„Wer moderiert denn heute die Veranstaltung?“

Das ist nicht gerade die beliebteste Frage, wenn mal wieder eine Konferenz oder ein Meeting ansteht. Die meisten Kollegen blicken zu Boden und analysieren die Struktur der Auslegeware – ich eingeschlossen. Keiner reißt sich wirklich darum, die Gesprächsleitung zu übernehmen.

Das ist in den meisten Fällen gar nicht mangelnder Vorbereitung geschuldet, sondern schlicht und einfach der Situation: Eine Gesprächsrunde zu führen, zu schauen, wann ein Themenpunkt abgearbeitet ist und der nächste angesprochen werden kann, beim Thema zu bleiben und es nach Abschweifungen wieder auf den Weg zurückzubringen und unpassende Argumente oder Bemerkungen freundlich aber bestimmt zu entkräften – das erfordert Selbstbewusstsein, Wachheit und Gesprächskompetenz. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man redet und plötzlich hören alle schweigend zu. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Noch schlimmer ist es, wenn alle wie versteinert sitzen und kein Signal zurückkommt – kein Nicken, keine Bestätigung. Schnell stellen sich Selbstzweifel ein, und die machen unsicher. Schlimmstenfalls stottert man sich dann irgendwie durchs Programm und sehnt das Ende der Veranstaltung herbei.

An der Uni fiel es mir relativ leicht, Referate zu halten. Ich hatte mich in das Thema eingearbeitet, das Reden vor Publikum machte mir nichts aus und es konnte fröhlich losgehen. Fragen irritierten mich nicht, denn in der Regel kam die Antwort schon noch früher oder später. Eine Gesprächsrunde zu moderieren ist ein anderes Kaliber: Hier kommen Einwände und Fragen, die das Gespräch immer wieder in andere Richtungen führen können. Je nachdem, wie vertraut ich mit einem Thema bin, fällt es mir leichter oder schwerer, Gesprächsrunden zu moderieren. Wenn es beispielsweise um den Relaunch der Junfermann-Website geht, fühle ich mich ungefähr wie eine Viertklässlerin. Von all dem, was technisch zu bedenken ist, verstehe ich mit Glück ein Drittel. Unter diesen Bedingungen eine Sitzung zu einem guten Ergebnis zu bringen, finde ich nicht ganz einfach (zum Glück geht es den Kollegen genauso – und gemeinsam mit den Programmierern werden wir schon was Gutes auf die Beine stellen).

Alexander Myhsok und Anna Jäger haben dem Thema „Moderation“ ein ganzes Buch gewidmet: Moderieren in Gruppen und Teams. Und wie sagt der Klappentext so schön: „Gespräche in Gruppen zu moderieren, ist eine Grundqualifikation, die heute im Beruf und darüber hinaus mehr denn je gefragt ist“. Stimmt. Blöderweise hat man so etwas weder in Ausbildung noch Studium gelernt …

 

Und hier gibt’s das Buch!

Moderieren heißt: die Gruppe in begrenzter Zeit zu einem gemeinsamen, konkreten Ergebnis zu führen und ein Klima und Strukturen zu schaffen, die es den Teilnehmern ermöglichen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen aktiv einzubringen. Das Fundament des Buches sind die Techniken und Konzepte der Transaktionsanalyse. Ganz praktisch lernt man als Leser, wie man ein Gespräch beginnt, wie man Zwischenziele vereinbart, wie man mit Einwänden umgehen kann und den roten Faden nicht verliert. Durch Fragen kann man ein Gespräch geschickt führen, Rollenspiele helfen Unsicherheiten aufzulösen, und auch bei auftretenden Konflikten gibt es Strategien, wie man wieder zur Sache zurückfindet. Besonders interessant finde ich, dass die Autoren auch auf Frauen als Moderatorinnen eingehen, denn das kenne ich aus eigener Erfahrung, wenn viele Männer mit in der Runde sind: Es findet sich immer irgendein Besserwisser, der dem „Mädchen“ mal zeigt, wo es lang geht. Das erzeugt  Gefühle von Unsicherheit bis Wut – aber auch damit kann man umgehen lernen.

Schon hilfreich, so eine „Schatzkiste“ an Tipps und Tricks rund ums Moderieren. Wenn man um die Tools und Möglichkeiten weiß, die man zur Verfügung hat, verändert sich das Grundgefühl und man kann selbstbewusster in die nächste Gruppenrunde gehen.  Andererseits gilt: Die Dosis macht das Gift. Die Authentizität zu opfern, weil man jetzt ein erlerntes Programm abspult, wäre kontraproduktiv. Aber die eine oder andere Strategie in der Hinterhand zu haben, kann nicht schaden. Und eine flotte Replik auf ein Totschlagargument darf man sich auch schon vorher überlegen. Manche Techniken lernt man nur durch Üben (vielleicht auch erst mal zuhause mit dem Partner oder mit einer guten Freundin) – und durch immer wiederkehrende Erfahrung in ganz unterschiedlichen Gruppen. Also: ruhig mal „ICH!“ sagen, wenn die Frage lautet: „Wer moderiert denn heute die Veranstaltung?“

Simone Scheinert

 

 

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert