK-Event in den Niederlanden zu besuchen

Harald Borajns heißt mein Gesprächspartner. Im Jahr 2009 gründete er die Stiftung „Daimoon“, in der Absicht, einen Beitrag zur Verbreitung des Gedankengutes der Gewaltfreien Kommunikation in den Niederlanden zu leisten. Und weil sich Gedanken über Bücher gut transportieren lassen, ist er auch verlegerisch tätig geworden. Im September 2011 erschien die niederländische Ausgabe von „The Compassionate Classroom“ von Sura Hart & Victoria Kindle Hodson und am 26. April 2012 soll die Übersetzung von „Words That Work in Business“ von Ike Lasater auf den niederländischen Markt kommen, erzählt er mir. Der Autor habe zugesagt, zum Booklaunch nach Roermond zu kommen – und wenn Ike schon mal da sei: Warum nicht gleich ein etwas größeres Event kreieren? Aus diesem Anlass wurden auch Kay Rung, Mediator und Verleger von schwedischen GFK-Büchern und Jutta Höch-Corona, Mediatorin aus Berlin, als Referenten eingeladen.

Am 26. April solle es GFK- und Mediations-Workshops geben und er wünsche sich durchaus auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, erklärt mir Harald Borjans. Schließlich sei Roermond kurz hinter der deutsch-niederländischen Grenze gelegen und gut erreichbar. Ob wir ihn unterstützen könnten, sein Event in Deutschland bekannt zu machen, fragt er mich. Das sage ich gerne zu und merke im gleichen Atemzug an, dass er bereits eine Interessentin aus Deutschland gewonnen habe: mich. Sofort werde ich begeistert eingeladen.

Jutta Höch-Corona & Ike Lasater

 

Von Büchern und Menschen

Und dann ist der lang erwartete Tag gekommen: Zusammen mit den Referenten werde ich in Düsseldorf am Flughafenbahnhof abgeholt und wir werden in das Theater-Hotel in Roermond gebracht. Neben Restaurants, Seminarräumen und Zimmern beherbergt es auch einen Theatersaal – eine Kombination, die ich in der Form noch nicht kennengelernt habe.

Wir verbringen den Abend in netter Runde und sprechen viel über Bücher und über das Büchermachen. Kay Rung kann stolz vermelden, dass sein Verlag „Friare Liv“ jetzt seit zehn Jahren besteht. In dieser Zeit habe er enorm viel gelernt, ein Prozess, der noch immer andaure. Im Programm von Friare Liv finden sich Bücher von Kays Partnerin Liv Larsson, aber auch die schwedische Übersetzung von Marshall Rosenbergs Buch „Gewaltfreie Kommunikation“. Mir ist es eine ganz besondere Freude, ihm an diesem Abend ein druckfrisches Exemplar der deutschen Übersetzung eines Liv-Larsson-Buches zu überreichen: „Wut, Schuld und Scham“. Auch die Nachricht, dass dieser Titel in Deutschland sehr gut vorbestellt sei, nimmt Kay mit großer Freude auf.

Harald Borjans und sein Kollege Mark stehen mit zwei publizierten Titeln noch ganz am Anfang ihrer Verleger-Laufbahn und sind begierig, Erfahrungen auszutauschen. Und da aller guten Dinge bekanntlich drei sind: Auch Ike Lasater plant, verlegerisch aktiv zu werden. – Später wird mir noch ein ganz besonderes Print-Produkt geschenkt: Jutta Höch-Corona arbeitet mit einer Eigenentwicklung, mit Gefühlsmonster-Karten und hat von den netten kleinen Gesellen Sticker herstellen lassen. Wo die bei mir wohl ihren Platz finden werden?

 

Roermond ist mehr als ein Outlet-Center

Am nächsten Tag treffen ca. 40 Seminarteilnehmer ein. Bei Kaffee und Tee wird munter geplaudert und nach einer freundlichen Begrüßung durch die Veranstalter geht es in die Workshops. Ich erfreue mich am Vormittag an Ike Lasaters wunderbaren Geschichten: Seine Begegnungen mit Marshall werden geschildert, aber auch ein abenteuerliches GFK-Training im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet.

Kay Rung erläutert, wie eine Mediation abläuft.

Nach einem leckeren Mittagessen geht es in die zweite Workshop-Runde, was für mich Mediationsübungen mit Kay Rung bedeutet. In Dreiergruppen üben wir, mit ständig wechselnden Rollen, Schritt für Schritt einen grundlegenden Mediations-Ablauf.

Ike Lasater

 

Am späten Nachmittag – die Wolken sind verschwunden und die Sonne zeigt sich – gönne ich mir noch einen kleinen Spaziergang durch das Städtchen. Schöne Kirchen, nette Sträßchen und ein kleiner Stadtpark – all das gibt es zu sehen. Die Hinweisschilder auf das nahegelegene Outlet-Center ignoriere ich einfach, denn Roermond hat so sehr viel mehr zu bieten als nur das.

 

 

v.l.n.r.: Mark Brouwers, Ike Lasater, Harald Borjans

Und besonders auf der menschlichen Seite hatte dieser Tag im Grenzland mir wirklich außerordentlich viel zu bieten. Es war wunderbar, Harald, Ike, Kay, Mark und Jutta kennenglernt zu haben. Und auch mit einigen Seminarteilnehmern hatte ich inspirierende Pausengespräche. Es wurden Verbindungen geknüpft, die bestimmt über diesen Tag hinaus Bestand haben werden. Und wenn dann wieder das Telefon klingelt und ich rangehe … dann wird irgendwas passieren. Was? Keine Ahnung. Aber ich freu mich schon drauf.

 

Heike Carstensen

„Wer moderiert denn heute die Veranstaltung?“

Das ist nicht gerade die beliebteste Frage, wenn mal wieder eine Konferenz oder ein Meeting ansteht. Die meisten Kollegen blicken zu Boden und analysieren die Struktur der Auslegeware – ich eingeschlossen. Keiner reißt sich wirklich darum, die Gesprächsleitung zu übernehmen.

Das ist in den meisten Fällen gar nicht mangelnder Vorbereitung geschuldet, sondern schlicht und einfach der Situation: Eine Gesprächsrunde zu führen, zu schauen, wann ein Themenpunkt abgearbeitet ist und der nächste angesprochen werden kann, beim Thema zu bleiben und es nach Abschweifungen wieder auf den Weg zurückzubringen und unpassende Argumente oder Bemerkungen freundlich aber bestimmt zu entkräften – das erfordert Selbstbewusstsein, Wachheit und Gesprächskompetenz. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man redet und plötzlich hören alle schweigend zu. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Noch schlimmer ist es, wenn alle wie versteinert sitzen und kein Signal zurückkommt – kein Nicken, keine Bestätigung. Schnell stellen sich Selbstzweifel ein, und die machen unsicher. Schlimmstenfalls stottert man sich dann irgendwie durchs Programm und sehnt das Ende der Veranstaltung herbei.

An der Uni fiel es mir relativ leicht, Referate zu halten. Ich hatte mich in das Thema eingearbeitet, das Reden vor Publikum machte mir nichts aus und es konnte fröhlich losgehen. Fragen irritierten mich nicht, denn in der Regel kam die Antwort schon noch früher oder später. Eine Gesprächsrunde zu moderieren ist ein anderes Kaliber: Hier kommen Einwände und Fragen, die das Gespräch immer wieder in andere Richtungen führen können. Je nachdem, wie vertraut ich mit einem Thema bin, fällt es mir leichter oder schwerer, Gesprächsrunden zu moderieren. Wenn es beispielsweise um den Relaunch der Junfermann-Website geht, fühle ich mich ungefähr wie eine Viertklässlerin. Von all dem, was technisch zu bedenken ist, verstehe ich mit Glück ein Drittel. Unter diesen Bedingungen eine Sitzung zu einem guten Ergebnis zu bringen, finde ich nicht ganz einfach (zum Glück geht es den Kollegen genauso – und gemeinsam mit den Programmierern werden wir schon was Gutes auf die Beine stellen).

Alexander Myhsok und Anna Jäger haben dem Thema „Moderation“ ein ganzes Buch gewidmet: Moderieren in Gruppen und Teams. Und wie sagt der Klappentext so schön: „Gespräche in Gruppen zu moderieren, ist eine Grundqualifikation, die heute im Beruf und darüber hinaus mehr denn je gefragt ist“. Stimmt. Blöderweise hat man so etwas weder in Ausbildung noch Studium gelernt …

 

Und hier gibt’s das Buch!

Moderieren heißt: die Gruppe in begrenzter Zeit zu einem gemeinsamen, konkreten Ergebnis zu führen und ein Klima und Strukturen zu schaffen, die es den Teilnehmern ermöglichen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen aktiv einzubringen. Das Fundament des Buches sind die Techniken und Konzepte der Transaktionsanalyse. Ganz praktisch lernt man als Leser, wie man ein Gespräch beginnt, wie man Zwischenziele vereinbart, wie man mit Einwänden umgehen kann und den roten Faden nicht verliert. Durch Fragen kann man ein Gespräch geschickt führen, Rollenspiele helfen Unsicherheiten aufzulösen, und auch bei auftretenden Konflikten gibt es Strategien, wie man wieder zur Sache zurückfindet. Besonders interessant finde ich, dass die Autoren auch auf Frauen als Moderatorinnen eingehen, denn das kenne ich aus eigener Erfahrung, wenn viele Männer mit in der Runde sind: Es findet sich immer irgendein Besserwisser, der dem „Mädchen“ mal zeigt, wo es lang geht. Das erzeugt  Gefühle von Unsicherheit bis Wut – aber auch damit kann man umgehen lernen.

Schon hilfreich, so eine „Schatzkiste“ an Tipps und Tricks rund ums Moderieren. Wenn man um die Tools und Möglichkeiten weiß, die man zur Verfügung hat, verändert sich das Grundgefühl und man kann selbstbewusster in die nächste Gruppenrunde gehen.  Andererseits gilt: Die Dosis macht das Gift. Die Authentizität zu opfern, weil man jetzt ein erlerntes Programm abspult, wäre kontraproduktiv. Aber die eine oder andere Strategie in der Hinterhand zu haben, kann nicht schaden. Und eine flotte Replik auf ein Totschlagargument darf man sich auch schon vorher überlegen. Manche Techniken lernt man nur durch Üben (vielleicht auch erst mal zuhause mit dem Partner oder mit einer guten Freundin) – und durch immer wiederkehrende Erfahrung in ganz unterschiedlichen Gruppen. Also: ruhig mal „ICH!“ sagen, wenn die Frage lautet: „Wer moderiert denn heute die Veranstaltung?“

Simone Scheinert

 

 

„Alles, was Sie tun, wirkt sich direkt auf die Gefühlslage Ihres Kunden aus“

Shelle Rose Charvet

Diese Aussage ist eines der Prinzipien von Ursache und Wirkung, die Shelle Rose Charvet in ihrem Buch „Oh nein, schon wieder ein Kunde!“ erläutert. Das zweite Prinzip von Ursache und Wirkung lautet: „Alles, was Sie tun, hat Einfluss darauf, was Ihr Kunde über Ihre Organisation denkt.“ – Ich habe kürzlich beide Prinzipien am eigenen Leib erfahren und meine Gefühlslage hinsichtlich eines bestimmten Unternehmens ist als eher düster einzustufen. Und nun wollen Sie vielleicht wissen, was ich über dieses Unternehmen denke? – Also gut, hier ist meine Geschichte, in der sich auch einige LAB-Profilmuster identifizieren lassen:

 

Am 4. März 2012 landete ich frühmorgens auf dem Flughafen Madrid Barajas. Ich war aus Mexico City gekommen und stellte nun plötzlich fest, dass meine Kamera nicht in meiner Tasche war. Es gab nur eine einzige Erklärung, wo sie sein könnte: Sie musste noch im Flugzeug liegen. Auf der Speicherkarte in der Kamera befanden sich sämtliche Urlaubsfotos – und die wollte ich unbedingt wiederhaben.

Sehr proaktiv gestimmt, mit einer eindeutigen Auf-etwas-zu-Motivation begab ich mich zu einem Informationsschalter „meiner“ Airline und brachte meine Geschichte vor. Ich wollte wissen, was zu tun wäre, um meine Kamera wieder in Besitz zu nehmen. Die Mitarbeiterin führte ein kurzes Telefonat, bat mich dann um eine Beschreibung des verlorenen Gegenstandes und um meine Kontaktdaten. Sie erklärte mir dann Folgendes: Die Maschine müsse erst geputzt und durchgecheckt sein. Erst dann, so etwa gegen 9:30 Uhr, könne man Aussagen über Fundsachen machen. Da ich bereits um 9:55 Uhr nach Frankfurt weiterfliegen sollte, könnte ich zu einem anderen Informationsschalter in der Nähe meines Gates gehen. Ich würde dann zumindest eine Auskunft erhalten, ob die Kamera gefunden worden sei. Falls ja, sollte ich mich in Frankfurt bei der Airline melden und alles Weitere klären. Dieses prozedurale Muster – Schritt für Schritt wurde mir erklärt, was zu tun sei – passte vollkommen für mich und so begab ich mich einigermaßen beruhigt zu meinem Gate.

 

Ende gut – alles gut?
Sehr positiv gestimmt begab ich mich ca. 40 Minuten vor meinem Weiterflug nach Frankfurt zum gate-nahen Informations-Schalter. Auch die Mitarbeiterin dort hörte sich meine Geschichte an, telefoniert kurz und teilte mir mit: „Sie wurde gefunden.“ Freude wollte sich schon in mir ausbreiten, aber dann fragte ich nach: „Und wie bekomme ich nun die Kamera?“ Die sei in einem Fundbüro bei den Gepäckbändern; der Weg dorthin dauere etwa 10 Minuten. Auf meinen Einwand, dass das wohl etwas knapp sei, antwortete die freundliche Dame an der Information nur: „10 Minuten hin, 10 Minuten zurück – das ist doch wohl zu schaffen!“ – Schlagartig fühlte ich mich gar nicht mehr gut verstanden geschweige denn gut behandelt. Ich war überhaupt nicht external eingestellt, wollte mir eigentlich nicht von jemand anders sagen lassen, was ich wie schaffen könnte. Aber jede weitere Diskussion hätte Zeit gekostet – und so machte ich mich auf den Weg …

 

„Alles, was Sie tun, hat Einfluss darauf, was Ihr Kunde über Ihre Organisation denkt“
Unterwegs musste ich feststellen, dass ich die Wahl hatte, meinen Flug zu schaffen oder meine Kamera zu holen – dabei wollte ich in diesem Moment gar keine Optionen. Ich entschied mich für den Flug und ging in Frankfurt erneut zu einer Info der Airline. Wieder erzählte ich meine Geschichte und wieder musste ich meine Kontaktdaten hinterlassen. Man würde die Kamera nach Frankfurt holen und sich dann bei mir melden, hieß es schließlich.

Ich fühlte mich ein wenig abgefertigt, war aber durch die lange Reise und Schlafmangel so mürbe, dass ich mir diese Behandlung in dem Moment gefallen ließ. Doch als ich nach 14 Tagen nichts über den Verbleib meiner Kamera gehört hatte, musste ich wohl oder übel wieder an die Airline ran. Doch an wen? Und wo mich melden? – Ich hatte überall Daten hinterlassen, aber mir hatte man keine Anlaufstelle, keinen Ansprechpartner genannt. Ich telefonierte mich also durch zahllose Schleifen einer Servicenummer zu einem echten Menschen durch. Und der erzählte mir, dass Fundsachen von Madrid nicht an andere Flughäfen geschickt würden; das täte man lediglich mit fehlgeleitetem Gepäck.

 

Labyrinthe in der Servicewüste
Ich bekam eine Telefonnummer für das Fundbüro – und erfuhr über die Bandansage, dass ich montags bis freitags zwischen 10:00 und 12:00 Uhr jemanden erreichen könnte. Ich war inzwischen so weit, dass ich in jede Tischkante hätte beißen können … Laut Shelle Rose Charvet lautet die kanadische Kundenphilosophie: „Der Kunde geht mir auf die Nerven.“ Dreimal dürfen Sie raten, wie die spanische Kundenphilosophie lauten könnte… Als ich dann – man sollte es nicht glauben – schließlich doch einen Kontakt herstellen konnte, erfuhr ich: Fundsachen können montags bis freitags von 9:30 bis 13:00 Uhr abgeholt werden. Wenn man nicht persönlich vorbeikommt, muss die abholende Person eine Passkopie und eine schriftliche Vollmacht des Fundsachen-Besitzers vorlegen.

Habe ich meine Kamera wiederbekommen? Ja. Das verdanke ich aber nicht dem kundenfreundlichen Verhalten einer gewissen Airline, sondern der Tatsache, dass ich einigermaßen gut vernetzt bin und es nette und hilfsbereite Menschen gibt. Natürlich war alles ursprünglich mein Fehler: Ich hatte die Kamera im Flugzeug vergessen. Aber musste man mich deshalb in die Irre schicken und mir am Ende noch Märchen erzählen („Wir holen Ihre Kamera nach Frankfurt …“)? In ihrem Buch „Oh nein, schon wieder ein Kunde!“ fordert Shelle Rose Charvet, dass Unternehmen Vorgehensweisen für Ausnahmesituationen entwickeln müssen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen wissen, was sie tun können, wenn mal etwas nicht nach Plan läuft und Standardprozeduren nicht greifen. Schön und gut. Was aber bitteschön soll ich als Kundin tun, wenn ein Unternehmen in bestimmten Fragen nicht mal über eine Standardprozedur verfügt?

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Die LAB-Profile wurden ursprünglich von Rodger Bailey entwickelt und stammen aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP). Sie sind ein Werkzeug, mit dessen Hilfe Sie erfassen können, wodurch eine Einzelperson oder eine Personengruppe motiviert wird, auch wenn der Person (oder der Gruppe) dies selbst nicht unbedingt bewusst sein muss. Denn gerade die zumeist unbewussten Motive haben einen großen Einfluss auf jeden Denk- und Entscheidungsprozess.

 

Für alle, die es noch etwas drastischer lieben – hier ein Song über schlechte Behandlung durch eine Airline: United Breaks Guitars

Hier geht es zum Buch von Shelle Rose Charvet.

 

E-Books bei Amazon

Anfang April hat unser E-Book-Programm nun auch die letzte Hürde genommen und ist auf der einzigen großen Plattform gelandet, die uns noch fehlte – die 36 aktuell lieferbaren E-Books können jetzt auch als Kindle-Edition bei Amazon gekauft werden.

Langwierig und zäh waren die Vertragsverhandlungen (was weniger an unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich Konditionen lag, sondern mehr an der, sagen wir: eingeschränkten Manövrierfähigkeit des Tankers Amazon), fast noch länger dauerte es, den technischen Voraussetzungen Genüge zu leisten. Die proprietären Gepflogenheiten im E-Book-Geschäft, bei dem zumindest die großen Mitspieler in unzeitgemäßer Weise darauf bedacht sind, die Leser mit unvereinbaren Formaten an ihre jeweiligen Geräte zu binden, ist nicht nur für die Kunden ärgerlich, sondern treibt auch die Verlage in den Wahnsinn: jeder Händler besteht auf seinem eigenen Format, seiner eigenen Art der Anlieferung und Benennung der Masterdateien etc. Man darf gespannt sein, wie lange es dauert, bis die Bedürfnisse der Leser ein Ende dieser Praxis erzwingen. Die gegenwärtige Entwicklung in den USA jedenfalls deutet eher auf eine Verhärtung der Fronten zwischen Amazon und Apple hin (mehr dazu hier).

Trotz allem sind wir glücklich, unseren Lesern nun auch die Kindle-Versionen unserer E-Books anbieten zu können. Amazon ist einer der wichtigsten Partner für E-Books und wird das auch bleiben, zumal das Lesen auf dem Kindle nach wie vor zu den angenehmsten Erfahrungen gehört, die man mit E-Book-Readern machen kann. Das Unternehmen verkauft seit kurzer Zeit nun auch die Touchscreen-Versionen in Deutschland und es wird wohl nicht mehr allzu lange dauern, bis auch die unter der Bezeichnung „Kindle fire“ bisher nur in den USA erhältlichen Farbdisplays nach Europa kommen. Und obgleich für Junfermann als psychologischer Fachverlag die Downloadzahlen der E-Books gegenwärtig noch eine quantité négligeable darstellen, sind wir froh und stolz, dass es uns gelungen ist, den Anschluss an diesen Teil der Entwicklung der Buchbranche zu halten – es lässt einen gelassener in die Zukunft schauen.

ADHS – eine oft nicht zutreffende Diagnose

Anfang März lese ich in der Tageszeitung: Viele Kinder im Grundschulalter erhalten die Diagnose „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ und die entsprechenden Medikamente – in Wirklichkeit sind sie jedoch nur noch nicht reif für die Schule.

„Ein Hammer!“, denke ich. Wer aber behauptet das und auf welcher Grundlage? Wissenschaftler der University of British Columbia in Vancouver (Kanada) haben Ergebnisse einer breitangelegten Studie vorgelegt. Untersucht wurden fast 1 Million Kinder im Alter von 6-12 Jahren über einen Zeitraum von 11 Jahren. Als sehr auffällig erwies sich, dass besonders oft Kinder die Diagnose ADHS erhielten, die erst kurz vor dem Einschulungsstichtag geboren wurden. In ihren Klassen waren sie also die jüngsten Schüler – und zeigten überdurchschnittlich häufig ein „unangepasstes Verhalten“.

Unreifer als der Rest der Klasse bzw. noch nicht schulreif: Zu diesem Schluss kommen die Wissenschaftler. Und Lehrer, Ärzte und Eltern? – Sogenannten „Verhaltensauffälligkeiten“ wird immer öfter mit Pillen begegnet. Unter der Headline „Psychopillen statt Pausenbrot“ veröffentlichte der Spiegel im Jahr 2010 eine Grafik, aus der hervorgeht, dass deutsche Apotheken im Jahr 1993 insgesamt 34 kg des Wirkstoffes Methylphenidat (hauptsächlich unter dem Namen „Ritalin bekannt) erwarben; 2009 waren es bereits 1735 kg. – Wer Spaß daran hat, kann sich die Steigerungsrate ausrechnen … Mir reichen die nackten Zahlen, sie lassen mich gruseln!

 

Das Märchen vom ADHS-Kind? Vor zehn Jahren, also Anfang 2002, brachten wir bei Junfermann das Buch „Das Märchen vom ADHS-Kind“ von Thomas Armstrong heraus. Der Autor vertritt die provokante These: „ADHS gibt es nicht“. Er untersucht diverse Mythen im Zusammenhang mit der „Modediagnose“ ADHS und zeigt u.a., welches Interesse die Pharmaindustrie an ihr haben könnte. Gleichzeitig beleuchtet er die Phänomene Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität von einer ganz anderen Seite: Müssen wir sie zwangsläufig als Defizite ansehen? Könnte es sich nicht auch um Fähigkeiten handeln? Ergänzend zu diesem eher positiven Bild stellt Thomas Armstrong 50 nicht-medikamentöse Strategien vor, um auf ein als schwierig empfundenes kindliches Verhalten einzuwirken.

Ich beschäftigte mich seinerzeit etwas intensiver mit dem Thema und fand heraus, dass es damals (wie heute) keine wirklich gesicherte Form der ADHS-Diagnose gab. Gleichwohl wurde zunehmend ADHS – hauptsächlich bei Schulkindern – angenommen. Ich las über die vermeintliche „Volksseuche“ und stellte mit Erschrecken fest, wie leichtfertig anscheinend „Psychopillen“ verabreicht wurden. Gleichzeitig lernte ich aber auch die andere Seite kennen: betroffene Eltern, die alles andere als leichtfertig Medikamente verabreichten. Sie wussten häufig keinen anderen Ausweg, das Leben mit vollkommen überdreht wirkenden Kindern in den Griff zu bekommen und vor allem zu gewährleisten, dass die schulische Situation nicht völlig aus dem Ruder lief.

 

Was bewirkt die Diagnose ADHS? Wenn ich mir vorstelle, dass der oben erwähnten Studie zufolge unzählige Kinder grundlos mit Medikamenten vollgestopft wurden, dass ihnen – unberechtigterweise – der Stempel „ADHS“ verpasst wurde, dann kann etwas fundamental nicht in Ordnung sein. Nicht nur die zahlreichen Nebenwirkungen der verabreichten Medikamente sind bedenklich: Appetit-, Schlaf- und Wachstumsstörungen sowie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch die Diagnose selbst wirkt sich negativ für die Betroffenen aus. Möglicherweise verhalten sich Lehrer, Eltern und Erzieher ihnen gegenüber anders, weshalb psychische Folgen, Ängste oder Probleme mit dem Selbstwertgefühl nicht auszuschließen sind.

„Ich bin der Auffassung, dass Kinder, die unter Aufmerksamkeits- und Verhaltensproblemen leiden, in ihrem Kern völlig normale und gesunde Menschen sind – dass sie nicht unter einer medizinischen Störung leiden. Ich bin nicht der Meinung, dass diesen Kindern durch eine medizinische Diagnose, ein entsprechendes Etikett und eine sorgsam ausgewählte medizinische Behandlung am besten geholfen werden kann, sondern indem man auf jene nährende, anregende und ermutigende Weise mit ihnen umgeht, die allen Kindern zugutekommt.“ – Dieses leidenschaftliche Plädoyer stammt von Thomas Armstrong. Und heute wie vor 10 Jahren empfinde ich diese Haltung als sympathisch.

Heike Carstensen

 

Einen Bericht über die Ergebnisse der kanadischen Studie kann man hier nachlesen.

Die Grafik über den Methylphenidat-Absatz findet sich hier.

Und hier gibt es Informationen zum Buch von Thomas Armstrong.