Corona-Tagebuch, Teil 6: Was wir gerade aus der Krise lernen

Von Simone Scheinert

Es war ein komisches Gefühl, am Abend des 17. März den Verlag zu verlassen. Ich hatte schon einen Home-Office-Arbeitsplatz, da ich jeden Freitag von zuhause aus arbeite. Aber zu wissen, dass man auf unbestimmte Zeit nicht in den Verlag kommt, die Kolleg*innen so schnell nicht persönlich wiedersieht und dass gar nicht klar ist, wie das alles ausgeht – das war unheimlich und hatte nichts von dem erhebenden Gefühl, mit dem man sonst in den Urlaub geht, im Gegenteil. Ganz schnell hab ich als Botschaft, für alle, die weiter in den Verlag kommen, abends noch aufs Whiteboard geschrieben: Bitte gießt gelegentlich meine Blümchen! Und kam mir dabei vor, als ginge ich mindestens in Rente und nicht ins Home-Office.

Nach gut zwei Wochen Arbeit zuhause kann ich eine erste, vorsichtige Bilanz ziehen. Das Arbeiten von zuhause aus hat bislang besser funktioniert, als wir alle dachten. Denn, ganz ehrlich, so richtig vorbereitet waren wir nicht. Es gab insgesamt nur drei Heim-Arbeitsplätze mit Serverzugriff – einer davon ist meiner. Also habe ich mich zunächst mal hauptsächlich um die Bearbeitung unserer Webshop-Bestellungen gekümmert und Rechnungen geschrieben, was ich im Verlag nur als Urlaubsvertretung oder bei unserer Sparbuch-Aktion aushilfsweise getan habe.

Andere Dinge, die wir normalerweise im Team besprechen und entscheiden, konnten wir über eine Dropbox besser als erwartet lösen. Wir telefonieren, haben eine Verlags-Whatsapp-Gruppe, wir zoomen, wir skypen (und bekommen dabei interessante Einblicke in die Wohnungen der Kollegen 😊) … es läuft, und es läuft diszipliniert und gut.

Im meinem Hauptbereich Marketing ist derzeit alles anders. Ich weiß nicht, ob die Zeitschriften, in denen wir normalerweise Anzeigen schalten, am Ende des Jahres noch da sind. Ich weiß nicht, ob die Geschäftspartner, die Coaches, die Trainer, die Therapeuten mit denen wir zu tun haben, diese Krise gut überstehen. Ich hoffe es von Herzen.

Alle, nicht nur die Verlage, müssen jetzt stärker aufs Budget achten. Anzeigenbuchungen werden storniert, Veranstaltungen sind abgesagt, es wird keine Büchertische geben. Eingetretene Pfade sind plötzlich nicht mehr begehbar. Wir müssen kreative Wege finden und uns gegenseitig helfen und unterstützen. Das Denken ändert gerade die Richtung – wie gut, dass der Kopf rund ist!

Und dann ist da ja noch unsere Zeitschrift „Praxis Kommunikation“. Gerade entsteht Ausgabe 2, die Ende April erscheinen soll. Praxis Kommunikation bekommt gerade eine ganz neue Bedeutung – denn alle Absprachen, die ich mit meinem Kollegen aus der Grafik sonst direkt treffe, machen wir jetzt telefonisch. Die Layouts können wir diesmal nicht direkt gemeinsam am Monitor begutachten. Also müssen wir mailen, telefonieren, pdfs hin- und herschicken, pragmatische Lösungen finden und nochmal telefonieren. Uns immer wieder verständigen. Das Beste daran: Es funktioniert! Auch ohne Präsenz und mit Social Distancing. Es wird ein schönes Heft werden, und das freut mich gerade noch viel mehr als sonst.

Ich lerne etwas, trotz all dem Elend, das die Corona-Krise über die Welt bringt: Wir Menschen sind flexibel. Wir finden Lösungen und verlassen unsere gewohnten Muster, wenn es drauf ankommt. Wir sind, trotz aller Unterschiede, ein Team mit dem gleichen Ziel. Die kleine Perfektionistin in mir lernt gerade übrigens: Manchmal ist „gut genug“ auch wirklich gut, mehr braucht es nicht.

Jetzt kratzt unser Kater an der Terrassentür und will ins Haus – wenigstens das ist noch wie immer!

Corona-Tagebuch, Teil 5: Was macht eigentlich der Vertrieb in Zeiten von Corona?

Von Stefanie Linden

 

Man könnte meinen: Alles hat geschlossen, also kann der Vertrieb die Beine hochlegen. Weit gefehlt, denn als Bindeglied zwischen Verlag und Buchhandel, Zwischenhandel sowie Onlinehandel laufen bei mir die Fäden zusammen und wollen auch so manches Mal entwirrt werden. Es gibt viele telefonische Kontakte zu meinen Buchhändlern, die in dieser Situation manchmal nur den persönlichen Austausch suchen – ich nenne es inzwischen „virtuelles Kuscheln“. Manchmal müssen auch Probleme besprochen werden, die mir sehr nahe gehen, und wieder ein anderes Mal werden Bücher bestellt oder es wird eine Online-Aktion geplant, für die diverse Informationen und Coverabbildungen benötigt werden. Bisher konnten wir aber für jedes Problem eine Lösung finden, mit der sich alle Beteiligten wohlfühlen können.

 

Und dann wäre da auch die Vorschau mit den Herbstnovitäten 2020.

Nachdem wir alle im Verlag richtig „rangeklotzt“ haben, um die Vorschau „Herbst 2020“ auch unter Homeoffice-Bedingungen zu einem guten Ende zu bringen, fängt bei mir die Arbeit richtig an. Titel müssen in unserem Verlagssystem angelegt, an die Zwischenbuchhändler gemeldet und an die verschiedenen Systeme gemailt und dann bearbeitet werden.

Und die fertige Vorschau wird erstmals nicht in gedruckter Form vorliegen, sondern als PDF-Datei, die ich an meine Buchhändler per Mail verschicke. Dafür brauche ich aber einen aktuellen und vollständigen Mail-Verteiler, um den ich mich jetzt kümmern muss. In Buchhandlungen wechseln gelegentlich Ansprechpartner, weshalb Verteilerpflege eigentlich eine permanente Aufgabe ist, für die ich unter normalen Bedingen aber nicht immer die notwendige Zeit habe. Doch jetzt ist die Zeit dafür da – und ein aktueller Verteiler ist wichtiger denn je.

Doch es gibt nicht nur Wechsel und Veränderung. Viele Buchhändler und Buchhändlerinnen kenne ich schon 18 Jahre. Deshalb verschicke ich nicht einfach eine Datei (die Vorschau-PDF), sondern füge auch ein Anschreiben bei, denn mir ist die persönliche Ansprache sehr wichtig. Es sind in den Jahren Freundschaften entstanden und die Sorgen, die wir im Verlag und meine Buchhändler im Handel haben, sind geteilt vielleicht nur noch halb so schwer.

Nach dem Versand werde ich dann mit meinen Buchhändlern telefonieren, um Telefontermine für die Vorschaubesprechung zu vereinbaren. Ich hatte bereits mit großem Vorlauf einige Besuchstermine vereinbart. Die müssen nun leider in Telefontermine umgewandelt werden. Außerdem müssen Flüge und Hotels storniert oder umgebucht werden. Eine Buchhandelsreise in diesem Jahr wird wohl nicht möglich sein. So freue ich mich aber umso mehr auf 2021.

Und zu guter Letzt: Es liegen noch ganz viele administrative Dinge auf meinem Homeoffice-Tisch (der eigentlich unser Esstisch ist), die so überhaupt nicht spannend sind. Aber auch sie wollen erledigt sein und erfordern häufig viel Konzentration – und Zeit. Aber Zeit ist ja genau das, was wir gerade am meisten haben.

Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie gesund!

Corona-Tagebuch, Teil 4: Positive Entwicklungen

Wir haben in unseren letzten Beiträgen ja viel über das geschrieben, was uns nachdenklich stimmt und Sorgen bereitet. Es waren ernste Beiträge. Gibt es denn gar nichts Leichtes und Freundliches, das uns fröhlich stimmen könnte?

Wenn ich gut drauf sein möchte, telefoniere ich am besten mit einem unserer Druckdienstleister. Für uns ist er schon viele Jahre tätig, hat kleinste und auch sehr große Aufträge abgewickelt. In den letzten Jahren ist er selbst in schweres Fahrwasser gekommen und hat sich beharrlich und erfolgreich wieder rausgearbeitet. Das hat wohl auf sein Resilienz-Konto eingezahlt, und wenn ich heute mit ihm spreche, sprüht er nur so vor Optimismus, dass „das“ schon alles wieder gut werden wird.

Dieser Drucker nun hat gerade ein Produkt „in der Mache“, dessen Fertigstellung – wären wir jetzt alle hier – uns zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißen müsste. Spontan hätte vielleicht jemand eine Flasche Sekt aufgemacht; mindestens eine.

Heute nun stand der Drucker mit strahlendem Gesicht in der Tür und hatte die ersten Muster für mich dabei. Das war wirklich ein erfreulicher Moment, den ich gleich mit dem Autor teilen musste. Es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre quer durchs Land direkt zu uns gefahren, um seine Belege selbst abzuholen …

 

Um was für ein Produkt handelt es sich aber nun? Das ist das Rätsel, das ich heute aufgeben möchte. Und dazu ein paar Hinweise:

  • Die Fertigstellung hat sehr lange gedauert, länger als drei Jahre – von der Idee bis heute.
  • Der Autor ist schon seit längerer Zeit erfolgreich in bestimmten Bereichen des Themas unterwegs. Er hat es sich (nicht nur) für das Produkt sehr umfassend erarbeitet und Berge von Fachliteratur und aktueller Forschung durchgeackert.
  • Dieses Produkt ist natürlich größere geworden als ursprünglich geplant.
  • Es ist der einzige Titel, den wir – aufgrund der langen Verzögerungen – in zwei Vorschauen angekündigt haben: 2018 und 2020.

 

So, hat jemand eine Idee, wovon ich hier rede?

Corona-Tagebuch, Teil 3: Social Distancing

Social Distancing, die Wahrung sozialen Abstands – das ist der Begriff für die Verhaltensmaßregel der Stunde. Und so sinnvoll, ja geradezu lebenswichtig die Sache an sich ist, so unglücklich erscheint die Wortwahl. Denn wenn diese Tage in Home-Offices und auf dem heimischen Sofa, mit drohendem Lagerkoller und zunehmend katastrophalen Nachrichten uns eines lehren, dann doch dies: dass nächst unserer Gesundheit eben nicht Klopapier das Wichtigste für unser Wohlergehen ist, sondern soziale Nähe und Austausch. Und so gilt es, trotz und parallel zur Wahrung körperlichen Abstands eine Social Closeness zu praktizieren, deren Wert wir gerade jetzt völlig neu einzuschätzen lernen. Beides schließt sich nicht aus – gegen das Gespräch mit dem Nachbarn, der Nachbarin aus sicherer physischer Distanz spricht ebenso wenig wie gegen den Einsatz aller technischen Errungenschaften, die uns in den letzten Jahren das Kommunizieren vereinfacht haben: all die Messenger-Dienste, Videotelefonie-Apps, Gruppenchats und Sprachmemos stehen uns zur Verfügung, ebenso das gute alte Telefon. Wir müssen sie nur nutzen, was zuweilen ein wenig Überwindung fordert, aber lohnenswert ist. Wenn Sie ein paar virtuelle Schritte auf lang vernachlässigte Freunde, Verwandte oder Bekannte zugehen, werden Sie feststellen, wie gut das tun kann. Bleiben Sie in Kontakt.

Für die Momente, in denen wir dann doch wieder auf uns selbst zurückgeworfen sind, sollte man meinen, dass jene Kulturtechnik, die uns am effektivsten beibringt, wie man gut allein sein kann, eine Renaissance erleben würde: das Lesen. Doch dem ist allem Anschein nach nicht so. Zwar titelte DIE ZEIT letzte Woche noch hoffnungsfroh „Das Lesen geht weiter“, doch diese Hoffnung hielt nur ein paar Tage (wie so vieles im Moment). Nun bleiben die Buchhandlungen geschlossen, die Büchereien ebenfalls und die Onlinehändler verschicken nurmehr eines – Klopapier! Aber das ist kein Grund zum Verzicht auf neuen Lesestoff. Auch hier gilt: Es kostet ein wenig Überwindung, lohnt aber den Versuch! Die Lieferketten sind zwar eingeschränkt, aber noch ist unsere Branche nicht zusammengebrochen. Gerade weil der große Online-Versender im Moment mit Sanitärartikeln glänzen zu können meint, gibt es für uns vielleicht neue Erfahrungen zu machen. Wie etwa, dass unsere Buchhandlung vor Ort eine eigene Website mit einem Shop hat; dass wir die Kolleg*innen dort sogar telefonisch oder per E-Mail erreichen können, obwohl das Ladengeschäft geschlossen bleiben muss. Und aus ganz vielen Städten hören wir, dass bestellte Bücher nicht nur nach Hause versandt werden, sondern von engagierten Buchändler*innen per Fahrrad in die Briefkästen der Kunden gebracht werden. Probieren Sie’s aus und lassen Sie sich etwas zu lesen bringen. Vielleicht entsteht auf diesem Wege ja sogar eine soziale Nähe zu Ihrer Buchhandlung vor Ort, die den Corona-Ausnahmezustand überdauert.

Corona-Tagebuch, Teil 2: Trübe Aussichten?

Der Blick aus dem Fenster bietet heute einen bedeckten Himmel, kein Sonnenstrahl weit und breit. Immerhin fällt es uns dann leichter, nicht rauszugehen, höre ich im Radio auf dem Weg zur Arbeit. Noch dürfen wir rausgehen, auch wenn wir es nicht mehr sollen. Und es ist schon so viel gekommen, das vor wenigen Tagen völlig unvorstellbar schien. Deshalb kann man wohl davon ausgehen, dass eine Ausganssperre nicht mehr lange auf sich warten lässt. Schöne Aussichten, nicht wahr?

Legt man eine weite Strecke mit dem Flugzeug zurück, dann heißt es ja: Der Körper ist angekommen, die Seele braucht ein paar Tage. Das gilt wohl nicht nur für Reisen. Wenn sich unser Leben binnen kürzester Zeit so grundlegend ändert, dann haben wir die Tatsachen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist da aber unsere Seele, die die Maßnahmen von vor drei Tagen noch gar nicht verarbeitet hat und jetzt ständig mit neuen Gegebenheiten konfrontiert wird. Sie kommt einfach nicht nach. Wir kommen einfach nicht nach.

Das wurde mir gestern im Gespräch mit einer befreundeten Buchhändlerin sehr deutlich. Ich rief sie an, um zu fragen, ob der Laden denn jetzt dicht sei. Die Buchhandlung muss bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Sie bietet ihren Kundinnen und Kunden jetzt an, dass sie online Bücher bei ihr bestellen können und sie liefert sie ihnen mit dem Fahrrad nach Hause. Aber was wird aus diesem Plan B, wenn sie sich nicht mehr draußen bewegen darf? Sie wird Kurzarbeit für ihre Mitarbeiterinnen beantragen und ist entschlossen, eine Weile durchzuhalten. Aber wie lange dauert diese Weile?

Immerhin: Ein großer Online-Händler hat verkündet, dass ihm der Versand von Gebrauchsgütern momentan wichtiger ist als der Versand von Büchern. Wenn dort gilt: Toilettenpapier statt Bücher – dann haben vielleicht die stationären Buchhandlungen hier kurzfristig eine ganz gute Lücke …

Doch es gibt auch Erfreuliches zu berichten: Die Autobahnen sind so leer wie lange schon nicht mehr, der Weg zur Arbeit ist deutlich entspannter. Wir bekommen haufenweise aufmunternde und unterstützende Mails – und die tun wirklich gut. Unsere Autorin Fabienne Berg zum Beispiel hat angekündigt, dass sie uns besuchen will, wenn „das alles hier“ vorbei ist. Und dann bringt sie Kuchen mit. Das sind doch wirklich erfreuliche Aussichten!

Corona-Tagebuch, Teil 1: Wie geht’s?

Wie geht es Ihnen gerade? Haben Sie schulpflichtige Kinder und wissen nicht, wie Sie das mit der Betreuung regeln sollen, wo Sie doch eigentlich arbeiten müssen? Oder würden Sie gerne arbeiten, können es aber nicht, weil die aktuellen Entwicklungen Ihnen soeben die Grundlage für Ihre Existenz entzogen haben? Oder arbeiten Sie bis zur Erschöpfung (und darüber hinaus), weil Sie einen Beruf haben, der für die Versorgung und Aufrechterhaltung der Ordnung nicht wegzudenken ist? Was auch immer wir tun und in welcher konkreten Situation wir jetzt sind: Niemand bleibt von den derzeitigen Entwicklungen verschont, niemand von uns hat wohl je etwas Vergleichbares erlebt.

Auch als Verlag existieren wir nicht in einem Elfenbeinturm oder in einer von allem losgelösten Blase. Auch für uns ändert sich die Situation mit zunehmender Dynamik. Und deshalb wollen wir hier versuchen, ein wenig von dem zu berichten, was uns gerade so umtreibt. Was wir erleben ist einerseits (leider) nichts Besonderes; andererseits gehen aber gerade das Miteinander und der Austausch so ziemlich vor die Hunde. Und deshalb soll das auch ein Versuch sein, etwas besser durch diese Zeit zu kommen und ein wenig in Verbindung zu bleiben – mit Ihnen „da draußen“.

Wie geht es uns im Verlag? Wir haben versucht, Ruhe zu bewahren. Das versuchen wir nach wie vor. Wir haben versucht, einfach weiterzumachen wie bisher. Was denn auch sonst? Natürlich geht Home-Office. Einige von uns nutzen diese Möglichkeit bereits seit längerem. Von daher bestehen Strukturen und technische Voraussetzungen. Es könnten also auch andere mehr oder überhaupt ganz von zu Hause arbeiten.

Doch ist damit alles geklärt? Leider nein. Wir stehen relativ weit am Anfang einer Verwertungskette, die sich zunehmend verletzlich zeigt, Glieder verliert, unterbrochen wird. Wir akquirieren und bearbeiten Manuskripte, die erst gesetzt und dann gedruckt werden müssen. Wie wird es denn mit den Druckereien aussehen? Wird dort der Betrieb (vorerst zumindest) normal weiterlaufen? Oder scheitern wir schon an dieser Stufe? Doch selbst wenn es dort weitergeht: Wer verkauft unsere Bücher? Buchhandlungen, auch wenn der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gerade sehr darum kämpft, werden wohl nicht als Geschäfte gelten, die für die Grundversorgung notwendig sind. – Wer also verkauft unsere Bücher und bringt sie unter die Menschen?

Trainer, Coaches und Seminaranbieter gehören seit Jahren zu den Abnehmern unserer Bücher. Doch es wird so schnell keine Trainings und keine Tagungen mehr geben. Und auch wenn die vielen Absagen uns momentan nicht direkt betreffen: Wir hängen doch mit drin.

Wir planen derzeit unser Herbstprogramm 2020. Hebst, mein Gott! Was wird im Herbst sein, wo man doch überhaupt nicht wissen kann, was im weiteren Verlauf des Frühjahrs und was im Sommer sein wird. Bleiben wir alle gesund? Wie werden wir weitermachen, wenn „das hier“ alles vorbei sein wird? Wann wird das hier alles vorbei sein?

Zum Tod von Heinrich Hagehülsmann (1941–2020)

Heinrich Hagehülsmann

1984, also vor 36 Jahren, erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift für Transaktionsanalyse. Der Herausgeber damals: Heinrich Hagehülsmann. Auf eine solch langjährige Zusammenarbeit blicken wir also zurück. Und sie ist nun wirklich beendet, denn im Februar ist Heinrich Hagehülsmann im Alter von 78 Jahren verstorben.

Der DGTA-Kongress in Nürnberg (1994) zählt zu meinen ganz frühen Dienstreisen für den Verlag. Wir waren mit einem Büchertisch vertreten, und ich lernte viele wichtige Menschen aus der deutschsprachigen TA-Community kennen, u.a. auch Heinrich und Ute Hagehülsmann. Beide suchten das Gespräch mit unserem damaligen Verlagsleiter Gottfried Probst. Man kannte sich und es gab viel Wertschätzung auf beiden Seiten. Zahlreiche TA-Titel waren durch die Vermittlung der beiden Hagehülsmanns zu Junfermann gekommen, z.B. Transaktionsanalyse der Intuition von Eric Berne oder Kopfbewohner von Mary Goulding. Es gab auch eigene Publikationen – und natürlich zahlreiche Artikel in der Zeitschrift.

Es gab mal ruhigere Phasen im Miteinander von Autoren und Verlag, und es gab sehr intensive Zeiten, etwa wenn ein neues Buchprojekt realisiert werden sollte. Es gab immer unglaublich viele Ideen, von denen längst nicht alle umgesetzt wurden, denn für niemanden hat der Tag mehr als 24 Stunden.

Ich erinnere mich an viele nette Telefonate. „Bei euch geht das immer so fix und schön unkompliziert“ hörte ich nicht selten.

Wenn tatsächlich in diesem Jahr der DGTA-Kongress in Osnabrück stattfindet, dann heißt das nicht nur, dass unser vom Virus lahmgelegtes Land wieder in Bewegung kommt. Es heißt auch, dass ich Heinrich Hagehülsmann dort nicht treffen werde. Jedenfalls nicht persönlich. Und doch wird er irgendwie präsent sein. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht vorstellen.

 

Heft 2/2020 der Zeitschrift für Transaktionsanalyse ist in Vorbereitung. Hier wird ein Nachruf von Heidrun Peters und Ulrike Müller erscheinen, den wir auch hier veröffentlichen dürfen.

 

Milder Gelehrter und barocker Genussmensch

Von Heidrun Peters und Ulrike Müller

 

Heinrich Hagehülsmann war Mitbegründer unserer Zeitschrift für Transaktionsanalyse.

Zusammen mit Fritz Wandel und Gudrun Jecht (Hennig) hob er noch in den 1980er-Jahren unsere Fachzeitschrift aus der Taufe und begleitete ihren Werdegang und ihre zunehmende Professionalisierung mit wohlwollender Aufmerksamkeit und steuerte auch immer wieder eigene Beiträge bei.

Nun ist Heinrich Ende Februar gestorben. Er wurde 78 Jahre alt.

Am 5. März nahm eine riesige Trauergemeinde Abschied mit einem sehr bewegenden Trauergottesdienst in der Kapelle des Waldfriedhofs Oldenburg. In Gedenken an Heinrich sprachen Prof. Dr. Peter Gottwald, Heinrichs Weggefährte an der Universität Oldenburg, Peter Rudolph, ehemaliger Ausbildungskandidat und heute EATA-Präsident, und seine Tochter Christina Hagehülsmann, von Kindesbeinen an Teilnehmerin an TA-Kongressen und heute selbst Lehrende und aktiv im Weiterbildungsausschuss.

Schon des Längeren hatte Heinrich sich aus dem „Betrieb“ herausgenommen und sich ganz auf eigenes Schreiben konzentriert. Wie immer im engen Austausch mit seiner Frau Ute. Wir dürfen gespannt sein, was davon als Buch oder Aufsatz veröffentlicht wird.

Heinrich war aber nicht nur der Denker in seiner Klause, er liebte durchaus auch die gesellige Runde – am meisten, wenn sich Sangesfreudige zusammenfanden; dann wurden vorzugsweise Volkslieder gesungen, deren Texte Heinrich fast alle Strophe um Strophe kannte. An solche Abende bei Lehrendentreffen erinnere ich mich besonders gern.

Und er war Genussmensch! Aus Freiburg nahm er gerne ein Kalbsbries mit in den hohen Norden.

Das war aber nur die eine, die lebensfrohe Seite. Die andere war seine Bindung an das spirituelle Erleben.

Ursprünglich sollte er nach dem Wunsch seiner Mutter Priester werden. Er entschied sich jedoch anders, studierte Psychologie, Philosophie und Psychopathologie und schlug nach der Promotion zunächst die akademische Laufbahn ein.

Dann kam die junge Studentin Ute in seine Vorlesungen und warb erfolgreich um ihn. Zusammen bauten sie das Institut „Werkstatt Psychologie“ in der Nähe von Oldenburg auf. Die DGTA durfte über viele Jahrzehnte von dieser „Neuentscheidung“ profitieren!

Immer wieder beschäftigte sich Heinrich auf seiner philosophischen und spirituellen Gründung mit dem Menschenbild und dem Begriff Autonomie. Seine Studien und Veröffentlichungen zum Menschenbild der Transaktionsanalyse gaben der aus den USA importierten Therapierichtung Tiefe und verankerten sie in der europäischen Geistesgeschichte.

Sein Autonomiebegriff ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem des Agnostikers Eric Berne. Gerade diese Spannung macht die Auseinandersetzung mit beiden Denkern so aufregend. Nachzulesen in immer neuen Artikeln in der ZTA.

Ehemalige Weiterbildungskandidat*innen haben Heinrich als den eher erlaubnisorientierten Lehrer erlebt, an der Seite der mehr fordernden Ute. So hat sich das Paar auch in ihren Weiterbildungsgruppen wunderbar ergänzt.

Überhaupt war der eine ohne die andere kaum denkbar, auch wenn ihre beruflichen Wege sie durchaus immer wieder weit auseinanderführten.

Der immerwährende theoretische und intellektuelle Austausch des Paares führte zu einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen: Von einem Buch über die Liebe bis zu ganz pragmatischen Büchern zu Organisationsentwicklung und Beratung.

Das Schlusswort gehört Heinrich selbst.

In seiner Selbstbeschreibung auf der DGTA-Website bringt er auf den Punkt, was ihn als Mensch ausmachte, und was von ihm bleibt – und was wir mit ihm verloren haben.

  • Überzeugt von den positiven Möglichkeiten fester Partnerschaft.
  • Begeisterter Vater von zwei erwachsenen Töchtern.
  • Unterwegs auf dem Weg als Ziel.
  • Wissend, dass Komplexität und Geschwindigkeit mit Tiefe verbunden werden müssen, um wirksam zu sein.
  • Ahnend, dass Spiritualität alle Religionen verbindet.

20 Jahre Beratung Aktuell – Zeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung

von Dr. Rudolf Sanders

Dr. Rudolf Sanders

Als ich in den 1980er-Jahren meine Eheberater-Ausbildung absolvierte, wurden weitestgehend psychoanalytische Ideen auf die Arbeit mit Paaren übertragen. Konkret bedeutete das: Die Partner wurden im Setting voneinander getrennt und mit jedem Einzelnen wurde an einer Verbesserung des Miteinanders gearbeitet. Es gab damals jedoch kaum wissenschaftlich fundierte Antworten auf die Frage, was Paare eigentlich brauchen, damit ihre Beziehung gelingt und, damit verbunden, auch kaum Antworten auf die Frage, was Beziehungen scheitern lässt.


Wie sich für mich das Thema entwickelte

Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie und Senioren brachte das Defizit 1993 auf den Punkt, indem er feststellte, dass kaum evaluative Forschung über die Wirksamkeit von Beratung für den deutschsprachigen Raum vorhanden sei, und seine Empfehlung lautete: „Angesichts der großen Bedeutung, die dem Beratungswesen familienpolitisch zukommt, empfiehlt der Beirat gründliche Bestandsaufnahmen dieses Arbeitsbereichs, damit Grunddaten und Vergleichsgrößen für den Ausbau des Beratungswesens in öffentlicher und freier Trägerschaft vorliegen.“

Aus meiner Sicht gelten die Aussagen aus dem Jahr 1993 für den Beratungsbereich heute noch immer. So fragte Notker Klann im Jahr 2013 kritisch, ob Paare wirklich das in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung bekommen, was sie suchen. Eine ähnliche Position teilt Katharina Klees, wenn sie Standards für eine gute Paartherapie fordert. Sie hat hierzu eine Google-Recherche durchgeführt, um herauszufinden, wo überhaupt eine gute Paartherapie stattfindet. Sie schaute sich die ersten 100 Google-Treffer zu Praxen an, die Paartherapie anbieten, und kam zu folgendem Ergebnis: In 58 dieser Praxen wurde eine Paartherapie von Personen ohne Fachstudium durchgeführt, bei 91 Praxen war nicht erkennbar, nach welchem Ansatz gearbeitet wird. Bei 76 Praxen gab es keinerlei Angaben zu der Qualifizierung der Therapeuten für die Begleitung von Paaren, ein konkretes Therapie- bzw. Beratungskonzept gab es lediglich bei fünf der von ihr recherchierten Praxen.

Als ich 1990 die Leitung der Katholischen Ehe- und Familienberatungsstelle Hagen & Iserlohn übernahm, stand für mich die Beantwortung der Frage: Was brauchen Paare, damit ihre Beziehung gelingt? ganz weit oben. Hilfreich war hier eine Ausbildung zum Integrativen Paartherapeuten (FPI/EAG). Diese basierte auf einem bio-psycho-sozialen Paradigma, mit welchem Hilarion Petzold (1993) die Arbeit mit Menschen für deren Entwicklung als Leib-Geistwesen in der Verbundenheit einer Gemeinschaft beschrieb. Meine Umsetzung in der Paarberatung fand 1997 Eingang in meine Dissertation. Belohnt wurde die Mühe, eine mögliche Antwort auf die o.g. Frage zu finden, mit einem „summa cum laude“ der Uni Münster.

Doch trotz aller Wirksamkeitsnachweise fand mein Weg in der Paarberatung kein Wohlwollen bei dem verantwortlichen Vorgesetzten in der kirchlichen Behörde. Wie also, und vor allem wo, könnte ich von meinen Forschungsergebnissen erzählen? Wie könnte ich dafür eine Öffentlichkeit schaffen? Das waren Fragen, die mich bewegten. Die Möglichkeit der Veröffentlichung in einer überkonfessionellen und parteipolitisch unabhängigen Zeitschrift fehlte. So war auf einmal die Idee da, selbst so eine Zeitschrift herauszugeben.

 

Beratung Aktuell – eine Zeitschrift wird aus der Taufe gehoben

Mit dieser Idee trat ich, zunächst noch mit einem Kooperationspartner, an den Junfermann Verlag heran. Das Ziel der geplanten Zeitschrift: die Beratungsarbeit stärker wissenschaftlich fundieren. Als der mögliche Partner dann ausstieg, fragte mich der Verlag, ob ich dieses Projekt nicht alleine realisieren wolle. Nach einem Tag Bedenkzeit und der expliziten Unterstützung einiger Kolleg*innen aus Wissenschaft und Praxis sagte ich Ja zu dieser Herausforderung.

Ich bin dankbar, dass die Verantwortlichen in Paderborn dafür offene Ohren hatten und bis heute mit großem Engagement die Herausgabe von Beratung Aktuell unterstützen. Im Jahr 1999 wurde ein „Probelauf“ mit vier Ausgaben im Internet umgesetzt. Aufgrund des großen Interesses von Kolleg*innen entstand dann im Jahr 2000 die erste Printausgabe. Seit 2009 wird Beratung Aktuell durch die immer größer werdende Bedeutung des Internets ausschließlich als kostenfreie Open-Access-Zeitschrift online zur Verfügung gestellt.

In einem guten, erfrischenden und mich persönlich bereichernden Miteinander hat Notker Klann seit den ersten Überlegungen meine Idee unterstützt und war von 2006 bis 2017 Mitherausgeber der Zeitschrift. Dankbar bin ich, dass sich dieses konstruktive Miteinander seit 2018 mit Christine Kröger fortsetzt.

Über die Rückmeldung von Frank Nestmann, der in den letzten Jahrzehnten die Beratungswissenschaft und -praxis maßgeblich geprägt und profiliert hat, habe ich mich besonders gefreut. Er schreibt: „Dazu, dass Beratung Aktuell nun schon 20 Jahre existiert, möchte ich Ihnen – auch in guter Erinnerung an unsere Anfangsüberlegungen zur Etablierung des ersten und einzigen wirklich auf BERATUNG fokussierten Fachjournals in Deutschland – herzlich gratulieren. Das ist einfach toll und Ihr Riesenverdienst, für das Ihnen die Beratungswissenschaft, -praxis und -politik großen Dank schuldet.“

Seit dem offiziellen Startschuss im Jahr 2000 ist Beratung Aktuell immer viermal im Jahr erschienen. Neben den Beiträgen finden sich in den Buchbesprechungen Hinweise auf aktuelle Veröffentlichungen, die die Arbeit mit den Menschen, die Beratung aufsuchen, unterstützen können. Als Abschluss des Jubiläumsjahr gibt es eine Sonderausgabe mit vier richtungsweisenden Aufsätzen aus der Anfangszeit, die sich in besonderer Weise mit der Identität und dem Profil von Beratung auseinandersetzen. Die ausgewählten Beiträge sind nicht nur aus historischer Perspektive interessant, sondern in ihren Kernaussagen auch heute höchst relevant.

Alle Ausgaben seit 2009 können Sie hier kostenfrei herunterladen. Und auch auf die vorher in den Printausgaben veröffentlichten Beiträge müssen Sie nicht gänzlich verzichten. Immer wieder werden wir einzelne Schätze aus den Jahren 2000 bis 2008 heben und nachveröffentlichen.

Mir als Herausgeber macht es große Freude, die Entwicklungen in der Beratungswissenschaft durch die Herausgabe dieser Zeitung zu begleiten. Besonders durch die zahlreichen Buchbesprechungen bin und bleibe ich immer auf der Höhe der Zeit. Und noch etwas ist mir sehr wichtig: Das ganze Projekt, sowohl in der Herausgabe als auch in der Autorenschaft, ist ehrenamtlich. Das schafft eine große Freiheit, auch kritische Beiträge veröffentlichen zu können.

Gute Vorsätze? Lieber nicht!

„New Year – New Me“ – so betitelte die Stadtbibliothek Paderborn ihre Themenwoche „Gute Vorsätze“. Der Zeitpunkt war geschickt gewählt, denn Ende Januar ist den meisten nur zu klar: Was man sich ganz euphorisch zum Jahreswechsel, also erst vor Kurzem, vorgenommen hat, ist meistens drei bis vier Wochen später Makulatur.

Für uns im Verlag wurde diese Themenwoche erst am Donnerstag so richtig interessant. Denn abends stand ein Vortrag von Horst Lempart auf dem Programm: „Von guten Vorsätzen und anderen Denkfehlern“. Und darüber etwas zu erfahren interessierte wohl auch viele Paderbornerinnen und Paderborner, denn die Sitzreihen waren gut gefüllt. Mit anderen Worten: Die Hütte war voll.

Horst Lempart eröffnete gleich mit einer provokanten These: Der Mensch ist für Veränderungen nicht gemacht. Und eigentlich könnten wir jetzt eigentlich alle nach Hause gehen, meinte er, denn damit sei doch (fast) alles gesagt.  – Ganz so einfach wollte es ihm dann doch niemand machen. Das Publikum zeigte sich äußerst veränderungsresistent. Es blieb einfach sitzen. Und das sollte sich lohnen, denn in den folgenden 60 Minuten erlebte es einen Vortragenden, der locker und durchaus unterhaltsam Hintergrundwissen zum Thema Veränderung darbot.

Wäre Veränderung ein Elektrogerät, hätte es eine Energieeffizienz im Bereich von D oder E. Gewohnheiten hingegen wären mit A+++ zu bewerten. Für welches Gerät also würde sich ein auf sparsamen Energieverbrauch bedachtes Gehirn entscheiden? Wohl kaum für die Veränderung. Doch das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Die Lösung nämlich liegt nicht in Vorsätzen und Projektionen in die Zukunft, sondern im konkreten Tun im Hier und Jetzt. Nur in der Gegenwart kann der Mensch handeln, kann er Entscheidungen treffen und damit Weichen in Richtung Veränderung stellen. Also statt: „Wenn ich einmal reich / schlank / belesen … bin, werde ich …“ muss es heißen „Ich mache jetzt …“

Welche Wirkung die beherzte Tat haben kann, zeigt sich auch in der Geschichte vom Bären, die Horst Lempart zum Abschluss seines Vortrags zu Gehör brachte: Die Tiere im Wald sind in großer Aufregung. Der Bär soll eine Todesliste haben, und sie alle stehen wohl drauf. Einige von den größeren, stärkeren Tieren fassen sich ein Herz, gehen zum Bären und fragen nach. Der Bär bestätigt jedes Mal: „Ja, auch du stehst auf meiner Liste.“ Schließlich macht sich der Hase auf den Weg und fragt nach. Als der Bär ihm sagt, er habe auch ihn auf der Liste, fragt der Hase: „Kannst du mich streichen?“ Darauf der Bär: „Natürlich, kein Problem.“

Noch Fragen? Na ja, vielleicht eine. All die Menschen, die Horst Lempart so aufmerksam zuhörten: Haben sie noch am selben Abend beherzt Dinge angepackt? Oder haben sie sich gesagt: „Wenn ich erstmal das Buch von dem Herrn Lempart durchgearbeitet habe, dann werde ich …“

Und wer den ganzen Vortrag hören möchte – hier ist er.

 

Buchvernissage in Zürich

Man muss sich nur auf den Weg machen …

Das „Sphères“

Anlässlich des Erscheinens ihres neuen Buchs Auf dem Weg lud unsere Autorin Sabine Claus Anfang Januar ein zur Buchvernissage in das trendige Zürich-West, ein ehemaliges Industriequartier. Im «Sphères», einer Mischung aus Café-Bar, Buchhandlung und Veranstaltungsraum mit Bühne hieß Besitzer Elias Noll die Gäste willkommen und erläuterte, dass das Gebäude früher eine Porzellanfabrik gewesen sei. Da sich die Gegend rund um den Veranstaltungsort im Laufe der Zeit zu einer bekannten Spazierregion entwickelt habe, passe das Sphères ausgesprochen gut zu dieser „sehr speziellen Buchvernissage“. Hinter dem Gebäude fließt zügig die klare Limmat vorbei. Ihre grünen Ufer sind bei Spaziergängern und Fahrradfahrern gleichermaßen beliebt.

Gespräch auf der Bank mit Lesung und Musik

Michael Jaeger sorgt für die musikalische Untermalung des Abends

Daniel Dubach in Aktion

Den Auftakt der Buchtaufe bildete nach einer Improvisation des Saxophonisten Michael Jaeger die Lesung. Sprecher und Dolmetscher Daniel Dubach aus Bern las ausgewählte Passagen aus dem Buch und nahm die Zuhörer*innen mit seiner markanten, warmen Stimme mit auf einen „akustischen Spaziergang durchs Buch“. „Es war ein bewegender Moment, meinen Text, den ich ja nur vom Laptop und auf Papier gedruckt kenne, plötzlich zu hören. Er verwandelte sich in etwas ganz Eigenes“, kommentierte Sabine Claus anschließend das Vorgetragene.

 

 

Dr. Katrin Merz (r.), Psychiaterin und Psychotherapeutin, weiß um die positive Wirkung von Bewegung auf ihre Patient*innen

Ein weiterer Gast des Abends war die Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. med. Katrin Merz, die mit Sabine Claus auf der knallroten Bank, umgeben von Bücherregalen, Platz genommen hatte und über das Buch sprach . „Ich war sehr angetan, als ich von dem Buch hörte, denn Spazierengehen ist etwas, das bei den meisten meiner schwerkranken Patienten immer noch geht“, sagte die Ärztin. Spazieren könne – neben dem Aspekt der gesundheitsfördernden rhythmischen Bewegung – auch als Übung der Achtsamkeit verstanden werden. Um gesünder durchs Leben zu gehen (im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn), brauche es das Gewahrsein und das Erfahren des achtsamen Unterwegsseins.

„Ich habe mich durch das Buch ermutigt gefühlt, über das Verhältnis von mir selbst zur Natur und meiner Umgebung, in der ich lebe, nachzudenken“, sagte eine Besucherin der Vernissage:

„Es tut gut zu sehen, dass der Weg immer weitergeht. Schritt für Schritt und Etappe für Etappe. Ein Spaziergang als Bild für das Leben.“

Katrin Merz stellte fest, dass das Buch perfekt zum neu erwachten ökologischen Bewusstsein und somit zum aktuellen Zeitgeist passe. „Ich nehme im Buch nur wenig expliziten Bezug auf ökologische Themen, weil die Umweltfreundlichkeit eines Spaziergangs solch eine Selbstverständlichkeit ist, dass ich nicht extra darauf hinweisen wollte“, erklärt Sabine Claus. „Aber der Zeitgeist und die beherzte Arbeit so vieler Klimaaktivistinnen und -aktivisten sowie die Themen meines Buches passen natürlich zusammen. Spazieren ist zudem für mich eine Art Lebenskunst: Wir bewegen uns auf natürliche Art und Weise fort in einem zutiefst menschlichen Tempo. Und dabei sind wir sowohl in Kontakt mit uns selbst als auch mit unserer Umwelt. Aus- und Einsichten begleiten uns dabei Schritt für Schritt.“ Was wir dabei erlebten sei eine ganz besondere Form von Resonanz: „Resonanz ist unser Draht zur Welt, unsere Verbindung zur Welt. Die Umgebung hat Effekte auf uns. Das erlebt jeder am eigenen Leib, der das Glück hat, durch eine schöne, intakte Landschaft spazieren zu dürfen. Genauso haben aber auch wir Spaziergänger Effekte auf die Umgebung.“

 

Ein Spaziergang hilft gegen (fast) alles!

Die Autorin berichtet auch über ihre Umfrage zum Thema Spazieren. Die älteste Person, die daran teilgenommen hatte, war 94 Jahre alt. „Das lässt mich hoffen, dass Spazierengehen jung hält“, lacht Sabine Claus. „Als Fazit der Umfrage darf ich feststellen: Spazieren hilft gegen fast alles! Es fördert das körperliche Wohlbefinden und das seelische, trägt zu Problemlösungen bei und lässt uns die Verbundenheit zur Natur erleben oder ein gutes Gespräch entstehen.“

 

Redakteurin Katharina Geiger (m.) im Gespräch mit Sabine Claus (l.)

Da Sabine Claus in ihrem Buch unter anderem 20 konkrete Spaziergänge beschreibt, könnte man meinen, es handele sich um einen Wanderführer. „Aber es geht ja um etwas anderes, nämlich um Lebensthemen“, stellt Karin Merz fest. „Wie hast du die 20 Spaziergänge in deinem Buch gefunden und zusammengestellt?“ „Die Zusammenstellung der Themen geschah autobiographisch. Ich habe meine persönlichen und beruflichen Erfahrungen aus Spaziergängen genutzt. Außerdem besondere Begegnungen mit Menschen, z. B. mit einem Meditationslehrer, einer Lehrerin für Bogenschießen, einem Fotografen, einer Naturschützerin auf Amrum oder auch mit der Redakteurin Katharina Geiger (auf dem Foto in der Mitte) aus München, der ich im Rahmen eines Familienfestes an der Isar-Quelle begegnet bin. Sie hat mich für den Barfuß-Spaziergang inspiriert.“

 

Nach dem Gespräch auf der Bank mischten sich die Gäste mit Fragen ein . Wie kann man Spazieren trotz eines „randvollen Alltags“ zur Gewohnheit werden lassen? Eine berufstätige Mutter von zwei Kindern erzählt, dass sie regelmäßig mit ihrem Sohn spazieren gehe: „Nirgendwo sonst kann man sich mit seinen jugendlichen Kindern ungestörter unterhalten, nirgendwo sonst werden so viele Themen offenbar.“ Ein weiterer Gast, Unternehmensberater von Beruf, berichtet von einem „Knorz“ im Kopf, der beim Spazieren tatsächlich kleiner geworden sei. Und eine vielbeschäftigte Hotelfachfrau gab zum Besten, dass sie seit der Lektüre des Buches anders zu Fuß unterwegs sei und ihre Umgebung mit anderen Augen wahrnähme.

 

Abgerundet wurde der Abend mit einem geselligen Apéro, der sich mit Begegnungen und Gesprächen von der Empore bis zur Bar noch bis spät in den Abend hineinzog. Die Autorin signierte ihre Bücher und verschenkte farbenfrohe Postkarten, auf denen die Frage „Willst Du mit mir gehen?“ prangte. Eine schöne Idee, jemanden per Postkarte zu einem Spaziergang einzuladen, finden die Gäste. Es braucht manchmal so wenig, um sich und seinen Mitmenschen etwas Gutes zu tun. Man muss sich nur auf den Weg machen, und der beginnt dort, wo man gerade steht.

 

Übrigens: Wer selbst an der Spazier-Umfrage, deren Ergebnisse jährlich aktualisiert werden, teilnehmen möchte, der kann dies hier tun.

 

Über die Autorin

Sabine Claus ist Betriebswirtschaftlerin und Master of Advanced Studies in Coaching & Organisationsberatung. Sie hilft Unternehmen in Veränderungsprozessen und begleitet Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung sowie in den Bereichen Selbst- und Mitarbeiterführung, Team und Konflikt, Karriere und Auftrittskompetenz.

www.aufdemweg.ch

Neben ihrer jüngsten Publikation Auf dem Weg. 20 Spaziergänge für das seelische Wohlbefinden (2019) ist das Buch Mein allerbestes Jahr. Ziele erreichen. Dem Leben Richtung geben (2014) im Junfermann Verlag erschienen.

www.sabineclaus.ch