Horst Lempart
Foto: Alea Horst
Horst Lempart lebt nicht weit entfernt von den Überflutungsgebieten im Ahrtal. Er hat Coaching-Klienten in dieser Gegend, kauft gerne Wein bei den Ahr-Winzern. Wie er die Zeit unmittelbar nach der Flutkatsatrophe erlebt hat, schildert er in diesem Beitrag:
Bis dass es wieder so etwas wie ein „normales“ Leben gibt, wird noch viel Wasser die Ahr runter fließen. Fragt sich, was für ein Waser das ist. Als ich letzte Woche mit der Bahn über die Ahr fuhr, ganz an ihrem Ende, kurz vor der Mündung in den Rhein, war ich tief erschüttert von dem Anblick. Heute noch, mehr als vier Wochen nach der verheerenden Flut, plätschert nur ein braunes Rinnsal zwischen entwurzelten Bäumen vor sich hin. In Sinzig zieht sie sich an einer ehemaligen Kläranlage vorbei, von der heute nur noch Fragmente zu erkennen sind. Der komplette Inhalt ist fortgespült, mit ihm Gebäude und technische Anlagen. Sämtliche Abwässer laufen ungeklärt an der Anlage vorbei, direkt in unsere Flüsse. Eine Umweltkatastrophe, die zu allen menschlichen Schicksalen noch hinzukommt.
„Ich kann den Termin nicht wahrnehmen. Wir werden gerade evakuiert. Wir haben keinen Plan.“
In der Nacht vom 14. auf den 15 Juli schob sich eine riesige Flutwelle durch das Ahrtal. Ich hatte morgens um 9:00 Uhr einen Coaching-Termin mit einem Klienten aus Bad Neuenahr geplant. Um 5:20 Uhr erhielt ich eine SMS: „Ich kann den Termin nicht wahrnehmen. Wir werden gerade evakuiert. Wir haben keinen Plan.“ So wie meinem Klienten ging es vielen. Von jetzt auf gleich änderte sich alles, leider nicht zum Guten. Und ohne Plan läuft auch heute noch vieles. Irgendwie weitermachen. Von den Winzern, bei denen ich in den letzten Jahren oft eingekauft habe, sind ausnahmslos alle betroffen. Als Flutwein verkaufte Flaschen sollen einen kleinen Teil des Schadens auffangen. Bei der Dimension der Schäden ein kleiner, aber feiner Tropfen.
Heute morgen sprach ich mit einer Hundeführerin vom THW. Ihre Hundestaffel ist darauf abgerichtet, Schadstoffe aufzuspüren, die tausendfach im Ahrtal zu finden sind. Nicht nur in der Ahr, sondern auf Friedhöfen, in Kellern und Wohnungen. Einiges davon ist inzwischen geräumt. Wohin mit dem Sondermüll – das weiß keiner so genau. Nur weg von dort. Die Menschen brauchen klare Luft zum Durchatmen.
„Das Aufspüren von Leichen übernehmen die Polizeihunde“, sagt die Dame. „Aber von den noch Vermissten werden sie nicht mehr viel finden. Teilweise liegen meterdicke Schlammschichten an den Ufern, die sind hart wie Stein. Und von mehr als 30 Menschen weiß man bis heute nicht, wer sie sind. Es sind oft nur Körperteile zu finden. Zahn- und DNA-Analysen sind schwierig, weil alles weggespült wurde.“
Eigentlich hätte die Ahr im nächsten Jahr erblühen sollen.
Eigentlich hätte die Ahr im nächsten Jahr erblühen sollen. Die Landesgartenschau war dort geplant, die Vorbereitungen in vollem Gange. Ich bin gespannt, wann es im Kurpark mal wieder blühen wird. Sobald es möglich ist, werde ich wieder als Besucher an die Ahr kommen. Die Menschen dort brauchen eine Perspektive, auch wirtschaftlich. Gerade der Tourismus hat im Ahrtal einen sehr hohen Stellenwert. Jeder Euro, der dort ausgegeben wird, ist auch ein Euro in die Zukunft der Region.
Angebote für Betroffene und Helfer*innen
Für die Betroffenen und Helfer*innen biete ich bis zum Jahresende kostenlose psychologische Beratungen und Supervisionen an. Oft kommt der Gesprächsbedarf erst dann, wenn das nackte Überleben gesichert ist und der Alltag „irgendwie“ Einzug gehalten hat. Sprechen kann zwar keine Steine wegräumen, aber den ein oder anderen Stein vom Herzen fallen lassen.
Ich möchte Sie ermuntern, auch mit kreativen Ideen für das Ahrtal aktiv zu werden. Auch wenn Sie mit einem Glas Flutwein anstoßen.
Danke.
Informationen zum Angebot von Horst Lempart gibt es hier. Wer darüber hinaus interessiert ist, ebenfalls beraterische Katastrophenhilfe für Flutopfer zu leisten und sich mit Horst Lempart austauschen oder vernetzen will, findet hier seine Kontaktdaten.